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Kommentar
Ein kritischer Rückblick – zur Debatte
Die Ermordung von Kurt Eisner
Von Wolfgang Effenberger
Je nach politischem Standort erfährt der Revolutionär Kurt Eisner bis in die heutigen Tage Verehrung oder Verachtung. Das Ende des Ersten Weltkriegs – die Opfer und das Leid auf militärischer bzw. ziviler Seite können wir heute kaum nachempfinden – mündete in die Novemberrevolution. Auch hier Fortsetzung der Verrohung allerorten. So gingen der Ermordung Eisners turbulente Tage voraus. Während Mitte Februar aus dem Reich gewalttätige Unternehmungen spartakistischer Richtungen gemeldet wurden, trafen am 15. Februar unter Führung des 23-jährigen Matrosen und Novemberrevolutionärs Rudolf Egelhofer 600 bewaffnete Matrosen aus Wilhelmshaven kommend rechtzeitig zur Demonstration der Münchner Arbeiter- und Soldatenräte in der bayrischen Landeshauptstadt ein. Am nächsten Tag beteiligten sich die Matrosen an dem von Eisner angeführten Spartakusumzug. In diesem wurden u.a. folgende Spruchbänder mitgeführt: „Hoch die Diktatur des Sozialismus“, „Hoch die Rote Garde“, „Hoch die russische Räterepublik“.
Kurt Eisner (nach der Vorlage eines Fotos von Robert Sennecke bearbeitete Postkarte von 1919, gemeinfrei)
Der mutige Demokrat und SPD-Vorsitzende, Erhard Auer, sowie die Gewerkschaften waren dieser ihrer Meinung nach anti-demokratischen Demonstration ferngeblieben. Als Innenminister hatte Auer gegen den Willen Eisners die Wahlen am 12. Januar 1919 durchgesetzt.
»Eine revolutionäre Demonstration ist gestern durch die Straßen Münchens gezogen – eine Demonstration, in welcher der Geist des Spartakus lebte,« begann am 17. Februar die Münchner Post ihren Leitartikel »Aussprechen, was ist!«, in dem mit Genugtuung festgestellt wurde, dass »die Demonstration ihre Spitze gegen die Demokratie und den Parlamentarismus, gegen die Prinzipien und die Taktik der Sozialdemokratie richtete.« Die Ehrlichkeit der Veranstalter wurde gelobt und eine Metapher aus dem Schützengraben bemüht: Sie setzten uns »den Gewehrkolben auf die Brust und streichelten uns mit dem blanken Seitengewehr.«
Vor den 15.000 Teilnehmern stellte Dr. Max Levin/Lewien – ihn hatte die Komintern mit speziellem Auftrag nach München entsandt – unmissverständlich fest: »Wenn man gewusst hätte, dass die Demonstration so machtvoll verliefe, hätte man sie sofort mit Waffen gemacht.«
Als Eisner fünf Tage später auf dem Weg in den Landtag von Anton Graf von Arco auf Valley ermordet wurde, trug Eisner das immer wieder zitierte „Rücktrittsschreiben“ in der Tasche. Tatsächlich wollte Eisner in diesem die Rückgabe der Macht an die verfassungsmäße Festschreibung der Räterepublik koppeln. Von einem Rücktritt des selbsternannten Ministerpräsidenten kann also keine Rede sein. Diese Forderung bei 2,5 Prozent Stimmenanteil der Wahl vom 12. Januar 1919 – die Stimmenmehrheit erreichte der bürgerliche Block – lässt auf absolutistisches Denken schließen.
So bezeichnete Victor Klemperer nach dem Besuch mehrerer Massenkundgebungen in München die Gefährten Eisners als »Schmocks, Literaten, Phraseure, Manteldreher, Feiglinge« und fragte irritiert: »Was heißt denn das: ihr müßt auf Geld verzichten, ihr müßt Masse werden, mitarbeiten, euch unterwerfen?« Reiche Juden sahen durch Eisner die gesamte jüdische Gemeinschaft in Verruf gebracht. So forderte die Frankfurter B‘nai Brith-Loge die bayerischen Juden auf, sich von Eisner zu distanzieren.
Thomas Mann lässt an seinem entschiedenen Hass gegenüber den Münchner Akteuren keinen Zweifel: »...ich hasse die verantwortungslosen Verwirklicher, die den Geist kompromittieren ... Ich hätte nichts dagegen, wenn man sie als Schädlinge erschösse«.
Während es anscheinend zur „political correctness“ gehört, auf die Haftverkürzung von Arco hinzuweisen, wird das Schicksal des Soldatenrates Alois Lindner unterschlagen. Der Attentäter von Auer und Mörder von Jareiß konnte zwar nicht auf das gleiche Ausmaß an Entgegenkommen hoffen, wurde aber bereits im Dezember 1927 von Straubing aus in die Freiheit entlassen.
Anmerkung der Redaktion:
Der Artikel von Wolfgang Effenberger ist auf scharfe Kritik gestoßen. Darin zeige sich ein reaktionäres Geschichtsbild. Die Kritik entzündet sich insbesondere an der Einschätzung des SPD-Vorsitzenden Erhard Auer als "mutigem Demokraten". Der "Eisner-Mörder-Kumpan" Auer sei "kein Haar besser als die Noske und Ebert in Berlin". Es wird darauf hinzuweisen, dass der "mutige Demokrat" Auer mit dem Eisner-Mörder Arco zusammen Silvester gefeiert hatte und Auer dem Mörder – der nach dem Attentat niedergeschlagen worden war – ein Blumengebinde ins Krankenhaus schicken ließ. Und es wird kritisiert, dass ausgerechnet Thomas Mann und Victor Klemperer als Kronzeugen gegen die "Spartakisten" und Räterepublikaner, die sich später von ihren Fehleinschätzungen distanzieren mussten, zitiert werden. Ohne die vereinte Reaktion (Monarchisten, faschistische Freikorps, rechte SPD) wäre die Oktoberrevolution nicht alleine gelassen worden, und Faschismus und Zweiter Weltkrieg wären uns möglicherweise erspart geblieben.
Zur Einschätzung des SPD-Vorsitzenden Erhard Auer eine Passage aus dem Artikel "Die Arbeiter an der Macht – Zur Geschichte der Münchner Räterepublik" von Herrmann Kopp: "Eisner hatte mit seinem Intimfeind Erhard Auer, dem bayerischen SPD-Vorsitzenden, einen Mann als Innenminister in die Regierung geholt, der für seine enge Verbindungen zur Konterrevolution, den Eisner-Mörder Arco eingeschlossen, weithin bekannt war; die anderen mehrheitssozialdemokratischen Minister, sie stellten zusammen mit einem bürgerlichen Fachminister die Mehrheit des Kabinetts Eisner, waren von ähnlichem Kaliber. So waren auch in Bayern nach dem Novemberumsturz weder der monarchistische Staats- und Verwaltungsapparat entmachtet noch irgendwelche Schritte in Richtung der oft versprochenen 'Sozialisierung' unternommen worden. Die bürgerliche Presse, deren Hetze gegen den 'galizischen Juden', 'Entente-Agenten' etc. Eisner für den Mord an ihm wesentlich mitverantwortlich war, blieb von seiner Regierung völlig unangetastet. Obwohl prinzipiell rätefreundlich, hatte Eisner zugelassen, dass Auer den in der Revolution spontan entstandenen Räten schon im Dezember alle Entscheidungskompetenzen nahm und sie auf eine bloße Beraterfunktion beschränkte." (dieser Artikel komplett: siehe unten)
Und in einem weiteren Artikel schreibt Herrmann Kopp: "Erst in einer zweiten Phase der Revolution gewinnen sozialrevolutionäre Ziele an Bedeutung. Diese zweite Phase setzt im Deutschen Reich im Januar 1919 ein und endet Anfang Mai mit der blutigen Niederschlagung der Bayrischen Räterepublik durch die vom sozialdemokratischen Volksbeauftragten Gustav Noske ('Einer muss der Bluthund sein') nach München entsandten Freikorps."
Siehe auch:
Zur Geschichte der Münchner Räterepublik
Die Arbeiter an der Macht
Von Hermann Kopp
NRhZ 695 vom 06.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25710
Online-Flyer Nr. 694 vom 27.02.2019
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Ein kritischer Rückblick – zur Debatte
Die Ermordung von Kurt Eisner
Von Wolfgang Effenberger
Je nach politischem Standort erfährt der Revolutionär Kurt Eisner bis in die heutigen Tage Verehrung oder Verachtung. Das Ende des Ersten Weltkriegs – die Opfer und das Leid auf militärischer bzw. ziviler Seite können wir heute kaum nachempfinden – mündete in die Novemberrevolution. Auch hier Fortsetzung der Verrohung allerorten. So gingen der Ermordung Eisners turbulente Tage voraus. Während Mitte Februar aus dem Reich gewalttätige Unternehmungen spartakistischer Richtungen gemeldet wurden, trafen am 15. Februar unter Führung des 23-jährigen Matrosen und Novemberrevolutionärs Rudolf Egelhofer 600 bewaffnete Matrosen aus Wilhelmshaven kommend rechtzeitig zur Demonstration der Münchner Arbeiter- und Soldatenräte in der bayrischen Landeshauptstadt ein. Am nächsten Tag beteiligten sich die Matrosen an dem von Eisner angeführten Spartakusumzug. In diesem wurden u.a. folgende Spruchbänder mitgeführt: „Hoch die Diktatur des Sozialismus“, „Hoch die Rote Garde“, „Hoch die russische Räterepublik“.
Kurt Eisner (nach der Vorlage eines Fotos von Robert Sennecke bearbeitete Postkarte von 1919, gemeinfrei)
Der mutige Demokrat und SPD-Vorsitzende, Erhard Auer, sowie die Gewerkschaften waren dieser ihrer Meinung nach anti-demokratischen Demonstration ferngeblieben. Als Innenminister hatte Auer gegen den Willen Eisners die Wahlen am 12. Januar 1919 durchgesetzt.
»Eine revolutionäre Demonstration ist gestern durch die Straßen Münchens gezogen – eine Demonstration, in welcher der Geist des Spartakus lebte,« begann am 17. Februar die Münchner Post ihren Leitartikel »Aussprechen, was ist!«, in dem mit Genugtuung festgestellt wurde, dass »die Demonstration ihre Spitze gegen die Demokratie und den Parlamentarismus, gegen die Prinzipien und die Taktik der Sozialdemokratie richtete.« Die Ehrlichkeit der Veranstalter wurde gelobt und eine Metapher aus dem Schützengraben bemüht: Sie setzten uns »den Gewehrkolben auf die Brust und streichelten uns mit dem blanken Seitengewehr.«
Vor den 15.000 Teilnehmern stellte Dr. Max Levin/Lewien – ihn hatte die Komintern mit speziellem Auftrag nach München entsandt – unmissverständlich fest: »Wenn man gewusst hätte, dass die Demonstration so machtvoll verliefe, hätte man sie sofort mit Waffen gemacht.«
Als Eisner fünf Tage später auf dem Weg in den Landtag von Anton Graf von Arco auf Valley ermordet wurde, trug Eisner das immer wieder zitierte „Rücktrittsschreiben“ in der Tasche. Tatsächlich wollte Eisner in diesem die Rückgabe der Macht an die verfassungsmäße Festschreibung der Räterepublik koppeln. Von einem Rücktritt des selbsternannten Ministerpräsidenten kann also keine Rede sein. Diese Forderung bei 2,5 Prozent Stimmenanteil der Wahl vom 12. Januar 1919 – die Stimmenmehrheit erreichte der bürgerliche Block – lässt auf absolutistisches Denken schließen.
So bezeichnete Victor Klemperer nach dem Besuch mehrerer Massenkundgebungen in München die Gefährten Eisners als »Schmocks, Literaten, Phraseure, Manteldreher, Feiglinge« und fragte irritiert: »Was heißt denn das: ihr müßt auf Geld verzichten, ihr müßt Masse werden, mitarbeiten, euch unterwerfen?« Reiche Juden sahen durch Eisner die gesamte jüdische Gemeinschaft in Verruf gebracht. So forderte die Frankfurter B‘nai Brith-Loge die bayerischen Juden auf, sich von Eisner zu distanzieren.
Thomas Mann lässt an seinem entschiedenen Hass gegenüber den Münchner Akteuren keinen Zweifel: »...ich hasse die verantwortungslosen Verwirklicher, die den Geist kompromittieren ... Ich hätte nichts dagegen, wenn man sie als Schädlinge erschösse«.
Während es anscheinend zur „political correctness“ gehört, auf die Haftverkürzung von Arco hinzuweisen, wird das Schicksal des Soldatenrates Alois Lindner unterschlagen. Der Attentäter von Auer und Mörder von Jareiß konnte zwar nicht auf das gleiche Ausmaß an Entgegenkommen hoffen, wurde aber bereits im Dezember 1927 von Straubing aus in die Freiheit entlassen.
Anmerkung der Redaktion:
Der Artikel von Wolfgang Effenberger ist auf scharfe Kritik gestoßen. Darin zeige sich ein reaktionäres Geschichtsbild. Die Kritik entzündet sich insbesondere an der Einschätzung des SPD-Vorsitzenden Erhard Auer als "mutigem Demokraten". Der "Eisner-Mörder-Kumpan" Auer sei "kein Haar besser als die Noske und Ebert in Berlin". Es wird darauf hinzuweisen, dass der "mutige Demokrat" Auer mit dem Eisner-Mörder Arco zusammen Silvester gefeiert hatte und Auer dem Mörder – der nach dem Attentat niedergeschlagen worden war – ein Blumengebinde ins Krankenhaus schicken ließ. Und es wird kritisiert, dass ausgerechnet Thomas Mann und Victor Klemperer als Kronzeugen gegen die "Spartakisten" und Räterepublikaner, die sich später von ihren Fehleinschätzungen distanzieren mussten, zitiert werden. Ohne die vereinte Reaktion (Monarchisten, faschistische Freikorps, rechte SPD) wäre die Oktoberrevolution nicht alleine gelassen worden, und Faschismus und Zweiter Weltkrieg wären uns möglicherweise erspart geblieben.
Zur Einschätzung des SPD-Vorsitzenden Erhard Auer eine Passage aus dem Artikel "Die Arbeiter an der Macht – Zur Geschichte der Münchner Räterepublik" von Herrmann Kopp: "Eisner hatte mit seinem Intimfeind Erhard Auer, dem bayerischen SPD-Vorsitzenden, einen Mann als Innenminister in die Regierung geholt, der für seine enge Verbindungen zur Konterrevolution, den Eisner-Mörder Arco eingeschlossen, weithin bekannt war; die anderen mehrheitssozialdemokratischen Minister, sie stellten zusammen mit einem bürgerlichen Fachminister die Mehrheit des Kabinetts Eisner, waren von ähnlichem Kaliber. So waren auch in Bayern nach dem Novemberumsturz weder der monarchistische Staats- und Verwaltungsapparat entmachtet noch irgendwelche Schritte in Richtung der oft versprochenen 'Sozialisierung' unternommen worden. Die bürgerliche Presse, deren Hetze gegen den 'galizischen Juden', 'Entente-Agenten' etc. Eisner für den Mord an ihm wesentlich mitverantwortlich war, blieb von seiner Regierung völlig unangetastet. Obwohl prinzipiell rätefreundlich, hatte Eisner zugelassen, dass Auer den in der Revolution spontan entstandenen Räten schon im Dezember alle Entscheidungskompetenzen nahm und sie auf eine bloße Beraterfunktion beschränkte." (dieser Artikel komplett: siehe unten)
Und in einem weiteren Artikel schreibt Herrmann Kopp: "Erst in einer zweiten Phase der Revolution gewinnen sozialrevolutionäre Ziele an Bedeutung. Diese zweite Phase setzt im Deutschen Reich im Januar 1919 ein und endet Anfang Mai mit der blutigen Niederschlagung der Bayrischen Räterepublik durch die vom sozialdemokratischen Volksbeauftragten Gustav Noske ('Einer muss der Bluthund sein') nach München entsandten Freikorps."
Siehe auch:
Zur Geschichte der Münchner Räterepublik
Die Arbeiter an der Macht
Von Hermann Kopp
NRhZ 695 vom 06.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25710
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