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Inland
1968 bis 2018 – Die 68er-Bewegung in Deutschland und ihre Bedeutung
Nach Wegen für eine bessere, menschenwürdige Gesellschaft suchen
Wolfgang Bittner - interviewt von "HK01 World News", Hong Kong
Was hat Sie motiviert, 1968 an den Protestdemonstrationen teilzunehmen? Warum haben Sie gesagt, dass Sie während der Zeit als Universitätsstudent politisiert worden sind? Was waren die Schlüsselfragen, die Sie im Protest aufwerfen wollten? Wie hat Sie der Protest persönlich beeinflusst? Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Glauben Sie, dass der Protest erfolgreich war, um die Gedanken der Menschen zu verändern oder eine bessere Welt zu erreichen? Wie beurteilen Sie die heutige Situation? Sehen Sie eine Perspektive? Das sind Fragen, die "HK01 World News" stellt und auf die Wolfgang Bittner antwortet. Er macht deutlich: 1968 entbindet uns 50 Jahre nach 1968 nicht davon, nach Wegen für eine bessere, menschenwürdige Gesellschaft zu suchen.
1. Was hat Sie motiviert, 1968 an den Protestdemonstrationen teilzunehmen? Warum haben Sie gesagt, dass Sie während der Zeit als Universitätsstudent politisiert worden sind?
Unzufriedenheit mit den universitären, den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen war das Hauptmotiv. Ich habe in der Zeit von 1966 bis 1970 studiert, hatte allerdings als Werkstudent wenig Zeit, mich politisch zu engagieren; ich habe an Diskussionen, Studentenversammlungen und Demonstrationen, u.a. gegen den Vietnamkrieg und die Notstandsgesetze, teilgenommen. Bevor ich in die Universitätsstadt Göttingen kam (wo zum Beispiel auch Zhou Enlai studiert hat), hatte ich in einer Kleinstadt in der Provinz gelebt und mich nicht um Politik gekümmert. Durch die Studentenproteste wurde ich für gesellschaftliche und politische Fragen sensibilisiert. Für mich war die Studentenrevolte von 1968 sehr wichtig, ich habe mich in dieser Zeit zu einem bewussteren Menschen entwickelt.
2. Was waren die Schlüsselfragen, die Sie im Protest aufwerfen wollten?
Mir ging es um bessere Studienbedingungen, friedlichere, gerechtere und vernünftigere Verhältnisse in Staat und Gesellschaft sowie die Beendigung des Vietnam-Krieges und überhaupt von Interventionskriegen der USA, wodurch Staaten – wie zuvor schon Korea – zerstört wurden. Ich habe auch gegen Kernkraft und gegen Atomwaffen demonstriert. 1957 hatten in Göttingen bereits 18 namhafte Atomforscher, darunter Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg, gegen die Bewaffnung der in Deutschland stationierten US-Truppen mit taktischen Atomwaffen protestiert (das war das „Göttinger Manifest“).
3. Wie hat Sie der Protest persönlich beeinflusst?
Nicht nur die Proteste, auch die Studien haben mir viele Einsichten vermittelt. An deutschen Universitäten konnte man sich damals umfassend bilden, was heute durch die Verschulung des Studiums leider nicht mehr in dieser Weise möglich ist. Die deutschen Universitäten haben das US-amerikanische Bachelor-Master-System übernommen, was eine „Verschulung“ des Studiums bedeutet. Die Studenten arbeiten auf ein bestimmtes Ziel hin, damit sie zu brauchbaren „Werkzeugen“ werden, und sie können weder rechts noch links gucken. Die Studiengänge sind nur noch auf eine Beschäftigungsfähigkeit (Employability) auf dem Arbeitsmarkt ausgerichtet. Aber ein akademisches Studium sollte nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern auch Menschenbildung ermöglichen. Ich habe Rechtswissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert und mich nebenher noch in anderen Fächern umgeschaut, beispielsweise in der Literaturwissenschaft, Medizin, Geschichte und Kunst. Das fand ich spannend, ich war wissbegierig und aufnahmebereit, es hat mir auch Spaß gemacht. Deswegen konnte ich viel erfahren und aufnehmen.
4. Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Glauben Sie, dass der Protest erfolgreich war, um die Gedanken der Menschen zu verändern oder eine bessere Welt zu erreichen?
1968 ist eine andere Gesellschaft entstanden. Die 68er-Revolte hatte Auswirkungen in Staat und Gesellschaft, in den Universitäten, den Kirchen, in Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Justiz, Medizin, Presse und Film, in der Musik, Literatur, auch hinsichtlich der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Von dem damals Erreichten zehren wir zum Teil noch heute, wenngleich vieles rückgängig gemacht wurde. Es hat bald nach 1968 wieder eine Restauration eingesetzt. Meines Erachtens ist das unter anderem auf die Einflussnahme der USA auf die deutsche Gesellschaft und die Politik zurückzuführen. Deutschland war seinerzeit nicht souverän und ist auch nach der „Wiedervereinigung“ nicht völlig souverän, weil nach wie vor Truppen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs mit eigenen Befugnissen auf deutschem Territorium stationiert sind. Wir haben es nicht nur mit einem politischen US-Imperialismus, sondern auch mit einem Kulturimperialismus zu tun. Zum einen wird militärisch und auch manipulativ vorgegangen, zum anderen wird mit der Hollywood-Produktion die Pseudozivilisation des „American Way of Life“ über den ganzen Globus verbreitet. Wir haben keine friedlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse erreicht, weder in Deutschland noch anderswo. Die Gegenkräfte waren – und sind – zu stark und zu gut organisiert.
5. Wie beurteilen Sie die heutige Situation?
Kritik an den bestehenden unwürdigen Verhältnissen wird systematisch unterdrückt: Durch Verschweigen, Lügen, Diskriminierung, Korrumpierung. Die europäischen und US-amerikanischen Leitmedien taugen nicht mehr, sie sind zu Sprachrohren der Politiker verkommen, die wiederum größtenteils der US-Politik folgen. Die USA mit der von ihr dominierten NATO betreibt seit Jahren eine menschheitsgefährdende Aggressionspolitik gegenüber Russland, aber die deutsche und europäische Bevölkerung nimmt die damit verbundene akute Kriegsgefahr großenteils überhaupt nicht wahr, weil sie durch die permanente Propaganda und die Hetze gegen Russland indoktriniert ist. Es herrscht eine gnadenlose Volksverdummung und Entpolitisierung der Gesellschaft.
6. Sehen Sie eine Perspektive?
Die etablierten Parteien in Deutschland haben versagt. Wir müssen uns heute umsehen nach parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten einer Veränderung. Dabei kann die Besinnung auf Ziele der 68er-Bewegung hilfreich sein. Zur Debatte stehen natürlich unsere heutigen Probleme mit Kriegseinsätzen, Globalisierung, Umweltzerstörung, Verarmung in der so genannten Dritten Welt, Flüchtlingschaos, Sozialabbau (ein Viertel der deutschen Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums), Einschränkung von Bürgerrechten, Kulturlosigkeit, Kinderverwahrlosung, Jugendgewalt, Sucht (Ursachen?!) Altersarmut usw. Damit gälte es sich zu befassen. Behindert wird das durch Ablenkung, Indoktrination, skrupellose und verschwenderische Militarisierung und vor allem durch den unipolaren Anspruch der USA, der in einer inzwischen multipolaren Welt auf rabiateste Weise durchgesetzt werden soll. Ich halte es für wichtig, das nicht hinzunehmen, sondern nach Wegen für eine bessere, menschwürdige Gesellschaft zu suchen. Solche Bestrebungen gibt es übrigens auch in den USA.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen/ Deutschland. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung.
Siehe auch:
68er Köpfe
Portraits mit Statements zur 68er-Bewegung - Ausstellung der Arbeiterfotografie Köln
u.a mit Portrait von Wolfgang Bittner
http://www.arbeiterfotografie.com/af-koeln/68er/index.html
Online-Flyer Nr. 663 vom 13.06.2018
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1968 bis 2018 – Die 68er-Bewegung in Deutschland und ihre Bedeutung
Nach Wegen für eine bessere, menschenwürdige Gesellschaft suchen
Wolfgang Bittner - interviewt von "HK01 World News", Hong Kong
Was hat Sie motiviert, 1968 an den Protestdemonstrationen teilzunehmen? Warum haben Sie gesagt, dass Sie während der Zeit als Universitätsstudent politisiert worden sind? Was waren die Schlüsselfragen, die Sie im Protest aufwerfen wollten? Wie hat Sie der Protest persönlich beeinflusst? Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Glauben Sie, dass der Protest erfolgreich war, um die Gedanken der Menschen zu verändern oder eine bessere Welt zu erreichen? Wie beurteilen Sie die heutige Situation? Sehen Sie eine Perspektive? Das sind Fragen, die "HK01 World News" stellt und auf die Wolfgang Bittner antwortet. Er macht deutlich: 1968 entbindet uns 50 Jahre nach 1968 nicht davon, nach Wegen für eine bessere, menschenwürdige Gesellschaft zu suchen.
1. Was hat Sie motiviert, 1968 an den Protestdemonstrationen teilzunehmen? Warum haben Sie gesagt, dass Sie während der Zeit als Universitätsstudent politisiert worden sind?
Unzufriedenheit mit den universitären, den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen war das Hauptmotiv. Ich habe in der Zeit von 1966 bis 1970 studiert, hatte allerdings als Werkstudent wenig Zeit, mich politisch zu engagieren; ich habe an Diskussionen, Studentenversammlungen und Demonstrationen, u.a. gegen den Vietnamkrieg und die Notstandsgesetze, teilgenommen. Bevor ich in die Universitätsstadt Göttingen kam (wo zum Beispiel auch Zhou Enlai studiert hat), hatte ich in einer Kleinstadt in der Provinz gelebt und mich nicht um Politik gekümmert. Durch die Studentenproteste wurde ich für gesellschaftliche und politische Fragen sensibilisiert. Für mich war die Studentenrevolte von 1968 sehr wichtig, ich habe mich in dieser Zeit zu einem bewussteren Menschen entwickelt.
2. Was waren die Schlüsselfragen, die Sie im Protest aufwerfen wollten?
Mir ging es um bessere Studienbedingungen, friedlichere, gerechtere und vernünftigere Verhältnisse in Staat und Gesellschaft sowie die Beendigung des Vietnam-Krieges und überhaupt von Interventionskriegen der USA, wodurch Staaten – wie zuvor schon Korea – zerstört wurden. Ich habe auch gegen Kernkraft und gegen Atomwaffen demonstriert. 1957 hatten in Göttingen bereits 18 namhafte Atomforscher, darunter Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg, gegen die Bewaffnung der in Deutschland stationierten US-Truppen mit taktischen Atomwaffen protestiert (das war das „Göttinger Manifest“).
3. Wie hat Sie der Protest persönlich beeinflusst?
Nicht nur die Proteste, auch die Studien haben mir viele Einsichten vermittelt. An deutschen Universitäten konnte man sich damals umfassend bilden, was heute durch die Verschulung des Studiums leider nicht mehr in dieser Weise möglich ist. Die deutschen Universitäten haben das US-amerikanische Bachelor-Master-System übernommen, was eine „Verschulung“ des Studiums bedeutet. Die Studenten arbeiten auf ein bestimmtes Ziel hin, damit sie zu brauchbaren „Werkzeugen“ werden, und sie können weder rechts noch links gucken. Die Studiengänge sind nur noch auf eine Beschäftigungsfähigkeit (Employability) auf dem Arbeitsmarkt ausgerichtet. Aber ein akademisches Studium sollte nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern auch Menschenbildung ermöglichen. Ich habe Rechtswissenschaft, Philosophie und Soziologie studiert und mich nebenher noch in anderen Fächern umgeschaut, beispielsweise in der Literaturwissenschaft, Medizin, Geschichte und Kunst. Das fand ich spannend, ich war wissbegierig und aufnahmebereit, es hat mir auch Spaß gemacht. Deswegen konnte ich viel erfahren und aufnehmen.
4. Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Glauben Sie, dass der Protest erfolgreich war, um die Gedanken der Menschen zu verändern oder eine bessere Welt zu erreichen?
1968 ist eine andere Gesellschaft entstanden. Die 68er-Revolte hatte Auswirkungen in Staat und Gesellschaft, in den Universitäten, den Kirchen, in Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Justiz, Medizin, Presse und Film, in der Musik, Literatur, auch hinsichtlich der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Von dem damals Erreichten zehren wir zum Teil noch heute, wenngleich vieles rückgängig gemacht wurde. Es hat bald nach 1968 wieder eine Restauration eingesetzt. Meines Erachtens ist das unter anderem auf die Einflussnahme der USA auf die deutsche Gesellschaft und die Politik zurückzuführen. Deutschland war seinerzeit nicht souverän und ist auch nach der „Wiedervereinigung“ nicht völlig souverän, weil nach wie vor Truppen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs mit eigenen Befugnissen auf deutschem Territorium stationiert sind. Wir haben es nicht nur mit einem politischen US-Imperialismus, sondern auch mit einem Kulturimperialismus zu tun. Zum einen wird militärisch und auch manipulativ vorgegangen, zum anderen wird mit der Hollywood-Produktion die Pseudozivilisation des „American Way of Life“ über den ganzen Globus verbreitet. Wir haben keine friedlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse erreicht, weder in Deutschland noch anderswo. Die Gegenkräfte waren – und sind – zu stark und zu gut organisiert.
5. Wie beurteilen Sie die heutige Situation?
Kritik an den bestehenden unwürdigen Verhältnissen wird systematisch unterdrückt: Durch Verschweigen, Lügen, Diskriminierung, Korrumpierung. Die europäischen und US-amerikanischen Leitmedien taugen nicht mehr, sie sind zu Sprachrohren der Politiker verkommen, die wiederum größtenteils der US-Politik folgen. Die USA mit der von ihr dominierten NATO betreibt seit Jahren eine menschheitsgefährdende Aggressionspolitik gegenüber Russland, aber die deutsche und europäische Bevölkerung nimmt die damit verbundene akute Kriegsgefahr großenteils überhaupt nicht wahr, weil sie durch die permanente Propaganda und die Hetze gegen Russland indoktriniert ist. Es herrscht eine gnadenlose Volksverdummung und Entpolitisierung der Gesellschaft.
6. Sehen Sie eine Perspektive?
Die etablierten Parteien in Deutschland haben versagt. Wir müssen uns heute umsehen nach parlamentarischen und außerparlamentarischen Möglichkeiten einer Veränderung. Dabei kann die Besinnung auf Ziele der 68er-Bewegung hilfreich sein. Zur Debatte stehen natürlich unsere heutigen Probleme mit Kriegseinsätzen, Globalisierung, Umweltzerstörung, Verarmung in der so genannten Dritten Welt, Flüchtlingschaos, Sozialabbau (ein Viertel der deutschen Bevölkerung lebt am Rande des Existenzminimums), Einschränkung von Bürgerrechten, Kulturlosigkeit, Kinderverwahrlosung, Jugendgewalt, Sucht (Ursachen?!) Altersarmut usw. Damit gälte es sich zu befassen. Behindert wird das durch Ablenkung, Indoktrination, skrupellose und verschwenderische Militarisierung und vor allem durch den unipolaren Anspruch der USA, der in einer inzwischen multipolaren Welt auf rabiateste Weise durchgesetzt werden soll. Ich halte es für wichtig, das nicht hinzunehmen, sondern nach Wegen für eine bessere, menschwürdige Gesellschaft zu suchen. Solche Bestrebungen gibt es übrigens auch in den USA.
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen/ Deutschland. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung.
Siehe auch:
68er Köpfe
Portraits mit Statements zur 68er-Bewegung - Ausstellung der Arbeiterfotografie Köln
u.a mit Portrait von Wolfgang Bittner
http://www.arbeiterfotografie.com/af-koeln/68er/index.html
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