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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Nach der Verlogenheit im Wahlkampf, möge die Stunde der Wahrheit kommen!
Von Evelyn Hecht-Galinski
Nach diesem Wahlkampf, der Rechtspopulisten und rassistischen Wahlkämpfer, unterstützt durch Wahlhelfer aller Parteien, sowie gewisser jüdischer Funktionäre, die den muslimischen Flüchtlingen, Verbänden und Moscheegemeinden zum Teil pauschalierend Antisemitismus vorwarfen, sowie das Fehlen westlicher Wertevorstellungen hatte man einen Wahlkampf, der endlich ein Feindbild hatte und ablenken konnte von den Problemen, auf die es keine Antworten gibt und schon gar keine Lösungen im Angebot sind. Tatsächlich war ich nach diesem Wahlergebnis etwas überrascht, allerdings nicht über den Ausgang, sondern über die Reaktionen!
"Gottesanbeterin" wieder in ihrem Element
Da sitzt eine selbstgefällige CDU-Kanzlerin, die nach dem Verlust von 8,6 Prozent der Stimmen noch mit sich zufrieden scheint, obwohl sie die Sorgen der Menschen nicht "voll ausräumen" konnte, aber dennoch den Auftrag zur Regierungsbildung annehmen will; und schon ist die "Gottesanbeterin" wieder in ihrem Element. Der CSU-Vorsitzende Seehofer bemängelt nach seinem katastrophalen Ergebnis von 38,7% in Bayern, dass die Union auf der "rechten Seite" eine Flanke offen gelassen hat. Und der "schlechteste Kanzlerkandidat" Schulz meint schlecht gelaunt, dass er auf jeden Fall SPD-Vorsitzender bleiben, aber die SPD in die Opposition führen will, als stärkste Kraft. FDP Chef Lindner stellt Kernforderungen für einen Eintritt in die Koalition, und schon haben wir die FDP wieder in ihrem Element als "Steuersenkungspartei". Über die Bedingungen des grünen Spitzenkandidaten Özdemir mit Klimaschutz, Gerechtigkeit und Kampf gegen Rassismus bin ich mehr als verwundert wegen ihrer Verlogenheit. Waren es nicht gerade auch die Grünen, die unentwegt gegen Russland und die Türkei Stimmung machten in Deutschland? Darum wunderte ich mich sehr, dass die Grünen noch 8,9% erreichten, da ich sie bei unter 5% erhoffte, als Quittung für Hetze und Ökoterror. Die Linke, die 9,1% erreichte, also leicht vor Grün, wurde so gut wie gar nicht vernommen. Aber als der schmierige Gauland, der als neuer Shooting-Star der rechtsextremen Rassisten mit 13% als neue dritte Kraft im Bundestag Merkel und der kommenden Bundesregierung damit drohte, sie "zu jagen" und unser Volk und Land "zurückholen" will, da war die Treibjagd eröffnet! Während die Parteivorsitzende Petry der AfD-Fraktion nicht mehr angehören will und für einen Eklat sorgte. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Partei von innen her so zerstreitet, dass sie mehr damit zu tun haben werden, sich und ihre eigenen Kollegen und Parteifeinde zu jagen, als zum Jagen im Bundestag.
Was da auf uns zukommt, ist nicht gerade beruhigend. Einen kleinen Vorgeschmack bekamen wir bei der „großen Runde“ in ARD/ZDF, als sich schlecht gelaunte und arrogante Wahlverlierer und vermeintliche Sieger ins Wort fielen. Allerdings sollten sich doch gerade einmal die Medien fragen lassen, warum sie die AfD so in den Vordergrund brachten, indem Gauland und andere AfD-Vertreter durch dauernde Interviews und Auftritte erst bekannt gemacht wurden.
Allen Parteien ist es nicht gelungen, die Bürger zu erreichen, deren Sorgen, Ängste und Probleme anzusprechen, von Wohnungsnot, Flüchtlingen, Renten und Krankenkassen bis zum kommenden Rüstungswettkampf auf Kosten dringend benötigter Sozialausgaben und sozialen Friedens, weil sie sich so sehr mit der Außenpolitik befassten, der Hetze gegen Putin und Erdogan, so dass Netanjahu allein zu Hause bleiben konnte, um ungestört Siedeln und ethnisch säubern zu können.
Was die kommenden Koalitionsverhandlungen bringen werden, ist nicht vorhersehbar, so zerstritten sind diese "Koalitionäre", und das hatten wir noch nie! Wie lange diese Kanzlerin, deren "Götterdämmerung" im Gange ist, noch durchhalten kann mit ihrem „weiter so“ ist mehr als fraglich.
Billiger Wahlkampf auf Kosten Vertriebener
Das bringt mich zu meinem Kernthema der Verlogenheit der deutschen Außenpolitik in puncto Palästina! Es war der SPD-Kanzlerkandidat Schulz mit seinen empörenden Äußerungen im „Kanzlerduell“ über palästinensische Flüchtlinge: "Es gibt z.B. junge Palästinenser, Männer, die zu uns kommen, die mit einem tief verwurzelten Antisemitismus erzogen worden sind, denen muss man in klaren Sätzen sagen, in diesem Land hast du nur einen Platz , wenn Du akzeptierst, dass Deutschland ein Land ist, das Israel schützt, dass das unsere Staatsräson für die Sicherheit des "Jüdischen Staates" ist“, die mich aufgeregt haben. Dass sich ein SPD-Kandidat nicht schämt, so einen billigen Wahlkampf auf Kosten eines vertriebenen und illegal besetzten Volkes macht. Wenn das die Auffassung der SPD von Gerechtigkeit ist, dann gute Nacht Deutschland! Vielleicht geht diese Partei einmal in die Einkehr und denkt sich neu!
Schulz hat mich in eklatanter Art mit beleidigt, als jemand, die sich für den Kampf um Freiheit für Palästina und Palästinenser einsetzt, und damit der SPD und diesem Kandidaten meine Unterstützung verweigerte, und ich war nicht die einzige!
Ebenso wie jüdische Organisationen vor einem von muslimischen Einwanderern "importierten Judenhass" warnten, also einen Generalverdacht gegen muslimische Einwanderer schürten! Das hat wohl der Zentralratspräsident Schuster vergessen, als er dem Tagesspiegel am 24.09.2017 ein Interview gab, mit dem ich mich näher befassen möchte. Auf die erste Frage, wie ihm zumute ist nach dem Wahlsieg der AfD, antwortete er, dass er dieses zweistellige Ergebnis nicht erwartet hätte.
Was für eine Verlogenheit, Herr Schuster!
Nicht erwartet, Herr Schuster? Wo doch jede Menge jüdischer Bürger mit der AfD sympathisieren und diese Partei wählen oder sogar, wie in meinem Wahlkreis in BW, ein ehemaliger Repräsentant der jüdischen Gemeinschaft sich als AfD-Direktkandidat aufstellen ließ. Auf Frage zwei, was Schuster an der AfD "verstört“, meinte er doch tatsächlich, dass diese Partei gegen Minderheiten "vorwiegend Muslime" Stimmung macht, aber dass er Angst hätte, dass es auch Juden treffen könnte! Da war ich platt. War es nicht gerade der Zentralrat, Herr Schuster und andere jüdische Organisationen, die ständig "Stimmung machten" gegen den vermeintlichen gefährlichen Antisemitismus, der uns durch Flüchtlinge erreicht? Was für eine Verlogenheit!
Auf die dritte Frage nach Deutschlands besonderer Vergangenheit meinte Schuster, dass er das Gefühl hat, dass viele Menschen gerade im Internet keine Hemmungen mehr haben, sich diskriminierend, rassistisch oder antisemitisch zu äußern. Natürlich ist das so, aber gerade Schuster sollte sich doch einmal fragen, wie er es mit der Meinungsfreiheit und diskriminierenden Äußerungen hält?
Und dann kam er wieder mit dem „latentem Antisemitismus“. Schuster hatte die Chuzpe und meinte auf die Frage nach dem Anstieg antisemitischer Straftaten, dass es weniger um körperliche Bedrohung geht, sondern dass sich der Antisemitismus in Antizionismus ausdrückt und gegen Israel wettert, während man Juden meint. Auf Nachfrage setzte er nach, wenn Israel "pauschal“ und denunziatorisch angegriffen wird, dann sei doch klar, gegen wen sich das richtet, und wenn dann noch das „Existenzrecht“ in Frage gestellt wird, dann wäre die rote Linie überschritten. Gönnerhaft gestattete er aber: "natürlich“ darf eine israelische Regierung kritisiert werden.
Hier hat Herr Schuster ganz mutwillig etwas verwechselt. Es ist eben kein versteckter Antisemitismus, den "Jüdischen Staat" für seine illegale Besatzungs- und Siedlungspolitik zu kritisieren und bekennende Antizionisten sind keine Antisemiten. Die rote Linie ist allerdings schon längst überschritten mit einem Zentralrat der Juden in Deutschland, der eine aggressive Lobbyarbeit für den "Jüdischen Staat" und seine Politik betreibt, die sich dann wie aktuell geschehen in Parteien und Medien niederschlägt!
Auf die unvermeidliche Frage nach den "No-Go" Areas, wie angeblich Berlin-Neukölln für Juden, kam wie immer die stereotype Antwort von einem (vermeintlichen) Anschlag gegen einen Rabbiner, der sich bis heute mehr als obskur darstellt. (Warum leben wohl mehr als 20.000 jüdisch-israelische Bürger dort?) Allerdings konnte auch Schuster keine signifikante Gefahr, ausgehend von muslimischen Flüchtlingen, feststellen. Allerdings fabulierte Schuster doch tatsächlich von der Gefahr „antisemitischer Vorurteile“, die arabische Fernsehsender in deren Wohnstuben verbreiten. Dann kamen seine Vorschläge, wie der deutsche Staat zu reagieren hätte, um die Flüchtlinge auf Kurs zu bringen.
Was dieser Zentralratspräsident an schwachsinnigen Äußerungen verbreitet, ist für mich kaum mehr zu ertragen. Wissensvermittlung über den Holocaust und den "Jüdischen Staat" und "antisemitische Äußerungen". Was Schuster unter "antisemitische Äußerungen“ versteht, ist bekannt: danach ist jeder Israel-Kritiker ein Antisemit! Schnell schoss er nach, dass er nicht Muslime und Flüchtlinge diffamieren will, sondern um diese "Probleme" angehen zu können und schneller strafrechtlich reagieren zu können. Herr Schuster, was Sie wollen, dass wir, die wir Muslime und Freiheit für Palästina unterstützen nur zu gut, Sie wollen wie zuletzt auch mit der „Antisemitismus-Definition“ geschehen, legitime Israel-Kritik als Antisemitismus kriminalisieren und dazu noch den "philosemitischen Antisemiten" Grünen Volker Beck als "Antisemitismusbeauftragten" der Bundesregierung inthronisieren! Diese Lobbyarbeit für den „Jüdischen Staat“ soll die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränken.
Wenn Schuster sich auch noch für eine Obergrenze, wie geschehen, einsetzte, wovon er jetzt nichts mehr wissen möchte, und schärfere Sanktionen sowie Abschreckung gegen Flüchtlinge fordert, die seiner Norm nicht genügen, dann ist das Maß voll. Er mischt sich ein in eine Debatte, die bei diesem Thema fast deckungsgleich mit der AfD ist. (1)
Fazit dieses Interview mit diesem obersten Funktionär der Juden in Deutschland sollte alle jüdischen Bürger aufhorchen lassen. Dieser Zentralrat ist dabei, sich an der Spaltung, die gerade von gewissen Parteien betrieben wird, aktiv zu beteiligen. Sicherlich ist Integration ein schwieriges Thema, aber warum kümmert sich Schuster nicht einmal um die Zustände in seinem "gelobten Land"? Wo schwarze Asylbewerber in spezielle Gefängnisse eingekerkert werden und ohne Prozess auf ihre Abschiebung warten?
Warum kritisiert er nicht den Vandalismus und die Zerstörung von zahlreichen, allein seit 2009, von 53 Moscheen und Kirchen im "Jüdischen Staat", vor dem das rassistische Netanjahu-Regime die Augen verschließt und keine Anklagen erhebt, solange keine Synagogen betroffen sind!? (2)
Was sagt der Zentralrat zu der Vertreibung der Beduinen aus ihrer Heimat, den tausenden von inhaftierten Palästinensern und zur Siedlungspolitik, die gerade zu ungeahnten Höhen kommt? (3)
Ich frage Herrn Schuster, Israel existiert, allerdings ohne definierte Grenzen, aber hat so ein Apartheid- und Besatzerstaat wirklich eine Existenzberechtigung? Wie können Sie sich so ohne Empathie für die Verfolgten mit diesem Besatzer-Staat solidarisieren und diese Solidarität auch noch von deutschen Parteien und Politikern einfordern, und sogar auch noch von Flüchtlingen, denen sicher nicht plausibel gemacht werden kann, wie man einen Staat unterstützen kann, der zwei Millionen Menschen im Konzentrationslager Gaza gefangen, und drei Millionen Palästinenser seit vielen Jahrzehnten in illegaler Besatzung eines barbarischen jüdischen Besatzerregimes hält. Sie als Arzt sollten doch gerade auch dafür ein Gefühl zeigen, das aber leider zu fehlen scheint bei Ihnen. Was ist mit der Verweigerung des legalen Rückkehrrechts der vertriebenen Palästinenser in ihre Heimat, während Juden "heimkehren" konnten in ihre von "Gott" gegebene Heimat. Was Sie als Zentralratspräsident, ebenso wie die ganzen jüdischen Organisationen, getan haben, ist und war wenig hilfreich und hat das politische Klima mit vergiftet. Deutsche Parteien und Politiker schleimen sich an die Israel-Lobby und gefährden nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch den Konsens und das friedliche Zusammenleben.
Ich gehe davon aus, dass die meisten der 70.000 Palästinenser (von 200.000) mit deutschem Pass und die 1,4 Millionen Türken (von 2,9 Millionen) mit deutschem Pass sicherlich verantwortungsvoll gewählt haben.
Rechtsextremismus: im "Jüdischen Staat" Staatsräson
Übrigens, warum ignoriert gerade der "Jüdische Staat" und das Netanjahu-Regime den AfD-Wahlerfolg und den Einzug in den Bundestag? Wo doch israelische "Nationalrechte" (Rechtsextreme!) schon seit Jahren so gute Kontakte zu Mitgliedern der AfD und anderen europäischen rechtsextremen Parteien pflegen. Darüber sollten sich die "Israel-Unterstützer" und jüdische Bürger und ihre Repräsentanten Sorgen machen, dass gerade im "Jüdischen Staat" Rechtsextremismus als Staatsräson Politik verfolgt wird! (4)
Kann man sich in diesem Deutschland der Verlogenheit im Wahlkampf, noch wohlfühlen? Möge die Stunde der Wahrheit kommen!
Fussnoten:
1 http://www.tagesspiegel.de/politik/zentralratspraesident-josef-schuster-es-koennte-sehr-wohl-auch-juden-treffen/20368036.html
2 http://www.haaretz.com/opinion/editorial/1.813955
3 http://www.alternet.org/israel-umm-al-hiran-demolish-homes-palestinians
4 http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/bundestagswahl-israel-ignoriert-afd-wahlerfolg-a-1357501
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)
Siehe auch:
Fotogalerie: Einblicke in den so genannten Bundestagswahlkampf
Das Kreuz an der richtigen Stelle
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24171
Mit der Bundestagswahl aktueller denn je: Debatte über Populismus, seine Hintergründe und Auswirkungen
Die Populismus-Falle
Von Günter Rexilius
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24178
Eine lockere Folge von Leserbriefen und Kommentaren
Hajos Einwürfe
Von Hajo Kahlke
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24179
Merkel schon wieder Kanzler
Putin siegt in Berlin
Von Ulrich Gellermann
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24184
Warten auf den großen Häuptling
Kim Il-Schulz und seine Jünger
Von Ullrich Mies
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24185
Gedanken zur Bundestagswahl 2017
Wie lange dauert es, bis etwas „deutsch“ ist?
Von Yavuz Özoguz
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24188
Online-Flyer Nr. 630 vom 27.09.2017
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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Nach der Verlogenheit im Wahlkampf, möge die Stunde der Wahrheit kommen!
Von Evelyn Hecht-Galinski
Nach diesem Wahlkampf, der Rechtspopulisten und rassistischen Wahlkämpfer, unterstützt durch Wahlhelfer aller Parteien, sowie gewisser jüdischer Funktionäre, die den muslimischen Flüchtlingen, Verbänden und Moscheegemeinden zum Teil pauschalierend Antisemitismus vorwarfen, sowie das Fehlen westlicher Wertevorstellungen hatte man einen Wahlkampf, der endlich ein Feindbild hatte und ablenken konnte von den Problemen, auf die es keine Antworten gibt und schon gar keine Lösungen im Angebot sind. Tatsächlich war ich nach diesem Wahlergebnis etwas überrascht, allerdings nicht über den Ausgang, sondern über die Reaktionen!
"Gottesanbeterin" wieder in ihrem Element
Da sitzt eine selbstgefällige CDU-Kanzlerin, die nach dem Verlust von 8,6 Prozent der Stimmen noch mit sich zufrieden scheint, obwohl sie die Sorgen der Menschen nicht "voll ausräumen" konnte, aber dennoch den Auftrag zur Regierungsbildung annehmen will; und schon ist die "Gottesanbeterin" wieder in ihrem Element. Der CSU-Vorsitzende Seehofer bemängelt nach seinem katastrophalen Ergebnis von 38,7% in Bayern, dass die Union auf der "rechten Seite" eine Flanke offen gelassen hat. Und der "schlechteste Kanzlerkandidat" Schulz meint schlecht gelaunt, dass er auf jeden Fall SPD-Vorsitzender bleiben, aber die SPD in die Opposition führen will, als stärkste Kraft. FDP Chef Lindner stellt Kernforderungen für einen Eintritt in die Koalition, und schon haben wir die FDP wieder in ihrem Element als "Steuersenkungspartei". Über die Bedingungen des grünen Spitzenkandidaten Özdemir mit Klimaschutz, Gerechtigkeit und Kampf gegen Rassismus bin ich mehr als verwundert wegen ihrer Verlogenheit. Waren es nicht gerade auch die Grünen, die unentwegt gegen Russland und die Türkei Stimmung machten in Deutschland? Darum wunderte ich mich sehr, dass die Grünen noch 8,9% erreichten, da ich sie bei unter 5% erhoffte, als Quittung für Hetze und Ökoterror. Die Linke, die 9,1% erreichte, also leicht vor Grün, wurde so gut wie gar nicht vernommen. Aber als der schmierige Gauland, der als neuer Shooting-Star der rechtsextremen Rassisten mit 13% als neue dritte Kraft im Bundestag Merkel und der kommenden Bundesregierung damit drohte, sie "zu jagen" und unser Volk und Land "zurückholen" will, da war die Treibjagd eröffnet! Während die Parteivorsitzende Petry der AfD-Fraktion nicht mehr angehören will und für einen Eklat sorgte. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Partei von innen her so zerstreitet, dass sie mehr damit zu tun haben werden, sich und ihre eigenen Kollegen und Parteifeinde zu jagen, als zum Jagen im Bundestag.
Was da auf uns zukommt, ist nicht gerade beruhigend. Einen kleinen Vorgeschmack bekamen wir bei der „großen Runde“ in ARD/ZDF, als sich schlecht gelaunte und arrogante Wahlverlierer und vermeintliche Sieger ins Wort fielen. Allerdings sollten sich doch gerade einmal die Medien fragen lassen, warum sie die AfD so in den Vordergrund brachten, indem Gauland und andere AfD-Vertreter durch dauernde Interviews und Auftritte erst bekannt gemacht wurden.
Allen Parteien ist es nicht gelungen, die Bürger zu erreichen, deren Sorgen, Ängste und Probleme anzusprechen, von Wohnungsnot, Flüchtlingen, Renten und Krankenkassen bis zum kommenden Rüstungswettkampf auf Kosten dringend benötigter Sozialausgaben und sozialen Friedens, weil sie sich so sehr mit der Außenpolitik befassten, der Hetze gegen Putin und Erdogan, so dass Netanjahu allein zu Hause bleiben konnte, um ungestört Siedeln und ethnisch säubern zu können.
Was die kommenden Koalitionsverhandlungen bringen werden, ist nicht vorhersehbar, so zerstritten sind diese "Koalitionäre", und das hatten wir noch nie! Wie lange diese Kanzlerin, deren "Götterdämmerung" im Gange ist, noch durchhalten kann mit ihrem „weiter so“ ist mehr als fraglich.
Billiger Wahlkampf auf Kosten Vertriebener
Das bringt mich zu meinem Kernthema der Verlogenheit der deutschen Außenpolitik in puncto Palästina! Es war der SPD-Kanzlerkandidat Schulz mit seinen empörenden Äußerungen im „Kanzlerduell“ über palästinensische Flüchtlinge: "Es gibt z.B. junge Palästinenser, Männer, die zu uns kommen, die mit einem tief verwurzelten Antisemitismus erzogen worden sind, denen muss man in klaren Sätzen sagen, in diesem Land hast du nur einen Platz , wenn Du akzeptierst, dass Deutschland ein Land ist, das Israel schützt, dass das unsere Staatsräson für die Sicherheit des "Jüdischen Staates" ist“, die mich aufgeregt haben. Dass sich ein SPD-Kandidat nicht schämt, so einen billigen Wahlkampf auf Kosten eines vertriebenen und illegal besetzten Volkes macht. Wenn das die Auffassung der SPD von Gerechtigkeit ist, dann gute Nacht Deutschland! Vielleicht geht diese Partei einmal in die Einkehr und denkt sich neu!
Schulz hat mich in eklatanter Art mit beleidigt, als jemand, die sich für den Kampf um Freiheit für Palästina und Palästinenser einsetzt, und damit der SPD und diesem Kandidaten meine Unterstützung verweigerte, und ich war nicht die einzige!
Ebenso wie jüdische Organisationen vor einem von muslimischen Einwanderern "importierten Judenhass" warnten, also einen Generalverdacht gegen muslimische Einwanderer schürten! Das hat wohl der Zentralratspräsident Schuster vergessen, als er dem Tagesspiegel am 24.09.2017 ein Interview gab, mit dem ich mich näher befassen möchte. Auf die erste Frage, wie ihm zumute ist nach dem Wahlsieg der AfD, antwortete er, dass er dieses zweistellige Ergebnis nicht erwartet hätte.
Was für eine Verlogenheit, Herr Schuster!
Nicht erwartet, Herr Schuster? Wo doch jede Menge jüdischer Bürger mit der AfD sympathisieren und diese Partei wählen oder sogar, wie in meinem Wahlkreis in BW, ein ehemaliger Repräsentant der jüdischen Gemeinschaft sich als AfD-Direktkandidat aufstellen ließ. Auf Frage zwei, was Schuster an der AfD "verstört“, meinte er doch tatsächlich, dass diese Partei gegen Minderheiten "vorwiegend Muslime" Stimmung macht, aber dass er Angst hätte, dass es auch Juden treffen könnte! Da war ich platt. War es nicht gerade der Zentralrat, Herr Schuster und andere jüdische Organisationen, die ständig "Stimmung machten" gegen den vermeintlichen gefährlichen Antisemitismus, der uns durch Flüchtlinge erreicht? Was für eine Verlogenheit!
Auf die dritte Frage nach Deutschlands besonderer Vergangenheit meinte Schuster, dass er das Gefühl hat, dass viele Menschen gerade im Internet keine Hemmungen mehr haben, sich diskriminierend, rassistisch oder antisemitisch zu äußern. Natürlich ist das so, aber gerade Schuster sollte sich doch einmal fragen, wie er es mit der Meinungsfreiheit und diskriminierenden Äußerungen hält?
Und dann kam er wieder mit dem „latentem Antisemitismus“. Schuster hatte die Chuzpe und meinte auf die Frage nach dem Anstieg antisemitischer Straftaten, dass es weniger um körperliche Bedrohung geht, sondern dass sich der Antisemitismus in Antizionismus ausdrückt und gegen Israel wettert, während man Juden meint. Auf Nachfrage setzte er nach, wenn Israel "pauschal“ und denunziatorisch angegriffen wird, dann sei doch klar, gegen wen sich das richtet, und wenn dann noch das „Existenzrecht“ in Frage gestellt wird, dann wäre die rote Linie überschritten. Gönnerhaft gestattete er aber: "natürlich“ darf eine israelische Regierung kritisiert werden.
Hier hat Herr Schuster ganz mutwillig etwas verwechselt. Es ist eben kein versteckter Antisemitismus, den "Jüdischen Staat" für seine illegale Besatzungs- und Siedlungspolitik zu kritisieren und bekennende Antizionisten sind keine Antisemiten. Die rote Linie ist allerdings schon längst überschritten mit einem Zentralrat der Juden in Deutschland, der eine aggressive Lobbyarbeit für den "Jüdischen Staat" und seine Politik betreibt, die sich dann wie aktuell geschehen in Parteien und Medien niederschlägt!
Auf die unvermeidliche Frage nach den "No-Go" Areas, wie angeblich Berlin-Neukölln für Juden, kam wie immer die stereotype Antwort von einem (vermeintlichen) Anschlag gegen einen Rabbiner, der sich bis heute mehr als obskur darstellt. (Warum leben wohl mehr als 20.000 jüdisch-israelische Bürger dort?) Allerdings konnte auch Schuster keine signifikante Gefahr, ausgehend von muslimischen Flüchtlingen, feststellen. Allerdings fabulierte Schuster doch tatsächlich von der Gefahr „antisemitischer Vorurteile“, die arabische Fernsehsender in deren Wohnstuben verbreiten. Dann kamen seine Vorschläge, wie der deutsche Staat zu reagieren hätte, um die Flüchtlinge auf Kurs zu bringen.
Was dieser Zentralratspräsident an schwachsinnigen Äußerungen verbreitet, ist für mich kaum mehr zu ertragen. Wissensvermittlung über den Holocaust und den "Jüdischen Staat" und "antisemitische Äußerungen". Was Schuster unter "antisemitische Äußerungen“ versteht, ist bekannt: danach ist jeder Israel-Kritiker ein Antisemit! Schnell schoss er nach, dass er nicht Muslime und Flüchtlinge diffamieren will, sondern um diese "Probleme" angehen zu können und schneller strafrechtlich reagieren zu können. Herr Schuster, was Sie wollen, dass wir, die wir Muslime und Freiheit für Palästina unterstützen nur zu gut, Sie wollen wie zuletzt auch mit der „Antisemitismus-Definition“ geschehen, legitime Israel-Kritik als Antisemitismus kriminalisieren und dazu noch den "philosemitischen Antisemiten" Grünen Volker Beck als "Antisemitismusbeauftragten" der Bundesregierung inthronisieren! Diese Lobbyarbeit für den „Jüdischen Staat“ soll die Meinungsfreiheit in Deutschland einschränken.
Wenn Schuster sich auch noch für eine Obergrenze, wie geschehen, einsetzte, wovon er jetzt nichts mehr wissen möchte, und schärfere Sanktionen sowie Abschreckung gegen Flüchtlinge fordert, die seiner Norm nicht genügen, dann ist das Maß voll. Er mischt sich ein in eine Debatte, die bei diesem Thema fast deckungsgleich mit der AfD ist. (1)
Fazit dieses Interview mit diesem obersten Funktionär der Juden in Deutschland sollte alle jüdischen Bürger aufhorchen lassen. Dieser Zentralrat ist dabei, sich an der Spaltung, die gerade von gewissen Parteien betrieben wird, aktiv zu beteiligen. Sicherlich ist Integration ein schwieriges Thema, aber warum kümmert sich Schuster nicht einmal um die Zustände in seinem "gelobten Land"? Wo schwarze Asylbewerber in spezielle Gefängnisse eingekerkert werden und ohne Prozess auf ihre Abschiebung warten?
Warum kritisiert er nicht den Vandalismus und die Zerstörung von zahlreichen, allein seit 2009, von 53 Moscheen und Kirchen im "Jüdischen Staat", vor dem das rassistische Netanjahu-Regime die Augen verschließt und keine Anklagen erhebt, solange keine Synagogen betroffen sind!? (2)
Was sagt der Zentralrat zu der Vertreibung der Beduinen aus ihrer Heimat, den tausenden von inhaftierten Palästinensern und zur Siedlungspolitik, die gerade zu ungeahnten Höhen kommt? (3)
Ich frage Herrn Schuster, Israel existiert, allerdings ohne definierte Grenzen, aber hat so ein Apartheid- und Besatzerstaat wirklich eine Existenzberechtigung? Wie können Sie sich so ohne Empathie für die Verfolgten mit diesem Besatzer-Staat solidarisieren und diese Solidarität auch noch von deutschen Parteien und Politikern einfordern, und sogar auch noch von Flüchtlingen, denen sicher nicht plausibel gemacht werden kann, wie man einen Staat unterstützen kann, der zwei Millionen Menschen im Konzentrationslager Gaza gefangen, und drei Millionen Palästinenser seit vielen Jahrzehnten in illegaler Besatzung eines barbarischen jüdischen Besatzerregimes hält. Sie als Arzt sollten doch gerade auch dafür ein Gefühl zeigen, das aber leider zu fehlen scheint bei Ihnen. Was ist mit der Verweigerung des legalen Rückkehrrechts der vertriebenen Palästinenser in ihre Heimat, während Juden "heimkehren" konnten in ihre von "Gott" gegebene Heimat. Was Sie als Zentralratspräsident, ebenso wie die ganzen jüdischen Organisationen, getan haben, ist und war wenig hilfreich und hat das politische Klima mit vergiftet. Deutsche Parteien und Politiker schleimen sich an die Israel-Lobby und gefährden nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch den Konsens und das friedliche Zusammenleben.
Ich gehe davon aus, dass die meisten der 70.000 Palästinenser (von 200.000) mit deutschem Pass und die 1,4 Millionen Türken (von 2,9 Millionen) mit deutschem Pass sicherlich verantwortungsvoll gewählt haben.
Rechtsextremismus: im "Jüdischen Staat" Staatsräson
Übrigens, warum ignoriert gerade der "Jüdische Staat" und das Netanjahu-Regime den AfD-Wahlerfolg und den Einzug in den Bundestag? Wo doch israelische "Nationalrechte" (Rechtsextreme!) schon seit Jahren so gute Kontakte zu Mitgliedern der AfD und anderen europäischen rechtsextremen Parteien pflegen. Darüber sollten sich die "Israel-Unterstützer" und jüdische Bürger und ihre Repräsentanten Sorgen machen, dass gerade im "Jüdischen Staat" Rechtsextremismus als Staatsräson Politik verfolgt wird! (4)
Kann man sich in diesem Deutschland der Verlogenheit im Wahlkampf, noch wohlfühlen? Möge die Stunde der Wahrheit kommen!
Fussnoten:
1 http://www.tagesspiegel.de/politik/zentralratspraesident-josef-schuster-es-koennte-sehr-wohl-auch-juden-treffen/20368036.html
2 http://www.haaretz.com/opinion/editorial/1.813955
3 http://www.alternet.org/israel-umm-al-hiran-demolish-homes-palestinians
4 http://www.fr.de/politik/bundestagswahl/bundestagswahl-israel-ignoriert-afd-wahlerfolg-a-1357501
Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.
Top-Foto:
Evelyn Hecht-Galinski (sicht-vom-hochblauen.de)
Siehe auch:
Fotogalerie: Einblicke in den so genannten Bundestagswahlkampf
Das Kreuz an der richtigen Stelle
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24171
Mit der Bundestagswahl aktueller denn je: Debatte über Populismus, seine Hintergründe und Auswirkungen
Die Populismus-Falle
Von Günter Rexilius
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24178
Eine lockere Folge von Leserbriefen und Kommentaren
Hajos Einwürfe
Von Hajo Kahlke
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24179
Merkel schon wieder Kanzler
Putin siegt in Berlin
Von Ulrich Gellermann
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24184
Warten auf den großen Häuptling
Kim Il-Schulz und seine Jünger
Von Ullrich Mies
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24185
Gedanken zur Bundestagswahl 2017
Wie lange dauert es, bis etwas „deutsch“ ist?
Von Yavuz Özoguz
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24188
Online-Flyer Nr. 630 vom 27.09.2017
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KÖLNER KLAGEMAUER
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