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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Medien
Bekannt-unbekannte Tatsachen aus der Gründungszeit der bundesdeutschen Leitmedien
Beschütztes Lügen
Von Werner Rügemer

Viele Demokraten in Deutschland haben Angst, den Begriff „Lügenpresse“ zu verwenden, weil er gegenwärtig vor allem in antidemokratischen Milieus verwandt wird. Die Angst kommt auch von der Meinungsmache der sogenannten Qualitäts- oder Leitmedien, die im Versuch der Selbstverteidigung den Begriff Lügenpresse der „rechten Ecke“ und „Verschwörungstheorien“ zuordnen - zu Unrecht. Die erste Zeitung, die die Westalliierten nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland lizensierten, war die Frankfurter Rundschau. Sie wurde deshalb als erste lizensiert, weil sie als einzige größere Zeitung ohne NS-Personal antrat. Sie gab sich ausdrücklich als Gegenentwurf zu „Hugenbergs Lügenpresse“ – der Hugenberg-Pressekonzern hatte mit seinen Nachrichtenagenturen und Dutzenden von Zeitungen wesentlich Hitler an die Macht geschrieben. Alfred Hugenberg, ehemaliger Direktor des Krupp-Konzerns, Rüstungs- und Medienunternehmer, war auch Mitglied im Präsidium des Reichsverbandes der deutschen Industrie (RDI) gewesen.


"Das Mörderkreuz" – Montage von John Heartfield auf dem Schutzumschlag des von Willi Münzenberg herausgegebenen Braunbuchs, veröffentlich auch in der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung vom 3.8.1933

Zeitungslizenzen in Westdeutschland

Die alliierten Mächte, die NS-Deutschland besiegt hatten, legten im Potsdamer Abkommen fest: Die Nazi-Aktivisten in Wirtschaft, Justiz, Polizei, Militär, Geheimdiensten, Verwaltung und Medien müssen entmachtet werden. Nach dem Krieg durften deshalb Zeitungen, die während des NS genehmigt waren, nicht mehr erscheinen.

Davon gingen die Westalliierten allerdings schnell ab. Sie simulierten Antifaschismus - und förderten das Gegenteil. Ihnen war auch im Pressebereich das antikommunistische Potential hochwillkommen, um „die kommunistische Gefahr“ abzuwehren. Und gerade zu diesem Thema hatten die Pro-NS-Journalisten nicht erst während der zwölf Jahre des Hitler-Regimes gut geübt.

So wurden Die Zeit, Der Spiegel, Die Welt, Christ und Welt, Süddeutsche Zeitung nur unter neuen Namen lizensiert. Um sich zu rechtfertigen, zimmerten die Ex-Nazijournalisten das bis heute gültige Bild der NS-Publizistik: Sie habe aus den Hetzblättern wie Völkischer Beobachter, Westdeutscher Beobachter, Der Stürmer bestanden.

Doch das war schon die erste Lüge. Zur NS-Publizistik gehörten mehrere Medien des Außenministeriums und das von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels herausgegebene Edel-Magazin Das Reich. Dazu gehörten mit viel größeren Auflagen für das breite Publikum die fünf von Goebbels lizensierten „Reichszeitungen“. Diese Tageszeitungen hatten sich schon vor 1933 für Hitler eingesetzt: Es waren die damaligen bürgerlichen Qualitätsmedien Frankfurter Zeitung, Berliner Börsen-Zeitung, Kölnische Zeitung, Deutsche Allgemeine Zeitung und Neues Wiener Tageblatt. Sie wurden von den Nazis gefördert, um auf Dauer auch die „normalen“ Bürger auf Linie zu halten. Diese Medien repräsentierten NS-Deutschland dann auch in den von der Wehrmacht besetzten Staaten; sie wurden dort mit Genehmigung von Goebbels und des Oberkommandos der Wehrmacht verkauft und erhöhten ihre Auflage damit noch weiter. Aus diesen Medien wurden die meisten der führenden Journalisten der lizenzierten Medien nach 1945 rekrutiert.

Nur in 25 von 151 Redaktionen wurden nach dem Krieg keine NS-Journalisten beschäftigt. Das waren – neben der Frankfurter Rundschau - kleine regionale Zeitungen. Ebenfalls nazifrei waren alle 11 Zeitungen, die von Antifaschisten und der KPD herausgegeben wurden: Volksstimme (Köln), Die Freiheit (Düsseldorf), Westdeutsches Volksecho (Dortmund), Volksecho (Detmold), Neue Volkszeitung (Dortmund), Freies Volk (Düsseldorf), Niedersächsische Volksstimme (Hannover), Hamburger Volkszeitung, Norddeutsches Echo (Kiel), Unser Tag (Offenburg), Unsere Stimme (Schwenningen), Neues Leben (Ludwigshafen), Neue Zeit (Saarbrücken).

Doch die Westalliierten, die sich lügnerisch als Antifaschisten ausgaben, machten gerade diese nazifreien Zeitungen zwangsweise noch vor Gründung der BRD gnaden- und ausnahmslos dicht.

Antijüdisch oder projüdisch - egal

Die Wendehälse der lizensierten Qualitätsmedien nach 1945 schrieben nicht, dass sie nie für den Faschismus agitiert hatten. Ihre Lüge bestand im Schweigen über ihre Schreibtisch- und Schlachtfeld-Verbrechen. Die Ex-Nazijournalisten bildeten eine Verschwörungsgemeinschaft: Alle beschwiegen und beschönigten gegenseitig die Nazivergangenheit der Kollegen in den anderen Medien, auch wenn diese in gegenseitiger Konkurrenz standen.

Mehrere dieser Journalisten waren SS-Sturmbannführer gewesen und führten nun schneidig die „demokratische“ Publizistik der Bundesrepublik an. Sie schrieben oft – mit Billigung der Redaktionen und Verleger - unter Pseudonym, bis sie sich nach einigen Jahren unter ihrem richtigen Namen entpuppten. Einige Jahre lang wurden im Impressum dieser Medien überhaupt nur sehr wenige Namen genannt.

Die in der Regel akademisch gebildeten Opportunisten logen in gleicher Weise über die Verbrechen ihres Milieus, dessen Teil sie gewesen waren und auch wieder werden wollten. Sie beschwiegen die Verbrechen und Gewinne von Generälen, Geheimdienstlern, Bankern und Konzernchefs.

Den Antikommunismus verpackten sie nun nicht mehr deutsch, sondern „westlich“. Sie wechselten leichtfüßig den Herrn: Von den „Nazis“ zu den „Amis“.

Aus der NS-Ideologie tauchten sie nach 1945 als christlich Wiedergeborene wieder auf. Den Antisemitismus wendeten sie schnell ins Gegenteil und agierten plötzlich als die besten Judenfreunde (und ihre Nachfolger tun dies bis heute). Auch hier wird deutlich, dass der Antisemitismus nicht der Kern der NS-Ideologie war. Unter allen Masken – antijüdisch oder projüdisch – blieb dasselbe Ziel: Schutz und Erweiterung des kapitalistischen, jetzt NATO-geschützten Privateigentums.

Springer-Verlag und BILD

Axel Springer verbreitete während des NS in den Altonaer Nachrichten antisemitische Propaganda. Die britische Militärregierung gab ihm 1946 die Lizenzen für die harmlosen Massenblätter Hör zu! und Constanze. Springer kaufte weitere Medien hinzu, bevor er 1952 BILD aus der Taufe hob.

Er umgab sich mit hochrangigen NS-Journalisten. Der wichtigste war Paul Karl Schmidt, Propagandachef des NS-Außenministeriums; der hatte 1941 als Leitlinien hinausposaunt: „1. Beseitigung des Bolschewismus, 2. Beseitigung des Judentums, 3. Ausschaltung Englands und Roosevelts, der Zuhälter des Bolschewismus.“

Schmidt gab sich nach 1945 das Pseudonym Paul Carrell. Er wurde Springers Sicherheitschef und Redenschreiber. Springer mit BILD, Welt, Welt am Sonntag und weiteren Medien setzte sich später in Übereinstimmung mit der US-Lobby für die Besetzung Palästinas durch Israel ein und machte die bedingungslose Propaganda für die israelische Regierungspolitik zur Lebens- und Verlagsaufgabe.

Der Spiegel

Der junge, unschuldige, intelligente Rudolf Augstein bekam 1947 die Lizenz für den Spiegel. Er wurde Mitglied der neugegründeten FDP, in der mehr als in CDU und CSU viele NS-Anhänger und Unternehmer unterkrochen. In der Redaktion und als Informanten beschäftigte er ranghohe Funktionäre aus SS, SD (Sicherheitsdienst der SS) und NS-Ministerien. Einige von ihnen waren nach dem Krieg zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, aber der US-Hochkommissar für die Bundesrepublik, der Rockefeller‘sche Wall Street-Banker und Adenauer-Intimus John McCloy, begnadigte sie per ordre de mufti.

So konnte Augstein sich Horst Mahnke holen: Der hatte mit seinem „Vorkommando Moskau“ Juden und andere liquidiert. Aus den Kenntnissen dieser Mitarbeiter machte der Spiegel sowohl Geschäft wie auch Politik. Er gebärdete sich kritisch und stellte sorgsam ausgewählte NS-Täter öffentlich bloß - und verschwieg dafür andere, vor allem die eigenen Mitarbeiter. Das wurde oft mit dem vom CIA bis 1955 finanzierten Geheimdienst „Organisation Gehlen“ – Vorläufer des BND - abgeklärt.

Generalmajor Reinhard Gehlen hatte mit dem Geheimdienst „Fremde Heere Ost“ das mörderische Handwerk der antisemitisch-antikommunistischen Kollaborateure in der Sowjetunion koordiniert. Der Spiegel lobte den Geheimdienst gegen ausländische Kritik, Chef Gehlen rühmte sich später öffentlich seiner engen Beziehungen.

So gelangte über die heiße Krieger-BND-Truppe auch die Information an das Magazin, dass die Bundeswehr gegenüber der „kommunistischen Gefahr“ nur „bedingt abwehrbereit“ sei. Das führte zur bekannten „Spiegel-Affäre“ 1962: Augstein wurde wegen Ausplauderns von Staatsgeheimnissen und Landesverrat verhaftet.

Daraus erwuchs die Legende vom Spiegel als „Sturmgeschütz der Demokratie“. Jedoch: War das eigentlich eine Frage der Demokratie, dass die Bundeswehr ihrem Auftrag, einer erfundenen kommunistischen Aggression zu widerstehen, nicht nachkommen könne?

Die Zeit

Für Die Zeit bekam der Hamburger Kaufmann Gerd Bucerius 1946 die Lizenz, obwohl er in seinem Unternehmen jüdische KZ-Häftlinge eingesetzt hatte. Aber das war ja „normal“ gewesen. Der erste Chefredakteur Ernst Samhaber hatte für Goebbels‘ Edelmagazin Das Reich, für die Reichszeitung Deutsche Allgemeine Zeitung und für das Hakenkreuzbanner geschrieben. Er gestaltete Die Zeit nach dem Vorbild von Das Reich und des US-Magazins TIME.

Samhaber stielte den bis heute geltenden, fundamentalistischen Pro-Amerikanismus des edelbürgerlichen Mediums ein. Sein Nachfolger war Josef Müller-Marein, der als Reporter für Das Reich und den Völkischen Beobachter tätig gewesen war. Starredakteurin Marion Gräfin Dönhoff polemisierte gegen die Strafen für NS-Wirtschaftsführer. Das Blatt missionierte für die Spaltung Deutschlands und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.

Gleichzeitig gab es sich in Kultur- und Literaturfragen höchst „liberal“ auf hohem akademischem und literarischem Niveau. Das blieb auch unter dem Herausgeber Helmut Schmidt so, der als Bundeskanzler in den 1980er Jahren die Aufrüstung der Bundesrepublik mit US-Mittelstrecken-Raketen betrieben hatte.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Zeitung (FZ) galt seit ihrer Gründung als linksliberales Blatt, vor allem wegen des anspruchsvollen Feuilletons. Desungeachtet entließ sie 1933 die zahlreichen jüdischen Mitarbeiter, darunter Walter Benjamin, Siegfried Kracauer und Mitherausgeber Heinrich Simon.

Am 21.6.1936 etwa bejubelte die FZ den Aufschwung Deutschlands, der durch - namentlich aufgelistete – 50 Arisierungen beschleunigt worden sei, zugunsten u.a. von Deutscher Bank, Siemens, Bosch, Flick und des US-Autokonzerns Ford.

1943 entzog ihr das NS-Regime das Papier, weil in einem Artikel die NS-Ikone Dietrich Eckart, ein früher Mitkämpfer Hitlers, unziemlich kritisiert worden war. Das gab man später als Widerstand aus. 12 Redakteure aber wechselten problemlos zum Völkischen Beobachter – der Widerstand gegen Hitler scheint also nicht besonders substanziell gewesen zu sein.

Die FZ bekam wegen ihrer NS-Kollaboration nach 1945 keine Lizenz. 1949, als die alliierte Lizenzpflicht endete, wurde dann zwar nicht die FZ fortgeführt, aber die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) gegründet. Sie wurde finanziert von 50 Unternehmen, darunter der Crème der NS-Profiteure: Deutsche Bank, Daimler-Benz, Bosch, Salamander (nutzte KZ-Häftlinge für tödliche Testmärsche); dazu gehörte Karl Blessing (Unilever, Freundeskreis SS Himmler, nach 1945 Bundesbankpräsident).

Die FAZ-Gründer versuchten ihre Vorgeschichte mit verdrehtem Rückgrat sowohl zu bestätigen und auch zu leugnen: Mehrere Mitarbeiter seien nun zwar dieselben wie in der FZ und man bewundere deren hohe Qualität, aber man verstehe sich nicht als Nachfolger. Nach einigen Jahren des Lügens ließ man sich aber den Namen Frankfurter Zeitung markenrechtlich schützen, sodass sie bis heute im FAZ-Impressum steht.

Statt an Hitlers NSDAP orientierte man sich nun an Adenauers CDU, die gleichzeitig von den FAZ-Sponsoren bespendet wurde. Erwin Finkenzeller, der eine Geschäftsführer, war Werbeleiter des Völkischen Beobachters gewesen. Der zweite Geschäftsführer Viktor Muckel hatte als Gauamtsleiter in Düsseldorf gegen „die rote Pest, aufgewühlt von jüdischen Profitjägern“ polemisiert. Er erfand übrigens den FAZ-Werbeslogan „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“.

Heinz Höpfl war als NSDAP-Mitglied außenpolitischer Redakteur des Völkischen Beobachters gewesen und hatte das „internationale Judentum“ als „Inspirator der Weltkoalition gegen das deutsche Volk“ bezeichnet. Das qualifizierte auch ihn als FAZ-Redakteur.

Claus Peter Volkmann war SS-Mitglied gewesen und sorgte in Polen für die Ghettoisierung und Aushungerung der jüdischen Bevölkerung. Nach dem Krieg nannte er sich Peter Grubbe und wurde der Londoner Korrespondent der FAZ. Friedrich Sieburg, Pariser Korrespondent der FZ, wurde mit Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich NSDAP-Mitglied und Botschaftsrat: „Frankreich hat mich zum Kämpfer und Nationalsozialisten erzogen.“ Sieburg log nach 1945, er sei nicht NSDAP-Mitglied gewesen. Er wurde 1956 FAZ-Feuilletonchef, polemisierte gegen die kritische Literatur-Gruppe 47 (Böll, Walser, Jens) und galt als (west)deutscher Literaturpapst.

Süddeutsche Zeitung

Der leitende Redakteur Hans Schuster hatte während des NS geschrieben, das „Judentum ist als eine den abendländischen Völkern fremde Rasse zu bekämpfen“. Rudolf Oebsger-Röder trat als SS-Obersturmbannführer für die „physische Liquidierung“ des polnischen Widerstands ein, war in den 1960er Jahren für den BND in Indonesien tätig, beriet den US-installierten Diktator Suharto und war dort als „O.G.Roeder“ Korrespondent für die SZ.

Hermann Proebst gab während der deutschen Besetzung Jugoslawiens im faschistischen Kroatien die Deutsche Zeitung und Die Neue Ordnung heraus. Er lobte den von Hitler eingesetzten Diktator Ante Pavelic, Führer der faschistischen Ustascha, die Serben, Juden, Roma und Kommunisten grausamst umbringen ließ. Proebst schrieb, das kroatische Konzentrationslager Jasenovac ermögliche den Einsatz „unproduktiver Rassen wie Juden“. 1947 wurde er Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bayerischen Staatskanzlei, 1949 Leiter des Ressorts Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung. Er wurde deren Chefredakteur und blieb dies von 1960-1970.

Die SZ informierte 2014 über ausgewählte Details von Proebsts Vergangenheit. Das machen auch Unternehmen und Banken, die mithilfe von SZ, FAZ, Zeit usw. ihre eigene NS-Geschichte jahrzehntelang beschwiegen bekamen. Nun lässt man ausgewählte Autoren in den nicht-öffentlichen Firmenarchiven recherchieren. Man spielt Aufklärer, nachdem solche Aufklärung heute niemand mehr juckt und keine Konsequenzen hat. Ausgewählte, verspätete, folgenlose (Teil-)Aufklärung ist auch eine Form der Lüge.

Kölner Stadt-Anzeiger

Die Kölnische Zeitung, Vorgängerin des Kölner Stadt-Anzeigers, trommelte seit 1931 für die Einbeziehung Hitlers in die deutsche Regierung. „Auf Hitler kommt es an!“ hieß die Schlagzeile der Ausgabe vom 1.1.1933.

Der Verleger Kurt Neven DuMont beteiligte sich an der jährlichen „Hitler-Spende“ der Deutschen Industrie und warb Redakteure der NS-Zeitung Westdeutscher Beobachter ab. 17 jüdische Mitarbeiter wurden entlassen. Wie die FZ wurde die Kölnische Zeitung eine NS-Reichszeitung und expandierte in den besetzten Staaten Frankreich, Luxemburg, Niederlande.

Deshalb bekam der Verlag nach 1945 keine Lizenz für eine neue Zeitung. Er gab deshalb nach Ende der Lizenzpflicht den Kölner Stadt-Anzeiger heraus. Nach einigen Jahren wurde die Tradition wieder offen demonstriert: Seitdem steht Kölnische Zeitung bis heute im Untertitel des Kölner Stadt-Anzeigers – dieselbe Methode wie bei der FAZ.

Der Autor Ingo Niebel deckte 2006 auf, dass der Verlag während der NS-Herrschaft in Köln mehrere arisierte innerstädtische Grundstücke gekauft hatte. Der Verlag brauchte für die erweiterte Auflage der Kölnischen Zeitung, für das NS-Massenblatt Kölnische Illustrierte und für NS-Agitations-Bücher (Entscheidung im Westen) mehr Platz. Niebel schrieb in neue rheinische zeitung (www.nrhz.de), dass der Verlag von der Arisierung profitiert habe. Verleger Alfred Neven DuMont klagte und bestritt, dass sein Vater Profiteur gewesen sei, denn er habe ja für das Grundstück den damaligen „Marktpreis“ gezahlt.

Für solche Medieneigentümer war also, wenn es hart wird, der Nationalsozialismus eine bis heute zulässige Variante der Marktwirtschaft.

Börsen-Zeitung

Auch die Börsen-Zeitung hätte wegen ihrer NS-Mittäterschaft keine Lizenz bekommen. Walter Funk war von 1922 bis 1930 Chefredakteur des Handelsteils dieses Sprachrohrs der Finanzbranche. Er wurde Hitlers Finanzberater und organisierte über seine redaktionell entwickelten Beziehungen Millionen-Spenden für die NSDAP.

1938 wurde er Reichswirtschaftsminister und 1939 Präsident der Reichsbank. Da war er verantwortlich auch für die Verwertung von Raubaktien und Gold, die jüdischen Eigentümern, auch Häftlingen abgenommen wurden.

1947 tat sich die Interessengemeinschaft Frankfurter Kreditinstitute zusammen, später kamen Deutsche Bank und Commerzbank dazu. Man wartete das Ende der Lizenzpflicht ab und gab ab 1952 die Börsen-Zeitung heraus. Sie ist eine der dicksten Tageszeitungen Deutschlands und verbreitet unbemerkt von der allgemeinen Öffentlichkeit wieder die scheinbar technisch saubere Variante des Finanz-Kapitalismus.

Blitzkrieg deutsch und israelisch

Giselher Wirsing leitete als Standartenführer bis Kriegsende die SS-Auslands-Illustrierte Signal. Er war Sonderführer einer Propagandakompanie beim Überfall auf die Sowjetunion.

Er betreute die Europäische Korrespondenz, die Deutsche Diplomatische Korrespondenz und das gemeinsame Propagandamedium der drei faschistischen Achsenmächte Berlin – Rom – Tokio. Er hetzte gegen den „amerikanischen Filmjuden Charlie Chaplin“. Der US-Präsident war für ihn in Übereinstimmung mit einem Teil der US-Business Community „der Jude Roosevelt“.

1948 gehörte er zu den Mitbegründern von Christ und Welt, das offizielle Blatt der Evangelischen Kirche, die wie die katholische eng mit dem NS-Regime kollaboriert hatte. Er führte es als Chefredakteur zur damals auflagenstärksten Wochenzeitung. Auch für Die Zeit und zahlreiche Tageszeitungen war er ein gefragter Autor.

Als Rockefeller-Stipendiat hatte Wirsing 1930 die USA bereist, 1940 veröffentlichte er eine Fundamentalkritik der konkurrierenden Weltmacht (Der maßlose Kontinent. Roosevelts Kampf um die Weltherrschaft). Nachdem nicht NS-Deutschland, sondern die USA den Krieg gewonnen hatten, agitierte der christlich lackierte Zeit-Schreiberling nun für die neue „Schicksalsgemeinschaft“: Nur „die Schicksalsgemeinschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten kann stark genug sein, Gefahren abzuwenden.“ (Der abwendbare Untergang, 1975)

Hans-Georg von Studnitz, zunächst Banker, war wie Wirsing für die Medien des NS-Außenministeriums (Auswärtiges Amt) tätig gewesen; nach 1945 wurde er regelmäßiger Mitarbeiter von Die Zeit, Christ und Welt, zwischendurch Pressesprecher der Deutschen Lufthansa.

Ferdinand Fried (bis 1945 hatte er Ferdinand Friedrich Zimmermann geheißen) war in der NS-Zeit Hauptschriftleiter der Münchner Neuesten Nachrichten, die SS-Chef Himmler nahestanden. Als Obersturmführer arbeitete Fried im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. Im Blut und Boden-Verlag Goslar veröffentlichte er sein antisemitisches Glaubensbekenntnis „Der Aufstieg der Juden“. Nach dem Krieg schrieb der christlich Wiedergeborene ab 1948 für das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, bevor er das Wirtschaftsressort in Springers Die Welt leitete und dies bis zu seinem Tode1967 tat.

1931 hatte er NS-demagogisch „Das Ende des Kapitalismus“ angekündigt. Als der US-Kapitalismus gesiegt hatte, trat er nicht für dessen Ende ein, sondern für dessen Verewigung.

Redakteure und Autoren von Das Reich waren privilegierte Komplizen und Agitatoren des Unrechtsystems gewesen. Herausgeber Goebbels, der in jeder Ausgabe einen Kommentar platzierte, hatte hier offen vom „allmählichen Vernichtungsprozess“ der Juden geschrieben.

Jahrzehntelang waren nach 1945 Ex-Reich-AutorInnen beliebt bei FAZ, Zeit, Spiegel, Welt, Christ und Welt, Süddeutsche, so Elisabeth Noelle-Neumann, W.E.Süskind, Nikolas Benckiser, Margret Boveri, Peter Bamm, Adolf Butenandt, Erich Pfeiffer-Belli, Oskar Loerke, Frank Thies, Carl Diem, Gerd Gaiser, Max Planck, Benno von Wiese, übrigens auch der spätere Bundespräsident Theodor Heuss (FDP).

Solche Journalisten versöhnten schließlich Israel mit Wehrmacht, SS und „Deutschland“, d.h. die von den Westmächten gegründete Bundesrepublik. Zur Eroberung Palästinas schwärmte man völkisch: „Mit einem Blitzkrieg, der schneller gewonnen wurde als je ein deutscher Sieg, eroberten die Israelis die Halbinsel Sinai und die ganze Bundesrepublik… Mit einer Musterdemonstration stählernen Soldatentums… schossen sie sich in die Herzen jenes Volkes, in dessen Namen einst alle Juden ausgerottet werden sollten.“ (Der Spiegel: Blitz und Blut, 12.6.1967)

Geheimdienst-Zusammenarbeit

Eine besondere Form des Lügens erwuchs aus der zudem bezahlten Zusammenarbeit mit Geheimdiensten. Zu deren Gewerbe gehört die Konstruktion von mehr oder weniger plausiblen Lügen. Die Geheimdienste in der Bundesrepublik, zunächst die „Organisation Gehlen“, dann ab 1956 der BND, belieferten und bezahlten seit Gründung des Staates auch die als einflussreich erkannten Journalisten.

Eine BND-Gehaltsliste von 1970 nennt 230 Top-Journalisten, darunter Marion Gräfin Dönhoff (Deckname Dorothea, Die Zeit), Peter Boehnisch (Deckname Bongert, BILD, später Pressesprecher von Bundeskanzler Helmut Kohl), Karl Holzamer (Deckname Huppertz, ZDF-Intendant), Hermann Proebst (Deckname Pirna, Süddeutsche Zeitung) und Gerhard Löwenthal (Deckname Loeben, ZDF). Die Chefredakteure und Journalisten übernahmen das BND-Material und sorgten – so jedenfalls war ihr Auftrag - für die mediale Präsentation etwa der US-Kriege und von „Menschenrechts“-Kampagnen gegen sozialistische Staaten.


Quellen u.a.: Peter Köpf: Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels-Propagandisten in der westdeutschen Nachkriegspresse. Berlin 1995; Lutz Hachmeister u.a.: Die Herren Journalisten, München 2002; Erich Schmidt-Eenbohm: Undercover. Wie der BND die deutschen Medien steuert, München 1999; Werner Rügemer: Colonia Corrupta, Münster 2012; Uwe Krüger: Meinungsmacht. Köln 2013

Online-Flyer Nr. 567  vom 22.06.2016

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