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Krieg und Frieden
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Warum wurde Miloševic zum Hassobjekt des Westens?
Von Klaus Hartmann
Der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien am 24. März 1999 markierte das Ende des Friedens in Europa nach dem 2. Weltkrieg. Mit einer Rede zum Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) habe Slobodan Miloševic 1989 die "Fackel des serbischen Nationalismus entzündet" – so die westliche Erzählung. Zu diesem Zweck wurde die Rede gefälscht und manipulierend interpretiert. Doch der serbische Präsident geriet nicht grundlos ins Visier der künftigen Balkankrieger. Welche Interessen dahinter standen, verrät ein Blick in Geschichte wie auch so manches déjà vue-Erlebnis nach der NATO-Aggression 1999.
Von NATO-Bomben zerstörte neurologische Klinik, Belgrad, 1999 (Foto: arbeiterfotografie.com)
Österreichs traditionelles Bestreben nach Beherrschung der südöstlichen Nachbarländer wird im Rückblick auf die Vorgeschichte des 1. Weltkriegs mit der Habsburger Monarchie als treibender Kraft deutlich. Die im "Westen" durchgängig erzählte Kurzgeschichte, nach der das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo durch Gavrilo Princip der Kriegsgrund gewesen sein soll, war allerdings nur ein willkommener Vorwand für die Kriegstreiber in Österreich-Ungarn.
Bosnien-Herzegowina war seit 1908 von der Donaumonarchie annektiert, nach dem sich die Türkei als "kranker Mann am Bosporus" zurückziehen musste, und keine Gewähr mehr bot, den nationalen Befreiungskampf der südslawischen Völker weiterhin zuverlässig unterdrücken zu können. Die Befreiungsbewegung "Freies Bosnien" nutzte also den Inspektionsbesuch des Erzherzogs Franz Ferdinand bei den illegalen Besatzungstruppen für einen Anschlag auf ihn als Repräsentanten der verhassten Besatzungsmacht. Zudem fand der Truppenbesuch provokativerweise ausgerechnet am 28. Juni 1914 statt, dem 525. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld, der als "Veitstag" (Vidovdan) ein hoher serbischer Feiertag ist.
Österreichs Außenminister Alois Mock war Anfang der 1990er Jahre Komplize Hans-Dietrich Genschers bei der vorauseilenden Anerkennung der verfassungswidrigen Sezession Sloweniens und Kroatiens. Er deklarierte die durch deren Separatismus ausgelösten Bürgerkriege als "kalkulierten Angriffs- und Eroberungskrieg Serbiens und Montenegros". Jene, die für den Erhalt eines multinationalen, multiethnischen föderalen Staates eintraten, nannte Mock das "Belgrader Regime", dem er das "Ziel der Schaffung eines groß-serbischen Staates" unterschob, wozu eine "schleichende ethnische Säuberung" dienen solle.
In welcher Tradition dieser Mock steht, kann ein "Habsburger" besser bezeugen als der Autor: Die Paneuropa-Union, die auf die Pan-Europa-Idee von Richard Coudenhove-Kalergi (1922/23) zurückgeht, wurde nach 1945 von Mitgliedern des ehemaligen Kaiserhauses Habsburg zunächst unter dem Namen "Aktion Österreich Europa" wieder ins Leben gerufen, und entwickelte sich vom Monarchisten-Verein zum EU-Fanclub. Heute ist der EU-Abgeordnete Bernd Posselt (CSU) Präsident, Nachfolger des 1973 bis 2004 amtierenden Otto "von" Habsburg (in Österreich ist das Führen von Adelstiteln verboten). Die "Paneuropäer" waren und sind stramm rechtsgerichtet, wirkten als antisozialistische Speerspitze im "Kalten Krieg", und veranstalteten 1989 jenes "Paneuropa-Picknick", bei dem der alte Habsburger zusammen mit dem ungarischen "Reformer" Imre Pozsgay den "Eisernen Vorhang" durchtrennte. Heute noch gilt den "Paneuropäern" Kaliningrad als "das von Russland besetzte Gebiet um Königsberg".
In unserem Zusammenhang hier ist von Bedeutung: Sie halten die "Mitteleuropa-Idee" (Jäckh, Naumann, Rohrbach) aus der Zeit vor und während des 1. Weltkriegs warm: Deutsche Kontrolle entlang der Bagdad-Bahn, wo "das feindliche serbische Kastell nicht geduldet werden kann". Ottos Sohn Karl Habsburg beruft sich heute auf die antiserbische "Politik, die seit deutlich mehr als 100 Jahren gilt, (…) die sowohl mein Vater Otto von Habsburg als auch Alois Mock vertreten haben." Stolz berichtet dieser Habsburg-Spross von der Verleihung des "Europapreises Coudenhove-Kalergi" an den "Kosovo-Präsidenten" Rugova, bei der Außenminister Mock präsidierte, nicht ohne das Ereignis zu "framen": "Am 28. Juni 1989, zum 600. Jahrestag der Schlacht am Amselfeld, hielt Miloševic seine berühmte Rede am Kosovo Polje. Die Rede war die politische Vorbereitung der späteren Jugoslawien-Kriege."
Diese Lesart und die Rede vom "serbischen Nationalismus" bestimmten seit Anfang der 1990er Jahre die Aussagen westlicher Politiker und die Medienberichterstattung. 1999 sekundierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die NATO-Aggression:
Für Außenminister Hans-Dietrich Genscher habe "die auf dem Amselfeld gehaltene Ansprache Miloševic´s eine große Rolle" für die "großserbischen Absichten gespielt." Slobodan Miloševic konterte: "Der deutsche Außenminister Genscher war der Hauptkriminelle bei der Zerstörung Jugoslawiens." Unübertrefflich (wie bei anderen Kriegslügen) ließ sich Verteidigungsminister Scharping vernehmen:
Ralph Hartmann weiter:
Nachdem der Amselfeld-Rede derart Gewalt angetan wurde, um sie als zentrales Glied der "Beweiskette" für den vermeintlichen serbischen Chauvinismus zurechtzumachen, diente sie den Kreuzzüglern als Aggressionsvorlage. Miloševic wurde zum unhinterfragbaren Feindbild aufgebaut und wurde (wie manch spätere "Zielscheibe" nach ihm) als "Nationalist", "Populist", "Antiamerikaner", "Nationalkommunist", "Diktator", "Autokrat", "Machthaber", "zweiter Hitler" und "Schlächter" tituliert. Der Zweck war, ihn damit für vogelfrei zu erklären und das von ihm repräsentierte Land außerhalb des Völkerrechts zu stellen sowie jeden denkbaren Widerstand im westlichen Publikums gegen eine imperialistische Aggression im Keim zu ersticken.
Über die wahren Gründe für die westliche Aversion gegen den serbischen (1991–1997) und jugoslawischen (1997-2000) Präsidenten wurde der Mantel des Schweigens gebreitet. Und die sind mit der Wahlkampflosung Bill Clintons von 1992 treffend auf den Punkt gebracht: "It's the economy, stupid!". Dass es um "die Wirtschaft" ging, kam den "Dummköpfen" (zu denen sie durch ein Jahrzehnt medialer Verdummung und Gehirnwäschen wurden) nicht mehr in den Sinn. Und (nicht nur) für Clinton sind außer "freien Wahlen" auch der "freie Kapitalverkehr" die entscheidenden Kriterien für eine Demokratie (die bei Neoliberalen Gnade finden will). Für Prof. Michel Chossudovsky aus Ottawa liegt hier die Ursache für Miloševics "Karriere" zum Hassobjekt des Westens, und er leuchtet daher die wirtschaftlichen Hintergründe des Jugoslawienkrieges aus.
Das hochverschuldete Jugoslawien, das schon seit den 1950er Jahren US-Kredite erhalten hatte, um es auf Distanz zu "Moskau" zu halten, wurde Ende der 1980er Jahre zahlungsunfähig. Von IWF und Weltbank erhielt Jugoslawien von 1985 bis 1991 Kredite von 7 Mrd. US-Dollar, musste aber 23 Mrd. US-Dollar für Zinsen und Rückzahlungen aufwenden. Der US-freundliche Regierungschef Jugoslawiens, der Kroate Ante Markovic, reiste Ende 1989 nach Washington und erhielt von Präsident George Bush ein "Finanzhilfeprogramm" - im Gegenzug für drastische "Reformen": abgewertete Währung, Einfrieren der Löhne, massive Kürzung der Staatsausgaben und Abschaffung der selbstverwalteten vergesellschafteten Betriebe. Hinzu kamen 1990 noch ein IWF-Moratorium und ein "Strukturanpassungskredit" der Weltbank. Steuergelder gingen in den Schuldendienst und Ausgleichszahlungen an die Teilrepubliken wurden eingestellt, was den Sezessionismus förderte.
Verschiedene Gesetze zielten 1989 auf die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe und ihre Verwandlung in privatkapitalistische Unternehmen, auf die Vernichtung des öffentlichen Sektors und die Abschaffung der sozialen Rechte der jugoslawischen Arbeiterschaft. Hinzu kam die Liquidation der gemeineigenen Banken. Die Ergebnisse der neoliberalen Rosskur waren katastrophal: sie trieb viele der großen Unternehmen der Elektrotechnik, der Petrochemie, des Maschinenbaus und der Chemiebranche in den Ruin. Ein kreditfinanzierter Importboom steigerte den Schuldendruck auf Jugoslawien, der abrupte Anstieg von Zinsen und Einkaufspreisen führten zum Ausschluss einheimischer Produkte vom innerjugoslawischen Markt.
Das Bruttoinlandsprodukt sank 1990 um 7,5 Prozent, bis 1993 um sage und schreibe 50 Prozent, die Arbeitsproduktivität um 21 Prozent. 248 Unternehmen wurden 1989 in den Bankrott geführt, 89.400 Arbeiter entlassen, in ersten neun Monate von 1990 gingen weitere 889 Firmen mit einer Gesamtbelegschaft von 525.000 Arbeitern in Konkurs – über 600.000 Arbeiter bei einer nur 2,7 Millionen starken industriellen Arbeiterschaft in ganz Jugoslawien. Die Weltbank kategorisierte im September 1990 weitere 2.435 von den verbliebenen 7.531 Betrieben als "zahlungsunfähig", ihre Gesamtbelegschaft betrug 1,3 Millionen. Addiert zu den 600.000 bereits Entlassenen, wurden als bis dahin 1,9 von insgesamt 2,7 Millionen Arbeitern für "überflüssig" erklärt.
Viele vergesellschaftete Betriebe versuchten den Bankrott zu vermeiden, indem sie keine Löhne zahlten. Eine halbe Million Arbeiter, also ungefähr 20 Prozent der Industriearbeiterschaft, erhielten während der ersten Monate von 1990 keinen Lohn, die Reallöhne befanden sich in freiem Fall, Sozialprogramme waren zusammengebrochen. Die Konkurswelle in der Industrie hatte zu flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt. Und all dies verursachte bei der Bevölkerung eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und sozialen Verzweiflung.
650.000 Arbeiter streikten gegen Markovic, und die serbische Regierung wies dessen Sparprogramm glatt zurück. Präsident Miloševic ließ die Notenpresse anwerfen und Geld drucken, um Löhne auszahlen zu können. Damit unterlief Miloševic die Antiinflationspolitik des IWF und die Auflagen der internationalen Kreditgeber – und wurde als "Ungehorsamer" fortan vom "Westen" entsprechend behandelt. Dagegen kollaborierten die Führer der neuen "unabhängigen" Staaten willig mit den ausländischen Kreditgebern. Sie "gierten geradezu danach, die Forderungen der Weltbank und des IWF zu erfüllen" (Ralph Schoenman, 1995), und setzten den neoliberalen Katastrophenkurs – Plünderung staatlicher Betriebe, massive Budgetkürzungen, Arbeitslosigkeit und Verarmung – fort.
Dimitrije Boarov kommentierte 1992:
Michael Jäger bilanzierte im Freitag:
Mit Dank übernommen von RT Deutsch - dort veröffentlicht am 02.03.2019
Siehe auch:
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Falsche-Flagge-Massaker als Vorwand für NATO-Aggression
Von Rainer Rupp
NRhZ 696 vom 13.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25722
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Deutschlands Rückbesinnung auf unrühmliche Traditionen
Von Klaus Hartmann
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25675
Gedenkveranstaltung zum 20. Jahrestag der NATO-Aggression gegen Serbien (FRY)
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, …“
Von Rudolf Hänsel
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25676
Ursachen, Hintergründe, Fake News und False Flag
20 Jahre seit NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien
Von Rainer Rupp
NRhZ 693 vom 20.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25655
Fotogalerie zum 15. Jahrestag des NATO-Überfalls auf die Bundesrepublik Jugoslawien
FRY – gezielt kollateral
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 451 vom 26.03.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20168
Online-Flyer Nr. 696 vom 13.03.2019
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Krieg und Frieden
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Warum wurde Miloševic zum Hassobjekt des Westens?
Von Klaus Hartmann
Der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien am 24. März 1999 markierte das Ende des Friedens in Europa nach dem 2. Weltkrieg. Mit einer Rede zum Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) habe Slobodan Miloševic 1989 die "Fackel des serbischen Nationalismus entzündet" – so die westliche Erzählung. Zu diesem Zweck wurde die Rede gefälscht und manipulierend interpretiert. Doch der serbische Präsident geriet nicht grundlos ins Visier der künftigen Balkankrieger. Welche Interessen dahinter standen, verrät ein Blick in Geschichte wie auch so manches déjà vue-Erlebnis nach der NATO-Aggression 1999.
Von NATO-Bomben zerstörte neurologische Klinik, Belgrad, 1999 (Foto: arbeiterfotografie.com)
Österreichs traditionelles Bestreben nach Beherrschung der südöstlichen Nachbarländer wird im Rückblick auf die Vorgeschichte des 1. Weltkriegs mit der Habsburger Monarchie als treibender Kraft deutlich. Die im "Westen" durchgängig erzählte Kurzgeschichte, nach der das Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo durch Gavrilo Princip der Kriegsgrund gewesen sein soll, war allerdings nur ein willkommener Vorwand für die Kriegstreiber in Österreich-Ungarn.
Bosnien-Herzegowina war seit 1908 von der Donaumonarchie annektiert, nach dem sich die Türkei als "kranker Mann am Bosporus" zurückziehen musste, und keine Gewähr mehr bot, den nationalen Befreiungskampf der südslawischen Völker weiterhin zuverlässig unterdrücken zu können. Die Befreiungsbewegung "Freies Bosnien" nutzte also den Inspektionsbesuch des Erzherzogs Franz Ferdinand bei den illegalen Besatzungstruppen für einen Anschlag auf ihn als Repräsentanten der verhassten Besatzungsmacht. Zudem fand der Truppenbesuch provokativerweise ausgerechnet am 28. Juni 1914 statt, dem 525. Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld, der als "Veitstag" (Vidovdan) ein hoher serbischer Feiertag ist.
Österreichs Außenminister Alois Mock war Anfang der 1990er Jahre Komplize Hans-Dietrich Genschers bei der vorauseilenden Anerkennung der verfassungswidrigen Sezession Sloweniens und Kroatiens. Er deklarierte die durch deren Separatismus ausgelösten Bürgerkriege als "kalkulierten Angriffs- und Eroberungskrieg Serbiens und Montenegros". Jene, die für den Erhalt eines multinationalen, multiethnischen föderalen Staates eintraten, nannte Mock das "Belgrader Regime", dem er das "Ziel der Schaffung eines groß-serbischen Staates" unterschob, wozu eine "schleichende ethnische Säuberung" dienen solle.
In welcher Tradition dieser Mock steht, kann ein "Habsburger" besser bezeugen als der Autor: Die Paneuropa-Union, die auf die Pan-Europa-Idee von Richard Coudenhove-Kalergi (1922/23) zurückgeht, wurde nach 1945 von Mitgliedern des ehemaligen Kaiserhauses Habsburg zunächst unter dem Namen "Aktion Österreich Europa" wieder ins Leben gerufen, und entwickelte sich vom Monarchisten-Verein zum EU-Fanclub. Heute ist der EU-Abgeordnete Bernd Posselt (CSU) Präsident, Nachfolger des 1973 bis 2004 amtierenden Otto "von" Habsburg (in Österreich ist das Führen von Adelstiteln verboten). Die "Paneuropäer" waren und sind stramm rechtsgerichtet, wirkten als antisozialistische Speerspitze im "Kalten Krieg", und veranstalteten 1989 jenes "Paneuropa-Picknick", bei dem der alte Habsburger zusammen mit dem ungarischen "Reformer" Imre Pozsgay den "Eisernen Vorhang" durchtrennte. Heute noch gilt den "Paneuropäern" Kaliningrad als "das von Russland besetzte Gebiet um Königsberg".
In unserem Zusammenhang hier ist von Bedeutung: Sie halten die "Mitteleuropa-Idee" (Jäckh, Naumann, Rohrbach) aus der Zeit vor und während des 1. Weltkriegs warm: Deutsche Kontrolle entlang der Bagdad-Bahn, wo "das feindliche serbische Kastell nicht geduldet werden kann". Ottos Sohn Karl Habsburg beruft sich heute auf die antiserbische "Politik, die seit deutlich mehr als 100 Jahren gilt, (…) die sowohl mein Vater Otto von Habsburg als auch Alois Mock vertreten haben." Stolz berichtet dieser Habsburg-Spross von der Verleihung des "Europapreises Coudenhove-Kalergi" an den "Kosovo-Präsidenten" Rugova, bei der Außenminister Mock präsidierte, nicht ohne das Ereignis zu "framen": "Am 28. Juni 1989, zum 600. Jahrestag der Schlacht am Amselfeld, hielt Miloševic seine berühmte Rede am Kosovo Polje. Die Rede war die politische Vorbereitung der späteren Jugoslawien-Kriege."
Diese Lesart und die Rede vom "serbischen Nationalismus" bestimmten seit Anfang der 1990er Jahre die Aussagen westlicher Politiker und die Medienberichterstattung. 1999 sekundierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die NATO-Aggression:
- Mit einer von Chauvinismus durchwirkten Rede hat Miloševic vor zehn Jahren im Kosovo eine für den Balkan verhängnisvolle Entwicklung in Gang gesetzt.
Für Außenminister Hans-Dietrich Genscher habe "die auf dem Amselfeld gehaltene Ansprache Miloševic´s eine große Rolle" für die "großserbischen Absichten gespielt." Slobodan Miloševic konterte: "Der deutsche Außenminister Genscher war der Hauptkriminelle bei der Zerstörung Jugoslawiens." Unübertrefflich (wie bei anderen Kriegslügen) ließ sich Verteidigungsminister Scharping vernehmen:
- Mit einer von Chauvinismus durchwirkten Rede hat Miloševic vor zehn Jahren im Kosovo eine für den Balkan verhängnisvolle Entwicklung in Gang gesetzt. (…) An diesem Tag sprach Miloševic von 'Groß-Serbien' und davon, dass dieses Land ein ethnisch reines sein solle.
Ralph Hartmann weiter:
- Gesucht wird im Redetext das Eintreten von Miloševic für ein ethnisch reines 'Großserbien', das Scharping anprangert und das im Text zu finden, die FAZ mit der Ankündigung, die Rede sei von 'Chauvinismus durchwirkt', Hoffnung macht. Doch auch ein mehrfaches Studium der Rede fördert kein 'Großserbien', und schon gar kein 'ethnisch reines' zu Tage, es scheint geradezu, dass der Redner für das Gegenteil eintritt, für den Erhalt Jugoslawiens als 'multinationale Gesellschaft' und für 'völlige Gleichberechtigung aller hier lebender Nationen'.
Nachdem der Amselfeld-Rede derart Gewalt angetan wurde, um sie als zentrales Glied der "Beweiskette" für den vermeintlichen serbischen Chauvinismus zurechtzumachen, diente sie den Kreuzzüglern als Aggressionsvorlage. Miloševic wurde zum unhinterfragbaren Feindbild aufgebaut und wurde (wie manch spätere "Zielscheibe" nach ihm) als "Nationalist", "Populist", "Antiamerikaner", "Nationalkommunist", "Diktator", "Autokrat", "Machthaber", "zweiter Hitler" und "Schlächter" tituliert. Der Zweck war, ihn damit für vogelfrei zu erklären und das von ihm repräsentierte Land außerhalb des Völkerrechts zu stellen sowie jeden denkbaren Widerstand im westlichen Publikums gegen eine imperialistische Aggression im Keim zu ersticken.
Über die wahren Gründe für die westliche Aversion gegen den serbischen (1991–1997) und jugoslawischen (1997-2000) Präsidenten wurde der Mantel des Schweigens gebreitet. Und die sind mit der Wahlkampflosung Bill Clintons von 1992 treffend auf den Punkt gebracht: "It's the economy, stupid!". Dass es um "die Wirtschaft" ging, kam den "Dummköpfen" (zu denen sie durch ein Jahrzehnt medialer Verdummung und Gehirnwäschen wurden) nicht mehr in den Sinn. Und (nicht nur) für Clinton sind außer "freien Wahlen" auch der "freie Kapitalverkehr" die entscheidenden Kriterien für eine Demokratie (die bei Neoliberalen Gnade finden will). Für Prof. Michel Chossudovsky aus Ottawa liegt hier die Ursache für Miloševics "Karriere" zum Hassobjekt des Westens, und er leuchtet daher die wirtschaftlichen Hintergründe des Jugoslawienkrieges aus.
Das hochverschuldete Jugoslawien, das schon seit den 1950er Jahren US-Kredite erhalten hatte, um es auf Distanz zu "Moskau" zu halten, wurde Ende der 1980er Jahre zahlungsunfähig. Von IWF und Weltbank erhielt Jugoslawien von 1985 bis 1991 Kredite von 7 Mrd. US-Dollar, musste aber 23 Mrd. US-Dollar für Zinsen und Rückzahlungen aufwenden. Der US-freundliche Regierungschef Jugoslawiens, der Kroate Ante Markovic, reiste Ende 1989 nach Washington und erhielt von Präsident George Bush ein "Finanzhilfeprogramm" - im Gegenzug für drastische "Reformen": abgewertete Währung, Einfrieren der Löhne, massive Kürzung der Staatsausgaben und Abschaffung der selbstverwalteten vergesellschafteten Betriebe. Hinzu kamen 1990 noch ein IWF-Moratorium und ein "Strukturanpassungskredit" der Weltbank. Steuergelder gingen in den Schuldendienst und Ausgleichszahlungen an die Teilrepubliken wurden eingestellt, was den Sezessionismus förderte.
Verschiedene Gesetze zielten 1989 auf die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe und ihre Verwandlung in privatkapitalistische Unternehmen, auf die Vernichtung des öffentlichen Sektors und die Abschaffung der sozialen Rechte der jugoslawischen Arbeiterschaft. Hinzu kam die Liquidation der gemeineigenen Banken. Die Ergebnisse der neoliberalen Rosskur waren katastrophal: sie trieb viele der großen Unternehmen der Elektrotechnik, der Petrochemie, des Maschinenbaus und der Chemiebranche in den Ruin. Ein kreditfinanzierter Importboom steigerte den Schuldendruck auf Jugoslawien, der abrupte Anstieg von Zinsen und Einkaufspreisen führten zum Ausschluss einheimischer Produkte vom innerjugoslawischen Markt.
Das Bruttoinlandsprodukt sank 1990 um 7,5 Prozent, bis 1993 um sage und schreibe 50 Prozent, die Arbeitsproduktivität um 21 Prozent. 248 Unternehmen wurden 1989 in den Bankrott geführt, 89.400 Arbeiter entlassen, in ersten neun Monate von 1990 gingen weitere 889 Firmen mit einer Gesamtbelegschaft von 525.000 Arbeitern in Konkurs – über 600.000 Arbeiter bei einer nur 2,7 Millionen starken industriellen Arbeiterschaft in ganz Jugoslawien. Die Weltbank kategorisierte im September 1990 weitere 2.435 von den verbliebenen 7.531 Betrieben als "zahlungsunfähig", ihre Gesamtbelegschaft betrug 1,3 Millionen. Addiert zu den 600.000 bereits Entlassenen, wurden als bis dahin 1,9 von insgesamt 2,7 Millionen Arbeitern für "überflüssig" erklärt.
Viele vergesellschaftete Betriebe versuchten den Bankrott zu vermeiden, indem sie keine Löhne zahlten. Eine halbe Million Arbeiter, also ungefähr 20 Prozent der Industriearbeiterschaft, erhielten während der ersten Monate von 1990 keinen Lohn, die Reallöhne befanden sich in freiem Fall, Sozialprogramme waren zusammengebrochen. Die Konkurswelle in der Industrie hatte zu flächendeckender Arbeitslosigkeit geführt. Und all dies verursachte bei der Bevölkerung eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und sozialen Verzweiflung.
650.000 Arbeiter streikten gegen Markovic, und die serbische Regierung wies dessen Sparprogramm glatt zurück. Präsident Miloševic ließ die Notenpresse anwerfen und Geld drucken, um Löhne auszahlen zu können. Damit unterlief Miloševic die Antiinflationspolitik des IWF und die Auflagen der internationalen Kreditgeber – und wurde als "Ungehorsamer" fortan vom "Westen" entsprechend behandelt. Dagegen kollaborierten die Führer der neuen "unabhängigen" Staaten willig mit den ausländischen Kreditgebern. Sie "gierten geradezu danach, die Forderungen der Weltbank und des IWF zu erfüllen" (Ralph Schoenman, 1995), und setzten den neoliberalen Katastrophenkurs – Plünderung staatlicher Betriebe, massive Budgetkürzungen, Arbeitslosigkeit und Verarmung – fort.
Dimitrije Boarov kommentierte 1992:
- Herr Markovic startete seine 'gelenkte Privatisierung'. Die Oligarchien der Teilrepubliken, die alle von einer 'nationalen Erneuerung' träumten, hatten die Wahl zwischen Krieg und einem echten jugoslawischen gemeinsamen Markt plus Hyperinflation. Sie wählten den Krieg. Dieser Krieg sollte die wahren Ursachen der wirtschaftlichen Katastrophe verbergen.
Michael Jäger bilanzierte im Freitag:
- Nach der weltpolitischen Wende 1990 versuchten die USA ihren Sieg dadurch auszubauen, dass sie auf den Sturz sozialistischer oder quasisozialistischer Führer hinarbeiteten – Miloševic, Saddam, Gaddafi, Assad –, solange es ging, durch Kriege, und immer unter Inkaufnahme der Destabilisierung von Gesellschaften mit allen furchtbaren Folgen, die dies hat.
- Miloševic war nun einmal der große Überlebende, der einzige Staatschef aus der kommunistischen Ära, der sich in die nachkommunistische Welt hinübergerettet hatte. Dennoch ist Miloševics Sturz womöglich ein folgenreicher Wendepunkt der europäischen Geschichte.
Mit Dank übernommen von RT Deutsch - dort veröffentlicht am 02.03.2019
Siehe auch:
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Falsche-Flagge-Massaker als Vorwand für NATO-Aggression
Von Rainer Rupp
NRhZ 696 vom 13.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25722
20 Jahre seit NATO-Angriff auf Jugoslawien:
Deutschlands Rückbesinnung auf unrühmliche Traditionen
Von Klaus Hartmann
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25675
Gedenkveranstaltung zum 20. Jahrestag der NATO-Aggression gegen Serbien (FRY)
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, …“
Von Rudolf Hänsel
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25676
Ursachen, Hintergründe, Fake News und False Flag
20 Jahre seit NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien
Von Rainer Rupp
NRhZ 693 vom 20.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25655
Fotogalerie zum 15. Jahrestag des NATO-Überfalls auf die Bundesrepublik Jugoslawien
FRY – gezielt kollateral
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 451 vom 26.03.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20168
Online-Flyer Nr. 696 vom 13.03.2019
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