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Globales
G20-Gipfel, Hamburg 2017 – einige Betrachtungen aus IPPNW-Sicht
Cui bono? Wer waren die Täter?
Von Manfred Lotze
Die Ereignisse beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 betrachtet Manfred Lotze unter vier Aspekten: 1. Der G20-Gipfel der Machteliten am 7. und 8. Juli 2017; 2. die Alternativen und Proteste der globalen Friedens- und Sozialbewegungen; 3. das Polizei- und Sicherheitsmanagement; 4. die Gewalttäter. Zu Punkt 4 schreibt er: "Bürgermeister Scholz sprach von 'nahezu militärisch organisierten Gewalttätern'. Könnte das nicht ein unfreiwilliger Hinweis sein, dass die relativ kleine Gruppe der Täter nicht zu Autonomen des 'Schwarzen Blocks' oder zu 'Linksextremisten' passt? Weitere Spekulationen haben hier keinen Platz außer der zielführenden Frage 'Cui bono?' Gespannt bin ich auf Informationen über Festnahmen und die Identität der Täter." Es folgt die Betrachtung von Manfred Lotze.
"Grenzenlose Solidarität statt G20" - Protest am 8. Juli 2017 in Hamburg (Foto: arbeiterfotografie.com)
Ad 1: Der G20-Gipfel der Machteliten am 7. und 8. Juli 2017
Über das Staatsereignis des G20-Gipfels kann ich nicht mehr berichten, als jeder aus den Medien erfahren konnte – ich war nicht dabei. Der US-Präsident soll seinen Atomkoffer mit dem „Roten Knopf“ bei sich gehabt haben. Alle 19 Staatsführer und die EU-Vertreter konzentrierten sich offensichtlich auf die Sicherung ihrer Interessen. Eine grundsätzliche Änderung von einer Weltpolitik der Konfrontationen zu einer der Kooperation war nicht zu erwarten. Die Waffen schwiegen nicht in Afghanistan, Syrien, Jemen u.a.O..
Ad 2: Die Alternativen und Proteste der globalen Friedens- und Sozialbewegungen
Von unserem Vorstand mandatiert nahm ich an mehreren Planungsarbeitsgruppen seit Ende 2016 teil. Er hatte eine Unterstützungserklärung für den „Gipfel für globale Solidarität“ am 5. und 6. Juli und für die internationale Großdemo „Grenzenlose Solidarität satt G20“ am 8. 7. gegeben, nicht für den Aktionstag des zivilen Ungehorsams am 7. Juli.
Der Alternativgipfel mit über 2000 Teilnehmern war eine eindrucksvolle Präsentation für eine solidarische Weltordnung auf 10 Podien mit jeweils 4 Referenten aus Amerika, Afrika, Europa und Asien. Unser zentrales Thema wurde auf dem 8. Podium behandelt: „Kooperation statt Konfrontation – Wie kann gemeinsame Sicherheit als Paradigma künftiger Politik durchgesetzt werden“. Hier hob Prof. Paech hervor, dass Verhandlungen über Weltprobleme, z. B. über Atomwaffen, nicht nach Hamburg gehören, sondern nach New York vor die UNO. Weitere Themen: „Für eine offene Gesellschaft: Solidarität gegen Abschottung und Rassismus“ (Podium 6), und „Weltweit gegen Neoliberalismus und für Demokratie“ (Podium 5) mit dem Präsidentschaftskandidat für die indigene Partei in Ecuador Alberto Acosta Espinosa. Mein Resümee: Rüstungs- und Kriegstreiber sind NATO-Staaten. Bei Extraktivismus, Wachstumsökonomie und Begrenzung der universellen Menschenrechte sind alle vergleichbar, teils die BRICS-Staaten führend.
Alles wurde in Videoaufzeichnungen dokumentiert und simultan übersetzt. Hier fehlt der Platz, um inhaltlich auf den bewegenden Eröffnungsvortrag von Vandana Shiva einzugehen.
Über 75 Workshops mit bis zu 200 Teilnehmern boten weitere Arbeitsaufgaben. Die Organisation wurde allseits dankbar als fantastisch erfahren. Die Teilnehmer waren nach meinem Eindruck überwiegend jünger als 30 Jahre.
Über den „Tag des zivilen Ungehorsams“ hat Helmut Fischer schon im AK Süd-Nord mit eindrucksvollen Fotos berichtet. Die 20 000 Polisten beeindruckten als „schwarze Blöcke“ in ihren „Vermummungen“ besonders im Kontrast zu den sommerlich gekleideten friedlichen Demonstranten in diversen Teilen der Stadt, v. a. wenn sich eine Hundertschaft im Laufschritt bewegte. Auf die gewalttätigen Eskalationen gehe ich unter Punkt 4 ein.
Die Großdemo „Grenzenlose Solidarität statt G20“ am 8. Juli, dem letzten Tag der Staatsbesuche, verlief vollständig friedlich und übertraf mit nahezu 80.000 Teilnehmern unsere Erwartungen. Mich beeindruckte besonders die Mehrheit junger Menschen. Auch Eltern mit Kindern und Rollstuhlfahrer hatten sich nicht von den schlimmen Ereignissen des Vortags (s. u.!) abschrecken lassen – „jetzt gerade“ hieß es. IPPNW-Mitglieder waren z. T. in weißen Kitteln und mit drei großen Transparenten dabei. Der kilometerlange Zug war in 19 Blöcke aufgeteilt (siehe g20-demo.de), jeder von einem Lautsprecherwagen angeführt. Vorweg gingen die Internationals, auch Kurden hatten ihren Block, ebenso die schwarz gekleideten und vermummten Autonomen und die Friedensbewegung. Zu diesem war mir eine Ansprache zugeteilt, die ich auf Wunsch gern mitteile. Die Auftakt- und Abschlussveranstaltungen gaben nochmals Rednerinnen und Rednern aus Indien, Rojava/Syrien u. a. das Wort.
Am 2. Juli hatten Greenpeace, Campact, BUND, DGB nord, Mehr Demokratie u. a. zu einer Demonstration, der sog. „Protestwelle“, aufgerufen. Daran sollen ca. 15 .000 Bürger teilgenommen haben, einige mit geschmückten Booten auf der Alster, ohne Polizeibegleitung, aber auch ohne Systemkritik und ohne auf Kriege einzugehen. Ebenso viele waren es am 8.7. parallel zur Großdemo unter dem Motto „Demo und Fest - Hamburg zeigt Haltung“. Veranstalter waren Personen aus Kultur, Politik (Die Grünen, SPD), Kirchen (Bischöfin Fehrs), ehemaliger CDU-Bürgermeister und Sport. Auch der Bürgermeister von New York war dabei. Die Medien waren dankbar.
Ad 3: Das Polizei- und Sicherheitsmanagement
Schon Wochen vorher wurde die Hamburger Bevölkerung täglich bedrängt durch sirenenlaute Kolonnen von Polizeiwagen, durch Sperrungen vieler Straßen zu Übungszecken für die menschenfreie Zufahrt der G20-Gäste vom Flughafen zu Hotels, Messehallen und Elbphilharmonie. Stundenlange Staus und der Lärm von Hubschraubern bestimmten das eingeschränkte Stadtleben – eine Großstadt im Ausnahmezustand. Auch die Medien trugen nicht gerade zu sachlich-objektiven Betrachtungen bei. Sie schürten die Ängste vor gewalttätigen Demonstranten und stimmten überwiegend mit der Strategie der Polizei überein, sich auf Konfrontationen und Verbote vorzubereiten. Der Politikwissenschaftler Egbert Scheunemann und der Journalist und Philosoph Thomas Seibert geben über die bedrückende Atmosphäre, die Rechtsbrüche der Polizei und die Gewalttäter Auskunft bei egbert-scheunemann.de und taz.de.
Ad 4: Die Gewalttäter
Schon am Abend des 6.7. kam es zu mehreren Autobränden in der Elbchaussee. Die spektakulären, schwarzen Rauchsäulen waren aus großen Teilen der Stadt zu sehen. Im Fernsehen sah ich kurz einen Tathergang: ein Mann schlug eine Autoscheibe ein, ein zweiter warf etwas hinein, zu Dritt liefen sie weg, als explosionsartiger Brand entstand. Straße menschenleer, kein „schwarzer Block“, keine Polizei. War dies das Signal für den nächsten Tag, an dem mit Gewalttätigkeiten leider zu rechnen war? Viele Demonstrantengruppen waren auf den Straßen, von denen eine unbekannte Zahl schwer verletzt wurde. Linke Bürgerschaftsabgeordnete waren entsetzt über die Brutalität vieler Polizisten. Der Spiegel veröffentlichte die offizielle Zahl verletzter Beamter mit 231 und Zitat „Laut Polizeisprecher Vehren enthalten die Verletztenstatistiken außerdem auch einsatzbedingte Ausfälle, die nicht auf Gewalteinwirkung zurückgehen, etwa Dehydration, Kreislaufprobleme und weitere Erkrankungen. Auch die hohen Temperaturen während des Einsatzes hätten den Beamten zugesetzt und für Ausfälle gesorgt, die sich in der Statistik niedergeschlagen hätten.“
Doch die Höhepunkte wurden im Schanzenviertel bei der „Roten Flora“ (ein von Autonomen seit Jahren gemietetes ehemaliges Theater) erwartet. In den Abendstunden kam es dann dort zu mehreren Brandlegungen auf der Straße und vollständiger Plünderung eines Drogeriemarktes. Die Gewalttäter wüteten etwa zwei Stunden. Polizei war zunächst nicht in der Nähe und beendete erst nach über zwei Stunden die spektakulären Zerstörungen. Seltsame Widersprüche zwischen den furchteinflößenden Fernsehbildern und der Realität schildert der Augenzeuge Scheunemann. Für die Medien gab es genug Material, um die Verantwortung „den Linken“ zu geben und endlich das Ende der „Roten Flora“ zu fordern. Bürgermeister Scholz sprach von „nahezu militärisch organisierten Gewalttätern“. Könnte das nicht ein unfreiwilliger Hinweis sein, dass die relativ kleine Gruppe der Täter nicht zu Autonomen des „Schwarzen Blocks“ oder zu „Linksextremisten“ passt? Weitere Spekulationen haben hier keinen Platz außer der zielführenden Frage „Cui bono?“ Gespannt bin ich auf Informationen über Festnahmen und die Identität der Täter. Bisher lese ich nur vereinfachende Vorverurteilungen von Unbekannten.
Juristen des RAV und der VDJ haben der Polizei eklatante Verstöße gegen rechtsstaatliche Regeln vorgeworfen (abendblatt.de).
Diese meine subjektiven Betrachtungen können nur eine Einführung sein. Über kritische Reaktionen würde ich mich freuen. Auf Nachfrage würde ich auch gern auf einige Referate des großartigen Alternativgipfels inhaltlich eingehen. Weitere Fakten und Interpretationen sind bei unabhängigen Journalisten und Autoren zu lesen.
Anhang:
Aufruf der IPPNW zur bundesweiten Großdemonstration gegen den G20-Gipfel am Samstag, den 8. Juli 2017, in Hamburg
Für uns als IPPNW ist Frieden das zentrale Anliegen. Krieg als Mittel der Politik ist zu ächten (MV-Beschluss 2012). Das Recht aller Menschen auf Frieden ist durch die UNO-Charta sanktioniert. Dem Ziel unseres ärztlichen Handelns, Leben und Gesundheit der Menschen zu schützen, steht die Politik der G20-Regierungen entgegen:
Wir treten im Gegensatz zu den G20-Regierungen ein
Auf Antrag des AK Süd-Nord der IPPNW beschlossen auf der MV am 29.4.2017
Manfred Lotze, 11.2.2017
AK Süd-Nord, 25.3.2017
Günter Rexilius, 29.3.2017
Siehe auch:
Fotogalerie
Protest gegen Täter wie Opfer
Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20", Hamburg, 8.7.2017
NRhZ 621 vom 12.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23960
Fotogalerie
Sechs Tage im Juli: Kriminalisieren, Desorientieren
G20-Gipfel-Protest, Hamburg 2017
Fotos von Hinrich Schultze
NRhZ 623 vom 26.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24012
Schwerwiegendstes Debakel seit Menschen Gedenken
Glosse von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann über das G20-Treffen Trump-Putin
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23979
Wieso dieser Hass auf die G20?
Andreas Wehr über den G20-Gipfel in Hamburg, Juli 2017
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23980
Wer schrieb das Drehbuch für die G20-Proteste in Hamburg?
Ein Marxist zieht schonungslos Bilanz
Von Rainer Rupp
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23981
Stellungnahme zu den Ereignissen vom Wochenende
von Geschäftstreibenden aus dem Hamburger Schanzenviertel
G20-Gipfel, Hamburg, Juli 2017
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23982
Gewalt: kontraproduktiv und kriminell
Barbara Kleine über die Tage in Hamburg während des Treffens der G20
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23983
Gewalt in Hamburg: Friedvolle Politik der mächtigsten westlichen Staaten?
Kriminalität von marodierenden Banden nicht politisch zu etikettieren
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23984
G20-Gipfel, Hamburg, Juli 2017
Ein Erfolg der zum Weitermachen auffordert (?)
Von Koordination der Friedensaktivitäten zum G20-Gipfel
NRhZ 622 vom 19.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23985
G20-Ausschreitungen, Hamburg, Juli 2017
Geprobt für den Tag X?
Von Brigitte Queck
NRhZ 623 vom 26.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24006
G20-Gipfel, Hamburg 2017
Krawalle nützlich für neues Feindbild
Von Heinrich Frei
NRhZ 623 vom 26.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24007
Online-Flyer Nr. 623 vom 26.07.2017
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G20-Gipfel, Hamburg 2017 – einige Betrachtungen aus IPPNW-Sicht
Cui bono? Wer waren die Täter?
Von Manfred Lotze
Die Ereignisse beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 betrachtet Manfred Lotze unter vier Aspekten: 1. Der G20-Gipfel der Machteliten am 7. und 8. Juli 2017; 2. die Alternativen und Proteste der globalen Friedens- und Sozialbewegungen; 3. das Polizei- und Sicherheitsmanagement; 4. die Gewalttäter. Zu Punkt 4 schreibt er: "Bürgermeister Scholz sprach von 'nahezu militärisch organisierten Gewalttätern'. Könnte das nicht ein unfreiwilliger Hinweis sein, dass die relativ kleine Gruppe der Täter nicht zu Autonomen des 'Schwarzen Blocks' oder zu 'Linksextremisten' passt? Weitere Spekulationen haben hier keinen Platz außer der zielführenden Frage 'Cui bono?' Gespannt bin ich auf Informationen über Festnahmen und die Identität der Täter." Es folgt die Betrachtung von Manfred Lotze.
"Grenzenlose Solidarität statt G20" - Protest am 8. Juli 2017 in Hamburg (Foto: arbeiterfotografie.com)
Ad 1: Der G20-Gipfel der Machteliten am 7. und 8. Juli 2017
Über das Staatsereignis des G20-Gipfels kann ich nicht mehr berichten, als jeder aus den Medien erfahren konnte – ich war nicht dabei. Der US-Präsident soll seinen Atomkoffer mit dem „Roten Knopf“ bei sich gehabt haben. Alle 19 Staatsführer und die EU-Vertreter konzentrierten sich offensichtlich auf die Sicherung ihrer Interessen. Eine grundsätzliche Änderung von einer Weltpolitik der Konfrontationen zu einer der Kooperation war nicht zu erwarten. Die Waffen schwiegen nicht in Afghanistan, Syrien, Jemen u.a.O..
Ad 2: Die Alternativen und Proteste der globalen Friedens- und Sozialbewegungen
Von unserem Vorstand mandatiert nahm ich an mehreren Planungsarbeitsgruppen seit Ende 2016 teil. Er hatte eine Unterstützungserklärung für den „Gipfel für globale Solidarität“ am 5. und 6. Juli und für die internationale Großdemo „Grenzenlose Solidarität satt G20“ am 8. 7. gegeben, nicht für den Aktionstag des zivilen Ungehorsams am 7. Juli.
Der Alternativgipfel mit über 2000 Teilnehmern war eine eindrucksvolle Präsentation für eine solidarische Weltordnung auf 10 Podien mit jeweils 4 Referenten aus Amerika, Afrika, Europa und Asien. Unser zentrales Thema wurde auf dem 8. Podium behandelt: „Kooperation statt Konfrontation – Wie kann gemeinsame Sicherheit als Paradigma künftiger Politik durchgesetzt werden“. Hier hob Prof. Paech hervor, dass Verhandlungen über Weltprobleme, z. B. über Atomwaffen, nicht nach Hamburg gehören, sondern nach New York vor die UNO. Weitere Themen: „Für eine offene Gesellschaft: Solidarität gegen Abschottung und Rassismus“ (Podium 6), und „Weltweit gegen Neoliberalismus und für Demokratie“ (Podium 5) mit dem Präsidentschaftskandidat für die indigene Partei in Ecuador Alberto Acosta Espinosa. Mein Resümee: Rüstungs- und Kriegstreiber sind NATO-Staaten. Bei Extraktivismus, Wachstumsökonomie und Begrenzung der universellen Menschenrechte sind alle vergleichbar, teils die BRICS-Staaten führend.
Alles wurde in Videoaufzeichnungen dokumentiert und simultan übersetzt. Hier fehlt der Platz, um inhaltlich auf den bewegenden Eröffnungsvortrag von Vandana Shiva einzugehen.
Über 75 Workshops mit bis zu 200 Teilnehmern boten weitere Arbeitsaufgaben. Die Organisation wurde allseits dankbar als fantastisch erfahren. Die Teilnehmer waren nach meinem Eindruck überwiegend jünger als 30 Jahre.
Über den „Tag des zivilen Ungehorsams“ hat Helmut Fischer schon im AK Süd-Nord mit eindrucksvollen Fotos berichtet. Die 20 000 Polisten beeindruckten als „schwarze Blöcke“ in ihren „Vermummungen“ besonders im Kontrast zu den sommerlich gekleideten friedlichen Demonstranten in diversen Teilen der Stadt, v. a. wenn sich eine Hundertschaft im Laufschritt bewegte. Auf die gewalttätigen Eskalationen gehe ich unter Punkt 4 ein.
Die Großdemo „Grenzenlose Solidarität statt G20“ am 8. Juli, dem letzten Tag der Staatsbesuche, verlief vollständig friedlich und übertraf mit nahezu 80.000 Teilnehmern unsere Erwartungen. Mich beeindruckte besonders die Mehrheit junger Menschen. Auch Eltern mit Kindern und Rollstuhlfahrer hatten sich nicht von den schlimmen Ereignissen des Vortags (s. u.!) abschrecken lassen – „jetzt gerade“ hieß es. IPPNW-Mitglieder waren z. T. in weißen Kitteln und mit drei großen Transparenten dabei. Der kilometerlange Zug war in 19 Blöcke aufgeteilt (siehe g20-demo.de), jeder von einem Lautsprecherwagen angeführt. Vorweg gingen die Internationals, auch Kurden hatten ihren Block, ebenso die schwarz gekleideten und vermummten Autonomen und die Friedensbewegung. Zu diesem war mir eine Ansprache zugeteilt, die ich auf Wunsch gern mitteile. Die Auftakt- und Abschlussveranstaltungen gaben nochmals Rednerinnen und Rednern aus Indien, Rojava/Syrien u. a. das Wort.
Am 2. Juli hatten Greenpeace, Campact, BUND, DGB nord, Mehr Demokratie u. a. zu einer Demonstration, der sog. „Protestwelle“, aufgerufen. Daran sollen ca. 15 .000 Bürger teilgenommen haben, einige mit geschmückten Booten auf der Alster, ohne Polizeibegleitung, aber auch ohne Systemkritik und ohne auf Kriege einzugehen. Ebenso viele waren es am 8.7. parallel zur Großdemo unter dem Motto „Demo und Fest - Hamburg zeigt Haltung“. Veranstalter waren Personen aus Kultur, Politik (Die Grünen, SPD), Kirchen (Bischöfin Fehrs), ehemaliger CDU-Bürgermeister und Sport. Auch der Bürgermeister von New York war dabei. Die Medien waren dankbar.
Ad 3: Das Polizei- und Sicherheitsmanagement
Schon Wochen vorher wurde die Hamburger Bevölkerung täglich bedrängt durch sirenenlaute Kolonnen von Polizeiwagen, durch Sperrungen vieler Straßen zu Übungszecken für die menschenfreie Zufahrt der G20-Gäste vom Flughafen zu Hotels, Messehallen und Elbphilharmonie. Stundenlange Staus und der Lärm von Hubschraubern bestimmten das eingeschränkte Stadtleben – eine Großstadt im Ausnahmezustand. Auch die Medien trugen nicht gerade zu sachlich-objektiven Betrachtungen bei. Sie schürten die Ängste vor gewalttätigen Demonstranten und stimmten überwiegend mit der Strategie der Polizei überein, sich auf Konfrontationen und Verbote vorzubereiten. Der Politikwissenschaftler Egbert Scheunemann und der Journalist und Philosoph Thomas Seibert geben über die bedrückende Atmosphäre, die Rechtsbrüche der Polizei und die Gewalttäter Auskunft bei egbert-scheunemann.de und taz.de.
Ad 4: Die Gewalttäter
Schon am Abend des 6.7. kam es zu mehreren Autobränden in der Elbchaussee. Die spektakulären, schwarzen Rauchsäulen waren aus großen Teilen der Stadt zu sehen. Im Fernsehen sah ich kurz einen Tathergang: ein Mann schlug eine Autoscheibe ein, ein zweiter warf etwas hinein, zu Dritt liefen sie weg, als explosionsartiger Brand entstand. Straße menschenleer, kein „schwarzer Block“, keine Polizei. War dies das Signal für den nächsten Tag, an dem mit Gewalttätigkeiten leider zu rechnen war? Viele Demonstrantengruppen waren auf den Straßen, von denen eine unbekannte Zahl schwer verletzt wurde. Linke Bürgerschaftsabgeordnete waren entsetzt über die Brutalität vieler Polizisten. Der Spiegel veröffentlichte die offizielle Zahl verletzter Beamter mit 231 und Zitat „Laut Polizeisprecher Vehren enthalten die Verletztenstatistiken außerdem auch einsatzbedingte Ausfälle, die nicht auf Gewalteinwirkung zurückgehen, etwa Dehydration, Kreislaufprobleme und weitere Erkrankungen. Auch die hohen Temperaturen während des Einsatzes hätten den Beamten zugesetzt und für Ausfälle gesorgt, die sich in der Statistik niedergeschlagen hätten.“
Doch die Höhepunkte wurden im Schanzenviertel bei der „Roten Flora“ (ein von Autonomen seit Jahren gemietetes ehemaliges Theater) erwartet. In den Abendstunden kam es dann dort zu mehreren Brandlegungen auf der Straße und vollständiger Plünderung eines Drogeriemarktes. Die Gewalttäter wüteten etwa zwei Stunden. Polizei war zunächst nicht in der Nähe und beendete erst nach über zwei Stunden die spektakulären Zerstörungen. Seltsame Widersprüche zwischen den furchteinflößenden Fernsehbildern und der Realität schildert der Augenzeuge Scheunemann. Für die Medien gab es genug Material, um die Verantwortung „den Linken“ zu geben und endlich das Ende der „Roten Flora“ zu fordern. Bürgermeister Scholz sprach von „nahezu militärisch organisierten Gewalttätern“. Könnte das nicht ein unfreiwilliger Hinweis sein, dass die relativ kleine Gruppe der Täter nicht zu Autonomen des „Schwarzen Blocks“ oder zu „Linksextremisten“ passt? Weitere Spekulationen haben hier keinen Platz außer der zielführenden Frage „Cui bono?“ Gespannt bin ich auf Informationen über Festnahmen und die Identität der Täter. Bisher lese ich nur vereinfachende Vorverurteilungen von Unbekannten.
Juristen des RAV und der VDJ haben der Polizei eklatante Verstöße gegen rechtsstaatliche Regeln vorgeworfen (abendblatt.de).
Diese meine subjektiven Betrachtungen können nur eine Einführung sein. Über kritische Reaktionen würde ich mich freuen. Auf Nachfrage würde ich auch gern auf einige Referate des großartigen Alternativgipfels inhaltlich eingehen. Weitere Fakten und Interpretationen sind bei unabhängigen Journalisten und Autoren zu lesen.
Anhang:
Aufruf der IPPNW zur bundesweiten Großdemonstration gegen den G20-Gipfel am Samstag, den 8. Juli 2017, in Hamburg
Für uns als IPPNW ist Frieden das zentrale Anliegen. Krieg als Mittel der Politik ist zu ächten (MV-Beschluss 2012). Das Recht aller Menschen auf Frieden ist durch die UNO-Charta sanktioniert. Dem Ziel unseres ärztlichen Handelns, Leben und Gesundheit der Menschen zu schützen, steht die Politik der G20-Regierungen entgegen:
- Militarisierung der Außenpolitik,
- Befeuerung von Ängsten und Feindbildern,
- unfaire Handelsabkommen mit an Rohstoffen reichen Ländern und
- Sozialabbau in den Industrieländern des Westens mit dramatisch verschärften sozialen Spaltungen in allen Ländern.
Wir treten im Gegensatz zu den G20-Regierungen ein
- für gewaltfreie, zivile Formen der Konfliktbearbeitung,
- für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen,
- für die gerechte Verteilung der globalen Ressourcen,
- für ein Gesundheitswesen ohne neoliberale Profitinteressen, sowie
- für die Sicherstellung unabhängiger Information.
- für Demokratie statt Beherrschung unseres Lebens durch Finanzmärkte und Oligarchie,
- für internationale Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen statt Modernisierung der Einsatzpotentiale und Forderungen nach deutschen Atomwaffen.
Auf Antrag des AK Süd-Nord der IPPNW beschlossen auf der MV am 29.4.2017
Manfred Lotze, 11.2.2017
AK Süd-Nord, 25.3.2017
Günter Rexilius, 29.3.2017
Siehe auch:
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Protest gegen Täter wie Opfer
Demonstration "Grenzenlose Solidarität statt G20", Hamburg, 8.7.2017
NRhZ 621 vom 12.07.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23960
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Sechs Tage im Juli: Kriminalisieren, Desorientieren
G20-Gipfel-Protest, Hamburg 2017
Fotos von Hinrich Schultze
NRhZ 623 vom 26.07.2017
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Schwerwiegendstes Debakel seit Menschen Gedenken
Glosse von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann über das G20-Treffen Trump-Putin
NRhZ 622 vom 19.07.2017
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Wieso dieser Hass auf die G20?
Andreas Wehr über den G20-Gipfel in Hamburg, Juli 2017
NRhZ 622 vom 19.07.2017
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Wer schrieb das Drehbuch für die G20-Proteste in Hamburg?
Ein Marxist zieht schonungslos Bilanz
Von Rainer Rupp
NRhZ 622 vom 19.07.2017
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Stellungnahme zu den Ereignissen vom Wochenende
von Geschäftstreibenden aus dem Hamburger Schanzenviertel
G20-Gipfel, Hamburg, Juli 2017
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Gewalt: kontraproduktiv und kriminell
Barbara Kleine über die Tage in Hamburg während des Treffens der G20
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Gewalt in Hamburg: Friedvolle Politik der mächtigsten westlichen Staaten?
Kriminalität von marodierenden Banden nicht politisch zu etikettieren
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait
NRhZ 622 vom 19.07.2017
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G20-Gipfel, Hamburg, Juli 2017
Ein Erfolg der zum Weitermachen auffordert (?)
Von Koordination der Friedensaktivitäten zum G20-Gipfel
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G20-Ausschreitungen, Hamburg, Juli 2017
Geprobt für den Tag X?
Von Brigitte Queck
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G20-Gipfel, Hamburg 2017
Krawalle nützlich für neues Feindbild
Von Heinrich Frei
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