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Einige ketzerische Anmerkungen zur „digitalen Bildungsrevolution“
Ein „strahlender“ Lehrer für mich allein
Von Rudolf Hänsel
Unserem deutschen Bildungswesen steht eine „strahlende“ Zukunft bevor: Eine von Politikern, einschlägigen Technologiekonzernen und Konzern-Medien betriebene Werbekampagne für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht führte bei Schulbehörden, Schulträgern, Lehrkräften, Eltern und Schülern zu euphorischer Begeisterung: Schulen werden seitdem verkabelt und vernetzt, Klassen in Spielhallen umfunktioniert und das Handyverbot im Unterricht allerorten aufgehoben – verspricht die „digitale Bildungsrevolution“ doch spielerisches Lernen ohne Anstrengung und mit Spaß, eine Verbesserung des Unterrichtserfolgs und eine schnelle Lösung aller schulischen Probleme. Nur einige „reaktionäre Feinde des technologischen Fortschritts“ stören diese schöne neue (digitale) Bildungswelt, weil sie behaupten, dass alleine die milliardenschweren Technologiekonzerne Nutznießer der digitalen Aufrüstung von Schulen wären, unsere Kinder jedoch auf dem Altar der Technologie geopfert würden, weil sie mit Computern weniger lernen als ohne und die zunehmende Mobilfunkstrahlung ihre Gesundheit gefährde.
„DigitalPakt Schule“
Bereits 2016 trat die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka mit der Idee eines „Digitalpaktes zwischen Bund und Ländern zur digitalen Ertüchtigung von Schulen im gesamten Bundesgebiet“ an die Öffentlichkeit. (1) Im Koalitionsvertrag 2018 hat sich dann auch die neue Regierung darauf verständigt, Schulen digital gut auszustatten. Mit dem „DigitalPakt Schule“ sollen Schülerinnen und Schüler besser auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorbereitet und zugleich das Lernen in der Schule verbessert und modernisiert werden. Deshalb treiben Bund, Länder und Schulträger die digitale Infrastruktur an Schulen bundesweit voran. Die dafür vorgesehenen fünf Milliarden Euro sollen insbesondere in der Schulhausvernetzung, der WLAN-Ausleuchtung, für standortgebundene Endgeräte sowie für Server eingesetzt werden. Jede Schule müsse dann eigene Konzepte erarbeiten, wie sie ihren Unterricht in der digitalen Bildungswelt gestalten will.
Aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler sollen Nutznießer des „DigitalPakts Schule“ sein. Auch die Firmen, die die Klassenzimmer verkabeln und vernetzen sowie die Telefongesellschaften, die Internet-Provider und die Medien-Produzenten dürfen von diesem Trend zum Computer profitieren. Konzerne wie Apple, Google, Microsoft oder Facebook haben einen idealen elektronischen Zugang zu den Klassenzimmern gefunden, den perfekten Weg, um Kinder gezielt auf Süßigkeiten und modische Kleidung scharf zu machen. Sie alle konzentrieren sich auf das Geschäftsfeld Schule, weil dort die Sozialisation stattfindet.
Schöne neue Bildungswelt
Das Lernen wird sich durch die Digitalisierung der schulischen Bildung stark verändern. High-Tech-Produkte werden Knetmasse, Kreide und die Lehrer (als unnötiges Anhängsel) und maßgeschneiderte Computerprogramme den herkömmlichen Unterricht ersetzen. Jeder Schüler bekommt einen virtuellen Lehrer für sich allein, mit dem er dann im Gespräch ist. Dieser virtuelle Lehrer ist eine App, die Zugriff auf gewaltige Datenmengen hat. Vielleicht hat er auch ein Gesicht, das einen von intelligenten Oberflächen aus anschaut. Der virtuelle Lehrer straft nicht, wenn ein Schüler nicht genügend lernt. Er regt an. Wenn sein Schüler gerade nicht kann oder will, stellt der Lehrer sich ab.
Eltern werden für ihre fünf Jahre alten Kinder einen virtuellen Lehrer abonnieren. Die Stimme des Computers wird uns durchs Leben begleiten. Vom Kindergarten über Schule und Universität bis zur beruflichen Weiterbildung. Das Computerprogramm erkennt, was sein Schüler schon kann, wo er Nachholbedarf hat, wie er zum Lernen gekitzelt wird. Wir werden uns als lernender Mensch neu erfinden. Dabei wird der zu bewältigende Stoff vollkommen auf den einzelnen zugeschnitten sein. Die Individualerziehung wird einen großen Fortschritt in der Bildung bringen – eine Erlösung von der alten Gleichmacherei.
Zu Schuljahresbeginn 2018/19 fehlten an Deutschlands Schulen 40.000 Lehrkräfte. Intelligente Computer könnten diese Lücke schließen. Schulen wären dann nicht mehr auf Quer- und Seiteneinsteiger aus anderen Berufen oder gar Mütter als Lehrerinnen angewiesen. Wenn es keinen Geographie-Experten an der Schule gibt, wird eben künstliche Intelligenz eingesetzt. Viele Lehrer sollen ja digitale Zauderer sein, die sich dagegen sträuben, der deutschen Jugend im Unterricht die große weite Welt der Computer und des Internets nahe zu bringen. Warum also nicht konsequent sein und die Lehrer irgendwann ganz abschaffen und sie durch Computer ersetzen? Bringen Computer den Schülern nicht sowieso viel gezielter Sachen bei?
Nachweis einer positiven Wirkung der digitalen Aufrüstung bisher nicht gefunden
Wer fünf Milliarden Euro Öffentliche Gelder ausgeben will, so meine ich, der müsse doch erst einmal beweisen, dass diese Investition tatsächlich eine Verbesserung mit sich bringt. Deshalb machte ich mich auf den Weg, die vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen danach zu durchforsten. Doch ich fand keinerlei Anhaltspunkt. Die Datenlage zum Einsatz digitaler Medien an Schulen ist dünner als man denkt. Es wird sehr viel behauptet, wirklich nachgewiesen ist wenig. Im Gegenteil: Betrachtet man die vorliegenden deutschen wie auch internationalen Studien, so stellt man fest, dass digitale Medien die Noten der Schüler nicht verbessern, sondern die Noten der Schüler entweder verschlechtern oder keinen Einfluss haben.
Im Jahr 2015 haben die britische Forscher Beland und Murphy von der London School of Economics die Leistungen von Schülern verglichen, bevor und nachdem an ihren Schulen ein Handyverbot erlassen wurde. (2) Ergebnis: Ohne Smartphone verbesserten sich die Testergebnisse von 16-Jährigen durchschnittlich um 6,14 Prozent. Am stärksten profitierten leistungsschwache Schüler aus finanzschwachen Verhältnissen. Die Forscher begründeten ihre Ergebnisse vor allem mit der Ablenkung, die Smartphones im Unterricht darstellten. Die Vermutung, dass ohnehin schon schwache Schüler anfälliger für derlei Fremdbeschäftigung im Unterreicht seien, liegt nahe.
Schon kurz nach Bekanntwerden des „DigitalPakts Schule“ urteilte der renommierte Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in einem Interview (3), dass diese Maßnahme ein Skandal sei, weil deren Umsetzung zu einer Verdummung der Schüler und zu einer „Bildungskatastrophe“ führen würde. Das wichtigste am Unterricht sei ein guter Lehrer und Lernen sei geistige Arbeit und nicht downloaden. Wenn Schüler Informationsverarbeitung nicht im Gehirn, sondern im Computer betrieben, habe das Gehirn nichts gelernt. Spitzer ist der Auffassung, dass wir uns eine Generation von Behinderten heranziehen würden. Heranwachsende, die Sozialkontakte nur noch mittelbar haben, würden auch weniger Empathie für Eltern und Freunde entwickeln und das Internet würde Schüler isolieren, statt sie einander näher zu bringen.
Bereits im Jahr 1999 sorgte der US-amerikanische Internet-Guru und Bestseller-Autor Clifford Stoll mit seinem Buch „Log Out. Warum Computer nichts im Unterricht zu suchen haben und andere High-Tech-Ketzereien“ für Aufsehen. Er schrieb unter anderem: „Ich werde wütend, wenn unsere Schulen auf dem Altar der Technologie geopfert werden. Ganze Scharen von Lehrern und Ausbildnern rennen wie die Lemminge hinter dem Wunschbild her, dass ihre Schulen verkabelt und vernetzt werden, (...) während sie sich gleichzeitig mit halbgebildeten Schülern herumschlagen müssen, die zwar darauf brennen, am Computer zu spielen, aber nicht in der Lage sind, ein Buch zu lesen.“ (S. 11f.) Zu den Nutznießern des Trends zum Computer zählt er die großen Technologiekonzerne und meint: „Was wissen diese Firmen schon über Kindererziehung – und was kümmert sie das?“ (S. 22)
Ein „strahlender“ Lehrer für mich allein
Die schöne neue digitale Bildungswelt hat noch einen anderen hässlichen „Schönheitsfleck“, der von Eltern, Lehrern und Schülern noch nicht gesehen wird, da sie sonst dagegen Sturm laufen würden. Von den verantwortlichen Technologiekonzernen und den anderen Förderern der digitalen Aufrüstung wird er tunlichst verschwiegen: Es handelt sich um die gesundheitsgefährdende Verstrahlung der Schüler durch hochfrequente elektromagnetische Wellen, ausgehend von der allgegenwärtigen WLAN-Technologie. WLAN-Komponenten ermöglichen digital gestütztes Lernen jederzeit und an jedem Ort. Über WLAN-Komponenten sind alle Endgeräte in einem Klassenzimmer mit dem Schulnetzwerk verbunden, wodurch eine aufwändige Verkabelung der einzelnen Endgeräte überflüssig wird.
Physikdozent Klaus Scheler schreibt in einem Fachartikel „Schüler unter Strahlenbeschuss“ (4): „Was tut man den Heranwachsenden an, wenn man sie, zusätzlich zu der ohnehin sehr hohen Elektrosmog-Belastung, auch noch diesen hochfrequenten elektromagnetischen Wellen aussetzt.“ Er kommt zu dem Ergebnis: „Damit werden für den Schüler erhebliche Gesundheitsrisiken relevant! Wie bereits mehrere Studien gezeigt haben, kann sich diese Belastung in vielerlei Symptomen zeigen wie Kopfschmerzen, Tagesmüdigkeit, verringerte Konzentrations- und Problemlösungsfähigkeit, geringe Gedächtnisfunktion und andere. (...) Ihre verminderte Leistungsfähigkeit kann erhebliche Auswirkungen auf ihre Noten, ihre Berufswahl und ihre weitere Laufbahn haben. Dazu kommt, dass bei dauerhafter Bestrahlung diese Symptome chronisch werden und die Gesundheit der Schüler erheblich beeinträchtigen können.“ Der neue „5G Mobilfunkstandard“ wird das angesprochene Problem erheblich verschärfen.
Bildungsrevolution oder Bildungskatastrophe?
Abschließend stellt sich die Frage, ob es sich bei der geplanten „digitalen Bildungsrevolution“ tatsächlich um einen grundlegenden und nachhaltigen strukturellen Wandel des deutschen Bildungswesens handelt, der – wie versprochen – dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler „besser auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorbereitet werden und zugleich das Lernen in der Schule verbessert und modernisiert wird“ (s. „DigitalPakt Schule“). Oder ob diese so genannte digitale Bildungsrevolution eher in eine Bildungskatastrophe mündet, weil die allseits gepriesene digitale Aufrüstung der Schulklassen zu einer folgenschweren Verblödung und Verstrahlung unserer Jugend führt, wie es die zitierten Wissenschaftler behaupten.
Diese Experten werden deshalb gerne als „Spinner“ oder „reaktionäre Feinde des technologischen Fortschritts“ diskriminiert von Menschen, die dem internationalen Stand des Wissens keine Aufmerksamkeit schenken möchten, wie z. B. der kürzlich publizierten größten WLAN-Studie, finanziert von der Verbraucherschutzorganisation „Diagnose Funk e.V.“ (5)
Fußnoten:
(1) https://archive.org/details/ger-bt-drucksache-18-13395
(2) http://cep.lse.ac.uk/pubs/download/dp1350.pdf
(3) https://www.deutschlandfunkkultur.de/manfred-spitzer-zum-digitalpakt-fuer-schulen-eine-massnahme.1008.de.html?dram:article_id=368325
(4) https://www.raum-und-zeit.com/r-z...zeit.../schueler-unter-strahlenbeschuss.html
(5) https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1256
Dr. Rudolf Hänsel ist Erziehungswissenschaftler und Diplompsychologe.
Online-Flyer Nr. 677 vom 10.10.2018
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Einige ketzerische Anmerkungen zur „digitalen Bildungsrevolution“
Ein „strahlender“ Lehrer für mich allein
Von Rudolf Hänsel
Unserem deutschen Bildungswesen steht eine „strahlende“ Zukunft bevor: Eine von Politikern, einschlägigen Technologiekonzernen und Konzern-Medien betriebene Werbekampagne für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht führte bei Schulbehörden, Schulträgern, Lehrkräften, Eltern und Schülern zu euphorischer Begeisterung: Schulen werden seitdem verkabelt und vernetzt, Klassen in Spielhallen umfunktioniert und das Handyverbot im Unterricht allerorten aufgehoben – verspricht die „digitale Bildungsrevolution“ doch spielerisches Lernen ohne Anstrengung und mit Spaß, eine Verbesserung des Unterrichtserfolgs und eine schnelle Lösung aller schulischen Probleme. Nur einige „reaktionäre Feinde des technologischen Fortschritts“ stören diese schöne neue (digitale) Bildungswelt, weil sie behaupten, dass alleine die milliardenschweren Technologiekonzerne Nutznießer der digitalen Aufrüstung von Schulen wären, unsere Kinder jedoch auf dem Altar der Technologie geopfert würden, weil sie mit Computern weniger lernen als ohne und die zunehmende Mobilfunkstrahlung ihre Gesundheit gefährde.
„DigitalPakt Schule“
Bereits 2016 trat die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka mit der Idee eines „Digitalpaktes zwischen Bund und Ländern zur digitalen Ertüchtigung von Schulen im gesamten Bundesgebiet“ an die Öffentlichkeit. (1) Im Koalitionsvertrag 2018 hat sich dann auch die neue Regierung darauf verständigt, Schulen digital gut auszustatten. Mit dem „DigitalPakt Schule“ sollen Schülerinnen und Schüler besser auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorbereitet und zugleich das Lernen in der Schule verbessert und modernisiert werden. Deshalb treiben Bund, Länder und Schulträger die digitale Infrastruktur an Schulen bundesweit voran. Die dafür vorgesehenen fünf Milliarden Euro sollen insbesondere in der Schulhausvernetzung, der WLAN-Ausleuchtung, für standortgebundene Endgeräte sowie für Server eingesetzt werden. Jede Schule müsse dann eigene Konzepte erarbeiten, wie sie ihren Unterricht in der digitalen Bildungswelt gestalten will.
Aber nicht nur die Schülerinnen und Schüler sollen Nutznießer des „DigitalPakts Schule“ sein. Auch die Firmen, die die Klassenzimmer verkabeln und vernetzen sowie die Telefongesellschaften, die Internet-Provider und die Medien-Produzenten dürfen von diesem Trend zum Computer profitieren. Konzerne wie Apple, Google, Microsoft oder Facebook haben einen idealen elektronischen Zugang zu den Klassenzimmern gefunden, den perfekten Weg, um Kinder gezielt auf Süßigkeiten und modische Kleidung scharf zu machen. Sie alle konzentrieren sich auf das Geschäftsfeld Schule, weil dort die Sozialisation stattfindet.
Schöne neue Bildungswelt
Das Lernen wird sich durch die Digitalisierung der schulischen Bildung stark verändern. High-Tech-Produkte werden Knetmasse, Kreide und die Lehrer (als unnötiges Anhängsel) und maßgeschneiderte Computerprogramme den herkömmlichen Unterricht ersetzen. Jeder Schüler bekommt einen virtuellen Lehrer für sich allein, mit dem er dann im Gespräch ist. Dieser virtuelle Lehrer ist eine App, die Zugriff auf gewaltige Datenmengen hat. Vielleicht hat er auch ein Gesicht, das einen von intelligenten Oberflächen aus anschaut. Der virtuelle Lehrer straft nicht, wenn ein Schüler nicht genügend lernt. Er regt an. Wenn sein Schüler gerade nicht kann oder will, stellt der Lehrer sich ab.
Eltern werden für ihre fünf Jahre alten Kinder einen virtuellen Lehrer abonnieren. Die Stimme des Computers wird uns durchs Leben begleiten. Vom Kindergarten über Schule und Universität bis zur beruflichen Weiterbildung. Das Computerprogramm erkennt, was sein Schüler schon kann, wo er Nachholbedarf hat, wie er zum Lernen gekitzelt wird. Wir werden uns als lernender Mensch neu erfinden. Dabei wird der zu bewältigende Stoff vollkommen auf den einzelnen zugeschnitten sein. Die Individualerziehung wird einen großen Fortschritt in der Bildung bringen – eine Erlösung von der alten Gleichmacherei.
Zu Schuljahresbeginn 2018/19 fehlten an Deutschlands Schulen 40.000 Lehrkräfte. Intelligente Computer könnten diese Lücke schließen. Schulen wären dann nicht mehr auf Quer- und Seiteneinsteiger aus anderen Berufen oder gar Mütter als Lehrerinnen angewiesen. Wenn es keinen Geographie-Experten an der Schule gibt, wird eben künstliche Intelligenz eingesetzt. Viele Lehrer sollen ja digitale Zauderer sein, die sich dagegen sträuben, der deutschen Jugend im Unterricht die große weite Welt der Computer und des Internets nahe zu bringen. Warum also nicht konsequent sein und die Lehrer irgendwann ganz abschaffen und sie durch Computer ersetzen? Bringen Computer den Schülern nicht sowieso viel gezielter Sachen bei?
Nachweis einer positiven Wirkung der digitalen Aufrüstung bisher nicht gefunden
Wer fünf Milliarden Euro Öffentliche Gelder ausgeben will, so meine ich, der müsse doch erst einmal beweisen, dass diese Investition tatsächlich eine Verbesserung mit sich bringt. Deshalb machte ich mich auf den Weg, die vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen danach zu durchforsten. Doch ich fand keinerlei Anhaltspunkt. Die Datenlage zum Einsatz digitaler Medien an Schulen ist dünner als man denkt. Es wird sehr viel behauptet, wirklich nachgewiesen ist wenig. Im Gegenteil: Betrachtet man die vorliegenden deutschen wie auch internationalen Studien, so stellt man fest, dass digitale Medien die Noten der Schüler nicht verbessern, sondern die Noten der Schüler entweder verschlechtern oder keinen Einfluss haben.
Im Jahr 2015 haben die britische Forscher Beland und Murphy von der London School of Economics die Leistungen von Schülern verglichen, bevor und nachdem an ihren Schulen ein Handyverbot erlassen wurde. (2) Ergebnis: Ohne Smartphone verbesserten sich die Testergebnisse von 16-Jährigen durchschnittlich um 6,14 Prozent. Am stärksten profitierten leistungsschwache Schüler aus finanzschwachen Verhältnissen. Die Forscher begründeten ihre Ergebnisse vor allem mit der Ablenkung, die Smartphones im Unterricht darstellten. Die Vermutung, dass ohnehin schon schwache Schüler anfälliger für derlei Fremdbeschäftigung im Unterreicht seien, liegt nahe.
Schon kurz nach Bekanntwerden des „DigitalPakts Schule“ urteilte der renommierte Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in einem Interview (3), dass diese Maßnahme ein Skandal sei, weil deren Umsetzung zu einer Verdummung der Schüler und zu einer „Bildungskatastrophe“ führen würde. Das wichtigste am Unterricht sei ein guter Lehrer und Lernen sei geistige Arbeit und nicht downloaden. Wenn Schüler Informationsverarbeitung nicht im Gehirn, sondern im Computer betrieben, habe das Gehirn nichts gelernt. Spitzer ist der Auffassung, dass wir uns eine Generation von Behinderten heranziehen würden. Heranwachsende, die Sozialkontakte nur noch mittelbar haben, würden auch weniger Empathie für Eltern und Freunde entwickeln und das Internet würde Schüler isolieren, statt sie einander näher zu bringen.
Bereits im Jahr 1999 sorgte der US-amerikanische Internet-Guru und Bestseller-Autor Clifford Stoll mit seinem Buch „Log Out. Warum Computer nichts im Unterricht zu suchen haben und andere High-Tech-Ketzereien“ für Aufsehen. Er schrieb unter anderem: „Ich werde wütend, wenn unsere Schulen auf dem Altar der Technologie geopfert werden. Ganze Scharen von Lehrern und Ausbildnern rennen wie die Lemminge hinter dem Wunschbild her, dass ihre Schulen verkabelt und vernetzt werden, (...) während sie sich gleichzeitig mit halbgebildeten Schülern herumschlagen müssen, die zwar darauf brennen, am Computer zu spielen, aber nicht in der Lage sind, ein Buch zu lesen.“ (S. 11f.) Zu den Nutznießern des Trends zum Computer zählt er die großen Technologiekonzerne und meint: „Was wissen diese Firmen schon über Kindererziehung – und was kümmert sie das?“ (S. 22)
Ein „strahlender“ Lehrer für mich allein
Die schöne neue digitale Bildungswelt hat noch einen anderen hässlichen „Schönheitsfleck“, der von Eltern, Lehrern und Schülern noch nicht gesehen wird, da sie sonst dagegen Sturm laufen würden. Von den verantwortlichen Technologiekonzernen und den anderen Förderern der digitalen Aufrüstung wird er tunlichst verschwiegen: Es handelt sich um die gesundheitsgefährdende Verstrahlung der Schüler durch hochfrequente elektromagnetische Wellen, ausgehend von der allgegenwärtigen WLAN-Technologie. WLAN-Komponenten ermöglichen digital gestütztes Lernen jederzeit und an jedem Ort. Über WLAN-Komponenten sind alle Endgeräte in einem Klassenzimmer mit dem Schulnetzwerk verbunden, wodurch eine aufwändige Verkabelung der einzelnen Endgeräte überflüssig wird.
Physikdozent Klaus Scheler schreibt in einem Fachartikel „Schüler unter Strahlenbeschuss“ (4): „Was tut man den Heranwachsenden an, wenn man sie, zusätzlich zu der ohnehin sehr hohen Elektrosmog-Belastung, auch noch diesen hochfrequenten elektromagnetischen Wellen aussetzt.“ Er kommt zu dem Ergebnis: „Damit werden für den Schüler erhebliche Gesundheitsrisiken relevant! Wie bereits mehrere Studien gezeigt haben, kann sich diese Belastung in vielerlei Symptomen zeigen wie Kopfschmerzen, Tagesmüdigkeit, verringerte Konzentrations- und Problemlösungsfähigkeit, geringe Gedächtnisfunktion und andere. (...) Ihre verminderte Leistungsfähigkeit kann erhebliche Auswirkungen auf ihre Noten, ihre Berufswahl und ihre weitere Laufbahn haben. Dazu kommt, dass bei dauerhafter Bestrahlung diese Symptome chronisch werden und die Gesundheit der Schüler erheblich beeinträchtigen können.“ Der neue „5G Mobilfunkstandard“ wird das angesprochene Problem erheblich verschärfen.
Bildungsrevolution oder Bildungskatastrophe?
Abschließend stellt sich die Frage, ob es sich bei der geplanten „digitalen Bildungsrevolution“ tatsächlich um einen grundlegenden und nachhaltigen strukturellen Wandel des deutschen Bildungswesens handelt, der – wie versprochen – dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler „besser auf das Leben und Arbeiten in der digitalen Welt vorbereitet werden und zugleich das Lernen in der Schule verbessert und modernisiert wird“ (s. „DigitalPakt Schule“). Oder ob diese so genannte digitale Bildungsrevolution eher in eine Bildungskatastrophe mündet, weil die allseits gepriesene digitale Aufrüstung der Schulklassen zu einer folgenschweren Verblödung und Verstrahlung unserer Jugend führt, wie es die zitierten Wissenschaftler behaupten.
Diese Experten werden deshalb gerne als „Spinner“ oder „reaktionäre Feinde des technologischen Fortschritts“ diskriminiert von Menschen, die dem internationalen Stand des Wissens keine Aufmerksamkeit schenken möchten, wie z. B. der kürzlich publizierten größten WLAN-Studie, finanziert von der Verbraucherschutzorganisation „Diagnose Funk e.V.“ (5)
Fußnoten:
(1) https://archive.org/details/ger-bt-drucksache-18-13395
(2) http://cep.lse.ac.uk/pubs/download/dp1350.pdf
(3) https://www.deutschlandfunkkultur.de/manfred-spitzer-zum-digitalpakt-fuer-schulen-eine-massnahme.1008.de.html?dram:article_id=368325
(4) https://www.raum-und-zeit.com/r-z...zeit.../schueler-unter-strahlenbeschuss.html
(5) https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1256
Dr. Rudolf Hänsel ist Erziehungswissenschaftler und Diplompsychologe.
Online-Flyer Nr. 677 vom 10.10.2018
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