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Aktueller Online-Flyer vom 03. Dezember 2024  

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Kommentar
Hochschulen: Bittere Realitäten zu einer seit 2009 wachsenden Antikriegskampagne
Sumpflandschaft Zivilklausel-Bewegung?
Von Dietrich Schulze

Dieser Beitrag hat den Charakter eines Kommentars. Deswegen wird auf links zu den belegbaren Fakten und Einschätzungen verzichtet. Der letzte Anstoß zu einem solchen längst überfälligen Artikel stammt aus der aktuellen Entwicklung an einer bayerischen Hochschule. Die Titelfrage klingt böse, ist aber in bewusstem Gegensatz zu der seit einiger Zeit praktizierten Schönrednerei gewählt worden. Bis 2014 gab es jährliche Bundestreffen zur Zivilklausel. Im Januar 2015 war in Berlin das letzte bundesweite Zivilklausel-Arbeitstreffen, das diesen Namen verdient. Es wurde von NatWiss ausgerichtet und gipfelte in Zivilklausel-Lageberichten aus vielen Hochschulen und in kritischen Workshops. Am Rande des Friedensratschlags im Dezember 2015 wurden die Aktiven Lucas und Julian damit beauftragt, einen Hochschulort mit Zivilklausel-AK und der Bereitschaft zu suchen, noch im Jahre 2016 für ein weiteres bundesweites Zivilklausel-Arbeitstreffen einzuladen. Der Autor hat daran kräftig mitgewirkt und muss jetzt unverblümt sein gegenwärtiges Scheitern einräumen. Zweck des Kommentars ist die Aufklärung über die ungeschminkte Problemlage. Damit soll geholfen werden, Bewusstsein zu schaffen, um die dramatisch ungünstige Lage verbessern zu helfen. 


Collage von Dietrich Schulze mit 5 Friedenstauben von Picasso und 4 friedlichen Bildern aus den Hochschulorten Jena, Münster, Karlsruhe und Erlangen-Nürnberg

Die große Politik hat den „Krieg um die Köpfe“ an den Hochschulen längst aufgegriffen und übt massiven Druck auf die Uni-Leitungen gegen Zivilklausel-Bestrebungen aus. Natürlich ist in diesen Landen auch der vorauseilende Gehorsam kein seltenes Phänomen. Warum dann aber die ständigen Hetzartikel gegen die Zivilklausel? Weil allein die Debatte über friedliche Schulen und Hochschulen von den neuen Kalten Kriegern als eine gefährliche Militarisierungsbremse eingestuft wird.

Wie ging es voran mit dem Auftrag aus dem Friedensratschlag? Kurz danach war an der Uni der Friedensstadt Augsburg der seit Jahren verfolgte Anspruch der Studierendenschaft auf Einrichtung einer ersten bayerischen Zivilklausel am Senat gescheitert. In der Zeitung konnte man lesen, dass der AK weiter für eine friedliche Uni kämpfen will. Da lag die Frage nahe, ob nicht gerade in der Friedensstadt das Zivilklausel-Arbeitstreffen eine gute inhaltliche Ergänzung auf den an den Senat überreichten „Goldenen Panzer“ wäre. Die ersten Reaktionen waren positiv. Ein von Lucas für 5. Februar angebotenes Treffen in Augsburg kam jedoch nicht zustande. Die Augsburger Friedensinitiative und das Forum solidarisches und friedliches Augsburg hatten Unterstützung zugesagt. Bei dieser Kommunikation wurde mit Erstaunen registriert, dass der AK Zivilklausel keinerlei Zusammenarbeit mit diesen beiden kompetenten Partnern gesucht hatte. Vor der bayerischen Vernetzung „Friedliche Schulen und Hochschulen“ am 9. April in Ingolstadt stand bereits fest, dass dieses Zivilklausel-Arbeitstreffen ebenso wie der angekündigte Weiterkampf gestorben war. Selbst der vom Autor für die Vernetzung erbetene Bericht aus Augsburg war als Zumutung angesehen worden. Das war der erste Streich, der zweite folgt sogleich.

Der AK Zivilklausel der Uni Erlangen-Nürnberg hatte am 28. März über die [Zivilklausel_info]-Liste ein Zivilklausel-Bundestreffen in Erlangen angeboten. Darauf besann sich der Autor am 24. Juni und begann einen zweiten Anlauf. Dazu muss vorab noch mitgeteilt werden, dass für 20. Juli eine Senatsentscheidung über die Zivilklausel angesetzt worden war. Den Nürnberger Nachrichten konnte man entnehmen, worum es sich konkret handeln würde. Präsident Prof. Joachim Hornegger zeigte sich offen für eine Verschönerung des Leitbildes, lehnte aber eine Zivilklausel als grundgesetzlich nicht mögliche Vorschrift ab. Das bedeutet, es konnte sich bestenfalls um eine Alibi-Klausel handeln. Nach intensiven Diskussionen mit dem AK unter Mitwirkung des Nürnberger Friedensmuseums standen am 12. Juli die Kerndaten für ein Zivilklausel-Arbeitstreffen fest. Freitag 28. Oktober: Eröffnung mit Vorträgen von Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung) und Christoph Marischka (IMI e.V.). Samstag 29. Oktober: Erfahrungsaustausch und Workshops. Sonntag 30. Oktober: Berichte über die Workshop-Ergebnisse und Abschluss-Podium. Die organisatorische Unterstützung von NatWiss mit den Berliner Erfahrungen lag vor.

Am 17. Juli hatte der Autor die Möglichkeit zu einem Arbeitsgespräch über die Fertigstellung der Erstankündigung. Die beiden AK-Vertreter eröffneten das Gespräch mit einer Mitteilung. Der Senat hatte die Befassung mit der Zivilklausel vom 20. Juli auf 26. Oktober verschoben. Erstreaktion des Autors: Das ist ja nicht besonders tragisch, wenn ein Alibi-Zivilklausel-Beschluss verschoben wird. Das war aber ein Irrtum. Im Verlaufe des Gesprächs wurde deutlich, dass die AK-Vertreter befürchteten, dass im Falle des Zivilklausel-Arbeitstreffens der Beschluss am 26. Oktober gänzlich negativ ausgehen würde. Deswegen müsse das Treffen ein Vierteljahr später oder woanders stattfinden. Beide Alternativen wurden gemeinsam als nicht vernünftig angesehen. Und nun kommt der Knüller. Kurz darauf kam die Absage des geplanten Zivilklausel-Arbeitstreffens. Präsident Hornegger und seine Strategen hatten sich mit der pfiffigen Verschiebetaktik durchgesetzt. Der AK war eingeknickt und erspart der Uni-Obrigkeit an der eigenen Universität die bundesweite Aufmerksamkeit für die Thematik der von ihr abgelehnten Zivilklausel.

Bleiben wir noch in Bayern. Bei einer Vollversammlung der Studierenden Anfang Juni in der Uni Regensburg wurde nach längerer Debatte über eine Zivilklausel ein Antrag angenommen, eine Friedens- statt einer Zivilklausel zu fordern. Dabei seien Kooperationen mit Bundeswehr oder Rüstungsfirmen prinzipiell weiterhin möglich. Das ist nicht einmal eine Alibi-Klausel, sondern eine Verneigung vor der Rüstungslobby.

Das alles sind leider keine Einzelfälle. Selbst gegen ordentliche Zivilklauseln wird mit verdeckter Rüstungsforschung oder mit Bundeswehr-Studiengängen verstoßen wie in der Hochschule Bremen.

Von den ca. 60 Hochschulen mit Zivilklauseln sind die Hälfte gar keine, sondern Alibi- oder Friedensklauseln. In mehreren weiteren wird wie in Bremen gegen die Zivilklausel verstoßen.

Jetzt mögen Sie bitte verstehen, warum ich den Begriff „Sumpflandschaft“ verwendet habe. Ich lasse mir trotz alledem nicht die Zuversicht rauben, dass dieser Sumpf trocken gelegt werden kann und muss. Und ich gehe auch davon aus, dass es keine Unterstützung mehr für Alibi-Zivilklauseltreffen mit Schönrednerei geben wird.

Zum Schluss noch ein hochinteressanter Artikel über Halle an der Saale, worin auch über die dortigen Zivilklausel-Absichten positiv gesprochen wird. Ich meine den Artikel von Prof. Gudrun Ehlert von der Hochschule Mittweida mit dem Titel „Kalter Krieg um Händel“ in der Ausgabe 14/2016 der Zeitschrift „Ossietzky“. Dort wird überzeugend gegen die aus dem früheren Kalten Krieg stammende Totalitarismustheorie argumentiert. Ende Mai hatte in Halle die Internationale Wissenschaftliche Konferenz anlässlich der Festspiele im Händel-Haus getagt, die wieder einmal zum Schauplatz eines kalten ideologischen Krieges gemacht worden war. Filmautor Olaf Brühl erklärte in einem leidenschaftlichen Statement die Nähe der antisozialistischen Konferenzausrichtung mit der Militarisierung von Forschungen an der Uni Halle-Wittenberg. Er solidarisierte sich mit Initiativen von Studenten des AK Zivilklausel, eine Antimilitarisierungsklausel zu installieren und deutsch-germanische Kriegerdenkmale vom Campus zu entfernen.

Dieser „Ossietzky“-Artikel macht Mut, den die Zivilklausel-Bewegung dringend braucht.

Nachsatz: Dieser pünktlich vor der Senatssitzung ohne den Tagesordnungspunkt zur Zivilklausel erscheinende NRhZ-Artikel wird dem Präsidenten zur Weiterleitung an die Senatsmitglieder gerne zugesandt werden.


Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.
Email dietrich.schulze@gmx.de


Online-Flyer Nr. 571  vom 20.07.2016

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