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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Wirtschaft und Umwelt
Fünf vor zwölf: CETA kurz vor dem Abschluss
CETA: ein trojanisches Pferd
Info des Wuppertaler Aktionsbündnisses gegen TTIP und andere Freihandelsfallen

CETA - schon wieder so eine Abkürzung! Möglicherweise haben Sie von TTIP gehört, dem Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Weniger bekannt ist CETA, ein ähnliches Machwerk allerdings mit Kanada, das in diesem Jahr durch die Parlamente gehen soll. Drei Mio. Menschen haben mit ihren Unterschriften ihren Protest gegen solche Abkommen zum Ausdruck gebracht. Im Oktober letzten Jahres haben 250.000 Menschen in Berlin klar gemacht, dass sie entschlossen sind, TTIP, CETA und TiSA zu stoppen. Seit 2009 hat die EU-Kommission mit Kanada unter strenger Geheimhaltung über das Handels- und Investitionsschutzabkommen verhandelt: CETA, das „Comprehensive Economic and Trade Agreement“. Während Öffentlichkeit und Parlamente ausgeschlossen blieben, erhielten Wirtschaftslobbyisten erheblichen Einfluss auf den Vertragstext. Ähnlich wie beim TTIP-Abkommen droht auch mit CETA ein massiver Abbau von Demokratie, öffentlicher Daseinsvorsorge und Umweltschutz.


Berlin, 10.10.2015 (Foto: arbeiterfotografie.com)

Paralleljustiz

CETA sieht die hoch umstrittenen Schiedsgerichte vor: Unternehmen können die Vertragsstaaten vor Tribunalen verklagen, wenn sie ihre zukünftigen Profiterwartungen durch Gesetze und Verordnungen eingeschränkt sehen. Damit kommen auf die Staaten Klagen in Milliardenhöhe zu.
    EU-Abgeordnete Ska Keller: „Die EU-Kommission setzt im Handelsabkommen mit Kanada nur prozedurale Veränderungen zum Beispiel bei der Auswahl der Richter durch. Einseitige Klagen gegen demokratische Entscheidungen sind weiterhin möglich und gefährden unser demokratisches System. Gleichzeitig werden die Rechte für ausländische Investoren zementiert.“
Die anhaltenden Proteste haben die Verhandlungspartner veranlasst, die ursprünglichen privaten Schiedsgerichte zu modifizieren und „auf die Schaffung eines ständigen multilateralen Investitionsgerichtshofs hinzuarbeiten“. Namhafte Juristen wie die frühere Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin weisen jedoch entschieden darauf hin, dass sich auch durch diese Anpassung nichts an der Unrechtmäßigkeit des Streitschlichtungsprozederes zwischen Staat und Investor ändert. Eine Rekommunalisierung der Wasserversorgung aus den Händen von Konzernen wäre somit unmöglich, wie sie z.B. in Bolivien nach Massenprotesten gegen exorbitante Preissteigerungen bei sinkender Versorgungsqualität vollzogen wurde.

Außerdem stellt CETA ökologische und soziale Vergabekriterien in der öffentlichen Beschaffung infrage – und damit ein zentrales Element in der kommunalen Selbstverwaltung. Auch Sozial- und Arbeitsstandards sind durch CETA von Aushöhlung bedroht. Ausländische Investoren könnten unter CETA sogar gegen Änderungen bei Steuern und Abgaben, etwa die Einführung einer Vermögenssteuer, klagen. Die öffentliche Förderung von Kultureinrichtungen ist ebenfalls gefährdet.

CETA untergräbt bestehende Umweltstandards und schränkt zukünftige Umweltgesetzgebung ein. Das Importverbot der EU für das extrem klimaschädliche Rohöl aus kanadischen Teersanden wurde zum Beispiel schon im Laufe der CETA-Verhandlungen aufgeweicht. Unter CETA könnten Unternehmen auch gegen ein mögliches künftiges Verbot der Schiefergasförderung (Fracking) klagen. Fracking steht im Verdacht, das Grundwasser durch Chemikalien zu vergiften und sogar Erdbeben auszulösen.

CETA ersetzt das in der EU geltende Vorsorgeprinzip durch ein Prinzip, das angeblich "wissenschaftsbasiert" sein soll: Potentiell gefährliche Produkte und Technologien können demnach erst aus dem Verkehr gezogen werden, wenn ihre Schädlichkeit zweifelsfrei nachgewiesen ist – und damit oft viel zu spät. Gentechnik kann auf diese Weise durch die Hintertür auf unseren Tisch gelangen.

CETA soll noch im Jahr 2016 ratifiziert werden. Das Abkommen dient als Blaupause für TTIP und andere Freihandelsabkommen: Einmal an transnationale Konzerne abgegebene staatliche Souveränität und politische Handlungsfähigkeit wäre kaum zurück zu holen. Helfen Sie mit, Demokratie, Gemeinwohl und Umwelt gegen diesen Staatsstreich der Konzerne zu verteidigen:
  • Fordern Sie Rechenschaft von Ihren Abgeordneten im EU-Parlament.
  • CETA gilt als ein „gemischtes Abkommen“, das auch von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden muss. Üben Sie Druck auf Ihre Abgeordneten im Bundestag und in den Länderparlamenten aus. 2016 finden mehrere Landtagswahlen statt.
  • Machen Sie mit beim Wuppertaler Aktionsbündnis gegen TTIP und andere Freihandelsfallen! Wir treffen uns monatlich, siehe Kontakt und http://tinyurl.com/np6nfab
Wie geht es nun weiter?

"Die Bundesregierung geht davon aus, dass es sich bei CETA um ein so genanntes 'gemischtes Abkommen' handelt, bei dem neben Kanada und der Europäischen Union auch die EU-Mitgliedsstaaten Vertragsparteien sind. In diesem Fall ist zur Annahme ein einstimmiger Beschluss aller Mitgliedsstaaten im Rat erforderlich und eine Ratifizierung des Abkommens durch die nationalen Parlamente." (http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/Freihandelsabkommen/ceta.html am 30.3.2016)

Das Bundeswirtschaftsministerium hat zu dieser Frage ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Ansicht der Bundesregierung bestätigt. (…) Das weitere Verfahren wird unter diesen Voraussetzungen voraussichtlich wie folgt sein:

Nach Abschluss der Übersetzung des endgültigen Abkommenstextes in alle EU-Amtssprachen wird die Kommission den Entwurf gleichzeitig an das Europäische Parlament (EP) und den EU-Rat übermitteln. Das EP kann formal erst zustimmen, wenn ein Ratsbeschluss vorliegt, aber vorher schon mit der Prüfung beginnen.

Ein Beschluss des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung könnte im Herbst 2016 gefasst werden. Danach wird die Zustimmung des EP eingeholt. Eine vorläufige Anwendung tritt erst nach Zustimmung des EP ein. Dies ist zwar nicht im Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) vorgeschrieben, entspricht aber ständiger Praxis. Dies sichert die demokratische Legitimierung, da die vorläufige Anwendung nur die Teile von CETA betrifft, für die die EU die ausschließliche Zuständigkeit inne hat, so dass die entsprechende parlamentarische Instanz das EP ist. Diese Abfolge wurde bei allen jüngeren Freihandelsabkommen, die gemischte Abkommen sind, so gehandhabt. Vorläufig angewendet wird in der Regel alles, was mit Zollabbau, anderen Marktzugangshemmnissen im engeren Sinne oder öffentlicher Auftragsvergabe zu tun hat. Welche Teile von CETA dies konkret umfasst, wird vorher noch durch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten geprüft. Die vorläufige Anwendung könnte im Falle von CETA in der ersten Jahreshälfte 2017 wirksam werden.

Die nationalen Ratifizierungsverfahren dürften erst nach Zustimmung des EP eingeleitet werden. Die Teile des Abkommens, die in mitgliedstaatlicher Zuständigkeit liegen, treten erst nach Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten in Kraft.


Der Text ist entnommen den "Informationen rund um die geplanten 'Freihandelsabkommen' wie TTIP, CETA und TiSA", herausgegeben vom "Wuppertaler Aktionsbündnis gegen TTIP und andere Freihandelsfallen", Ausgabe Nr. 10, 1. Mai 2016; Impressum: attac Wuppertal, BaSo, Bund Wuppertal, E-W-Nord, Greenpeace Wuppertal, IKAP, Informationsbüro Nicaragua, Kein Mensch ist illegal Wuppertal, PEGAH Wuppertal, Stiftung W. Wuppertal, Therapeutikum Wuppertal, Verband deutscher Schriftsteller Bergisch Land (VS), Wuppertaler Bündnis gegen Krieg und Terror und viele Einzelpersonen; e-Mail: WAT@bwup.de; V.i.S.d.P.: U. Franz, Freyastr. 47 Wuppertal

Online-Flyer Nr. 562  vom 18.05.2016

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