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Aktion "Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate - Geheimdienste abschalten!", Köln, 21.8.2018
Lebenslaute sucht Whistleblower
Von Arbeiterfotografie

Seit über 30 Jahren – 1986 gegründet – spielt Lebenslaute mit Profi- und Laienmusikern, Chor und klassischem Orchester auf und vermittelt der deutschen Demokratie ihre Positionen. Dabei unterstützen sie örtliche Initiativen, die um ihre Mitwirkung werben, oder sie werden umgekehrt von örtlichen Initiativen unterstützt. Jährlich gibt es eine Sommeraktion, 2018 vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln. Gleich zweimal. Das zweite Mal offiziell angemeldet am Dienstagmorgen, das erste Mal in einer Nacht- und Nebenaktion am frühen Montagmorgen. Ab 5 Uhr wurden alle bekannten Zugänge und Zufahrten des Geheimdienst-Amtes blockiert. Die MusikerInnen begründen ihre Entscheidung damit, dass "Geheimdienste bespitzeln und diffamieren, ein Klima von Angst und Rassismus erzeugen, Kriegsgründe inszenieren und auch vor Morden nicht zurückschrecken." Im Mittelpunkt stand der so genannte NSU-Komplex, der von Amts (und Medien) wegen auf nur drei beteiligte Personen beschränkt werden sollte. Der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete (1969-1994) Andreas von Bülow war Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission für die "Dienste", die sich nur zuständig für die "bösen" Ostdienste fühlte. Dies war für ihn Anlass, das Standardwerk "Im Namen des Staates" zu verfassen. Von Bülow: "Herausgekommen ist ein letztlich erschreckendes Gemälde der systematischen operativen Verschränkung geheimdienstlicher verdeckter Operationen mit der weltweiten organisierten Kriminalität, dem Drogenhandel, aber auch dem Terrorismus." Nazi-Kader und -strukturen von Beginn an inklusive. Die NRhZ-Fotogalerie zeigt die Konzert-Aktion – in Bildern der Arbeiterfotografie.


Wieviel Staat steckt im NSU? Der Versuch, den NSU auf drei Mitglieder zu beschränken, von denen zwei angeblich Selbstmord begingen, ist nicht haltbar. Vielmehr geht es um den "NSU-Komplex" mit geheimdienstlichen Verstrickungen. (Alle Fotos: arbeiterfotografie.com)


Lebenslaute, dirigiert von Gründungsmitglied Ulrich Klan: "Wer die Wahrheit spricht, muss immer einer schnelles, ein immer gesatteltes Pferd haben! Wer die Wahrheit spricht, wird aus den Dörfern verbannt, von den Höfen verjagt..." Chorstück aus dem Oratorium "Wie eine Taube" im Gedenken an Hrant Drink, der sich für die Aufklärung des Völkermordes an den Armeniern eingesetzt hat.


Lebenslaute mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln-Chorweiler.


"Singe nicht, Nachtigall, singe nicht, heiter ist nicht mein Garten, Freund, wegen deines Leids brenne ich, brenne ich..." Türkisches Volkslied, das mit Sufi-Liebeslyrik gesellschaftliche Kontexte verbindet.


Aufgeführtes Werk: Ludwig van Beethovens Coriolan-Overtüre mit klarer politischer Botschaft. Harte Klänge werden zu milderen Tönen. Der Heerführer Coriolan wird zum Einlenken gebracht.


Lebenslaute mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz BfV in Köln-Chorweiler. Die Forderung lautet: "Geheimdienste abschalten!"


Gast-Aktion zum Konzert: Gedenken an die dem NSU-Komplex zugerechneten Morde bzw. die Opfer: Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kiliç, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter - im Portrait von Veronika Dimke


Die Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter ist eine Schlüsselstelle, die auf die Verstrickungen von Geheimdienst, Polizeiadministration und thüringischen Heimatschutz hinweist und das verbindende Opfer-Schema sprengt.


Gast-Aktion zum Konzert: Gedenken an die dem NSU-Komplex zugerechneten Morde bzw. die Opfer.


Gast-Aktion zum Konzert: Gedenken an die dem NSU-Komplex zugerechneten Morde bzw. die Opfer.


Die Gedanken sind frei? Das aus dem 18. Jahrhundert stammende Lied wird gesungen in Originalversion und einer Parodie von Olaf Cless von 1975: ... "Wir riechen stets Lunte auch du bis schon Kunde in unsrer Datei, die Gedanken sind frei!"


Gefährliche Instrumente kommen zum Einsatz: Gesang und Posaune


Ulrich Klan mit Streichinstrument, auf dem er an anderer Stelle im Programm das Geräusch eines Aktenschredderers simuliert.


"Wer glaubt, dass die Welt zu halten weiter ist mit Geld und Macht, wir halten dagegen mit Singen, Blockieren, mit Spielen zu Vielen, wir schaffen am Frieden auf unsere Weise, Lebenslaute, lebensleise." (Lebenslaute-Kanon von J. Zenner)


Aktenberge über mögliche Geheimdienstverstrickungen in Mordanschläge unter geheimem Verschluss bzw. erfolgreich geschreddert. Szene aus einem Gastbeitrag der Initiative Keupstraße.


Die Zeittafel im Straßentheater zeigt minutiös die Vorgänge auf: am 10. und 11.11.2011 durfte geschreddert werden. Es beginnt am Mittwoch, dem 8. November 2011, 13 Uhr. Beate Tschäpe stellt sich in Jena der Polizei. Zwei Stunden später sitzt der Leiter des Referats Beschaffung in der Abteilung Rechtsextremismus hier im Bundesamt vor seinem PC.


Lothar Lingen (Deckname), Politologe, Mitte 50 hat seit den frühen 90er Jahren die Abteilung Rechtsextremismus aufgebaut. Er wurde aktiv wenige Stunden, nachdem sich Beate Tschäpe gestellt hatte. Akte M alias Lothar Lingen wurde sofort aktiv. Zuständig für V-Mann-Akten war die Archivarin, beteiligt 3 weitere namenlose Mitarbeiter. An diesem Tag schaut er sich 37 Fälle an.


Lingen ordnet die Aktenvernichtung von 6 V-Mann-Komplexen an. Zehn Minuten später gibt er Anweisung, auch die V-Mann-Akte Tarif zu vernichten. Tarifs Klarname ist Michael See, eine zweite zentrale Figur neben Timo Brandt. Gegen 14 Uhr sind alle Akten vernichtet.


Es findet sich eine weitere Akte zu V-Mann Tarif. Lingen ordnet die sofortige Vernichtung an. Über Tarif alias Michael See, heute Michael von Dolsperg, schrieb der Chef des BfV, Heinz Fromm, dass der Spitzel ausschließlich Randperson und Mitläufer gewesen sein soll. Dagegen war aber bekannt, dass See Wehrsportgruppen leitete...


Gefährliches Instrument: Schneckenkopf mit Saiten und Klangkörper.


Gefährliches Instrument, das notfalls auch Schreddergeräusche erzeugen kann.


Die anwesenden Zuschauer und ZuhörerInnen werden bestens und vielfältig unterhalten. Kunst, Kultur, Infotainment einmal anders als oberflächlich.


Gastbeitrag der Kölner Pappnasen rot-schwarz: "Oh BND mit so jroße Ore hört keiner mir süns zu...


... oh NSA nix jeht verlore övver mich weiß alles nur du ...


... Du kennst Details us ming'm Lääve, die isch selver kaum weiß ...


... denn nur Du schnüffelst rum in jedem Scheiß." (Spingks, spingks, Wo mehr jeiht un steiht weed mer usjespingks... zur Bläckföös-Melodie "Pänz, Pänz")


Visuelle Überwachung ist nur ein Pixelchen im Datengemisch. Gutgläubige BürgerInnen sollen sich "sicher" fühlen. Und um diese "Sicherheit" gewährleisten zu können, schreiten die Mitarbeiter des BfV handgreiflich ein.


Die Pappnasen: "Ming Date sin nix Jehaimes wen interessiert denn dat schon? NSA, BND zapfen alles an, mache en Profil, bau'n sich e Bild, schon bin ich als Terrorist dran"


Visuelle Überwachung ist nur ein Pixelchen im Datengemisch. Gutgläubige BürgerInnen sollen sich "sicher" fühlen. Und um diese "Sicherheit" gewährleisten zu können, schreiten die Mitarbeiter des BfV handgreiflich ein.


Lebenslaute-Mitwirkende tragen ihre Entscheidungsgründe vor, so u.a. "Die heutigen deutschen Geheimdienste Bundesnachrichtendienst (BND), Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Verfassungsschutz (VS) sind aus Strukturen des Nazi-Faschismus hervorgegangen. So entstanden mit Unterstützung von US-Geheimdiensten in mehreren NATO-Staaten auch bewaffnete Untergrundstrukturen („stay behind“), in denen in der BRD alte und neue Nazis zahlreich vertreten waren." ...


... "Aus alldem wird deutlich, dass Aktivitäten staatlicher Geheimdienste von den Aktivitäten von Terrororganisationen nicht klar zu unterscheiden sind. Das ist umso verheerender, als auf Anschläge oft mit Kriegsterror „geantwortet“ wird, der ganze Regionen der Welt auf Dauer ins Chaos stürzt, unermessliches Leid über die Menschen bringt und sie zur Flucht zwingt."


Visuelle Überwachung ist nur ein Pixelchen im Datengemisch. Der naive Bürger soll sich "sicher" fühlen.


Ein gefährliches Instrument: "Kunst und Musik finden nie im luftleeren oder politikfreien Raum statt und lassen sich von ihren gesellschaftlichen Bedingungen nicht trennen. Auch nicht von der sozialen Verantwortung, der sich die künstlerisch tätigen Menschen nicht entziehen sollten, gerade angesichts der vielen Krisen und Konflikte heutzutage." (Ekkehard Hausen in Südzeit 71, Dez. 2016. Sommeraktion 2016: 7stündige Blockade der Kelley-Barracks in Stuttgart-Möhringen)


Mit einem Arrangement des James-Bond-Themas wurde die skandalöse Verwicklung des hessischen Verfassungsschutzes in den NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel dargestellt.


Fazit der Bond-Kantate: "Die Existenz eines 250-seitigen Verfassungsschutzberichtes (über Andreas Temme) wird verschwiegen. Der Bericht wird für 120 Jahre als geheim eingestuft...."


Forderung der Lebenslaute:  "...Schluss mit den Unterdrückungs- und Überwachungsstrukturen in unserem Land! Verteidigung und Ausbau demokratischer Rechte! SOLIDARITÄT, FREIHEIT und GLEICHHEIT statt staatlicher Angstmacherei!..."


... "Verfassungsschutz und alle Geheimdienste abschalten! Geheimdienstliche Tätigkeit ausländischer Dienste nicht dulden und Whistleblower*innen schützen!
Täter*innen, Mittäter*innen und Mitwisser*innen aus Politik und Behörden zur Verantwortung ziehen!"


Anhang

lebenslaute-Presseinformation vom 21. August 2018:
Protestaktion 2018 von Chor und Orchester der Lebenslaute
Aktionskonzert am Bundesamt für Verfassungsschutz
„Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate – Geheimdienste abschalten!“


Mit dem angekündigten Aktionskonzert am Dienstagmorgen hat das Musik-Aktionsnetzwerk Lebenslaute heute am Hauptzugang zum Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln-Volkhoven vor begeisterten Zuhörer*innen ihre Forderung, das Bundesamt für Verfassungsschutz abzuschaffen, sinnlich erfahrbar gemacht. „Das BfV ist ein Ort des Unrechts, gefährdet eine offene und vielfältige Gesellschaft und ist nicht reformierbar“, so Markus Bayer von Lebenslaute. In einem zweistündigen Konzert erklangen sinfonische Werke, ein türkisches Klagelied, eigene Bearbeitungen des James-Bond-Themas und des Geier-Lieds aus dem „Dschungelbuch“. Zusätzlich gab es Gastbeiträge der Pappnasen Rotschwarz. und eine Aktenschredder-Performance der Initiative „Keupstraße ist überall“.

Bereits am Samstag führte Lebenslaute das vollständige Programm in der Alten Feuerwache vor über 100 Zuhörer*innen auf. Gestern störte Lebenslaute den Betriebsablauf im BfV. Ab 5:15 Uhr wurden alle Zugänge blockiert, die Mitarbeiter*innen kamen erst mit einer mehrstündigen Verspätung in ihre Büros. Die Polizei räumte die Hauptzufahrt um 9:30 Uhr. Die Aktionen wurden unterstützt von Köln gegen Rechts, Keupstrasse ist überall, NSU Tribunal und DFG-VK.

Vierzig Jahre nach dem „Celler Loch“ ist offensichtlich, dass der sogenannte Verfassungsschutz in kriminelle Aktivitäten verwickelt ist. Ob im Prozess zum Mord an Ulrich Schmücker, 1974, wo die Mordwaffe 15 Jahre lang beim Verfassungsschutz versteckt lag, während Unschuldige zu langen Haftstrafen wegen Mordes verurteilt wurden – beim Oktoberfestattentat 1980, wo die Verwicklung des Verfassungsschutzes in die Sprengstoffbeschaffung bis heute nicht geklärt ist – bis hin zu den skandalösen Enthüllungen im Zusammenhang mit den Anschlägen des rechtsextremen NSU. Auch die Enthüllungen im NSU-Komplex haben nicht zu Änderungen der Praxis des Geheimdienstes oder einer stärkeren demokratischen Kontrolle geführt. Im Gegenteil. Selbst wo sich ermittelnde Polizei und der Verfassungsschutz selbst auf Verhöre von V-Menschen geeinigt hatten, wurde dies vom hessischen Innenminister Volker Bouffier untersagt.

Harmlose Aktivitäten kritischer Bürger*innen werden akribisch ausspioniert, wie zum Beispiel im Fall des stellvertretenden Richters am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, Rolf Gössner, einzelne Netzwerke werden wahlweise zersetzt oder unterstützt, wie im Fall des NSU oder der Thüringer Kameradschaft. „Die im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes bekannt gewordenen Praktiken des sogenannte Verfassungsschutzes haben verblüffende Ähnlichkeiten mit denen der ostdeutschen Staatssicherheit, die zurecht abgeschafft wurde und deren Archiv aufgrund des couragierten Eintretens der DDR-Oppositionsbewegung für Demokratie und Menschenrechte der Öffentlichkeit bis heute zur Verfügung steht“, so Andreas Will von der Lebenslaute.

Nach dem Abschluss des NSU-Prozesses in München bleiben viele Fragen zur Rolle des Verfassungsschutzes ungeklärt. Bisher bleiben Enthüllungen durch Mitarbeiter*innen Ausnahmen.

V-Menschen durften nicht verhört werden, Berichte wurden für geheim erklärt und sollen in einem Fall sogar 120 Jahre lang unter Verschluss bleiben. Für die Betroffenen der NSU Morde und Anschläge ein erneuter Schlag ins Gesicht. Ihre Fragen, z.B. warum der eigene Vater, der Sohn, der Ehemann ermordet wurde und wer daran beteiligt war, wurden und sollen nicht beantwortet werden.

Das Urteil im NSU-Prozess darf kein Schlussstrich sein. Lebenslaute möchte einen Beitrag zur bestehenden Diskussion der Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und schlussendlich aller Geheimdienste leisten. Eine freie, offene Gesellschaft braucht ein Klima der Zivilcourage. Dies wird durch mehrere Tausend verdeckt agierende Mitarbeiter*innen der Geheimdienste gestört.

SOLIDARITÄT, FREIHEIT und GLEICHHEIT statt staatlicher Angstmacherei!
Verfassungsschutz und alle Geheimdienste abschalten!

Weitere Information:
http://www.lebenslaute.net/


Siehe auch:

Lebenslaute-Aktion "Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate - Geheimdienste abschalten!", Köln, 20./21.8.2018
Der Geheimdienst, der so genannte Verfassungsschutz, ist nicht reformierbar
Markus - interviewt von Anneliese Fikentscher
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25141

Lebenslaute-Aktion "Mit Suite und Kantate gegen den Staat im Staate - Geheimdienste abschalten!", Köln, 20./21.8.2018
Gefährliche Instrumente
Berta - interviewt von Anneliese Fikentscher
NRhZ 670 vom 22.08.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25140

Anmerkungen in Sachen NSU
So sehen false flag operations aus
Von Andreas von Bülow
NRhZ 667 vom 11.07.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25031

Andreas von Bülow
Im Namen des Staates
CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste
Piper, München, 1998

Online-Flyer Nr. 670  vom 22.08.2018

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