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Kultur und Wissen
Gruenbaum „Genese der Plutoniumgesellschaft“ Verein zur Finanzierung Buchherausgabe
Gedenken Léon Gruenbaum
Von Dietrich Schulze

Der im Titel erwähnte Gruenbaum-Artikel ist eine historische Rarität, die 1978-1982 in Paris als französischer Schreibmaschinentext mit über 400 Seiten verfasst wurde. Nach sehr vielen erfolglosen Bemühungen verschiedener Seiten konnte jetzt ein zielführender Weg gefunden werden, diese Monographie „Genese der Plutoniumgesellschaft – Politische Konspirationen und Geschäfte“ zu veröffentlichen. Philipp Glahé, Historiker mit französischen und deutschen Master-Abschluss, hat am 5. September 2017 ein Projekt-Angebot für die Herausgabe der französischen Fassung des Monographie-Typoskripts als Buch in deutscher Übersetzung vorgelegt. In den Monaten Oktober 2017 bis Januar 2018 will er die Übersetzung liefern. Für das eingerichtete Arbeitsteam ist es ein geniales Angebot zur Realisierung des Projekts. Das Arbeitsteam sieht es als seine Hauptaufgabe an, genügend Sponsoren für die Arbeitskosten zu gewinnen. Das erste Drittel ist bereits übersetzt. Philipp Glahé sagte uns dazu: „Dieses Werk ist aus mehreren Gründen ein bedeutendes Dokument. Zum einen handelt es sich um ein beeindruckendes Zeugnis des persönlichen Schicksals Léon Gruenbaums und seines Kampfes gegen die NS-Kontinuitäten in der BRD. Zum anderen ist sein Buch inhaltlich sehr anspruchsvoll, da es komplexe historische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge allgemeinverständlich und auf hohem Niveau erläutert.“ Diese Zeilen haben uns weiter bewegt und zu dem Entschluss beigetragen, den Verein „Gedenken Léon Gruenbaum“ (GLG e.V.) zu gründen. Der Autor ist der Eigentümer des französischen Typoscript und bereitet sich als Herausgeber auf die Buch-Veröffentlichung vor. Zum besseren Verständnis nachfolgend Gedanken des Autors zur Entstehung der Monographie.


Portrait Léon Gruenbaum von Liane Holl 2015

Zweitmalige Verfolgung (*)

Hier die gekürzte Vita aus [2]: Der Großteil seiner jüdischen Familie ist in den NS-Vernichtungslagern umgekommen. Léon wächst in Frankreich auf, studiert Physik in München, promoviert 1964 in München im Umfeld von Heisenberg und wendet sich dann der Kernforschung zu. Nach Forschungen an der TU Darmstadt Ende der 1960er Jahre beginnt er am Institut für Angewandte Reaktorphysik (Prof. Häfele) am Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute KIT Campus Nord). Sein Zeitvertrag wurde 1975 trotz exzellenter wissenschaftlicher Fähigkeiten im Gegensatz zu der damals größten Mehrheit nicht entfristet. Der Geschäftsführer und bis dahin unbekannte NS-Jurist Rudolf Greifeld hatte ihn antisemitisch diskriminiert und damit ein zweites Mal verfolgt. Greifeld hatte sich auch bei Häfele und Umfeld durchgesetzt.

Therapeutisches Geschichtswerk

Léon hat Serge Klarsfeld dafür gewonnen, in den Pariser Akten der NS-Besatzung Frankreichs Dokumente über Greifeld zu suchen. Am 23. Oktober 1975 legen die Klarsfelds zusammen mit Léon in einer Pressekonferenz in Strasbourg das Ergebnis vor. Bitte lesen Sie Einzelheiten in einem Reader für das Gruenbaum-Symposium 2013 [3] und die folgenreiche Entdeckung des antisemitischen NS-Besatzer-Dokuments von 1941, geschrieben als bewegende Botschaft für das Gruenbaum-Symposium [4]. Léon findet aufgrund dieser Diskriminierung keine Arbeit mehr als Physiker, auch nicht in Frankreich, wohin er zurückkehrt. In einer genialen Reaktion auf diese Verwundung geht er jetzt den Ursachen seiner Diskriminierung durch Greifeld und Co. nach und erstellt als Physiker eine einmalige Geschichts-Monographie über die historischen Grundlagen der militärischen und zivilen Nutzung der Atomenergie vor. Nach Aussage seines Karlsruher Wissenschaftler-Freundes Heinz Sundermann soll er diese 1982 an der Sorbonne als weitere Dissertation vorgelegt haben. Trotz intensiver Prüfungen ist es bisher nicht gelungen, an den Pariser Universitäten eine Spur zu finden. Von Sundermann, mit dem ich zusammen die Todesanzeige aufgrund Léons Ableben am 22. Juli 2004 unterzeichnet hatte, habe ich eine Kopie der Monographie erhalten und dafür von Frau Sundermann 2013 das Eigentümer-Recht auf  mich übertragen lassen.

Gruenbaum-Symposium und Whistleblower-Posthum-Ehren-Preis


Das Gruenbaum-Symposium hat eine interessante Vorgeschichte. Im ersten Halbjahr 2013 hatte ich Harald Denecken vom Ludwig-Marum-Forum angesprochen, ob nicht Léon Gruenbaum ein geeigneter Preisträger wäre. Das Entscheidungsgremium lehnte ab, weil dieser Preis nicht Posthum vergeben werde. Daraufhin hatte Harald die Idee, ein Symposium für Léon zu gestalten.

Das war ein ganz großer Erfolg wie aus der Dokumentation über das Symposium hervorgeht, die anlässlich Léons 10. Todestag veröffentlicht wurde [5]. Christof Müller-Wirth hatte in seinem Schlusswort zum Symposium gesagt »Wir ehren heute den über 40 Jahre lang vergessenen Léon Gruenbaum als einen mutigen Vorläufer aller derjenigen, die man heute Whistleblower nennt. …

Als eindrucksvolles, bleibendes Vermächtnis hat er uns sein Werk „Genese der Plutoniumgesellschaft“. … Wir werden sehen, ob es uns gelingt, das Werk der Öffentlichkeit in Buchform zugänglich zu machen.«

Nach dieser Ansage waren es keine Zufälle, dass zwei Jahre nach dem erfolgreichen Symposium an Christof Müller-Wirth, den „sympathischen Idealisten“ [6], am 5. November 2015 der Ludwig-Marum-Preis und am 16. Oktober 2015 an Léon der Posthum-Ehren-Whistleblower-Preis vergeben wurde. Der alle zwei Jahre von IALANA und VDW vergebene Preis ging gleichzeitig an Brandon Bryant (USA) und Gilles-Eric Séralini (Frankreich). Erstmals wurde der Preis posthum verliehen und aufgrund von Léons Schicksal in Karlsruhe im vollbesetzten Rathaus-Saal unter würdiger Begrüßung durch OB Frank Mentrup. Über dieses denkwürdige Großereignis in Karlsruhe gibt es eine Unmenge von Presseberichten. Es sei erlaubt, dazu nur auf meinen Beitrag in Neue Rheinische Zeitung [7] und dort wie hier auf die Jury-Langfassung für den Preis an Léon [8] zu verweisen. Darin wird die Bedeutung von Léons Monographie eindrucksvoll analysiert.

Dem Oberbürgermeister war das alles in Vorbereitungsgesprächen auf die Preisverleihung zur Kenntnis gekommen. Im Rahmen des Festaktes im Rathaus sagte er Christof Müller-Wirth eine städtische Förderung für die Übersetzung zur Buchveröffentlichung zu.

Umsetzung in Buchform

Christof Müller-Wirth hat es als früherer Verleger als seine Pflicht angesehen, einen Verlag für die Herausgabe des Buchs zu gewinnen. Das ist 2016 trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen. Sicherlich hatten für die Verlage die als zu gering eingestuften Absatzzahlen für dieses geschichtspolitische Spezialthema eine Rolle gespielt. Der Autor sah sich parallel nach Möglichkeiten für die Übersetzung um und lernte Mitte 2016 Philipp Glahé kennen, der an seinem Master parallel in Paris und Heidelberg arbeitete. Auch er konnte nichts in den Pariser Uni-Archiven über die Monographie finden, war aber aufgrund des Studiums des französischen Typoskripts sehr an der Thematik interessiert. Nach einem Jahr ergab sich eine exzellente Gelegenheit für die zeitnahe Umsetzung, nämlich nach dem Masterabschluss und dem Zeitfenster bis zum Promotionsbeginn. Am 5. September 2017 richtete Philipp Glahé ein Angebot zur Übersetzung und Digitalisierung der Monographie an den Karlsruher OB Dr. Frank Mentrup für eine Bearbeitungszeit von Oktober 2017 bis Januar 2018 mit Bezug auf seine Finanzierungszusage. Bis heute gibt es keine Reaktion des OB.

Vereinsgründung

Die hochqualifizierte Übersetzungsarbeit von Philipp Glahé hat uns wie gesagt am 14. November dazu motiviert, einen Verein zu gründen und dafür auch den Status eines eingetragenen Vereins zu beantragen. Die erste Hürde ist schon genommen, nämlich die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder. Bis dato konnten acht gewonnen werden, darunter fünf Promovierte.

Wir sind sehr an Hinweisen und Fragen interessiert, insbesondere an Finanzierungsangeboten. Bitte an den Autor per Email richten oder per Handy ansprechen unter 0160 99113131.

Noch zwei Bemerkungen am Schluss:

A. zu den Quellen: Weit mehr als die acht unten angegebenen Quellen können in der Zivilklausel-WebDoku der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten gefunden werden. Beispiel 1: Die 3-jährige Auseinandersetzung mit dem KIT über dessen Uni-Ehrensenatorwürde von 1966. Beispiel 2: Der erste Grabbesuch von Rolande Tordjman-Grunbaum an Léons Grab in Bad Schönborn und später das würdiger gestaltete Grab auf Initiative von Angelika Messmer mit Unterstützung und Einweihung durch Bürgermeister Klaus-Detlef Huge.

B. zur aktuellen Atom-Problematik: Weltweit wird mit dem Atomwaffeneinsatz gedroht. Der zuständige US-General hat gerade erklärt, bei einem illegalen Befehl durch Trump die Order zum Atomschlag zu verweigern. Die Bundesrepublik hat den Atomausstieg beschlossen, aber KIT beteiligt sich an der Forschung für neue Generationen von Atomreaktoren, die für Atomwaffen geeignet sind. Der Whistleblower Dr. Rainer Moormann hat dazu gerade in Karlsruhe einen kritischen und lehrreichen Vortrag gehalten. Die Herausgabe der allgemeinverständlich geschriebenen Gruenbaum-Monographie wird vor diesem Hintergrund nicht auf Leseprobleme oder taube Ohren stoßen.


Quellen:

[1] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20171012lmp.pdf
[2] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20150818.pdf
[3] http://www.forum-ludwig-marum.de/site/assets/files/1012/reader.pdf
[4] http://www.forum-ludwig-marum.de/site/assets/files/1012/beilage-zum-reader.pdf
[5] http://www.forum-ludwig-marum.de/site/assets/files/1012/broschuere.pdf
[6] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20151107bnn.pdf
[7] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22159
[8] http://www.ialana.de/files/pdf/arbeitsfelder/whistleblowerpreis/whistleblowerpreis%202015/Jury_Lang__Begrndung_Gruenbaum_21_9_2015_Dei_Schulze.pdf


(*) Der Begriff „Zweitmalige“ mit „t“ wird absichtlich in Anlehnung an den Nazi-Begriff »Zweitmaliger« verwendet und ist auf Léon Gruenbaum völlig zutreffend. Siehe dazu NRhZ-Artikel „'Der Kapo der Kretiner' online“ bzw. den Volltext hier


Über den Autor: Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord). 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied von NatWiss und publizistisch tätig. Email dietrich.schulze@gmx.de

Online-Flyer Nr. 638  vom 22.11.2017

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