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Inland
Kölner Klagemauer: Antrag der Piraten an den Kultur-Ausschuss der Stadt Köln
Rufmord im Interesse von Rassisten geht weiter
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Thomas Hegenbarth, der nach Angaben der rechtsextremen Wochenzeitung "Junge Freiheit" im NRW-Landesverband der rechtsextremen Schill-Partei 2002 zum Schriftführer gewählt wurde (1), ist einer von zwei Piraten, die alle anderen Kölner Parteien rechts überholen wollen, indem sie einen Antrag an den Ausschuss Kunst und Kultur des Kölner Stadtrats stellen (2), der Friedenspreisträger Walter Herrmann und die von ihm initiierte "Kölner Klagemauer für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht" im Interesse des israelischen Apartheid-Staates Israel als antisemitisch verunglimpfen soll – eines Staates, der den Vorwurf des Antisemitismus benutzt, um seinen gegenüber den Palästinensern praktizierten Rassismus nicht zum Thema werden zu lassen. Der Antrag gipfelt in dem Gedanken, die Klagemauer in die Verfügungsgewalt dieses Staates zu bringen. In einer begleitenden Pressemitteilung (3) wird die Klagemauer als „der Schandfleck der Domplatte“ diffamiert. Die zionistische website Hagalil lässt einen Anwalt des rassistischen Israel verschleiernd kommentieren (4): Walter Herrmanns „antisemitischer Nachlass gehört in ein Archiv, das es als seine Aufgabe betrachtet, Antisemitismus wissenschaftlich aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Politisch gehört es geächtet.“


Walter Herrmann, Initiator der Kölner Klagemauer für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht (Foto: arbeiterfotografie.com)

Die im Kölner Stadtrat vertretenen Piraten Thomas Hegenbarth und Lisa Gerlach stellen mit Eingangsdatum vom 24.11.2016 an den Ausschuss Kunst und Kultur einen Antrag mit dem Titel "Dauer-Demonstration 'Kölner Klagemauer' zur Dokumentation von Antisemitismus nach 1945 an geeignete Institutionen übergeben". Demnach soll Folgendes beschlossen werden:
    Der Kunst- und Kulturausschuss der Stadt Köln empfiehlt dem Historischen Archiv, von den Vorschlägen der Mitteilung (2970/2016) Abstand zu nehmen. Die Hinterlassenschaft von Walter Herrmann muss aufgrund der stark antisemitischen Ausprägung der Papptafeln und der Konzeption als "Klagemauer" als Ganzes sehr kritisch betrachtet werden. Für Institutionen wie das EL-DE-Haus in Köln oder Yad Vashem in Jerusalem könnte die Hinterlassenschaft vielleicht interessant sein, da durch sie Antisemitismus nach 1945 dokumentiert werden kann. Es sollte geprüft werden, ob eine der beiden Institutionen die Möglichkeit sieht, die Hinterlassenschaft in den richtigen Kontext zu stellen und ggf. zu archivieren.

Eine Begründung wird nicht formuliert. Es heißt: „Die Begründung erfolgt mündlich.“ Mit Datum vom 28.11.2016 verbreiten die Piraten im Rat der Stadt Köln eine Pressemitteilung mit dem Titel "Die 'Kölner Klagemauer' gehört nicht zu Köln!". Sie hat folgenden Wortlaut:
    Piraten stellen Antrag die "Kölner Klagemauer" zur Dokumentation von Antisemitismus nach 1945 an geeignete Institutionen, wie das EL-DE Haus oder Yad Vashem, zu übergeben.

    Indem Herrmann dem Stadtmuseum und dem Stadtarchiv seine Papptafeln hinterließ, hat er der Gemeinschaft noch posthum eine Auseinandersetzung mit seinen Themen aufgezwungen. Tatsächlich war zu seinen Lebzeiten die "Kölner Klagemauer" mit ihren agitatorischen und offen antisemitischen Inhalten der Schandfleck der Domplatte. Hier darf man sich nicht um eine Einordnung in den zutreffenden Kontext drücken! Der in Köln lebende jüdische Autor Peter Finkelgruen schlägt vor: „Für Institutionen wie das EL-DE-Haus in Köln oder Yad Vashem in Jerusalem könnte die Hinterlassenschaft vielleicht interessant sein, da durch sie Antisemitismus nach 1945 dokumentiert werden kann.“ Wir bitten im Kulturausschuss um Prüfung, ob eine der beiden Institutionen die Möglichkeit sieht, die Hinterlassenschaft in den richtigen Kontext zu stellen und ggf. zu archivieren.
     
    Klar ist, dass Teile der Stadtgesellschaft immer ein Problem damit haben werden, ein Erbe, und sei es noch so vergiftet, auszuschlagen. Eine Weitergabe an das EL-DE-Haus würde dem vorgreifen. Teile der Klagemauer könnten dann als das archiviert werden, was sie sind, an einem Ort, wo es hingehört.
     
    Die Stimmen innerhalb der Stadtgemeinschaft dazu sind unterschiedlich. Archiv-Chefin Bettina Schmidt-Czaja bezeichnete die Klagemauer als Teil der "Protestkultur in Köln" und  findet: „Dass wir damit nicht übereinstimmen, ist nicht relevant. Man muss es dokumentieren, sonst wäre es ja Zensur.“ Wir sehen das anders: Mit einer Distanzierung würde Köln klarmachen, dass es sich hier zwar um Dokumente eines Protests handelt, dass dieser aber nicht einer Kultur entsprach, für die wir in Köln stehen. Die Annahme von Zensur ist abwegig. Denn selbstverständlich durfte Hermann seine Meinung im öffentlichen Raum vorbringen, sogar an prominentester Stelle. Auch wenn er das über ein Vierteljahrhundert lang tat, könnte es durchaus Meinungsmüll gewesen sein, und zwar giftiger, den er da zur Schau stellte.
     
    Ratsfrau Lisa Hanna Gerlach von den Piraten: „Die aktuelle Frage ist nun, ob sich die Stadt posthum einen Teil seiner Äußerungen zu Eigen machen will. Denn genau das täte sie durch die Ehre einer Archivierung und dem damit verbundenen Zurverfügungstellen von teurem Depotraum an öffentlichen Stellen. Eine kritische Stelle wie das EL-DE-Haus sollte dies begleiten, statt dass das Stadtarchiv die Papptafeln nach dem Zufallsprinzip auswählt und sie damit orientierungs- und instinktlos zu einem Teil kölscher Protestkultur adelt. Denn das wird der Sache nicht gerecht. Die 'Kölner Klagemauer' gehörte nicht zu Köln!“

Demnach ist es ein „jüdischer Autor“, der den Piraten im Kölner Stadtrat die Idee für ihre Eingabe geliefert hat. Zudem ist es das nachfolgend beschriebene Phänomen, das die Frage aufwirft: wer sind die eigentlichen Akteure, und wer lässt sich (lediglich) benutzen? Bereits einen Tag vor Verbreitung der Pressemeldung ist die zionistische website Hagalil informiert und frohlockt in einem von Roland Kaufhold verfassten, mit Zitaten aus der Pressemitteilung angereicherten Artikel: „Die Kölner Piraten, die mit zwei Mitgliedern im Kölner Stadtrat vertreten sind – Lisa Gerlach und Thomas Hegenbarth – , haben nun eine wegweisende parlamentarische Initiative ergriffen...“ Der Artikel ist betitelt mit: "Weiter Streit um die Kölner 'Klagemauer' – Das vergiftete Erbe eines 'verblendeten Antisemiten' gehört in das EL-DE Haus oder nach Yad Vashem. Eine politische Initiative der Kölner Piraten...". Er greift damit die Ruf mordende Tendenz eines Kommentars auf, den der Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger nach einer Veranstaltung zum Umgang mit Walter Herrmanns Nachlass verfasst hatte. (5)

Dazu war in der NRhZ zu lesen: Am 15. November 2016 hat die Karl-Rahner-Akademie eine Veranstaltung mit dem Titel "Der Erinnerung wert? Walter Herrmann, die Klagemauer, der Antisemitismus und die Aufgabe historischer Archive" durchgeführt, moderiert von einem Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger. Bereits der Titel führt in eine Richtung, in die israelische Rassisten die Debatte zu steuern versuchen – in Richtung der verunglimpfenden Behauptung, Walter Herrmann sei ein Antisemit. Demgemäß saß auf dem Podium der Veranstaltung (fast) niemand, der ihn vom abwegigen Vorwurf des Antisemitismus hätte frei sprechen können. Und die Karl-Rahner-Akademie hatte es trotz mehrfacher Anfragen abgelehnt, jemanden vom Förderkreis Kölner Klagemauer für Frieden e.V. oder eine kritische Jüdin wie Evelyn Hecht-Galinski ins Podium aufzunehmen. So konnte der Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger den Ball aufnehmen und seinen Ruf mordenden Kommentar "Das vergiftete Erbe von Walter Herrmann" verfassen und den Friedenspreisträger, der jahrelang gegen den israelischen Rassismus und dessen Propagandamaschinerie gekämpft hat, einen "verblendeten Antisemiten" nennen. (6)

Was hat Roland Kaufhold als Quintessenz formuliert? Walter Herrmanns „antisemitischer Nachlass gehört in ein Archiv, das es als seine Aufgabe betrachtet, Antisemitismus wissenschaftlich aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Politisch gehört es geächtet.“ ES gehört geächtet, schreibt er. Was ist ES? Hier tritt eine Freud'sche Fehlleistung zu Tage. Das ES bezieht sich auf das letzte Neutrum im Satz, also auf das "Archiv". Roland Kaufhold schreibt also: das Archiv (das den Nachlass übernimmt, um ihn als antisemitisch zu brandmarken) gehört politisch geächtet. Diese Erkenntnis bedarf keines Kommentars.


Fussnoten:

1 Junge Freiheit, Ausgabe 45/02, 01. November 2002 – Parteien, Verbände, Personen
https://jungefreiheit.de/service/archiv?artikel=archiv02/452yy14.htm

2 Antrag der Kölner Piraten an den Ausschuss Kunst und Kultur des Kölner Stadtrats - eingegangen beim Amt der Oberbürgermeisterin am 24.11.2016
Dauer-Demonstration "Kölner Klagemauer" zur Dokumentation von Antisemitismus nach 1945 an geeignete Institutionen übergeben
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/vo0050.asp?__kvonr=66154

3 Pressemitteilung der Piraten im Rat der Stadt Köln, 28.11.2016
Die "Kölner Klagemauer" gehört nicht zu Köln! Piraten stellen Antrag die „Kölner Klagemauer“ zur Dokumentation von Antisemitismus nach 1945 an geeignete Institutionen, wie das EL-DE Haus oder Yad Vashem, zu übergeben.
http://www.piratenpartei.koeln/2016/11/28/die-koelner-klagemauer-gehoert-nicht-zu-koeln/

4 Hagalil-Artikel von Roland Kaufhold, 27.11.2016
"Weiter Streit um die Kölner 'Klagemauer'"
http://www.hagalil.com/2016/11/koelner-klagemauer-2/

5 Kommentar von Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, 17.11.2016
"Das vergiftete Erbe von Walter Herrmann"
http://www.ksta.de/koeln/kommentar-zur-klagemauer-das-vergiftete-erbe-von-walter-herrmann-25112476

6 Artikel von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, NRhZ 589, 23.11.2016
"Karl-Rahner-Tribunal richtet über Walter Herrmann – Der Rufmord wird fortgesetzt"
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23320

Online-Flyer Nr. 590  vom 30.11.2016

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