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Medien
Eine Betrachtung gegen die Orientierungslosigkeit
Ein Hoch auf unsere Herrschaftsmedien (II)
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

In KROKODIL 16 – bzw. in der NRhZ 555 vom 30.03.2016 – hatten wir erkannt: „Wenn uns die Orientierung abhanden kommt,... haben wir dafür unsere Herrschaftsmedien. Es ist wunderbar einfach. Die Herrschaftsmedien leiten uns. Wir müssen sie nur zu lesen verstehen... Wer von ihnen als Feindbild aufgebaut wird, ist in den seltensten Fällen unser Feind. Wer von ihnen zum Star hochstilisiert wird, ist sehr wahrscheinlich eine große Gefahr... Wenn Menschen... auf die Abschussliste gesetzt werden, ist davon auszugehen, dass sie den Interessen der kapitalen Mafia zuwider handeln oder gehandelt haben.“

Nun gibt es zurzeit – wieder einmal – zwei Fälle der Feindbildproduktion. Doch diesmal gibt sie uns Rätsel auf. Denn es sind zwei Menschen aus den Zentren der Herrschaftsapparate. Der eine ist Präsident eines NATO-Landes. Der andere ist Präsidentschaftskandidat im Stammland der "Einzigen Weltmacht" und noch dazu Mitglied der so genannten "Republikaner", der Partei, die gemeinhin als die rechtere der zwei sich an dem Wahlspektakel beteiligenden Parteien gilt. Und trotzdem werden sie von den Herrschaftsmedien in einer Weise angegangen, als wären sie führende Politiker aus dem Spektrum der "Schurkenstaaten". Was ist da geschehen? Steht die Welt jetzt auf dem Kopf? Sind die Herrschaftsmedien geläutert, so dass jetzt umgekehrte Schlüsse zu ziehen wären: Wer als Feindbild aufgebaut wird, ist in der Regel tatsächlich unser Feind?

Zweimal Hitler

„Wie viel Hitler steckt in Donald Trump?“ fragt am 08.03.2016 das "Handelsblatt". „Haben die USA einen neuen Hitler geboren?“ fragt n-tv am 01.06.2016. „Wie ähnlich sind sich Donald Trump und Adolf Hitler?“ fragt Newsweek am 21.09.2016. „Donald Trump ist eine Katastrophe, er ist wie ein weiterer Hitler“, lässt der "Focus" die Holocaust-Überlebende Eva Schlosser sagen. Die britische Zeitung "The Telegraph" entwirft einen Quiz, bei dem die Leser urteilen müssen, ob Aussagen von Trump oder Hitler stammen. „So kommt der Faschismus nach Amerika“, überschreibt Robert Kagan einen Artikel in der "Washington Post". „Trump ist eine Gefahr für die ganze Welt“, erklärt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am 15.09.2016 in einem Interview mit dem "Spiegel". Die "Jerusalem Post" lässt den 99jährigen Hollywood-Schauspieler Kirk Douglas am 22.09.2016 sagen, „Trumps Äußerungen könnten auch 1933 ausgesprochen worden sein, als Hitler Kanzler in Deutschland wurde“.

„Ich behaupte: Was seine Einstellung gegenüber der Demokratie betrifft, hat Recep Tayyip Erdogan mehr mit Hitler gemein als mit, sagen wir, Nigel Farage... Erdogan ist nicht Hitler... Aber seine Methoden zur Machterhaltung sind die von Hitler“, ist am 18.07.2016 in der Berliner BZ zu lesen. „Grünen-Politiker Jürgen Trittin vergleicht Erdogans Streben nach einem Präsidialsystem für die Türkei mit der Machtergreifung Hitlers“, lässt uns die "Berliner Morgenpost" am 03.06.2016 wissen. „Von Hitler zu Erdogan“, ist am 19.02.2016 in der "Jerusalem Post" zu lesen, und es wird vor der Passivität „im Anblick des Entstehens eines neuen faschistischen Reiches“ gewarnt.

Wahnsinn, was die Herrschaftsmedien uns offenbaren! Müssen wir nun doch umdenken und davon ausgehen, dass wir tatsächlich vor gefährlichen Entwicklungen, die mit Erdogan und Trump verbunden sind, gewarnt werden?

Zweimal Annäherung an Russland

Nebenbei lesen wir, z.B. im Schweizer "Tagesspiegel" vom 11.08.2016, folgenden kurzen Satz: „Er ist der Gründer des IS.“ Wer ist der Gründer des IS? US-Präsident Obama! Und: „Mitgründerin ist die betrügerische Hillary Clinton.“ Wer sagt das? Das sagt Donald Trump. Der "Tagesspiegel" formuliert es insgesamt so: „'Er ist der Gründer des IS', sagte Trump am Mittwoch [11.08.2016] bei einem Wahlkampfauftritt in Florida und wiederholte den Vorwurf gegenüber Obama mehrmals. Über die Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, sagte Trump: 'Ich würde sagen, die Mitgründerin ist die betrügerische Hillary Clinton.'“ Das geht zu weit. Das kommt der Wahrheit verdammt nahe.

Rainer Rupp zitiert am 5.8.2016 bei RT Deutsch eine Äußerung von Stephen F. Cohen, emeritierter Professor für Russland-Studien an der Princeton University und der New York University und zugleich Mitglied des US-Council of Foreign Relations, über den Präsidentschaftskandidaten Trump: „Er sagt, dass er den neuen Kalten Krieg beenden und mit Russland auf verschiedenen Gebieten zusammenarbeiten will.“

„Wir wollen die Wiederherstellung der Beziehungen mit der Türkei in vollem Umfang“, sagte der russische Präsident Putin bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan am 09.08.2016 in Sankt Petersburg. Und: „Ich glaube daran, dass wir mit diesem Schritt und zukünftigen Schritten in eine ganz andere Phase eintreten.“ Dem vorausgegangen war, dass Erdogan sich kurz vor dem gescheiterten Putschversuch vom 15./16. Juli 2016 bei Russland für den Abschuss einer Suchoi Su-24 der russischen Luftwaffe am 24. November 2015 im türkisch-syrischen Grenzgebiet förmlich entschuldigt hatte. Das muss sanktioniert werden.

Annäherung an Russland – Frieden mit Russland – das wäre der Tod jahrelanger imperialistischer Anstrengungen. Ex-US-General John Allen erkennt, die Wahl Trumps zum Präsidenten würde „eine zivil-militärische Krise auslösen…, wie sie das Land bisher noch nicht gesehen hat“. Nun wissen wir: auf die Herrschaftsmedien ist weiterhin Verlass. Wir brauchen nicht umzudenken. Es gilt weiterhin: Wer von ihnen als Feindbild aufgebaut wird, ist in den seltensten Fällen unser Feind. Wer von ihnen als Feindbild aufgebaut wird, ist der Feind imperialistischer Kapital-Verbrecher. Doch noch einmal werden wir auf die Probe gestellt mit unserem Urteil. Die Verunsicherung kommt von "links".

Verunsicherung von "links"

Am 11.07.2016 wird in der "jungen Welt" unter Bezugnahme auf eine Meldung der Nachrichtenagentur AFP die Frage gestellt: „Ist Trump ein Alien?“ Und schon am 01.07.2016 wurde dort – ebenfalls mit AFP – die Position des französischen Präsidenten zum Besten gegeben: „Hollande fürchtet Trumps Triumph.“

„Auch die Parallelen zu Hitler liegen bei Erdogan auf der Hand... Wie Hitler und seine Schergen hatte Erdogan seine Verhaftungs- und Todeslisten längst geschrieben, bevor er einen Umsturzversuch inszenierte...“ Der Autor, der diese Zeilen formuliert, nennt Erdogan im gleichen Artikel einen „Aushilfshitler“, „vor Blut triefenden Diktator“ und „größenwahnsinnigen Kleingartenführer“. Und dessen Unterstützer nennt er „Appeasement-Arschlecker, Diktatoren-Eierschaukler und Schwanzlutscher“. Der Autor heißt Wiglaf Droste und schreibt dies am 22.07.2016 – kurz nach dem gescheiterten Putschversuch – im Feuilleton der Tageszeitung "junge Welt". Bereits am 02.01.2016 war auf Titelseite der "jungen Welt" in einem mit "Nach Hitlers Vorbild" überschriebener Artikel zu lesen: „Offenkundig orientiert sich Erdogan auch an der Rhetorik seines Vorbildes Hitler.“

Was wird mit diesen Darstellungen in einer "linken" Zeitung deutlich? Müssen wir zu guter letzt doch noch umdenken? Denn wir wissen: "links" steht für Frieden, Aufklärung und Wahrhaftigkeit. Wenn das, was wir soeben gelesen haben, tatsächlich "links" ist, dann ist das Gelesene Ausdruck von Wahrhaftigkeit. Wenn es nicht "links" ist, ist das Etikett "links" eine Täuschung. Und das, was einst "links" war, ist jetzt Teil des Herrschaftsapparats. Also doch: wir können weiterhin Vertrauen haben in unsere Herrschaftsmedien. Politiker, die sie uns als Gefahr verkaufen wollen, sind eher eine Hoffnung für die Welt – insbesondere indem sie den Konfrontationskurs gegenüber Russland aufbrechen könnten. Den Herrschaftsmedien gebührt weiterhin unser großer Dank.


Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 18 (September 2016) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/

Online-Flyer Nr. 583  vom 12.10.2016

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