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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Inland
Skandal um die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"
Unter dem Druck der Antisemitismusverleumdungen
Von Andreas Zumach

Am 9. März 2019 wird die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" – entgegen aller Versuche, dies zu verhindern - in Göttingen mit dem "Göttinger Friedenspreis" ausgezeichnet. Es ist vorrangig die Menschen- und Völkerrecht verachtende zionistische Israel-Lobby, die gegen die Preisverleihung interveniert hat. Georg-August-Universität Göttingen, Sparkasse Göttingen und Stadt Göttingen haben sich zu ihrem Werkzeug machen lassen. Andreas Zumach, Vorsitzender der Jury des Göttinger Friedenspreises, schildert den aktuellen Stand der Dinge beginnend mit einem Heine-Zitat: "Die Stadt Göttingen selbst ist schön, und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht." Seine Schilderung macht deutlich, wie verheerend die Antisemitismusverleumdungen auf die Stadtgesellschaft gewirkt haben.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe FreundInnen und Freunde,
    "Die Stadt Göttingen selbst ist schön,
    und gefällt einem am besten,
    wenn man sie mit dem Rücken ansieht."
Fast hätten wir dieser Empfehlung von Heinrich Heine aus seiner 1824 veröffentlichten "Harzreise" (siehe Anhang) folgen müssen, und die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost am 9. März auf einer Wiese vor den Toren der Stadt veranstalten müssen. Denn nachdem Oberbürgermeister Köhler und Universitätspräsidentin Beisiegel am 19. Februar ihre Unterstützung für die Preisverleihung unter dem Druck der Antisemitismusverleumdungen gegen die Jüdische Stimme zurückgezogen und die Aula sowie alle anderen Räume und öffentlichen Plätze der Universität und der Stadt für die Verleihfeier gesperrt hatten, erhielten wir bei der Suche nach Alternativen fast nur Absagen (Details: siehe Anhang). Zum Teil wurden diese Absagen wortgleich begründet wie der Rückzug von Stadt und Universität. Als einzige bereit, ihre Räume für die Verleihfeier zur Verfügung zu stellen, waren eine Göttinger Tanzschule (die sich aber als viel zu klein erwies) sowie die Hier wird die Verleihfeier ab 12 Uhr stattfinden. ALLERDINGS ist auch hier die Zahl der Plätze leider begrenzt und wahrscheinlich zu gering. Geplant ist bereits die Übertragung per Video aus dem Hauptgebäude der Alten Feierwache in ein Nebengebäude. Wer plant, an der Verleihfeier teilzunehmen, sollte bitte umgehend eine E-Mail senden an das Organisationskomitee schicken mit Kopie an mich:
    anmeldung@goettinger-friedenspreis.de
    zumach@taz.de
Auch das ist keine Garantie für einen freien Platz. Je früher Sie an der Alten Feuerwache eintreffen, desto größer die Chance.

Die Verleihfeier wird vollständig per Video aufgenommen und wird am Sonntag, 10.3. im Internet auf Youtube eingestellt unter dem Stichwort "Göttinger Friedenspreis für Jüdische Stimme".

Die Finanzierung der Verleihfeier ist gesichert dank der großartigen Resonanz auf den Spendenapell in meiner Rundmail vom 20. Februar. Dafür an dieser Stelle schon einmal einen ersten ganz herzlichen Dank an die bislang über 260 SpenderInnen. Über Details, die genaue Verwendung der Spenden und des Überschusses für Friedens- und Menschenrechtsorganisationen in Israel und Palästina werde ich, wie in meiner Rundmail vom 20.2. angekündigt, unmittelbar nach der Preisverleihung vom 9. März detailliert informieren.

Eine zweckgebundene Spende ermöglichte die Herstellung eines Symbols und von Ansteckbuttons für die Preisverleihung. Die Ansteckknöpfe werden bei der Preisverleihung am 9.3. vorrätig sein und können auch per E-Mail bei mir bestellt werden.



Das Symbol kann und soll auch gerne beliebig verwendet werden zum Nachdruck auf Flugblättern, Plakaten etc., zur Weiterverbreitung im Internet, über Facebook etc. Das Copyright liegt bei mir.

Herzliche Grüße aus Genf
Andreas Zumach



Anhang:

Heinrich Heine: "Harzreise" (1824) 2. Kapitel


Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem Könige von Hannover, und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist. Der vorbeifließende Bach heißt »die Leine«, und dient des Sommers zum Baden; das Wasser ist sehr kalt und an einigen Orten so breit, daß Lüder wirklich einen großen Anlauf nehmen mußte, als er hinübersprang. Die Stadt selbst ist schön, und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht. Sie muß schon sehr lange stehen; denn ich erinnere mich, als ich vor fünf Jahren dort immatrikuliert und bald darauf konsiliiert wurde, hatte sie schon dasselbe graue, altkluge Ansehen, und war schon vollständig eingerichtet mit Schnurren, Pudeln, Dissertationen, Teedansants, Wäscherinnen, Kompendien, Taubenbraten, Guelfenorden, Promotionskutschen, Pfeifenköpfen, Hofräten, Justizräten, Relegationsräten, Profaxen und anderen Faxen. Einige behaupten sogar, die Stadt sei zur Zeit der Völkerwanderung erbaut worden, jeder deutsche Stamm habe damals ein ungebundenes Exemplar seiner Mitglieder darin zurückgelassen, und davon stammten all die Vandalen, Friesen, Schwaben, Teutonen, Sachsen, Thüringer usw., die noch heutzutage in Göttingen, hordenweis, und geschieden durch Farben der Mützen und der Pfeifenquäste, über die Weenderstraße einherziehen, auf den blutigen Walstätten der Rasenmühle, des Ritschenkrugs und Bovdens sich ewig untereinander herumschlagen, in Sitten und Gebräuchen noch immer wie zur Zeit der Völkerwanderung dahinleben, und teils durch ihre Duces, welche Haupthähne heißen, teils durch ihr uraltes Gesetzbuch, welches Comment heißt und in den legibus barbarorum eine Stelle verdient, regiert werden.

Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. Die Namen aller Studenten und aller ordentlichen und unordentlichen Professoren hier herzuzählen, wäre zu weitläufig; auch sind mir in diesem Augenblick nicht alle Studentennamen im Gedächtnisse, und unter den Professoren sind manche, die noch gar keinen Namen haben. Die Zahl der Göttinger Philister muß sehr groß sein, wie Sand, oder besser gesagt, wie Kot am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte.

Ausführlicheres über die Stadt Göttingen läßt sich sehr bequem nachlesen in der Topographie derselben von K. F. H. Marx. Obzwar ich gegen den Verfasser, der mein Arzt war und mir sehr viel Liebes erzeigte, die heiligsten Verpflichtungen hege, so kann ich doch sein Werk nicht unbedingt empfehlen, und ich muß tadeln, daß er jener falschen Meinung, als hätten die Göttingerinnen allzu große Füße, nicht streng genug widerspricht. Ja, ich habe mich sogar seit Jahr und Tag mit einer ernsten Widerlegung dieser Meinung beschäftigt, ich habe deshalb vergleichende Anatomie gehört, die seltensten Werke auf der Bibliothek exzerpiert, auf der Weenderstraße stundenlang die Füße der vorübergehenden Damen studiert, und in der grundgelehrten Abhandlung, so die Resultate dieser Studien enthalten wird, spreche ich 1. von den Füßen überhaupt, 2. von den Füßen bei den Alten, 3. von den Füßen der Elefanten, 4. von den Füßen der Göttingerinnen, 5. stelle ich alles zusammen, was über diese Füße auf Ullrichs Garten schon gesagt worden, 6. betrachte ich diese Füße in ihrem Zusammenhang, und verbreite mich bei dieser Gelegenheit auch über Waden, Knie usw., und endlich 7., wenn ich nur so großes Papier auftreiben kann, füge ich noch hinzu einige Kupfertafeln mit dem Faksimile göttingischer Damenfüße. –

Es war noch sehr früh, als ich Göttingen verließ, und der gelehrte ** lag gewiß noch im Bette und träumte wie gewöhnlich: er wandle in einem schönen Garten, auf dessen Beeten lauter weiße, mit Zitaten beschriebene Papierchen wachsen, die im Sonnenlichte lieblich glänzen, und von denen er hier und da mehrere pflückt, und mühsam in ein neues Beet verpflanzt, während die Nachtigallen mit ihren süßesten Tönen sein altes Herz erfreuen.


Fast vergebliche Raumsuche

Am 19. Februar zogen Oberbürgermeister Köhler und Universitätspräsidentin Beisiegel ihre Unterstützung für die Preisverleihung unter dem Druck der Antisemitismusverleumdungen gegen die Jüdische Stimme zurück und sperrten die Aula sowie alle anderen Räume und öffentlichen Plätze der Universität und der Stadt für die Verleihfeier.

Eine würdige Alternative wäre das Deutsche Theater gewesen. Hier hätte auch bis zu 500 TeilnehmerInnen gut Platz gefunden. Intendant Erich Siedler war bereit, das Theater als „neutralen Ort“ für die Verleihfeier zu öffnen. Doch erhielt er dafür kein grünes Licht des Oberbürgermeisters, der im Aufsichtsrat des städtischen Theaters sitzt.

Der Superintendent der Evangelischen Kirche war nicht bereit, einen kirchlichen Raum in Göttingen zur Verfügung zu stellen.

Die katholische Kirche ebenfalls nicht.

Die Freie Reformierte Gemeinde Göttingen hätte ihre Kirche und das anliegende Gemeindehaus möglicherweise für die Verleihfeier geöffnet. Eine Entscheidung hätte aber erst auf einer Presbyteriumssitzung am 7. März, zwei Tage vor der Preisverleihung stattfinden können.

Das Hotel FreizeitIn, in dem Veranstaltungssäle mit bis zu 500 Personen zur Verfügung gestanden hätten, erteilte eine Absage mit der wortgleichen Begründung wie zuvor der Oberbürgermeister Köhler und Universitätspräsidentin Beisiegel.

Das zentral gelegene Kino CinemaxX, in dem früher bereits Veranstaltungen mit politischem Charakter stattgefunden haben, sagte ebenfalls Nein.

Die Freie (von der Stadt unabhängigen) Waldorfschule erklärte auf Anfrage, ihre Aula sei am 9. März „belegt“.

Andreas Zumach


Siehe auch:

Skandal um die Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"
Entehrung meiner in Auschwitz ermordeten Großmutter
Von Tanya Ury, sowie weitere zwei Briefe von Claudia Karas und Günter Schenk
(mit Erklärung von Andreas Zumach vom 20.3.2019)
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25672


Vorab-Veranstaltung mit Andreas Zumach am 7.3.2019



(mehr dazu hier: http://galerie-alte-feuerwache.de/?gT1=1)

Online-Flyer Nr. 695  vom 06.03.2019

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