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Krieg und Frieden
Zum Zustand der Friedensbewegung
Ihr Dilemma: Sie sind friedensbewegt neoliberal
Von Klaus-Peter Kurch
Zunächst war mir Otmar Steinbicker aufgefallen. Wenn er erzählt (1), wie er 2009/2010 diskret in den grundgesetzwidrigen BRD-ISAF-Einsatz in Afghanistan „embedded“ war, so hat das kaum noch mit der hochgeschätzten deutschen Friedensbewegung der 80-er Jahre zu tun. Doch bald wurde klar, dass es nicht um einzelne Personen geht. Es geht um die deutsche Friedensbewegung heute, also im Neoliberalismus oder um die neoliberale deutsche Friedensbewegung. Einst war die Friedensbewegung – erzählen die Alten den Jungen – ein mächtiger Zug. Ratternd und mit aufstörendem Pfeifen befuhr er die Hauptstrecken und rollte Hunderttausende zu den Orten der politischen Manifestation. Der Kampf der Friedensbewegten war leidenschaftlich, ausdauernd und massenhaft. Insgesamt waren Millionen politisch auf der Strasse (2). Sie wussten die Bevölkerungsmehrheit hinter sich. Ungeachtet dessen trafen die Organe der repräsentativen Demokratie die Aufrüstungsentscheidung (3) und schickten „den Souverän“ einmal mehr in die politische Ohnmacht. Die Friedensbewegung brach zusammen ohne die zutage getretene Macht- und Systemfrage zu reflektieren. Diese Frage wurde nicht erkannt, nicht gestellt und also nicht beantwortet aber sie wurde erfolgreich tabuisiert.
Es kam eine spezifische Regression in Gang, bei Wikipedia mit diesem Satz (4) umrissen: Allerdings „dämmerte die Einsicht, dass die Protestform der Demonstration an ein vorläufiges Ende gelangt sei und der Weg vom Protestieren zum positiven Frieden (Buro 1997) konsequenter gegangen werden müsse“. Die Konjunktur der „zivilgesellschaftlichen“ im Sinne von „nicht politischen“ Konfliktbearbeitung wurde eingeleitet.
Heute sind, um im Bild zu bleiben, die meisten Wagen vom Friedenszug abgehängt; dritte Klasse, vierte Klasse sind ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Einige ansehnliche Salonwagen stehen herum, darin Friedensbewegte, einige mit hochkarätiger Friedensforschung beschäftigt, einige die jährliche Demo vorbereitend.
Die Zeiten sind so anders geworden
Bipolarität, die Blöcke, gibt es nicht mehr. Politik gibt es nicht mehr. Geschichte ist passé. Es heißt, Fukuyama (5) habe all das letztgültig beschrieben. Klassenkampf wurde zur Anekdote Warren Buffets, Krieg zur Polizeiaktion, bestenfalls zum Militäreinsatz für Menschenrechte/Brunnenbau. Wo früher das Völkerrecht zählte, schlossen sich nun Willige in Schutzverantwortung zusammen. Reihenweise entdeckte man Wiedergänger Hitlers. Die waren natürlich aus humanitären Gründen zu eliminieren. Beifällig nickte die Friedensbewegung dazu, nicht ohne die Kollateralschäden zu beklagen und deren Minimierung anzuraten.
All die Jahre war die Friedensbewegung „da“. Der Wunsch der Menschen nach Frieden, ihre moralischen Postulate, ihre konstruktiven demokratischen Forderungen können nicht ausgerottet werden. Selbst die Artikulation und Organisation dieser Menschen in hunderten, vielleicht tausenden Grüppchen, kann die herrschende Macht nicht verhindern. Das hat sie gelernt und darauf aktiv reagiert. Aus beiden Quellen, dem „Drang von unten“ und der Gestaltungsfähigkeit der Macht entstand das, was als „traditionelle Friedensbewegung“ bekannt ist, die ausgebreitet-differenzierte, grundsätzlich machtkonforme, systemkonforme Friedensszene unserer neoliberalen Gegenwart.
Man mag es „Szene“ nennen, „Zivilgesellschaft Abt. Frieden“, „NRO X, Y, Z“, „Netz“, es bleibt ein amorphes Gebilde, einem Filz (ohne abwertenden Beiklang) nicht unähnlich. Es bleibt ein Angebot an eine Million Graswurzel-Aktivisten, in aufreibender Detailarbeit nach Herzenslust alles zu geben. Es bleibt der Aufmerksamkeitsraum für bewährte und bewährteste FriedensaktivistInnen. Und nicht zuletzt bleibt es eine Zone in der und in die unkontrolliert StrategInnen ihre Fäden ziehen. Das Gebilde ist undurchsichtig. Zivilgesellschaftliche Transparenzregeln in dieser (6) oder in anderer Form werden fast ausnahmslos verworfen. Es fließt nicht wenig Geld; wie viel, von wem, wohin, wofür bleibt verborgen. Die demokratische Öffentlichkeit erfährt es nicht.
Neocons leisteten ganze Arbeit: ab 9/11 wurde zurück geschossen
Der Neoliberalismus gedieh, zunächst etwas verdeckt in einem zwar weit greifenden aber kaum bedrohlichen, ökonomischen Szenario – GLOBALISIERUNG genannt. Doch eigentlich bilden Neoliberale und Neokonservative ein Tandem. Und die Neocons (7) leisteten ganze Arbeit. Ab 9/11 wurde zurück geschossen. Der Startschuss ins Zeitalter des „Krieges gegen den Terror“ war gefallen.
Hatte sich die Friedensbewegung zunächst am 12.9.2001 gegen Vorverurteilungen (8) gewandt, auch wenn sie tendenziell das Narrativ der Bush-Regierung übernahm, war sie zehn Jahre später hemmungslos auf die Verschwörungstheorie der US-Regierung (9) eingeschwenkt.
Dabei hat es die neoliberal gefangene Friedensbewegung zur Meisterschaft im Spagat gebracht. Schier Unüberbrückbares wird überbrückt. Verwirrend. Doch wenige klare Forderungen scheiden die Spreu vom Weizen:
Fussnoten:
(1) http://promosaik.blogspot.de/2016/05/otmar-steinbicker-von-aixpaix.html
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung#Gegen_den_Nato-Doppelbeschluss
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss#Bundestagsentscheidung
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung#Opposition_gegen_den_Zweiten_Golfkrieg
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte
(6) https://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Nonprofit/ITZ_SV.pdf
(7) https://le-bohemien.net/2014/06/30/isis-und-der-lange-schatten-der-neocons/
(8) http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung/terror.html
(9) http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/10jahre9-11-baf.html
(10) https://deutsch.rt.com/meinung/38291-rt-deutsch-spezial-logik-neuen/
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasuskrieg_2008
(12) https://de.wikipedia.org/wiki/Republik_Krim_(Sezessionsregion)
Erstveröffentlichung am 18. Mai 2016 im opablog
Siehe auch:
NATO raus – raus aus der NATO
Initialzündung für eine Kampagne der Friedensbewegung
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22582
Online-Flyer Nr. 563 vom 25.05.2016
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Krieg und Frieden
Zum Zustand der Friedensbewegung
Ihr Dilemma: Sie sind friedensbewegt neoliberal
Von Klaus-Peter Kurch
Zunächst war mir Otmar Steinbicker aufgefallen. Wenn er erzählt (1), wie er 2009/2010 diskret in den grundgesetzwidrigen BRD-ISAF-Einsatz in Afghanistan „embedded“ war, so hat das kaum noch mit der hochgeschätzten deutschen Friedensbewegung der 80-er Jahre zu tun. Doch bald wurde klar, dass es nicht um einzelne Personen geht. Es geht um die deutsche Friedensbewegung heute, also im Neoliberalismus oder um die neoliberale deutsche Friedensbewegung. Einst war die Friedensbewegung – erzählen die Alten den Jungen – ein mächtiger Zug. Ratternd und mit aufstörendem Pfeifen befuhr er die Hauptstrecken und rollte Hunderttausende zu den Orten der politischen Manifestation. Der Kampf der Friedensbewegten war leidenschaftlich, ausdauernd und massenhaft. Insgesamt waren Millionen politisch auf der Strasse (2). Sie wussten die Bevölkerungsmehrheit hinter sich. Ungeachtet dessen trafen die Organe der repräsentativen Demokratie die Aufrüstungsentscheidung (3) und schickten „den Souverän“ einmal mehr in die politische Ohnmacht. Die Friedensbewegung brach zusammen ohne die zutage getretene Macht- und Systemfrage zu reflektieren. Diese Frage wurde nicht erkannt, nicht gestellt und also nicht beantwortet aber sie wurde erfolgreich tabuisiert.
Es kam eine spezifische Regression in Gang, bei Wikipedia mit diesem Satz (4) umrissen: Allerdings „dämmerte die Einsicht, dass die Protestform der Demonstration an ein vorläufiges Ende gelangt sei und der Weg vom Protestieren zum positiven Frieden (Buro 1997) konsequenter gegangen werden müsse“. Die Konjunktur der „zivilgesellschaftlichen“ im Sinne von „nicht politischen“ Konfliktbearbeitung wurde eingeleitet.
Heute sind, um im Bild zu bleiben, die meisten Wagen vom Friedenszug abgehängt; dritte Klasse, vierte Klasse sind ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Einige ansehnliche Salonwagen stehen herum, darin Friedensbewegte, einige mit hochkarätiger Friedensforschung beschäftigt, einige die jährliche Demo vorbereitend.
Die Zeiten sind so anders geworden
Bipolarität, die Blöcke, gibt es nicht mehr. Politik gibt es nicht mehr. Geschichte ist passé. Es heißt, Fukuyama (5) habe all das letztgültig beschrieben. Klassenkampf wurde zur Anekdote Warren Buffets, Krieg zur Polizeiaktion, bestenfalls zum Militäreinsatz für Menschenrechte/Brunnenbau. Wo früher das Völkerrecht zählte, schlossen sich nun Willige in Schutzverantwortung zusammen. Reihenweise entdeckte man Wiedergänger Hitlers. Die waren natürlich aus humanitären Gründen zu eliminieren. Beifällig nickte die Friedensbewegung dazu, nicht ohne die Kollateralschäden zu beklagen und deren Minimierung anzuraten.
All die Jahre war die Friedensbewegung „da“. Der Wunsch der Menschen nach Frieden, ihre moralischen Postulate, ihre konstruktiven demokratischen Forderungen können nicht ausgerottet werden. Selbst die Artikulation und Organisation dieser Menschen in hunderten, vielleicht tausenden Grüppchen, kann die herrschende Macht nicht verhindern. Das hat sie gelernt und darauf aktiv reagiert. Aus beiden Quellen, dem „Drang von unten“ und der Gestaltungsfähigkeit der Macht entstand das, was als „traditionelle Friedensbewegung“ bekannt ist, die ausgebreitet-differenzierte, grundsätzlich machtkonforme, systemkonforme Friedensszene unserer neoliberalen Gegenwart.
Man mag es „Szene“ nennen, „Zivilgesellschaft Abt. Frieden“, „NRO X, Y, Z“, „Netz“, es bleibt ein amorphes Gebilde, einem Filz (ohne abwertenden Beiklang) nicht unähnlich. Es bleibt ein Angebot an eine Million Graswurzel-Aktivisten, in aufreibender Detailarbeit nach Herzenslust alles zu geben. Es bleibt der Aufmerksamkeitsraum für bewährte und bewährteste FriedensaktivistInnen. Und nicht zuletzt bleibt es eine Zone in der und in die unkontrolliert StrategInnen ihre Fäden ziehen. Das Gebilde ist undurchsichtig. Zivilgesellschaftliche Transparenzregeln in dieser (6) oder in anderer Form werden fast ausnahmslos verworfen. Es fließt nicht wenig Geld; wie viel, von wem, wohin, wofür bleibt verborgen. Die demokratische Öffentlichkeit erfährt es nicht.
Neocons leisteten ganze Arbeit: ab 9/11 wurde zurück geschossen
Der Neoliberalismus gedieh, zunächst etwas verdeckt in einem zwar weit greifenden aber kaum bedrohlichen, ökonomischen Szenario – GLOBALISIERUNG genannt. Doch eigentlich bilden Neoliberale und Neokonservative ein Tandem. Und die Neocons (7) leisteten ganze Arbeit. Ab 9/11 wurde zurück geschossen. Der Startschuss ins Zeitalter des „Krieges gegen den Terror“ war gefallen.
Hatte sich die Friedensbewegung zunächst am 12.9.2001 gegen Vorverurteilungen (8) gewandt, auch wenn sie tendenziell das Narrativ der Bush-Regierung übernahm, war sie zehn Jahre später hemmungslos auf die Verschwörungstheorie der US-Regierung (9) eingeschwenkt.
- Dazwischen lagen KEINE Jahre des unversöhnlichen Kampfes um die Wahrheit über 9/11.
- Dazwischen lagen KEINE Jahre der Forderung, den surrealen Bündnisfall-Beschluss der NATO vom 4. 10. 2001 aufzuheben, von der Forderung des NATO-Austritts zu Schweigen.
- Und bis heute führt die traditionelle Friedensbewegung keinen prinzipiellen Kampf gegen den „Krieg gegen den Terror“, der nichts anderes ist als die Tarnform des unbegrenzten imperialistischen Krieges. Stattdessen lamentiert sie darüber (wie Die Linke auch), dass der „war on terror“ keine Probleme löse. Als ob das jemals sein Ziel gewesen wäre. Dieser heuchlerische Pazifismus ist Teil des Problems.
- ALLES zu tun für die Durchsetzung der unipolaren Neuordnung der Welt im Interesse der herrschenden Kapitale aus USA/NATO/EU.
- Konfliktminimierung dieses Prozesses durch die Aufnahme, „Betreuung“, Führung und letztlich Integration aller Kräfte jeder irgendwie gearteten Opposition.
Dabei hat es die neoliberal gefangene Friedensbewegung zur Meisterschaft im Spagat gebracht. Schier Unüberbrückbares wird überbrückt. Verwirrend. Doch wenige klare Forderungen scheiden die Spreu vom Weizen:
- Für den Austritt Deutschlands aus dem Kriegsbündnis NATO!
- Für den Abzug aller NATO-Kräfte aus Deutschland!
- Für gleichberechtigte Kooperation mit Russland und mit allen Mächten im Rahmen einer multipolaren Welt!
Fussnoten:
(1) http://promosaik.blogspot.de/2016/05/otmar-steinbicker-von-aixpaix.html
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung#Gegen_den_Nato-Doppelbeschluss
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Doppelbeschluss#Bundestagsentscheidung
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung#Opposition_gegen_den_Zweiten_Golfkrieg
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte
(6) https://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Nonprofit/ITZ_SV.pdf
(7) https://le-bohemien.net/2014/06/30/isis-und-der-lange-schatten-der-neocons/
(8) http://www.ag-friedensforschung.de/bewegung/terror.html
(9) http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/10jahre9-11-baf.html
(10) https://deutsch.rt.com/meinung/38291-rt-deutsch-spezial-logik-neuen/
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasuskrieg_2008
(12) https://de.wikipedia.org/wiki/Republik_Krim_(Sezessionsregion)
Erstveröffentlichung am 18. Mai 2016 im opablog
Siehe auch:
NATO raus – raus aus der NATO
Initialzündung für eine Kampagne der Friedensbewegung
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22582
Online-Flyer Nr. 563 vom 25.05.2016
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