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Bundesweite Demonstration zum Weltfrauentag, Köln, 12.3.2016
Embedded Feminism
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„Die kritisch zugespitzte und zugleich griffige Formulierung 'embedded feminism' geht auf die kanadische Feministin und Politikwissenschaftlerin Krista Hunt (2006) zurück und beschreibt die strategische Indienstnahme feministischer Positionen in Begründungs- und Legitimierungsdiskursen staatlicher und militärischer Gewalt." Am 12. März 2016 gab es in Köln eine bundesweite Demonstration unter dem Motto „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism“ Aufgerufen hatte eine Vielzahl von Organisationen und Einzelpersonen.
„Frauen schlagen zurück – Gegen Rassismus und Sexismus“ (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Zerschlagt Kapitalismus“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Nein zu Rassismus, Nein zu Sexismus – Köln gegen rechts“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Reclaim Feminism“ (Holt Euch den Feminismus zurück)
„Gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamismus“
„Ich kann mir keinen Feminismus vorstellen, der nicht antirassistisch ist“
„Zerschlagt das Patriarchat“, „Das Problem heißt Sexismus“
„Fähren statt Frontex – Grenzen töten“
„Weder Rassismus noch Fundamentalismus“
„Unser Feminismus ist antirassistisch! Holt Euch den Feminismus zurück“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Krieg den deutschen Zuständen!“ – „Wenn die nationale Borniertheit überall widerlich ist, so wird sie namentlich in Deutschland ekelhaft…!“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Nein heißt Nein“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Wir gedenken Farkhunda Malikzada…“
Prof. Maria Mies: "...nicht in unserem Sinne..."
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Star Wars“
Wie sieht das aus, wenn Frau hier den Platz betritt?
„Auf den ersten Blick sieht man nur die Polizei und denkt, was, sind die Frauen so gefährlich. Auf den zweiten Blick sieht man den schwarzen Block und denkt, 80er Jahre, Autonome – ist das hier die Frauendemo? Bis man jemand findet, eine Dame, die man kennt und die Frau fragen kann: ist das hier wirklich die Frauendemo? Und das ist sie. Vorne laufen Lesben, Bi, Trans und was da alles zugehört, dann kommen die kurdischen Frauen und hinterher der Rest. die Jungs, sagt sie.“
Frage an eine andere Teilnehmerin (ca. 55 Jahre): Wie ist Dein Eindruck hier?
„Sehr gemischt. Ich war auch, als ich hier rein kam, über das Aufgebot an Polizei sehr erschrocken. Ich weiß nicht, ob die Frauen so gefährlich sind.“
Die Zeiten ändern sich nun mal. Kommentar von befragten Polizisten, wozu das Großaufgebot: Es soll uns niemand vorwerfen, dass wir nicht da sind. – Aha! Silvester muss auch hier als Folie herhalten.
Frage an einen männlichen Teilnehmer (ca. 60 Jahre): Du warst gestern schon hier zu einer Friedensdemo. Da gab es nicht so ein Aufgebot blau-weiss-grün. Wie findest Du das?
„Wie ich das finde? Ich muss nicht lange suchen. Ich finde es überall. Es ist ja wahrscheinlich nötig, die vielen Nordafrikaner zurückzuhalten. Die Polizei schützt uns – mit Gittern und – ich schätze mal – 50 von den Wannen. Wir dürfen uns beschützt fühlen. Also, im Grunde ist es empörend. Gerade bei dem Thema.“
Frage (wie vor) an zwei männliche Teilnehmer (ca. 30 Jahre): „Typisches Verhalten bei linken Demonstrationen. martialisches Polizeigehabe auffahren.“
Wie findest du die Umrundung von viel Blech und blau und grün?
„Nicht schön. Wir sind hier, um friedlich zu demonstrieren, und das ist eine Drohgebärde von aussen, die den Sinn verkehrt. Die Frage ist, vor wem die uns wieder beschützen wollen. wahrscheinlich vor uns selber.“
Die Zeiten ändern sich und der Feminismus soll zurück erobert werden. Ja, von wem denn?
Auch am Platz ist die Feministin und Globalisierungskritikerin Prof. Maria Mies. Frage: Wie fühlst Du Dich hier?
„Nicht gut. Das hat mit unseren Frauenthemen nichts zu tun. Es ist nicht in unserem Sinne. Die Frauenbewegung ist schwach. Und die Instrumentalisierung nimmt den Forderungen die Schärfe.“
Der spontane Vorschlag, dass die weltbekannte Kölner Feministin einige Worte an die Menge richtet, wird abgelehnt. Das Boot, d.h. die Rednerliste ist voll.
Gegen den Krieg zu sein ist keine Selbstverständlichkeit mehr
Zum Begriff „Embedded Feminism“ einige Ausführungen von Andrea Nachtigall in Peripherie Nr. 133, Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, 2014:
„Die kritisch zugespitzte und zugleich griffige Formulierung „embedded feminism“ geht auf die kanadische Feministin und Politikwissenschaftlerin Krista Hunt (2006) zurück und beschreibt die strategische Indienstnahme feministischer Positionen in Begründungs- und Legitimierungsdiskursen staatlicher und militärischer Gewalt. Hunt entwickelt diesen Topos im Kontext des ‘War on Terror’ in kritischer Auseinandersetzung mit der Kriegsrhetorik der Bush-Regierung. Nach den Anschlägen des 11.9.2001, zeitgleich mit den Vorbereitungen der Militärinvasion in Afghanistan, begann die US-Regierung, sich für die Situation der afghanischen Frauen zu interessieren. Konservative und antifeministische Politiker_innen – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa –, wiesen plötzlich auf die Unterdrückung und Entrechtung dieser Frauen durch die Taliban hin und machten sich, begleitet und unterstützt von den Massenmedien, für Frauenrechte und ein Ende der Gewalt gegen Frauen (in Afghanistan) stark. Wie Hunt und andere Autor_innen argumentieren, blieb das ‘feministische’ Interesse jedoch an der Oberfläche. Die Berichte über das Leid der afghanischen Frauen, verbunden mit dem Ruf nach Wiederherstellung oder Einführung von Frauenrechten, wurden vielmehr bewusst zur Begründung und Legitimierung des Militäreinsatzes instrumentalisiert...“
Und eine Einschätzung zur Publikation von Bettina Engels, Corinna Gayer (Hg.): Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt. – Feministische Denkanstöße für die Friedens- und Konfliktforschung, Baden-Baden, 2011, durch Rezensent Heinz Jürgen Voß:
„Noch in den 1980er Jahren war es nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass sich feministische Frauen für Frieden einsetzten. Diese Selbstverständlichkeit ist einem diskursiven Gewirr gewichen, in dem die aktuellen militärischen Auseinandersetzungen und ein Eingreifen der ‘demokratischen’ Länder des Westens dominant über Frauen- und Homosexuellenrechte gerechtfertigt werden. Emanzipatorische Bewegungen zeigen sich gespalten – gegen den Krieg zu sein ist keine Selbstverständlichkeit mehr.“
TINA – There is no alternative?
Nachfolgend der Aufruf zur bundesweit beworbenen Kundgebung und Demonstration mit ca. 4000 TeilnehmerInnen. Dazu einige Bemerkungen: „Weltweit“ soll über „die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden.“ Die Frauen des Woman Walk Cologne (17.1.2016) lehnen den Begriff „sexualisierte Gewalt“ ab. WAS WIR FEIERN? Wir feiern kämpferische Frauen... (auch kriegerische? Soldatinnen, Kanzerlinnen, Managerinnen?) „Unser Feminismus ist antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen in der Silvesternacht.“ Damit wird die offizielle Darstellung (auch der Boulevardpresse) als Fakt akzeptiert.
Reclaim Feminism, die Regenerierung und Zurückeroberung des Feminismus? Von wem und wofür? Wer braucht das? Cui bono?
Aufruf Weltfrauentag 2016
Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism
WORÜBER GESCHWIEGEN WIRD
Das Jahr 2016 hat in vielen Städten Deutschlands mit Übergriffen auf Frauen* begonnen – auch in Köln. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ist in der Silvesternacht sichtbar geworden – unübersehbar in die öffentliche Debatte gezerrt. Wieso plötzlich das mediale Interesse? Die Thematisierung ist richtig und wichtig. Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester – und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren – muss jegliche gewünschte Solidarität und Unterstützung zukommen. Es ging dabei jedoch nicht vorrangig um die Benennung sexualisierter Gewalt, sondern um die vermeintliche Herkunft der Täter – und das unverhohlen rassistisch: Im Verlauf wurde schnell nicht mehr über Sexismus gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung und Abschiebung. Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht. Er findet statt – schon immer, ständig und überall. Sexismus findet sich strukturell in unterschiedlich hoher Entlohnung, Benachteiligung aller Frauen*, speziell von Transfrauen und Frauen* of colour, am Arbeitsmarkt oder in unterschiedlichen Belastungen, bspw. durch Kinderbetreuung wieder. Er findet sich ebenso in sexistischer Werbung und in den Seminaren von sogenannten „Pick-up Artists“, in den Männer lernen, wie sie Frauen* gegen ihren Willen verfügbar machen. Nicht gesprochen wird über sexualisierte Gewalt, die in den eigenen vier Wänden stattfindet. So finden mehr als zwei Drittel aller Vergewaltigungen im nahen Umfeld statt, von Verwandten, Bekannten und (Ex-)Partnern. Nicht gesprochen wird über die alltägliche Sexualisierung und sexualisierten Übergriffe auf Frauen* of colour.
WORÜBER WIR SPRECHEN SOLLTEN
Statt sich in rassistischen Debatten über Täterschaft zu ergehen, sollte über die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden – und das weltweit. Es sollte um den Rassismus und die andauernde Gewalt gegen Geflüchtete gehen, denn weiter gibt es täglich Anschläge gegen Unterkünfte. Es muss über die Kriege gesprochen werden, an denen die BRD beteiligt ist. Über ihren brutalen Charakter, die Militarisierung nach Außen und Innen und ihre Fortsetzung in den Geschlechterverhältnissen. Diese Kriege vertreiben Menschen, zerstören ihre Lebensgrundlage und zwingen sie zur Flucht. Dafür trägt die menschenverachtende Politik der EU die Verantwortung – voran die BRD. Viele Frauen* und Kinder sind auf der Flucht und auf dem lebensgefährlichen Weg in Richtung Sicherheit und in den Geflüchtetenunterkünften in höchstem Maße sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Viele Frauen* und Kinder müssen zurückbleiben und werden durch die Beschlüsse der deutschen Bundesregierung, wie im Asylpaket II, in lebensgefährlichen Kriegsgebieten oder an Europas Außengrenzen der Gewalt überlassen. Denn die Asylrechtsverschärfung, die die Regierung als Reaktion auf die sexualisierte Gewalt verkaufen will, trifft in Wirklichkeit Frauen* und Kinder weltweit am härtesten. Innerhalb Deutschlands sind wir schon seit Jahren mit einem Backlash (also einem Rückschritt bei den feministischen Errungenschaften) konfrontiert. Dabei stellen Entwicklungen wie ungleiche Lohnbezahlung, Herdprämie, die Proteste der sogenannten Lebenschützer*innen, homo- und transphobe Mobilisierungen gegen sexuelle Bildung und Antidiskriminierungsarbeit an Schulen sowie die Akzeptanz sexualisierter Gewalt nur eine kleine Auswahl dar. Aktuell werden diese in rassistischen und antifeministischen öffentlichen Debatten deutlich. Rechtspopulistische Parteien und neonazistische Gruppierungen erfahren einen Aufschwung, werden hoffähig gemacht und benutzt, um eine rassistische Politik durchzusetzen.
WAS WIR FEIERN
Wir feiern kämpferische Frauen* und Frauen* in Kämpfen, die zeigen, dass eine solidarische, befreite Zukunft möglich ist. So beispielsweise die Frauen, die in der Revolution im kurdischen Rojava im Norden Syriens aktiv sind. Wir feiern alle, die in Frauen*häusern arbeiten oder Geflüchtete unterstützen. Wir feiern all die mutigen Frauen*, Lesben, Trans* und Inter*personen, die sich einer hierarchischen Geschlechterordnung widersetzen. Wir feiern all jene, die Zäune überwunden haben und die Festung Europa kurzzeitig ins Wanken gebracht haben – jetzt erst recht! Organisieren wir uns global, ohne Grenzen! Wir wollen eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Ausgrenzung, ohne den sexistischen und rassistischen Normalzustand. Wir wollen Solidarität und Respekt untereinander. Es lebe die Verschiedenheit! Im Rahmen des internationalen Frauen*kampftages wollen wir unseren Protest sowohl gegen Sexismus als auch Rassismus entschieden, laut und kämpferisch auf die Kölner Straßen tragen: Unser Feminismus ist antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen der Silvesternacht.
https://reclaimfeminism.org/aufruf/buendnis-aufruf/
Online-Flyer Nr. 554 vom 23.03.2016
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Bundesweite Demonstration zum Weltfrauentag, Köln, 12.3.2016
Embedded Feminism
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„Die kritisch zugespitzte und zugleich griffige Formulierung 'embedded feminism' geht auf die kanadische Feministin und Politikwissenschaftlerin Krista Hunt (2006) zurück und beschreibt die strategische Indienstnahme feministischer Positionen in Begründungs- und Legitimierungsdiskursen staatlicher und militärischer Gewalt." Am 12. März 2016 gab es in Köln eine bundesweite Demonstration unter dem Motto „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism“ Aufgerufen hatte eine Vielzahl von Organisationen und Einzelpersonen.
„Frauen schlagen zurück – Gegen Rassismus und Sexismus“ (alle Fotos: arbeiterfotografie.com)
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Zerschlagt Kapitalismus“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Nein zu Rassismus, Nein zu Sexismus – Köln gegen rechts“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Reclaim Feminism“ (Holt Euch den Feminismus zurück)
„Gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamismus“
„Ich kann mir keinen Feminismus vorstellen, der nicht antirassistisch ist“
„Zerschlagt das Patriarchat“, „Das Problem heißt Sexismus“
„Fähren statt Frontex – Grenzen töten“
„Weder Rassismus noch Fundamentalismus“
„Unser Feminismus ist antirassistisch! Holt Euch den Feminismus zurück“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Krieg den deutschen Zuständen!“ – „Wenn die nationale Borniertheit überall widerlich ist, so wird sie namentlich in Deutschland ekelhaft…!“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Nein heißt Nein“
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Wir gedenken Farkhunda Malikzada…“
Prof. Maria Mies: "...nicht in unserem Sinne..."
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
Auftakt auf dem Roncalliplatz
„Star Wars“
Wie sieht das aus, wenn Frau hier den Platz betritt?
„Auf den ersten Blick sieht man nur die Polizei und denkt, was, sind die Frauen so gefährlich. Auf den zweiten Blick sieht man den schwarzen Block und denkt, 80er Jahre, Autonome – ist das hier die Frauendemo? Bis man jemand findet, eine Dame, die man kennt und die Frau fragen kann: ist das hier wirklich die Frauendemo? Und das ist sie. Vorne laufen Lesben, Bi, Trans und was da alles zugehört, dann kommen die kurdischen Frauen und hinterher der Rest. die Jungs, sagt sie.“
Frage an eine andere Teilnehmerin (ca. 55 Jahre): Wie ist Dein Eindruck hier?
„Sehr gemischt. Ich war auch, als ich hier rein kam, über das Aufgebot an Polizei sehr erschrocken. Ich weiß nicht, ob die Frauen so gefährlich sind.“
Die Zeiten ändern sich nun mal. Kommentar von befragten Polizisten, wozu das Großaufgebot: Es soll uns niemand vorwerfen, dass wir nicht da sind. – Aha! Silvester muss auch hier als Folie herhalten.
Frage an einen männlichen Teilnehmer (ca. 60 Jahre): Du warst gestern schon hier zu einer Friedensdemo. Da gab es nicht so ein Aufgebot blau-weiss-grün. Wie findest Du das?
„Wie ich das finde? Ich muss nicht lange suchen. Ich finde es überall. Es ist ja wahrscheinlich nötig, die vielen Nordafrikaner zurückzuhalten. Die Polizei schützt uns – mit Gittern und – ich schätze mal – 50 von den Wannen. Wir dürfen uns beschützt fühlen. Also, im Grunde ist es empörend. Gerade bei dem Thema.“
Frage (wie vor) an zwei männliche Teilnehmer (ca. 30 Jahre): „Typisches Verhalten bei linken Demonstrationen. martialisches Polizeigehabe auffahren.“
Wie findest du die Umrundung von viel Blech und blau und grün?
„Nicht schön. Wir sind hier, um friedlich zu demonstrieren, und das ist eine Drohgebärde von aussen, die den Sinn verkehrt. Die Frage ist, vor wem die uns wieder beschützen wollen. wahrscheinlich vor uns selber.“
Die Zeiten ändern sich und der Feminismus soll zurück erobert werden. Ja, von wem denn?
Auch am Platz ist die Feministin und Globalisierungskritikerin Prof. Maria Mies. Frage: Wie fühlst Du Dich hier?
„Nicht gut. Das hat mit unseren Frauenthemen nichts zu tun. Es ist nicht in unserem Sinne. Die Frauenbewegung ist schwach. Und die Instrumentalisierung nimmt den Forderungen die Schärfe.“
Der spontane Vorschlag, dass die weltbekannte Kölner Feministin einige Worte an die Menge richtet, wird abgelehnt. Das Boot, d.h. die Rednerliste ist voll.
Gegen den Krieg zu sein ist keine Selbstverständlichkeit mehr
Zum Begriff „Embedded Feminism“ einige Ausführungen von Andrea Nachtigall in Peripherie Nr. 133, Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, 2014:
„Die kritisch zugespitzte und zugleich griffige Formulierung „embedded feminism“ geht auf die kanadische Feministin und Politikwissenschaftlerin Krista Hunt (2006) zurück und beschreibt die strategische Indienstnahme feministischer Positionen in Begründungs- und Legitimierungsdiskursen staatlicher und militärischer Gewalt. Hunt entwickelt diesen Topos im Kontext des ‘War on Terror’ in kritischer Auseinandersetzung mit der Kriegsrhetorik der Bush-Regierung. Nach den Anschlägen des 11.9.2001, zeitgleich mit den Vorbereitungen der Militärinvasion in Afghanistan, begann die US-Regierung, sich für die Situation der afghanischen Frauen zu interessieren. Konservative und antifeministische Politiker_innen – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und Europa –, wiesen plötzlich auf die Unterdrückung und Entrechtung dieser Frauen durch die Taliban hin und machten sich, begleitet und unterstützt von den Massenmedien, für Frauenrechte und ein Ende der Gewalt gegen Frauen (in Afghanistan) stark. Wie Hunt und andere Autor_innen argumentieren, blieb das ‘feministische’ Interesse jedoch an der Oberfläche. Die Berichte über das Leid der afghanischen Frauen, verbunden mit dem Ruf nach Wiederherstellung oder Einführung von Frauenrechten, wurden vielmehr bewusst zur Begründung und Legitimierung des Militäreinsatzes instrumentalisiert...“
Und eine Einschätzung zur Publikation von Bettina Engels, Corinna Gayer (Hg.): Geschlechterverhältnisse, Frieden und Konflikt. – Feministische Denkanstöße für die Friedens- und Konfliktforschung, Baden-Baden, 2011, durch Rezensent Heinz Jürgen Voß:
„Noch in den 1980er Jahren war es nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass sich feministische Frauen für Frieden einsetzten. Diese Selbstverständlichkeit ist einem diskursiven Gewirr gewichen, in dem die aktuellen militärischen Auseinandersetzungen und ein Eingreifen der ‘demokratischen’ Länder des Westens dominant über Frauen- und Homosexuellenrechte gerechtfertigt werden. Emanzipatorische Bewegungen zeigen sich gespalten – gegen den Krieg zu sein ist keine Selbstverständlichkeit mehr.“
TINA – There is no alternative?
Nachfolgend der Aufruf zur bundesweit beworbenen Kundgebung und Demonstration mit ca. 4000 TeilnehmerInnen. Dazu einige Bemerkungen: „Weltweit“ soll über „die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden.“ Die Frauen des Woman Walk Cologne (17.1.2016) lehnen den Begriff „sexualisierte Gewalt“ ab. WAS WIR FEIERN? Wir feiern kämpferische Frauen... (auch kriegerische? Soldatinnen, Kanzerlinnen, Managerinnen?) „Unser Feminismus ist antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen in der Silvesternacht.“ Damit wird die offizielle Darstellung (auch der Boulevardpresse) als Fakt akzeptiert.
Reclaim Feminism, die Regenerierung und Zurückeroberung des Feminismus? Von wem und wofür? Wer braucht das? Cui bono?
Aufruf Weltfrauentag 2016
Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism
WORÜBER GESCHWIEGEN WIRD
Das Jahr 2016 hat in vielen Städten Deutschlands mit Übergriffen auf Frauen* begonnen – auch in Köln. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ist in der Silvesternacht sichtbar geworden – unübersehbar in die öffentliche Debatte gezerrt. Wieso plötzlich das mediale Interesse? Die Thematisierung ist richtig und wichtig. Den Betroffenen der sexualisierten Übergriffe von Silvester – und aller sexualisierten Übergriffe, die alltäglich passieren – muss jegliche gewünschte Solidarität und Unterstützung zukommen. Es ging dabei jedoch nicht vorrangig um die Benennung sexualisierter Gewalt, sondern um die vermeintliche Herkunft der Täter – und das unverhohlen rassistisch: Im Verlauf wurde schnell nicht mehr über Sexismus gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung und Abschiebung. Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht. Er findet statt – schon immer, ständig und überall. Sexismus findet sich strukturell in unterschiedlich hoher Entlohnung, Benachteiligung aller Frauen*, speziell von Transfrauen und Frauen* of colour, am Arbeitsmarkt oder in unterschiedlichen Belastungen, bspw. durch Kinderbetreuung wieder. Er findet sich ebenso in sexistischer Werbung und in den Seminaren von sogenannten „Pick-up Artists“, in den Männer lernen, wie sie Frauen* gegen ihren Willen verfügbar machen. Nicht gesprochen wird über sexualisierte Gewalt, die in den eigenen vier Wänden stattfindet. So finden mehr als zwei Drittel aller Vergewaltigungen im nahen Umfeld statt, von Verwandten, Bekannten und (Ex-)Partnern. Nicht gesprochen wird über die alltägliche Sexualisierung und sexualisierten Übergriffe auf Frauen* of colour.
WORÜBER WIR SPRECHEN SOLLTEN
Statt sich in rassistischen Debatten über Täterschaft zu ergehen, sollte über die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden – und das weltweit. Es sollte um den Rassismus und die andauernde Gewalt gegen Geflüchtete gehen, denn weiter gibt es täglich Anschläge gegen Unterkünfte. Es muss über die Kriege gesprochen werden, an denen die BRD beteiligt ist. Über ihren brutalen Charakter, die Militarisierung nach Außen und Innen und ihre Fortsetzung in den Geschlechterverhältnissen. Diese Kriege vertreiben Menschen, zerstören ihre Lebensgrundlage und zwingen sie zur Flucht. Dafür trägt die menschenverachtende Politik der EU die Verantwortung – voran die BRD. Viele Frauen* und Kinder sind auf der Flucht und auf dem lebensgefährlichen Weg in Richtung Sicherheit und in den Geflüchtetenunterkünften in höchstem Maße sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Viele Frauen* und Kinder müssen zurückbleiben und werden durch die Beschlüsse der deutschen Bundesregierung, wie im Asylpaket II, in lebensgefährlichen Kriegsgebieten oder an Europas Außengrenzen der Gewalt überlassen. Denn die Asylrechtsverschärfung, die die Regierung als Reaktion auf die sexualisierte Gewalt verkaufen will, trifft in Wirklichkeit Frauen* und Kinder weltweit am härtesten. Innerhalb Deutschlands sind wir schon seit Jahren mit einem Backlash (also einem Rückschritt bei den feministischen Errungenschaften) konfrontiert. Dabei stellen Entwicklungen wie ungleiche Lohnbezahlung, Herdprämie, die Proteste der sogenannten Lebenschützer*innen, homo- und transphobe Mobilisierungen gegen sexuelle Bildung und Antidiskriminierungsarbeit an Schulen sowie die Akzeptanz sexualisierter Gewalt nur eine kleine Auswahl dar. Aktuell werden diese in rassistischen und antifeministischen öffentlichen Debatten deutlich. Rechtspopulistische Parteien und neonazistische Gruppierungen erfahren einen Aufschwung, werden hoffähig gemacht und benutzt, um eine rassistische Politik durchzusetzen.
WAS WIR FEIERN
Wir feiern kämpferische Frauen* und Frauen* in Kämpfen, die zeigen, dass eine solidarische, befreite Zukunft möglich ist. So beispielsweise die Frauen, die in der Revolution im kurdischen Rojava im Norden Syriens aktiv sind. Wir feiern alle, die in Frauen*häusern arbeiten oder Geflüchtete unterstützen. Wir feiern all die mutigen Frauen*, Lesben, Trans* und Inter*personen, die sich einer hierarchischen Geschlechterordnung widersetzen. Wir feiern all jene, die Zäune überwunden haben und die Festung Europa kurzzeitig ins Wanken gebracht haben – jetzt erst recht! Organisieren wir uns global, ohne Grenzen! Wir wollen eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Ausgrenzung, ohne den sexistischen und rassistischen Normalzustand. Wir wollen Solidarität und Respekt untereinander. Es lebe die Verschiedenheit! Im Rahmen des internationalen Frauen*kampftages wollen wir unseren Protest sowohl gegen Sexismus als auch Rassismus entschieden, laut und kämpferisch auf die Kölner Straßen tragen: Unser Feminismus ist antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen der Silvesternacht.
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