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Krieg und Frieden
Zum Konzept der militärischen Ausbildungs- und Beratereinsätze in Krisen- und Kriegsgebieten
Anheizung von Konflikten
Von Jürgen Heiducoff
Man kann dem Ex-Kanzler Kohl vorwerfen, was man möchte. Jedoch erst mit dem Ende seiner Kanzlerschaft begann sich die deutsche Innen- und Außenpolitik gegen die Interessen der Deutschen zu wenden. Im Inneren verschärften sich die sozialen Verwerfungen, begann die Krise im Bildungs- und Gesundheitssystem. Außen- und sicherheitspolitisch begab sich Deutschland immer mehr ins transatlantische Fahrwasser. Entspannte Beziehungen zu Osteuropa, besonders zu Russland gehörten der Vergangenheit an. Selbst der Angriffskrieg wurde in den Instrumentenkasten der deutschen Außenpolitik genommen. Auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich fortan immer intensiver direkt und indirekt an internationalen Konflikten und Kriegen.
Die aktuellen bewaffneten Konflikte sind geprägt durch eine Vielzahl unterschiedlichster und wechselnder Konfliktparteien. Neben den unmittelbar regionalen Kräften greifen nicht selten global agierende in lokale Konflikte direkt oder indirekt ein.
Eine der Methoden der indirekten Einflussnahme ist die personelle und materielle Ausbildungsunterstützung ausgewählter Konfliktparteien. Das Konzept der militärischen Ausbildungs- und Beratereinsätze ist in der Friedens- und Konfliktforschung nicht unumstritten.
Zum Konzept der militärischen Ausbildungsunterstützung
Ein Teil der deutschen Streitkräfte erfüllt so genannte Ausbildungs- und Beratermissionen an verschiedenen Brennpunkten des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas. Dort agieren deutsche Offiziere und Unteroffiziere gegenüber Soldaten anderer Nationen und bilden diese in Bewaffnung, Technik und Taktik aus. Gleichzeitig findet natürlich ein begrenzter Gedanken- und Kulturtransfer statt. Und wenn die deutschen militärischen Ausbilder auch nur beiläufig über Deutschlands Vorzüge sprechen - es ist schon eine politische Einflussnahme. So bestimmen dann Militärs die politische Bildung im Gastland. Ein Verstoß gegen das im Grundgesetz vorgegebene Primat der Politik gegenüber dem Militär?
Noch deutlicher wird dies bei Beratereinsätzen z.B. in den Verteidigungsministerien und Stäben anderer Staaten. Dort üben deutsche Stabsoffiziere politischen Einfluss auf Schlüsselpersonal von Militär und Politik anderer Staaten aus. Politischer Einfluss auf die Eliten anderer Länder - ein Auftrag für die Politik! Für deutsche Ausbilder und Berater in Uniform sicher nicht.
Und überhaupt: Einsätze der Bundeswehr sollen der Stabilität, der Sicherheit und dem Frieden dienen. Aber das wird doch niemals erreicht, weil sehr oft immer nur eine der Konfliktparteien unterstützt wird.
Nach politischen Kriterien wird durch externe Player die Konfliktpartei ausgewählt, der künftig das Privileg zukommen soll, durch Ausbildung und Material vom Westen unterstützt zu werden. Diese Unterstützung erfolgt in der Regel bei laufenden Kämpfen sowohl im Konfliktgebiet als auch auf neutralem Boden oder in Deutschland.
Oft wird unterschlagen, dass dieses Konzept einen Eingriff in die Kräftebalance darstellt. Dies kann zur Stabilisierung, aber auch zur Destabilisierung der Lage beitragen. Es ist nicht zutreffend, von einem unparteiischen Eingriff auszugehen, wenn dieser bei laufenden bewaffneten Auseinandersetzungen stattfindet. Vielmehr kann, wie am Beispiel Irak deutlich wird, die militärische Ausbildungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsinitiative Deutschlands Teil der aktiven Teilnahme an Gefechten im betreffenden Land sein.
Um so mehr Kampfunterstützung durch die Bundeswehr geleistet wird, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass unter der stetig wachsenden Zahl ziviler Opfer auch Verwandte der auszubildenden Soldaten oder Milizen sind. Das kann zu undifferenziertem Hass auch gegenüber deutschem Personal führen. Das Konzept der militärischen Ausbildungshilfe stellt zudem – gewollt oder ungewollt - einen Eingriff in multiethnische und multireligiöse Spannungsfelder mit nicht kalkulierbaren Folgen dar.
Meines Erachtens ist die während komplexer multilateraler, z.T. auch mit asymmetrischen Methoden geführter Auseinandersetzungen gewährte Unterstützung immer nur einer der Konfliktparteien eine künstliche Einflussnahme auf die entstandene regionale Kräftebilanz. Es ist in diesem Fall nicht zu erwarten, dass eine objektive Bewertung der Lage sowie deren Entwicklung in den laufenden Auseinandersetzungen zu leisten sein kann.
Der Koalitionseinsatz westlicher Truppen wird in der Regel durch US-Interessen dominiert. Diese wiederum sind durch die Philosophie der gewaltsamen Beseitigung etablierter politischer Führer samt deren Regierungen geprägt. Die damit verbundene Zerstörung bestehender Staatlichkeit führt nicht selten zu Anarchie. Es entstehen Regionen, in denen unterschiedliche Interessengruppen und Milizen um ihre Machtansprüche kämpfen. Nicht selten werden diese oder jene Kräfte von außen je nach Interessenlage unterstützt. Drastische Beispiele dafür sind neben Libyen und dem Irak auch Somalia.
Schwerpunkte der gegenwärtigen deutschen Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe sind Afghanistan, Mali, Somalia und besonders die Unterstützung der kurdischen Peschmergakämpfer im Irak. Laut „Bundeswehr aktuell“ vom 29.05.2017 seien allein dort bisher mehr als 14.000 Kämpfer ausgebildet und 32.000 Handwaffen sowie über 30 Mio. Schuss Munition geliefert worden (1). Das sind nicht zu unterschätzende Leistungen und Potentiale.
Schwierig, wenn nicht unmöglich gestaltet sich die Begleitung der Kämpfer nach Ende der Ausbildung und die Verfolgung des Verbleibes der übergebenen Waffen, Munition und Ausrüstung. Fälle von Missbrauch unserer Leistungen sind vorprogrammiert.
Nicht wenige der Kriegsopfer aus dem Westen, ob Soldat, Journalist oder Entwicklungshelfer, sind von Angehörigen der Sicherheitskräfte angegriffen, verletzt oder ermordet worden, die eine Ausbildung durch westliche Militärs erhalten hatten. Zu ihnen gehört z.B. auch die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus (2). Die militärische Ausbildung umfasst die Lehre von Taktik, Waffenkunde und Logistik und beschränkt sich nicht nur auf Selbstverteidigung. Man kann durch eine militärische Ausbildung keine Moral und Ethik vermitteln.
Bedingt durch kulturelle und sprachliche Barrieren kommen sich Ausbilder und Auszubildende kaum näher. Durch die Fluktuation, die kurze Stationierungszeit der Ausbilder und die sprachlichen und kulturellen Barrieren sowie die individuelle materielle Orientierung westlicher Soldaten sind der Entwicklung vertrauensvoller Beziehungen zwischen Ausbildern und Auszubildenden Grenzen gesetzt.
Perspektiven
Im Kontext der derzeitigen sicherheitspolitischen Grundrisse ist eine Reform oder gar grundlegende Neuorientierung des Konzeptes der militärischen Ausbildungshilfe nicht möglich. Da bei objektiver Betrachtung der außen- und sicherheitspolitischen Entwicklung nach der Bundestagswahl 2017 keine grundlegende Veränderung zu erwarten ist, bleibt uns immer wieder das Instrument der Aufklärung der interessierten Bevölkerung. In diesem Zusammenhang muss immer wieder erklärt werden, dass neben dem Export von Waffen und Kriegsgerät aus deutschen Waffenschmieden auch die militärische Ausbildungsunterstützung zur Anheizung von Konflikten beiträgt. Die notwendige Aufklärung kann jedoch realistisch betrachtet bestenfalls nur der Begrenzung des deutschen Exportes von Anweisungen zum gewaltsamen Agieren dienen.
Fussnoten:
1 Bundeswehr aktuell, 29.05.2017
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Anja_Nidringhaus
Der Autor, der selbst 40 Jahre Militärdienst im In- und Ausland geleistet hat, vertritt hier seine persönliche Meinung.
Online-Flyer Nr. 619 vom 28.06.2017
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Krieg und Frieden
Zum Konzept der militärischen Ausbildungs- und Beratereinsätze in Krisen- und Kriegsgebieten
Anheizung von Konflikten
Von Jürgen Heiducoff
Man kann dem Ex-Kanzler Kohl vorwerfen, was man möchte. Jedoch erst mit dem Ende seiner Kanzlerschaft begann sich die deutsche Innen- und Außenpolitik gegen die Interessen der Deutschen zu wenden. Im Inneren verschärften sich die sozialen Verwerfungen, begann die Krise im Bildungs- und Gesundheitssystem. Außen- und sicherheitspolitisch begab sich Deutschland immer mehr ins transatlantische Fahrwasser. Entspannte Beziehungen zu Osteuropa, besonders zu Russland gehörten der Vergangenheit an. Selbst der Angriffskrieg wurde in den Instrumentenkasten der deutschen Außenpolitik genommen. Auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich fortan immer intensiver direkt und indirekt an internationalen Konflikten und Kriegen.
Die aktuellen bewaffneten Konflikte sind geprägt durch eine Vielzahl unterschiedlichster und wechselnder Konfliktparteien. Neben den unmittelbar regionalen Kräften greifen nicht selten global agierende in lokale Konflikte direkt oder indirekt ein.
Eine der Methoden der indirekten Einflussnahme ist die personelle und materielle Ausbildungsunterstützung ausgewählter Konfliktparteien. Das Konzept der militärischen Ausbildungs- und Beratereinsätze ist in der Friedens- und Konfliktforschung nicht unumstritten.
Zum Konzept der militärischen Ausbildungsunterstützung
Ein Teil der deutschen Streitkräfte erfüllt so genannte Ausbildungs- und Beratermissionen an verschiedenen Brennpunkten des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas. Dort agieren deutsche Offiziere und Unteroffiziere gegenüber Soldaten anderer Nationen und bilden diese in Bewaffnung, Technik und Taktik aus. Gleichzeitig findet natürlich ein begrenzter Gedanken- und Kulturtransfer statt. Und wenn die deutschen militärischen Ausbilder auch nur beiläufig über Deutschlands Vorzüge sprechen - es ist schon eine politische Einflussnahme. So bestimmen dann Militärs die politische Bildung im Gastland. Ein Verstoß gegen das im Grundgesetz vorgegebene Primat der Politik gegenüber dem Militär?
Noch deutlicher wird dies bei Beratereinsätzen z.B. in den Verteidigungsministerien und Stäben anderer Staaten. Dort üben deutsche Stabsoffiziere politischen Einfluss auf Schlüsselpersonal von Militär und Politik anderer Staaten aus. Politischer Einfluss auf die Eliten anderer Länder - ein Auftrag für die Politik! Für deutsche Ausbilder und Berater in Uniform sicher nicht.
Und überhaupt: Einsätze der Bundeswehr sollen der Stabilität, der Sicherheit und dem Frieden dienen. Aber das wird doch niemals erreicht, weil sehr oft immer nur eine der Konfliktparteien unterstützt wird.
Nach politischen Kriterien wird durch externe Player die Konfliktpartei ausgewählt, der künftig das Privileg zukommen soll, durch Ausbildung und Material vom Westen unterstützt zu werden. Diese Unterstützung erfolgt in der Regel bei laufenden Kämpfen sowohl im Konfliktgebiet als auch auf neutralem Boden oder in Deutschland.
Oft wird unterschlagen, dass dieses Konzept einen Eingriff in die Kräftebalance darstellt. Dies kann zur Stabilisierung, aber auch zur Destabilisierung der Lage beitragen. Es ist nicht zutreffend, von einem unparteiischen Eingriff auszugehen, wenn dieser bei laufenden bewaffneten Auseinandersetzungen stattfindet. Vielmehr kann, wie am Beispiel Irak deutlich wird, die militärische Ausbildungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsinitiative Deutschlands Teil der aktiven Teilnahme an Gefechten im betreffenden Land sein.
Um so mehr Kampfunterstützung durch die Bundeswehr geleistet wird, um so höher die Wahrscheinlichkeit, dass unter der stetig wachsenden Zahl ziviler Opfer auch Verwandte der auszubildenden Soldaten oder Milizen sind. Das kann zu undifferenziertem Hass auch gegenüber deutschem Personal führen. Das Konzept der militärischen Ausbildungshilfe stellt zudem – gewollt oder ungewollt - einen Eingriff in multiethnische und multireligiöse Spannungsfelder mit nicht kalkulierbaren Folgen dar.
Meines Erachtens ist die während komplexer multilateraler, z.T. auch mit asymmetrischen Methoden geführter Auseinandersetzungen gewährte Unterstützung immer nur einer der Konfliktparteien eine künstliche Einflussnahme auf die entstandene regionale Kräftebilanz. Es ist in diesem Fall nicht zu erwarten, dass eine objektive Bewertung der Lage sowie deren Entwicklung in den laufenden Auseinandersetzungen zu leisten sein kann.
Der Koalitionseinsatz westlicher Truppen wird in der Regel durch US-Interessen dominiert. Diese wiederum sind durch die Philosophie der gewaltsamen Beseitigung etablierter politischer Führer samt deren Regierungen geprägt. Die damit verbundene Zerstörung bestehender Staatlichkeit führt nicht selten zu Anarchie. Es entstehen Regionen, in denen unterschiedliche Interessengruppen und Milizen um ihre Machtansprüche kämpfen. Nicht selten werden diese oder jene Kräfte von außen je nach Interessenlage unterstützt. Drastische Beispiele dafür sind neben Libyen und dem Irak auch Somalia.
Schwerpunkte der gegenwärtigen deutschen Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe sind Afghanistan, Mali, Somalia und besonders die Unterstützung der kurdischen Peschmergakämpfer im Irak. Laut „Bundeswehr aktuell“ vom 29.05.2017 seien allein dort bisher mehr als 14.000 Kämpfer ausgebildet und 32.000 Handwaffen sowie über 30 Mio. Schuss Munition geliefert worden (1). Das sind nicht zu unterschätzende Leistungen und Potentiale.
Schwierig, wenn nicht unmöglich gestaltet sich die Begleitung der Kämpfer nach Ende der Ausbildung und die Verfolgung des Verbleibes der übergebenen Waffen, Munition und Ausrüstung. Fälle von Missbrauch unserer Leistungen sind vorprogrammiert.
Nicht wenige der Kriegsopfer aus dem Westen, ob Soldat, Journalist oder Entwicklungshelfer, sind von Angehörigen der Sicherheitskräfte angegriffen, verletzt oder ermordet worden, die eine Ausbildung durch westliche Militärs erhalten hatten. Zu ihnen gehört z.B. auch die Kriegsfotografin Anja Niedringhaus (2). Die militärische Ausbildung umfasst die Lehre von Taktik, Waffenkunde und Logistik und beschränkt sich nicht nur auf Selbstverteidigung. Man kann durch eine militärische Ausbildung keine Moral und Ethik vermitteln.
Bedingt durch kulturelle und sprachliche Barrieren kommen sich Ausbilder und Auszubildende kaum näher. Durch die Fluktuation, die kurze Stationierungszeit der Ausbilder und die sprachlichen und kulturellen Barrieren sowie die individuelle materielle Orientierung westlicher Soldaten sind der Entwicklung vertrauensvoller Beziehungen zwischen Ausbildern und Auszubildenden Grenzen gesetzt.
Perspektiven
Im Kontext der derzeitigen sicherheitspolitischen Grundrisse ist eine Reform oder gar grundlegende Neuorientierung des Konzeptes der militärischen Ausbildungshilfe nicht möglich. Da bei objektiver Betrachtung der außen- und sicherheitspolitischen Entwicklung nach der Bundestagswahl 2017 keine grundlegende Veränderung zu erwarten ist, bleibt uns immer wieder das Instrument der Aufklärung der interessierten Bevölkerung. In diesem Zusammenhang muss immer wieder erklärt werden, dass neben dem Export von Waffen und Kriegsgerät aus deutschen Waffenschmieden auch die militärische Ausbildungsunterstützung zur Anheizung von Konflikten beiträgt. Die notwendige Aufklärung kann jedoch realistisch betrachtet bestenfalls nur der Begrenzung des deutschen Exportes von Anweisungen zum gewaltsamen Agieren dienen.
Fussnoten:
1 Bundeswehr aktuell, 29.05.2017
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Anja_Nidringhaus
Der Autor, der selbst 40 Jahre Militärdienst im In- und Ausland geleistet hat, vertritt hier seine persönliche Meinung.
Online-Flyer Nr. 619 vom 28.06.2017
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