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Kommentar
Noch mehr Waffen in den Libyen-Krieg
Steinmeier macht den Fischer
Von Ulrich Gellermann

Das hatte die Anti-Gaddafi-Koalition unter Führung der USA damals prima hingekriegt: Kräftig wurde im Libyen-Krieg gebombt. Unterstützt wurden vom Westen gern auch Islamisten der brutalen Art, bevorzugt waren Reaktionäre, wenn nur Gaddafi, der einen eigenen Weg gehen wollte, bei dieser Kur versterben würde. Mission accomplished! konnten die vereinigten Interventen melden: Gaddafi tot. Land kaputt. Bürgerkrieg bis heute. Und noch einen schönen Neben-Effekt hatte die „Demokratisierung“ Libyens: Jede Menge Waffen wurden und werden aus Libyen exportiert: Das Land sei ein großer Waffenlieferant für Konfliktherde wie Mali und das Bürgerkriegsland Syrien, stellte ein Bericht der UNO fest. Ja, sagen da die Weisen aus dem Abendland, wenn Waffen aus dem Land verschwinden, dann müssen doch die Arsenale wieder aufgefüllt werden! So war jedenfalls die Meinung auf einer diffusen „Stabilisierungskonferenz für Libyen“ in Wien: Das Waffenembargo soll aufgehoben werden, um eine „neue“ libysche US-Vertretung, „Regierung der Nationalen Einheit" genannt, zu unterstützen. Außenminister Steinmeier: „Die Regierung hängt noch an Sicherheits-Arrangements mit verschiedenen Milizen. Was sie braucht, sind eigene, loyale Sicherheitskräfte.“ Und natürlich hat er deutsche Hilfe bei der Ausbildung der „loyalen Sicherheitskräfte“ angeboten.

"Neue" Regierung eine alte Marionette

Na klar. Wurde doch die „neue“ Regierung in Berlin geboren. Denn im letzten Jahr gab es dort im Auswärtigen Amt, auf Einladung des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, die „5+5-Verhandlungen“ zur Bildung einer libyschen Übergangsregierung. Löblich sollte man meinen. Aber was da aus zwei oder drei libyschen Regierungen – den IS nicht mitgezählt, der auch seine Claims im zerbombten Land absteckt – bisher zusammengebastelt wurde, hat im Land keine positive Resonanz: Auf dem Märtyrerplatz in Tripolis demonstrierten bereits die Gegner der neuen Einheitsregierung. Man hält die „neue“ Regierung für eine alte Marionette. Denn längst sind US-Militärberater im Land unterwegs. Sie bilden die Vorhut für einen neuen Drohnenkrieg. Die Drohnen werden zur Zeit aus Sizilien abgeschossen und brauchen Beobachter vor Ort. Französische „Spezialkräfte“ morden gleichzeitig verdeckt im Osten Libyens. Und der UN-Sonderbeauftragte zur Lage in Libyen, Martin Kobler, ein deutscher Diplomat und Pate der neuen Regierung, sagte noch im März über seinen Homunculus: "Das ist alles nicht so richtig legal.“ Und, mit überraschender Ehrlichkeit: “Jetzt müssen nur noch die Libyer an Bord“. Denn die Libyer haben zu Schiffen, die von den USA gesteuert und von der EU betrieben werden, einfach kein Zutrauen mehr.

Koalition der Kriegswütigen

Martin Kobler hat schon unter Joschka Fischer gedient: Von 1998 bis 2000 war er stellvertretender Leiter und von 2000 bis 2003 Leiter des Büros des grünen Bundesaußenministers. Das war die Zeit, als die Nachkriegs-Deutschen ihre relative Unschuld verloren: Erstmalig seit 1945 waren sie in Jugoslawien aktive Kriegsteilnehmer. Hinter dem schmutzigen Vorhang eines nicht existierenden „Hufeisenplanes“ halfen deutsche Truppen bei der Zerstörung Jugoslawiens kräftig mit. Es war die Geburtsstunde der neuen deutschen Verantwortung, die damals von Rot-Grün praktiziert wurde und heute von solchen Protagonisten wie Merkel, Gauck oder von der Leyen zum Credo erhoben wird. Da kann der sozialdemokratische Restposten in Berlin, Frank-Walter Steinmeier, einfach nicht abseits stehen. Und „seine“ neue Regierung hat auch gleich den Kurs abgesteckt: "Wir wollen alle möglichen Waffen kaufen, unsere Priorität sind Flugzeuge", meldete der von niemandem gewählte Vize-Ministerpräsident, Mussa al-Koni, der neuen Regierung. "Wir wollen Piloten, Helikopter und Militärflugzeuge." Das kommt dabei heraus, wenn man den Steinmeier-Fischer-Adlatus Kobler basteln lässt. Dessen Analyse reicht kaum über die Interessen der deutschen Waffen-Exporteure hinaus wenn er behauptet: „Gaddafi hat das Land fragmentiert. Er hat uns die Illusion des Staates vorgegaukelt, den es so gar nicht gab." Nicht die Koalition der Kriegswütigen hat den libyschen Staat zerschlagen, Gaddafi selbst soll es gewesen sein. Wer hätte gedacht, dass man sich noch mal nach einem Außenminister Westerwelle, der sich dem Libyen-Einsatz entzog, zurücksehnen würde.

Kriminalität der US-gesteuerten Kriege kein Thema

Eine Beratung der EU-Verteidigungsminister im April über gemeinsame europäische Militäreinsätze gab den Hinweis für den weiteren Weg. Zentrales Thema war die geplante Ausweitung des Marineeinsatzes vor der libyschen Küste. Denn in den vergangen Jahren machten sich von Libyen aus hunderttausende Flüchtlinge auf den Weg nach Europa. Das quittierten die in Wien versammelten Außenminister mit der Vorstellung eines Kampfes gegen „kriminelle Organisationen von Menschenschmugglern“. Nicht die Kriminalität der US-gesteuerten Kriege waren Gegenstand der Konferenz, sondern ihre Folgen. Man fühlte sich offenkundig von den Flüchtlingen bedroht und nicht von den Verursachern der Flucht. Schon im Januar hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, mit Blick auf Libyen, von einer "Achse des Terrors" in Afrika gefaselt. Und auf die Frage, was das denn für die Bundeswehr bedeute, sonderte die Dame einen ihrer klischierten Sätze ab: "Deutschland wird sich nicht der Verantwortung entziehen können, dabei einen Beitrag zu leisten“. Aber erst dann, schränkte sie ein, wenn eine libysche Einheitsregierung eine Bitte an die Staatengemeinschaft stelle. Na, bitte. Die passende Regierung hat sich gefunden.

Gewissenlos und unlogisch

Zusätzliche Sorge muss die Haltung der russischen Regierung auslösen. Sie hat an der obskuren Wiener Konferenz teilgenommen und als UN-Veto-Macht die „neue“ libysche Regierung offenkundig gebilligt. Da war Wladimir Putin schon einmal klüger. Im Libyen-Krieg vor fünf Jahren. Putin, er war nach der Rochade mit Medwedew eigentlich nicht für Außenpolitik zuständig, kommentierte er damals den fatalen UN-Beschluss, der den Krieg internationalisierte, so: „Die Resolution des UN-Sicherheitsrates ist nicht vollwertig und mangelhaft. ... Sie erinnert an einen mittelalterlichen Aufruf zu einem Kreuzzug. Faktisch erlaubt sie eine Invasion in ein souveränes Land.“ Und er führte weiter aus, dass die US-Politik der Einmischung in Konflikte in anderen Ländern zu einer stabilen Tendenz werde. Dies sei „gewissenlos und unlogisch“. – Gewissenlos ist und bleibt die Lieferung von Waffen in den andauernden Libyen-Krieg. Aber, dass Steinmeier in diesen Tagen den Fischer macht, entbehrt nicht jener Logik, nach der die aktuelle Große Koalition nur die Fortsetzung der grün-roten Koalition mit denselben Mitteln ist.


Erstveröffentlichung am 19. Mai 2016 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Top-Foto:
Ulrich Gellermann (aus Video-Interview: deutsch.rt.com)


Online-Flyer Nr. 563  vom 25.05.2016

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