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Wirtschaft und Umwelt
Maude Barlow wirbt im Berliner Abgeordnetenhaus für ihr internationales Wasserprojekt
Wassermetropole Berlin bald "Blue Community"?
Von Ulrike von Wiesenau

"Jeder Tropfen zählt – Stadt für Stadt, Kommune für Kommune" - unter diesem Motto fand am 29. März 2017 im Berliner Abgeordnetenhaus auf Initiative von Dorothea Härlin vom Berliner Wassertisch ein Podium mit der weltweit bekannten Wasseraktivistin Maude Barlow statt. Eingeladen dazu hatten die drei Fraktionen der neuen rot-rot-grünen Regierungs-Koalition. Es war ihre erste gemeinsame öffentliche Veranstaltung der Legislaturperiode. SPD und Linke entsandten ihre umweltpolitischen Sprecher Daniel Buchholz und Marion Platta, die Grünen ihre Fraktionsvorsitzende Silke Gebel. Einflussreiche Organisationen wie die „Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft", VertreterInnen von Bürgerinitiativen, Verbänden und Umweltorganisationen der Stadt, wie das Ökowerk und der Berliner Wasserrat, waren gekommen um zu hören und zu diskutieren: Wird auch Berlin sich der internationalen Wasserinitiative anschließen und bald "Blue Community" werden?


Podium am 29. März im Berliner Abgeordnetenhaus (Fotos: Dr. Frank Wecker)

Wem gehört das Wasser? Wasser gehört uns allen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der Vortrag von Maude Barlow. Vor dem Hintergrund der globalen Krisen zeichnete die Trägerin "Alternativen Nobelpreises" und Präsidentin des kanadischen „Council of Canadians“ ein düsteres Zukunftsbild: Der Zugang zu Trinkwasser sei für Millionen Menschen nicht gesichert, die steigende Gefahr von Dürren und Wassermangel als Folge des Klimawandels werde die Situation künftig noch verschärfen: "Wir stehen vor einer Wasserkrise von Angst einflößender Größe.“

Wasser als Menschenrecht

Der Zugang zu Wasser als Menschenrecht und die Verankerung als öffentliches Gut ist das große Anliegen und Lebensthema Barlows. Doch das Wasser ist eine profitable Handelsware, ein Konsumgut, geworden. Schon 1986 prophezeite der damalige Außenminister Ägyptens und spätere UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali: "Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden nicht um Öl, sondern um Wasser geführt werden". Um den Konflikten um das Wasser zu begegnen, haben die Vereinten Nationen 2010 Wasser zum Menschenrecht erklärt. Die damalige Sonderbeauftragte der UN-Vollversammlung für Wasser war Maude Barlow. Für ihr Engagement als „Water Warrior“ wurde ihr im Jahr 2005 der alternative Nobelpreis (Right Livelihood Award) verliehen.


Maude Barlow

Maude Barlow setzt sich nicht nur für Wasser als öffentliches Eigentum ein, sie wirbt für „Blue Communities. Die "Blue Communities" wurden vom Council of Canadians, einer kanadischen Organisation für soziale und ökologische Gerechtigkeit, initiiert. Heute führt Barlow als Vorstandsvorsitzende dieser größten zivilgesellschaftlichen Vereinigung Kanadas die Initiative "Blue Community" an. Mit ihr verpflichten sich Kommunen, ihre Wasserpolitik im Sinne des von der UN proklamierten Menschenrechts auf Wasser auszurichten. Kernforderungen sind die Anerkennung des Wassers als ein grundlegendes Menschenrecht, der Verbleib der Wasserdienstleistungen in öffentlicher Hand und die Förderung des Konsums von Leitungswasser an Stelle von Flaschenwasser. Das umfasst auch einen langfristigen Wissens- und Erfahrungsaustausch mit den Partnern im In- und Ausland. Bern, Paris und die Wasserbetriebe von Thessaloniki sind ebenso Teil des Projektes geworden wie der Weltkirchenrat, der 500 Millionen Christen vertritt. In Brasilien haben sich zahlreiche Dörfer der Kampagne angeschlossen, um sich vor den Begehrlichkeiten privater Interessenten an ihrem Wasser zu schützen.

Berlin: Beispiel mit Signalwirkung für viele Kommunen der Welt

Doch Barlow warnte auch vor den Folgen der geplanten Freihandelsabkommen CETA (EU-Kanada) und TTIP (EU-USA) in Bezug auf die irreversible und schädliche Wasserprivatisierung. Auch wenn Wasser in der EU von der Privatisierung ausgenommen sei, könne mit CETA doch erneut eine Privatisierung drohen. Ein wichtiger Gesichtspunkt dabei war, dass eine Blue Community auch dabei helfe, die negativen Folgen der Handelsabkommen wie CETA und TTIP abzuwehren. Sie würdigte in diesem Zusammenhang noch einmal den international bekannt gewordenen Fall der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, die der Berliner Wassertisch im Februar 2011 durch den erfolgreichen Volksentscheid in Gang gesetzt hatte. Berlin sei ein Beispiel mit Signalwirkung für viele Kommunen der Welt geworden, jetzt müsse aus der Metropole eine Bewegung folgen, die ein Eintreten für die öffentliche Wasserver- und Entsorgung in die Welt trägt.

Die Vorschläge Barlows trafen auf große Zustimmung, unter allen Beteiligten herrschte Übereinstimmung, die Kernforderungen der „Blue Community“ in einer noch zu findenden Form in der Stadtpolitik zu verankern. In der Diskussion wurden zahlreiche Vorschläge unterbreitet, die auf das Interesse der Politik und der Wasserbetriebe stießen: an Verkehrsknotenpunkten wie dem Hauptbahnhof könnten öffentliche Trinkwasserbrunnen eingerichtet werden. Bei der Neuausschreibung des Betriebs öffentlicher Toiletten solle zur Bedingung gemacht werden, dass an der Aussenseite ein Trinkwasserhahn bereitgestellt wird. Außerdem solle die Gastronomie dazu angehalten werden, Leitungswasser in Karaffen für die Gäste bereitzuhalten.

Heidi Kosche, ehemalige Abgeordnete und Wasser-Expertin der Grünen, moderierte den Abend und liess auch den Leiter der Berliner Wasserversorgung (BWB), Jens Feddern, zu Wort kommen. "Ich bin dankbar wieder einen rekommunalisierten Wasserbetrieb zu vertreten." sagte er und unterstützte auch die von Gerlinde Schermer geäußerte Erwartung "Wasser als Menschenrecht" in den Zielvereinbarungen und Unternehmenszielen festzuschreiben. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz kündigte an, mit dem Thema beim Regierenden Bürgermeister vorstellig zu werden. Weitere Treffen wurden geplant, eine Webseite, www.bluecommunityberlin.de, erstellt. Die Vertreter der einladenden Regierungsfraktionen schlossen sich in der Abschlussrunde dem Plan an, mit Berlin als „Blue Community“ ein Zeichen zu setzen für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser auf allen Ebenen. Die Veranstaltung sei ein besonderer Auftakt und ein gemeinsames Bekenntnis.

Ermutigung für die Wasserbewegungen der Welt

Maude Barlows Schlussworte stehen im Raum und weisen den Weg "Ich glaube die Veranstaltung heute ist der Beginn einer großen Bewegung, ich danke den Müttern und Vätern der Rekommunalisierung des Wassers in Berlin. Es ist nun wichtig, mutig und aufrichtig diesen Weg weiter zu gehen und deutlich zu machen, wofür Berlin steht: es wäre eine Ermutigung für die Wasserbewegungen der Welt."


Zur Autorin: Ulrike von Wiesenau ist Expertin für direkte Demokratie und Pressesprecherin des Berliner Wassertischs. Sie arbeitet für die Organisation "Gemeingut in BürgerInnenhand" und ist im Vorstand des Freiburger Instituts für soziale Gegenwartsfragen.


Online-Flyer Nr. 608  vom 12.04.2017

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