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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Vortrag zu Privatisierung und Re-Kommunalisierung in den Kommunen
Von der Selbst- zur Fremdverwaltung
Von Werner Rügemer

Beim „Arbeitnehmerempfang“ der Stadt Pforzheim (Motto: „Gewerkschaft trifft Politik“) am 29.4.2016 hielt Werner Rügemer auf Einladung des Oberbürgermeisters Gert Hager und des Landrats des Enzkreises Karl Röckinger den folgenden Vortrag. Das offizielle Thema lautete „Zwischen Privatisierung und Re-Kommunalisierung – die kommunale Leistungserbringung“. Die Stadt Pforzheim ist „führend“ bei der Privatisierung der kommunalen Infrastruktur. Anfang 2016 beschloss der Gemeinderat die Übertragung des öffentlichen Nahverkehrs an eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG, zunächst für 10 Jahre. Die städtische Verkehrsgesellschaft SVP wird aufgelöst, die 240 SVP-Beschäftigten werden gekündigt.


Ausverkauf (Foto: arbeiterfotografie)

Werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich hoffe, Sie sind nicht über die bürokratische Sprache im Titel meines Vortrages gestolpert. Es geht um eine zentrale Frage für Bürgerinnen und Bürger, für Alt und Jung, es geht um die Sicherheit des alltäglichen Lebens, um günstige Wohnungen, ordentliche Schulen, sauberes Trinkwasser und funktionierende Abwasserentsorgung, um anregende Kultur, günstigen Nahverkehr, bezahlbare Energieversorgung, sichere Straßen, offene Freizeit- und Sportanlagen, ja auch um eine freundliche und schnelle Verwaltung und noch einiges mehr, und nicht zuletzt um gewählte Stadt- und Gemeinderäte, die Bürgerinteressen vertreten und nicht vor sich hinmauscheln. Das ist schon eine Menge. Das ist ein Kernbestand jeder Demokratie.

Wie es den Kommunen geht, auch daran zeigt sich der demokratische Zustand einer Gesellschaft. Bekanntlich haben die Gemeinden in Deutschland nach dem Grundgesetz von 1949, Artikel 28 die Garantie für gemeindliche Selbstverwaltung. So ähnlich wurde es auch für die Landesverfassungen beschlossen. Da gilt das Universalitätsprinzip, das heißt Allzuständigkeit. Die Gemeinden haben sogar das Aufgabenfindungsrecht, das heißt sie können im Interesse der Bürger auch neue Aufgaben übernehmen.

Das klingt gut. Aber wie ist die Realität? Aus der Selbstverwaltung ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland weithin eine Fremdverwaltung geworden. Diese Entwicklung wurde nach der deutschen Wiedervereinigung wesentlich beschleunigt. Und diese Entwicklung ist noch immer nicht zu Ende.

In Pforzheim sind Sie gegenwärtig schon wieder in einem solchen Übergang von der Selbst- zur Fremdverwaltung. Wie wird es mit dem öffentlichen Nahverkehr in Pforzheim weitergehen? Was wird mit den bisherigen Angestellten des gemeindlichen Unternehmens Stadtverkehr Pforzheim, SVP? Und wie werden die Fahrpreise und Transportleistungen durch das neue private Unternehmen gestaltet werden, auch auf mittlere und längere Sicht?

Kommune: Kernbestand der Demokratie

Aber kommen wir erstmal zurück zu dem, was eine Kommune, eine Gemeinde ist oder sein soll. Sie soll ein Kernbestand der Demokratie sein. „In der Gemeinde fängt die Demokratie an“, verkündete der erste Kanzler der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer. Daran hat sich dieser autoritäre Knochen nicht unbedingt gehalten. Außerdem musste er den westlichen Siegermächten gehorchen. Aber sein Satz war gut.
 
Die Demokratie in den Gemeinden geht auf Kämpfe zurück, die in der Geschichte ausgefochten werden mussten, nicht im Himmel der Theorie und der Wünsche, sondern auf der Erde in Deutschland. Immer wieder wurde die kommunale Selbstverwaltung abgeschafft – im finsteren wie dann auch im etwas helleren Mittelalter, durch die Feudalherrschaft. Einzelne Städte konnten sich teilweise daraus befreien, aber nie nachhaltig. Durch demokratische Bewegungen und besonders gefördert durch die französische Revolution wurden die Gemeinden wieder freier, sogar zeitweise auch in den Monarchien von Preußen und Bayern. Ein kräftiger Schub  in Deutschland kam durch die bürgerliche Revolution von 1848/1849. Das schlug sich in der Verfassung der Paulskirche nieder, dann auch wieder in der Weimarer Verfassung. Davor musste aber erst das wilhelminische Kaiserreich abgeschafft werden. Dann erst war eine demokratische Ordnung möglich, mit selbstverwalteten Gemeinden.

Die Nazis gingen besonders antidemokratisch mit den Gemeinden um. Sofort im Februar 1933 ließ Innenminister Hermann Göring alle Gemeindevertretungen zwangsweise auflösen. Wer dem nicht folgte, wurde vertrieben oder verhaftet. Alle Parteien wurden aufgelöst beziehungsweise verboten. Es blieb nur noch die NSDAP übrig. Das Gesetz zur Gemeindeverfassung von 1933 schaffte alle kommunalen Wahlen ab. Die Bürgermeister spielten nach dem Führerprinzip den Gemeindeleiter, er wurde nicht von den Bürgern gewählt, sondern von der NSDAP beziehungsweise von den Gauleitern und den Regierungspräsidenten ernannt, und zwar auf 12 Jahre, wie im wilhelminischen Kaiserreich. In wichtigen Fälle wie in Köln griff Göring aus Berlin ein: Da durfte nicht der örtliche Gauleiter Oberbürgermeister werden, sondern ein katholischer Bankier, damit das gehobene Bürgertum mitzog.

Der Gemeindeleiter fällte seine Entscheidungen ohne Gemeinderat und in vollkommener Intransparenz. Auch die „Ratsherren“ wurden nicht gewählt, sie wurden ebenso ohne Wahl ernannt, nannten sich aber weiter Ratsherren. Und natürlich waren es fast ausnahmslos Herren. Sie besetzten auch die lukrativen Posten in den Vorständen und Aufsichtsräten der Stadtwerke und der Wohnungsgenossenschaften. Die Gemeinden wurden vom Zentralstaat gelenkt.

Die Nazis legten übrigens im Jahressteuergesetz 1933 fest, dass Schmiergelder von Unternehmen als steuerbegünstigte Betriebsausgaben anerkannt wurden. So kamen zum Beispiel Bau- und andere Unternehmer ganz „unbürokratisch“ auch an ihre kommunalen Aufträge. Und die Gemeindeleiter und hohen Beamten hatten ihren heimlichen Nebenverdienst. Wissen Sie übrigens, wann die Steuerbegünstigung für Schmiergelder aufgehoben wurde? Das war nicht nach dem Ende der Nazizeit. Die Adenauer-Regierungen behielten das bei, auch die Nachfolgeregierungen bis 1999 betrachteten die sogenannten „nützlichen Ausgaben“ als steuerfreie Wirtschaftsförderung nicht nur im als korrupt verschrienen Ausland, sondern auch in der Bundesrepublik selbst. Erst durch öffentlichen und internationalen Druck beendete die rot-grüne Bundesregierung 1999 diesen skandalösen Zustand. Bekanntlich wurden in vielen deutschen Städten, in Nordrhein-Westfalen wie in Baden-Württemberg, während der 1990er Jahre private Müllverbrennungsöfen durch die Bestechung von Kommunalpolitikern angeschoben, zum Beispiel.

Kommunale Selbstverwaltung schrittweise ausgehöhlt

Die im Grundgesetz verankerte Garantie der kommunalen Selbstverwaltung wurde seit der deutschen Vereinigung schrittweise ausgehöhlt. Das geschah und geschieht in den unterschiedlichsten Formen. In den 1990er Jahren begann es mit der Privatisierung öffentlichen Eigentums. Diese Entwicklung wurde durch die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP eingeleitet und nicht nur auf der Bundesebene praktiziert, etwa bei der Post, sondern auch auf der Landesebene und in den Gemeinden. Die private Müllentsorgung habe ich schon genannt. Sie wird ja bis heute praktiziert. In der Regel liegt sie in der Hand der großen Strom- und Energiekonzerne.

Diese Konzerne stiegen aber auch auf andere Weise in die Gemeinden ein und kauften zum Beispiel Anteile an den Stadtwerken. Als Miteigentümer der städtischen Unternehmen für Strom, Fernwärme und Gas konnten die Konzerne gleichzeitig über die Preise der von ihnen gelieferten Energie mitbestimmen. Und gleichzeitig geben die Gemeinden einen Teil ihrer Stadtwerksgewinne an diese Konzerne ab, und zwar dauerhaft. Auch deshalb wachsen die kommunalen Schulden und auch deshalb wird die kommunale Selbstverwaltung unterhöhlt.

Wahrscheinlich erinnern sich einige von Ihnen an das sogenannte Cross Border Leasing. Da haben in allen Bundesländern Städte ihre Kanalisationen, Kraftwerke, Trinkwasseranlagen, Messehallen und andere Einrichtungen der kommunalen Infrastruktur an Investoren in den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft, und zwar teilweise für 100 Jahre und wieder zurückgemietet. Das ließen sich die Gemeinden von sogenannten renommierten Banken wie der Deutschen Bank, der United Bank of Switzerland und auch Landesbanken aufschwatzen. Die Investoren hatten schon damals ihren juristischen Sitz zwar nicht in Panama, aber in der größten Finanzoase der Welt, im US-Bundesstaat Delaware – keine Bundesregierung, keine nordrhein-westfälische Landesregierung und kein schwäbischer Bürgermeister haben sich daran gestört. In Baden-Württemberg etwa war Daimler Financial Services besonders aktiv, die Finanztochter des Autokonzerns Daimler. Da fielen so manche Bürgermeister und Gemeinderäte auf die versprochenen „Barwertvorteile“ von ein paar Millionen DM herein, die am Anfang ausgezahlt wurden. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen und Landeswasserverbände war eingeschränkt, etwa bei der Bewilligung von Bauland. Die Auflösung dieser dubiosen Verträge hat in manchen Städten zur zusätzlichen Verschuldung beigetragen – statt Schulden abzubauen, wie versprochen worden war.

Public Private Partnership - Finanzieller Irrsinn

Ein noch wesentlich schädlicheres Finanzinstrument hat die Bundesregierung aus SPD und Grünen Anfang der 2000er Jahre nach Deutschland gebracht. Es wurde aus der Finanzoase London in Großbritannien abgekupfert. Es heißt Public Private Partnership, PPP, Öffentlich-private Partnerschaft. Aber das ist keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Die meist 30 Jahre lang laufenden Mietverträge für Schulen, Rathäuser und andere öffentliche Gebäude sollen die klammen städtischen Haushalte entlasten. Der juristischen Form nach nehmen die Gemeinden keinen Kredit auf, sie sollen ja die schwarze Null einhalten oder erreichen. Aber die Erfahrungen zeigen, dass diese Verträge in der Mehrheit zulasten der Gemeinden gehen. Pleiten der beauftragten Subunternehmen führen zu Mehrkosten ebenso wie häufige Nachforderungen der Generalunternehmer. Das ist eigentlich ein finanzieller Irrsinn, gerade heute, wo die öffentliche Hand so günstig wie nie Kredite bekommt, während auch der cleverste Investor wesentlich mehr Zinsen für seine PPP-Kredite bezahlen muss. Diese jahrzehntelang überhöhten Zinsen gehen ebenfalls in die Mieten ein, die die Gemeinden zwei bis drei Jahrzehnte zahlen müssen. Wie soll kommunale Selbstverwaltung unter solchen jahrzehntelang bindenden Verträgen möglich sein? (1)

Auch in dieser Stadt, so habe ich gehört, haben sich Bürgermeister und Bürgermeisterinnen an Zinswetten etwa der Deutschen Bank und der Bank J.P. Morgan beteiligt. Die Risiken waren nicht überschaubar. Da werden seitdem jahrelange Gerichtsverfahren geführt, die Zeit und Geld kosten und ebenfalls in so mancher Stadt zu zusätzlicher Verschuldung führen. Aber von diesen vergleichsweise kleinen Sünden am Rande will ich gar nicht reden.

Da bahnte sich jedenfalls ein Ende der kommunalen Selbstverwaltung an, und das Ende ist noch gar nicht in Sicht, wenn es so weitergeht. Bei den genannten Privatisierungen, den Stadtwerksverkäufen, dem Cross Border Leasing, den PPP-Verträgen und den diversen Spekulationsgeschäften spielen private Beratungsfirmen überall eine entscheidende Rolle. Die Gemeinden und auch ihre überregionalen und bundesweiten Zusammenschlüsse wie der Deutsche Städtetag haben es bis heute nicht geschafft, sich die notwendigen Kompetenzen im Umgang mit neuen Finanzprodukten und gewieften Investoren zu verschaffen.

Ich habe gehört, dass auch bei den beiden Entscheidungen, den Stadtverkehr Pforzheim damals vor einigen Jahren an den Energiekonzern Veolia und jetzt an eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG zu vergeben, nicht nur eine Beratungsfirma bezahlt wurde, sondern mindestens drei.

Die Abhängigkeit von gut honorierten privaten Beratern ist zum Dauerzustand geworden, von der Bundesregierung angefangen über die Landesregierungen und in großem Umfang in den Gemeinden. Die Berater sind selbst gewinnorientierte Unternehmen, und sie nutzen die geringen Kenntnisse in den öffentlichen Verwaltungen und bei den ehrenamtlichen Bürgervertretern aus. Der Vorteil für die Gemeinden ist, so meine Erfahrung, für die öffentliche Hand auf die Dauer und im Durchschnitt sehr zweifelhaft. Die Berater verdienen gut an der Verschuldung der Gemeinden, und die Verschuldung ist nach einigen Jahren noch höher als zuvor.

Steuerschlupflöcher für Vermögende

Eigentlich wird, wie schon erwähnt, die kommunale Selbstverwaltung durch das Grundgesetz garantiert. Aber diese Garantie wird gerade durch den immer stärker ausgebauten Zentralstaat nicht mehr praktiziert, im Gegenteil. Die Bundesregierungen und ihre parlamentarischen Mehrheiten in Berlin lassen großflächige Steuerflucht für inländische ebenso wie für ausländische Konzerne zu. Steuerschlupflöcher für Vermögende, wie sie etwa der hier sowieso sehr nahe Nachbarstaat Schweiz dauerhaft bietet, werden auch von der gegenwärtigen Bundesregierung und ihrem schwäbischen Finanzminister nicht geschlossen. Im Gegenteil, er schützt sie verbissen, genauso wie bei Luxemburg und jetzt Panama, zum Nachteil auch der Gemeinden. Wenn sich die Bundeskanzlerin wie die „schwäbische Hausfrau“ verhalten würde, wie sie behauptet, dann hätte sie ihren Finanzminister längst nachhause schicken müssen.

Überall müssen die Bürger Mehrwertsteuer bezahlen, und diese Steuer wurde immer weiter erhöht, schneller als alle anderen Steuern. Aber warum erhebt der Staat zum Beispiel auf Aktien- und Wertpapierkäufe und –Verkäufe überhaupt keine Mehrwertsteuer? Auf Autobenzin ja, aber nicht auf Flugbenzin? Das ist eine systemwidrige Ungleichbehandlung. Und es gibt überhaupt keinen Sinn, die heute rein spekulativen Börsengeschäfte, an denen sowieso nur eine kleine Minderheit der Bevölkerung sich beteiligt, solcherart zu bevorzugen. Was meinen Sie, wieviele Milliarden Euro der Staat da jährlich an die Falschen verschenkt? Und die Gemeinden schauen in die leere Röhre.

Leider ist die Liste der Maßnahmen noch nicht zu Ende, mit denen die Selbstverwaltung der Gemeinden weiter ausgehöhlt wird. Das neue Personen-Beförderungsgesetz von 2013 haben Sie bei der damit erzwungenen Vergabe des Stadtverkehrs Pforzheim schon zu spüren bekommen.

CETA: Rückfall hinter Europäische Wasser-Richtlinie

Aber nun sollen noch mehr internationale private Investoren, Berater und Dienstleister zum Zuge kommen, noch mehr als bisher schon möglich. Sie werden die gegenwärtig hinter verschlossenen Türen verhandelten Freihandelsverträge mitverfolgt haben. Ständig werden in den Medien und Regierungserklärungen Abkürzungen wie CETA und TTIP genannt. TISA gehört auch zu dieser Art. TISA steht für Trade in Services Agreement, also Handel mit Dienstleistungen. Da geht es ganz gezielt um die bisher noch öffentlichen Dienstleistungen, die für transatlantische Investoren geöffnet werden sollen.

Bekanntlich ist der Freihandelsvertrag CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada zu Ende verhandelt. Im Internet können Sie die 1.650 Seiten nachlesen. Eine deutschsprachige Fassung hält die Bundesregierung zur Unterrichtung der Abgeordneten und der Bürger übrigens nicht für nötig. So können Sie sich, wenn Sie das trickreiche Handelsenglisch gut beherrschen und sich mal zwei Wochen Urlaub nehmen und sich mit einigen Fachbüchern und Lexika zum Studium zurückziehen, genauer kundig machen.

Aber wir haben Glück. Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft AöW hat sich aus eigenem Interesse mal die CETA-Kapitel zu Trinkwasser und Abwasser genauer vorgenommen. Die Experten der deutschen Wasserwerke haben herausgefunden: CETA fällt hinter die Europäische Wasser-Richtlinie zurück. Privatisierung in den Kommunen soll möglich sein, jedenfalls in bestimmten Teilbereichen. Und eine Re-Kommunalisierung wäre nicht möglich. Die Sonderrechte insbesondere für ausländische Investoren können in die kommunalen Rechte des Anschluss- und Benutzungszwangs, der Gebührenfestsetzung, der Festlegung von Wasserschutzgebieten, der Wegenutzung, der Wasserentnahme und Wassereinleitung eingreifen. Investoren könnten der interkommunalen Zusammenarbeit Grenzen setzen. (2)

Meine Aufzählung ist, wie Sie schon vermuten, keineswegs vollständig. Zum Beispiel von den Kosten für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen habe ich hier gar nicht erst gesprochen.

Kommunale Selbstverwaltung zu schädlicher Fremdverwaltung geworden

Jedenfalls, die kommunale Selbstverwaltung ist über weite Strecken zu einer für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger schädlichen Fremdverwaltung geworden. Können Bürgerinnen und Bürger dagegen etwas tun?

Ich hoffe, mit vielen anderen, dass das möglich ist. Es war ja schon in der Vergangenheit möglich. Bürgerinitiativen haben zumindest einige Privatisierungen und einige Cross Border Leasing und Public Private Partnership-Verträge verhindert. Vielleicht waren Sie aus Pforzheim ja schon bei einer der vielen kleinen und auch der großen Aktionen gegen das Freihandelsabkommen TTIP dabei?

Und vielleicht kennen Sie Initiativen aus dem bürgerschaftlichen und politischen Raum, die die große Steuerflucht verhindern wollen, die die Vermögensteuer wieder einführen wollen, die den Handel mit Aktien und anderen Wertpapieren endlich mit der Mehrwertsteuer belegen wollen und dergleichen? Überall auf diesen Gebieten regt es sich, auch wenn Sie das in Ihren beiden Lokalzeitungen und in der Tagesschau und im heute-journal noch nicht lesen und sehen können.

Wie es mit der Demokratie überhaupt und auch mit der kommunalen Selbstverwaltung ist: Sie musste immer erkämpft und dann gesichert werden. Wir sind wieder an einem solchen Punkt in der Geschichte angekommen, eigentlich schon länger. Aber jetzt bemerken das mehr Menschen als bisher.

Vor einer Woche haben sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und gewählte Vertreter und Initiativen aus 40 Städten und Landkreisen Europas in Barcelona getroffen. Aus Spanien, Frankreich, Österreich, Großbritannien, den Niederlanden und Belgien und auch aus Deutschland war man dabei. Vertreten waren auch die Großstädte Barcelona, Madrid, Birmingham, Wien, Grenoble und Köln. Es gibt übrigens schon 1.600 Gemeinden in der Europäischen Union, die sich per Gemeinde- und Stadtratsbeschluss für TTIP-frei erklärt haben.

Bei dem Treffen in Barcelona wurde erklärt: „Die Kommunen sind nicht nur von den intransparenten Verhandlungen völlig ausgeschlossen, die Abkommen schränken auch ihr demokratisches Selbstbestimmungsrecht massiv ein. Durch den verstärkten Privatisierungsdruck gefährden die Abkommen die öffentliche Daseinsvorsorge wie Wohnen, Gesundheit, Umwelt, soziale Dienste, Bildung, die lokale wirtschaftliche Entwicklung und Ernährungssicherheit.“ Die in Barcelona anwesenden Vertreter aus Brüssel und Grenoble haben sich bereit erklärt, die nächste Versammlung der europäischen Gemeinden auszurichten. (3)

Hoffentlich können Sie Ihren Kindern und Enkeln sagen: Ja, ich habe mich gewehrt. Ja, ich bin aktiv geworden. Oder: ich hatte zwar keine Zeit, ich musste arbeiten und noch meinen Zweitjob machen und eine neue Stelle als Busfahrer suchen und den Haushalt und die Kinder versorgen – aber ich habe diejenigen unterstützt, die aktiv sein konnten.

Ich hoffe, dass ich Sie auf diesem Wege ermutigen kann. Sie werden feststellen, dass Sie nicht alleine sind. Schauen Sie sich um.


Fussnoten:

1 Werner Rügemer: „Heuschrecken“ im öffentlichen Raum. Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments, Bielefeld 2012. Siehe auch www.gemeingut.org

2 AöW: Wasserwirtschaft im Sog des Freihandels – CETA, Positionspapier, Berlin April 2016, S. 5

3 Attac Deutschland: TTIP-freie Kommunen in der EU formieren sich – Konferenz in Barcelona als Startschuss, Pressemitteilung 24.4.2016


Siehe auch:
Bundesamt für Bauwesen (BBR) muss Urbanität am Kulturforum öffentlich realisieren!
PPP-Museum der Moderne Berlin?
Von Ulrike von Wiesenau
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22789



Online-Flyer Nr. 561  vom 11.05.2016

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