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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Inland
Im Gedenken an den ehemaligen FDP-Außenminister Guido Westerwelle
Überlegungen zur deutschen Außenpolitik
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Guido Westerwelle hat diese Welt verlassen mit einem unvollendeten Leben, was seine Leistung als höchster Außenpolitiker der Bundesrepublik Deutschland betrifft. Das ist umso trauriger, weil er als überzeugter politischer Liberaler besser als jeder andere Politiker das Vermächtnis des großen liberalen Denker Thomas Dehler begreifen und verstehen musste, nämlich die eklatante bedauerliche Schwäche der Außenpolitik Deutschlands und Europas insgesamt. Westerwelle war imstande, diese Schwäche ganz gezielt und planvoll anzugehen, um sie zu überwinden.


Guido Westerwelle in der Auseinandersetzung mit dem US-Imperium (Montage: NRhZ)

Wegen der Schwäche der deutschen Außenpolitik haben es die USA mittels der NATO geschafft, erneut über Europa als eventuellen Kriegsschauplatz zu verfügen. Schon der konstruierte Kalte Krieg war ein enormes Risiko für Europa, ein Risiko von Auslöschung, das die Amerikaner jetzt erneut kaltblütig in Kauf nehmen. Europa ging damals in die Falle jener konstruierten Konfrontation. Thomas Dehler (FDP) war der einzige Politiker, der diesen Wahnsinn im Bundestag in den fünfziger Jahren signalisierte. Der ganze Kalte Krieg war eine vergeudete Zeit, dessen Verschwendung von Ressourcen heute noch immer nicht nur Europa, sondern auch andere Regionen der Welt, besonders die USA, stark belastet. Europa muss weg von dem bekanntlich fatalen Muster, in wirtschaftlichen Krisenzeiten auf die Rüstungsindustrie zu setzen, um Arbeitsplätze zu sichern, wobei die katastrophalen Erfahrungen mit dieser Art von Politik in der Geschichte dieses Kontinents einfach ignoriert bleiben.

Engagiert für Frieden und Abrüstung

Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle erkannte dieses Defizit und engagierte sich deshalb entschieden für Frieden und Abrüstung. Zusammen mit seinen europäischen Kollegen wollte er in Europa die atomare Abrüstung fördern. Atomwaffen sollten aus Europa abgezogen werden, wie er schon im Mai 2010 bekannt gab. Das Ziel der nuklearen Abrüstung hatte US-Präsident Obama auf die Tagesordnung gesetzt. Kein deutscher Außenpolitiker arbeitete so intensiv und so stark gezielt für die Abrüstung wie der Außenminister Guido Westerwelle. Er konfrontierte sich argumentativ überzeugend und entschlossen mit der neokonservativen US-Ex-Außenministerin Madeleine Albright schon in Mai 2010 und danach erneut auf dem NATO-Gipfel in Lissabon am 19. November 2010.

Albright war die verhängnisvolle Stimme der Rüstungs- und NATO-Kriegsmafia für weitere Aggressionen in der Welt, obwohl es keinen Gegner mehr vor der NATO-Tür gibt. Wie die Erweiterungspolitik der NATO mit dem engen Verhältnis Deutschlands zu Russland zusammenpasst, bleibt bis heute ein Rätsel. Allerdings war die Uneinigkeit der NATO-Staaten über die ungeheuerliche Albright-Agenda ein offenes Geheimnis. Leider fehlte den opponierenden NATO-Staaten die Courage bei der NATO-Konferenz im Mai 2010, ihre Teilnahme an einer weiteren NATO-Konferenz, angesetzt für den November 2010 in Lissabon, abzusagen. Dort war die törichte Wiederholung derselben US-Kriegsdrohung aus den reaktionären Anti-Obama-Kreisen zu erwarten. Die US-Ex-Außenministerin Madeleine Albright legte schon im Mai 2010 das Dokument NATO 2020 vor. Dabei ging es um folgendes: Die NATO hält an Atomwaffen als absolute Notwendigkeit für die Abschreckungspolitik fest. Atomwaffen sollen in Europa weiterhin stationiert und modernisiert werden. Allen Plänen für einen Abzug der Atomwaffen aus Europa und der Aufgabe der nuklearen Teilhabe wird somit eine Absage erteilt.

Wissend, dass der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle großen Widerstand gegen die Albright-Rüstungsagenda leisten würde und dass er die Mehrheit der 28 NATO-Staatsmitglieder über die zahlreichen Themen hinter sich hatte, griff die US-Delegation ein altes Muster auf: Bevor die Diskussion überhaupt angefangen hätte, lag ein vorgefertigtes Dokument zur Unterschrift schon auf dem Tisch. Eine unglaubliche Beleidigung für die europäischen Staatsrepräsentanten, ein starker Grund, den Saal zu verlassen, wenn die Urheber eines solchen Dokuments mittels fait accompli ein Ergebnis erzielen wollten, das gar nicht zur Diskussion zugelassen und weniger noch zur Abstimmung vorgelegt wurde. Es war dasselbe bekannte Muster eines US-amerikanischen Überraschungscoups, der die Diplomatie annullieren sollte, wie es auch im Vorfeld des ersten Irak-Kriegs 1991 und anlässlich anderer US-Aggressionen geschah. Ein triftiger Grund für würdige Außenminister, das NATO-Treffen sofort zu unterbrechen und zu verlassen, denn eine solche Respektlosigkeit, ein solcher Überfall auf die Souveränität demokratischer Staaten ist inakzeptabel und nicht zu dulden.

Unsägliche Albright-Fraktion ausmanövriert

Der deutsche Außenminister und seine Kollegen aus den Benelux-Staaten hätten ihren Konsens für den Abzug der Atomwaffen aus Europa und ihre Unterstützung für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten auf der Agenda der NATO präsentieren müssen. Es wäre die richtige Antwort auf die aggressive inakzeptable Diplomatie der USA gewesen, die ganz Europa wieder in Gefahr bringt. Alle diese Unannehmlichkeiten und große Anspannungen musste Guido Westewelle persönlich erfahren. Er hat sie mit Bravour erfolgreich gemeistert. Mit geschickter Intelligenz konnte er die unsägliche Albright-Fraktion ausmanövrieren, so dass gegen deren Willen die Abrüstungspflicht der NATO in der Abschlusserklärung des Lissaboner NATO-Gipfels (20.11.2010) festgeschrieben wurde.

Die Außenpolitik, die Westerwelle vertrat, war selbstverständlich auch die Aussenpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, denn sie gibt die außenpolitischen Richtlinien vor. In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton extra nach Berlin reiste, um die US-Position durchzusetzen, jedoch bei Angela Merkel abblitzte, denn die Bundeskanzlerin empfing sie nicht, sondern verwies sie mittels des Protokolls an den deutschen Außenminister. Bezeichnenderweise wendete sich Clinton nicht an Guido Westerwelle, Außenminister und Vizekanzler Deutschlands, sondern verbreitete ihr verheerendes US-Anliegen auf einer Veranstaltung des American Council in Berlin. Das sagt alles.

Nach dem eklatanten Scheitern der US-neokonservativen Albright-Agenda durch den deutschen Erfolg von Außenminister Westerwelle auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 wurde Westerwelle Ziel von infamen medialen Attacken, insbesondere seitens der Redaktion der Süddeutschen Zeitung, die den bedeutsamen diplomatischen Erfolg des Außenministers nicht anerkennen wollte. Es wurde beschämend öffentlich sichtbar, wie stark deutsche Redaktionen durch den Einfluss von US-Neokonservativen manipulierbar und labil sind, so dass sie die US-Interessen und nicht die deutschen, europäischen Interessen verbreiten.

Die US-Pläne für eine eigene Raketenabwehr sind zum zentralen NATO-Projekt erklärt worden. Ein Raketenschirm soll Europa schützen. Nur so könne – laut Albright – das Konzept der nationalen Abschreckung realisiert werden. Die „Sicherheit der Welt“ dürfe nicht durch mangelnde finanzielle Ressourcen gefährdet werden. Die NATO will sich als Interventionskraft verstehen, wenn die „Interessen ihrer Staaten gefährdet werden. Dazu zählt ausdrücklich auch die Sicherung ihrer natürlichen Ressourcen und der Handelswege“. Schon dadurch demaskiert sich die NATO als Zusammenschluss für Piraterie, weitere Kriege und Gewaltanwendung. Schamlos!

EU-Europa wird als Partner und als zweites Bein der NATO anerkannt. Das ist eine deutliche Aufwertung der militaristischen Außenpolitik der EU, wie sie durch den EU-Lissabon-Vertrag festgeschrieben ist.

Für jeden, der auf dem Boden der Prinzipien eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates steht, konnte das alles nur heißen, dass die Delegitimierung der NATO in die europäische Öffentlichkeit gehört. Aber freie Medien, Presse wie Funk- und Fernsehen waren leider nicht in der Lage und sind es bis heute nicht, diese Aufklärung zu leisten.

NATO und Frieden stehen sich antagonistisch gegenüber

NATO und Frieden stehen sich antagonistisch gegenüber. Sie schließen sich gegenseitig aus. Jeder Politiker, jeder Staatsmann, der sich für eine friedliche und gerechte Welt einsetzen wollte, wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle in vollem Einklang mit der Präambel des deutschen Grundgesetz erklärte und wie er die Friedenskultur der deutschen Bevölkerung einschätzte, wird die NATO überwinden müssen. Dieses Relikt des Kalten Krieges gehört, so wie die NATO ist und wie sie sein will, umgehend aufgelöst.

Die NATO-Doktrin der nuklearen Abschreckung ist ein wesentliches Hindernis beim Verwirklichen einer atomwaffenfreien Welt. Der Verzicht auf die Doktrin des atomaren Erstschlags ist untrennbar mit dem Verbot des Einsatzes von Atomwaffen verbunden. Der Aufbau und die Modernisierung der nuklearen Arsenale sind abzulehnen. Ebenso Raketenabwehrsysteme, die entwickelt werden, um die Vorbereitung für den Erstschlag zu unterstützen. Der Abzug von Atomwaffen aus ausländischen Land- und Seegebieten muss endgültig erfolgen. Die Entwicklung und die Ausweitung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten und in Europa sind eindeutig zu fördern. Die NATO steht dem im Weg.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hatte sich mit diesen verirrten Geistern auf dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010 dezidiert konfrontiert und sie ausschalten können. Er war der Architekt der festgeschriebenen NATO-Pflicht für die Abrüstung in der Gipfel-Erklärung vom 20. November 2010. Die verheerende Albright-Agenda war dadurch gescheitert. All das war der große Erfolg von Guido Westerwelle, der Europa hinter sich bringen konnte gegen die Rüstungsmafia.

Umso überzeugender war der deutsche Aussenminister in März 2011 als er im UN-Sicherheitsrat gegen die Aggression gegen Libyen opponierte und sogar erklärte, Deutschland würde zusammen mit Russland gegen diesen Angriff stimmen, sollte Russland mit Nein stimmen. Moskau enthielt sich jedoch der Stimme.

Unerwartete Wende beim deutschen Aussenminister

Doch bald danach ist eine unerwartete Wende beim deutschen Aussenminister Guido Westerwelle zu beobachten, als er sich unter dem verheerenden Einfluss von Hillary Clinton für die Bewaffnung und Finanzierung von Extremisten in Komplizenschaft mit der türkischen Erdogan-Regierung engagierte, um Syrien zu destabilisieren. Heute ist dieses rätselhafte Verhalten vom Minister Westerwelle umso dringlicher zu klären, als der von Europa selbst angestiftete Terror jetzt mitten in politischem Zentrum Europas detoniert und kein europäischer Verantwortungsträger bereit ist, die verirrte Außenpolitik, die bestimmte terroristische Aktivitäten verdeckt und offen unterstützt, zu erkennen und zu korrigieren!

Nach der dreimaligen Abfuhr der US-amerikanischen Außenpolitik durch die deutsche Regierung mit einer eigenständigen europäischen Außenpolitik für Frieden und Abrüstung, die dabei durch die aktive intelligente diplomatische Arbeit von Guido Westerwelle als Außenminister die Unterstützung aller anderen großen europäischen Regierungen erlangte, war Washington höchst alarmiert. Deutschland zeigte sich dezidiert imstande, sich und Europa von der nuklearen US-Besatzung zu befreien und die europäischen Regierungen haben sich dafür eingeordnet. Die Obama Regierung entschloss sich dann den stärksten Hebel anzusetzen, um Deutschland zur Gefolgschaft zu zwingen. Welcher Hebel das war, bleibt uns verborgen, aber er war so wirksam, dass es gelang, die außenpolitische Linie der Bundskanzlerin und ihres Ministers für Frieden und Abrüstung zu stoppen. Berlin hat sich infolgedessen 2012 an der Komplizenschaft der USA mit der Türkei, nämlich zwischen Clinton und Davutoglu, beteiligt, um den Regime-Change in Syrien voranzutreiben durch die komplette Verwüstung des Landes mit Hilfe von Terroristen und Extremisten aller Art, finanziert und bewaffnet von den USA, westlichen und reaktionären arabischen Ländern. Darüber schulden die FDP und die CDU gegenüber der Öffentlichkeit gründliche Aufklärung. Allerdings geht eine fortschrittliche Idee oder ein fortschrittliches humanes Vorhaben niemals unter. Es kann unterbrochen, aber nicht gebrochen werden. Seine Zeit dafür wird kommen. Das ist auch die zutreffende Erkenntnis von Immanuel Kant. Ein Spruch der arabischen Weisheit steht ebenso in vollem Einklag dazu: “Ich werde am Eingang meines Zeltes sitzen, um meinen Feind vorbeigehen zu sehen.”

Krieg, Aggression sowie die Androhung und Gewaltanwendung sind abzulehnen, anzuprangern und zu ahnden. So wie die Besetzung des Iraks, der Militäreinsatz in Afghanistan, der Angriff auf Libyen und der terroristische mörderische westliche Krieg gegen Syrien. Vor solchen tatsächlichen, erwiesenen Gefahren, die von den USA und ihrer NATO ausgehen, die Augen zu verschließen, hilft keinem Außenminister, keinem Staatsmann.

Ausländische Truppen und Militärbasen beseitigen

Die europäischen Staaten müssen auf ihrer Staatssouveränität bestehen, das heißt auch zu fordern und zu arrangieren, dass alle ausländischen Truppen von ihrem Territorium abgezogen werden. Ausländische Militärbasen sind abzulehnen und zu beseitigen. Militärische Bündnisse wie die NATO, die potentielle Gegner voraussetzen, sind abzulehnen.

Eine neue friedliche Weltordnung beruht lediglich auf der Charta der Vereinten Nationen. Nicht länger darf eine Handvoll großer Mächte die Welt beherrschen. Wir stehen an der Schwelle einer neuen Welt, in der alle Länder das Völkerrecht beachten, ihre Funktionen gleichberechtigt ausüben und durch aktive Teilnahme der Gesellschaft unterstützt werden. Der ehemalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat diesen Punkt - zwar diplomatisch verklausuliert - angesprochen. (Interview mit Financial Times, 17.11.2010: www.ft.com/westerwelle).

Eine gemeinsame Stellungnahme Berlins und Moskaus für Abrüstung ist wünschenswert. Sie wäre ein entscheidender Schritt für Europa in die richtige Richtung. Die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ist jedenfalls zu intensivieren.

Ein eigenes integriertes europäisches System, an dem auch die ehemalige Sowjetunion beteiligt sein muss, hat das primäre Ziel zu sein. Vorrangige Aufgabe ist dabei, den ganzen Kontinent von fremden Waffenarsenalen zu befreien und ihn weiter abzurüsten. Der Frieden kann sich nirgends technisch stabilisieren; er ist nur politisch stabilisierbar. Deshalb ist die atomare Abschreckung eine irrationale gefährliche Illusion.


Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war jüngstes Mitglied im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.

Online-Flyer Nr. 555  vom 30.03.2016

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