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Kultur und Wissen
Besprechung von Armin Bernhards Buch "Pädagogik des Widerstands"
Frieden trotz Friedlosigkeit?
Von Rudolph Bauer
Ein Buch wie das von Armin Bernhard müsste als Sachbuch-Bestseller angekündigt werden. Weil das Thema brennt. Weil die Pädagogik des Widerstands hochaktuell ist. Weil Friedensarbeit dringend angesagt ist. Weil kein anderen Autor sich des Themas so energisch und kenntnisreich annimmt. Wenn der Band aber auf keiner Bestsellerliste verzeichnet ist, dann hat das seine Gründe. Pädagogik wird zu wenig wahrgenommen. Verglichen mit Informatik, Management oder Börsenkursen ist sie nachrangig. Das Kriegführen gilt als Zeichen von Verantwortung, Frieden als Zeichen von Schwäche. Mit Rüstungsproduktion und -exporten lassen sich Profite erzielen, mit Friedensliteratur nicht. Friedensarbeit ist kein Schulfach, für friedenspolitische Bildungsarbeit gibt es keinen Lehrstuhl.
Das hat zum Ergebnis, dass der Friedenspädagogik etwas Mühsames anhaftet. Dass ihren Anstrengungen, im Wissenschaftskanon eine Rolle zu spielen, wenig Anerkennung zuteil wird. Dass es obendrein beschwerlich ist, ein Buch wie das vorliegende zu schreiben, aber auch zu lesen. Der thematische Rahmen ist so abgesteckt, dass die Lektüre historische, bildungs- und gesellschaftstheoretische, sozialkritische, sozialisations- und erziehungswissenschaftliche, sozialpsychologische, ethologische und politologische Anteile einbegreift. Dadurch wird die Lektüre strapaziös.
Allein schon die Begrifflichkeit erfordert ein höchst konzentriertes Lesen. Terminologisch zu unterscheiden und auseinander zu halten sind: Friedenserziehung (idealistisch-appellativ), Friedenspädagogik (kritisch, kulturologisch und ökologisch), Friedensarbeit (pädagogisch), Friedensforschung, Friedenskompetenz (kritisch-konstruktiv) und Friedensfähigkeit (kritisch-widerständig) angesichts (gesellschaftlicher) Friedlosigkeit. Puh!
Allen, die sich in die Thematik einzuarbeiten wünschen, sei deshalb zum Einstieg die Lektüre von drei Aufsätzen im Anhang des Bandes empfohlen. Der erste enthält politökonomische Überlegungen aus dem Jahre 1999 und handelt von den Legitimationsmustern, Feindbildkonstruktionen und dem Auschwitz-Missbrauch zur Durchsetzung des Krieges gegen Jugoslawien. Im zweiten Beitrag aus dem Jahre 2003 werden mit Blick auf "Die Friedlosigkeit der neuen Weltordnung" Thesen zur Entwicklung einer pädagogischen Friedensarbeit vorgestellt. Die jüngste Dokumentation aus dem Jahre 2016 entwickelt am Beispiel des Russland-Feinbildes exemplarisch das Konzept friedenspolitischer Bildungsarbeit.
Die drei letztgenannten Beiträge lassen gut erkennen, welcher friedenspraktische Gewinn sich aus den wissenschaftlichen Anstrengungen einer Pädagogik des Widerstands gewinnen lässt, falls die Verhältnisse es zulassen. Zu Recht verweist Armin Bernhard auf den Zusammenhang von Kapitalinteressen, Geopolitik und Kriegen sowie auf die Doppelbödigkeit der herrschenden Moral angesichts von Privatisierung, Deregulierung und dem Faustrecht des Stärkeren (vgl. S. 226).
Armin Bernhard: Pädagogik des Widerstands. Impulse für eine politisch-pädagogische Friedensarbeit
Weinheim Basel: Beltz Juventa 2017. 246 Seiten. ISBN 978-3-7799-3628-2 Print, 28,95 DM; 978-3-7799-4623-6 E-Book, 27,99 Euro
Mit Dank übernommen aus Sozial Extra, Ausgabe 3/2018
Online-Flyer Nr. 664 vom 20.06.2018
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Besprechung von Armin Bernhards Buch "Pädagogik des Widerstands"
Frieden trotz Friedlosigkeit?
Von Rudolph Bauer
Ein Buch wie das von Armin Bernhard müsste als Sachbuch-Bestseller angekündigt werden. Weil das Thema brennt. Weil die Pädagogik des Widerstands hochaktuell ist. Weil Friedensarbeit dringend angesagt ist. Weil kein anderen Autor sich des Themas so energisch und kenntnisreich annimmt. Wenn der Band aber auf keiner Bestsellerliste verzeichnet ist, dann hat das seine Gründe. Pädagogik wird zu wenig wahrgenommen. Verglichen mit Informatik, Management oder Börsenkursen ist sie nachrangig. Das Kriegführen gilt als Zeichen von Verantwortung, Frieden als Zeichen von Schwäche. Mit Rüstungsproduktion und -exporten lassen sich Profite erzielen, mit Friedensliteratur nicht. Friedensarbeit ist kein Schulfach, für friedenspolitische Bildungsarbeit gibt es keinen Lehrstuhl.
Das hat zum Ergebnis, dass der Friedenspädagogik etwas Mühsames anhaftet. Dass ihren Anstrengungen, im Wissenschaftskanon eine Rolle zu spielen, wenig Anerkennung zuteil wird. Dass es obendrein beschwerlich ist, ein Buch wie das vorliegende zu schreiben, aber auch zu lesen. Der thematische Rahmen ist so abgesteckt, dass die Lektüre historische, bildungs- und gesellschaftstheoretische, sozialkritische, sozialisations- und erziehungswissenschaftliche, sozialpsychologische, ethologische und politologische Anteile einbegreift. Dadurch wird die Lektüre strapaziös.
Allein schon die Begrifflichkeit erfordert ein höchst konzentriertes Lesen. Terminologisch zu unterscheiden und auseinander zu halten sind: Friedenserziehung (idealistisch-appellativ), Friedenspädagogik (kritisch, kulturologisch und ökologisch), Friedensarbeit (pädagogisch), Friedensforschung, Friedenskompetenz (kritisch-konstruktiv) und Friedensfähigkeit (kritisch-widerständig) angesichts (gesellschaftlicher) Friedlosigkeit. Puh!
Allen, die sich in die Thematik einzuarbeiten wünschen, sei deshalb zum Einstieg die Lektüre von drei Aufsätzen im Anhang des Bandes empfohlen. Der erste enthält politökonomische Überlegungen aus dem Jahre 1999 und handelt von den Legitimationsmustern, Feindbildkonstruktionen und dem Auschwitz-Missbrauch zur Durchsetzung des Krieges gegen Jugoslawien. Im zweiten Beitrag aus dem Jahre 2003 werden mit Blick auf "Die Friedlosigkeit der neuen Weltordnung" Thesen zur Entwicklung einer pädagogischen Friedensarbeit vorgestellt. Die jüngste Dokumentation aus dem Jahre 2016 entwickelt am Beispiel des Russland-Feinbildes exemplarisch das Konzept friedenspolitischer Bildungsarbeit.
Die drei letztgenannten Beiträge lassen gut erkennen, welcher friedenspraktische Gewinn sich aus den wissenschaftlichen Anstrengungen einer Pädagogik des Widerstands gewinnen lässt, falls die Verhältnisse es zulassen. Zu Recht verweist Armin Bernhard auf den Zusammenhang von Kapitalinteressen, Geopolitik und Kriegen sowie auf die Doppelbödigkeit der herrschenden Moral angesichts von Privatisierung, Deregulierung und dem Faustrecht des Stärkeren (vgl. S. 226).
Armin Bernhard: Pädagogik des Widerstands. Impulse für eine politisch-pädagogische Friedensarbeit
Weinheim Basel: Beltz Juventa 2017. 246 Seiten. ISBN 978-3-7799-3628-2 Print, 28,95 DM; 978-3-7799-4623-6 E-Book, 27,99 Euro
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