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Wirtschaft und Umwelt
US-Handelssanktionen gegen chinesisches Telekommunikationsunternehmen
Huawei-Gründer warnt: "auf Tod oder Leben"
Von Georges Hallermayer

US-Präsident Trump gibt mit seiner dreimonatigen Verlängerung des dreimonatigen Aufschubs, das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei auf die „Schwarze Liste“ zu setzen, einigen amerikanischen Telecom-Unternehmen weitere Zeit, sich auf den Huawei-Boykott einzustellen – so Wilbur Ross, der US-Handelsminister – was ebenso Huawei einen weiteren Aufschub lässt, in USA Chips einzukaufen und upzuloaden. Dabei spielt das Unternehmen den Aufschub herunter, „die Entscheidung würde „keinen wesentlichen Einfluss aufs Geschäft“ haben.

Dennoch werden die Sanktionen im Jahr 2019 dem IT-Giganten 60 Millionen weniger verkaufte Smartphones kosten, so nach internen Schätzungen, wie das chinesische Wirtschaftsmagazin „Caixin Global“ meldete. Nach IDC data stieg 2018 der Verkauf um 34 Prozent auf 206 Millionen Smartphones. Im ersten Quartal 2019 setzte sich der Boom auf 50 Prozent fort, während die Konkurrenten Samsung und Apple einen Umsatzrückgang hinnehmen mussten. Aber die US-Sanktionen würden sich im zweiten Quartal mit einem Umsatzrückgang von 8,4 Prozent auswirken. Nach Huawei ist die Endverbraucher-Abteilung die Wachstumsmaschine, die 45 Prozent des gesamten Gewinns erwirtschaftet hatte. Vom Verkauf von Smartphones und anderen Geräten hänge die Zukunft ab, wird eingeschätzt.

„Bloomberg“ hat ein internes Memo des Firmengründers Ren Zhengfei vom Montag veröffentlicht, wonach er dramatisch warnt, das Unternehmen stehe vor einem „Moment auf Tod oder Leben“. Er riet „unterbeschäftigten Mitarbeitern“ „Commando squads“ zu bilden, um neue Projekte zu entwickeln. Die chinesische „996-Arbeitskultur“ dürfte er voraussetzen, wie sie beim IT-Riesen Alibaba und der e-Commerz-Platform JD üblich ist. Bei 996 wird erwartet, von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends an 6 Tagen der Woche zu malochen, wenn auch meist außertariflich gut bezahlt. Im April kam noch ein wahrer shitstorm im Netz auf (Caixin 17. April 2019), aber unter den verschärften Bedingungen des trade-wars auf Leben oder Tod?

Bei Huawei werden 2019 in Forschung und Entwicklung 120 Mio. Yuan (etwa 15,3 Mio. Euro) investiert, wie „Caixin Global“ am 30. Juli meldete. Ren Zhengfei drohte, unproduktive Mitarbeiter könnten sich alle drei Monate auf Lohnkürzungen einstellen oder gar ihre Jobs verlieren. Das Unternehmen brauche eine „Infusion frischen Blutes“. Das könnte aus USA kommen, denn nach „Wall Street Journal“ vom 14. Juli plane Huawei hunderte Entlassungen, die voraussichtlich die in Texas, Kalifornien und im Bundesstaat Washington niedergelassene Forschungs- und Entwicklungstochter „Futurewei“ treffe.

Ren Zhengfei reagierte auf den möglichen Verlust von Googles Android. Das von Huawei entwickelte Betriebssystem HarmonyOS überzeugte nur wenige, zitiert „Caixin Global“ am 21. August Branchenanalysten, dass alles in Sicht sei, was einer Android-Alternative nahekomme. Nicht nur das Betriebssystem, insbesondere die damit verbundenen Playstore Apps drohen das Smartphone außerhalb Chinas unattraktiv werden zu lassen, kaum hat sich Huawei auch auf dem europäischen Markt erfolgreich etabliert. Im 2. Quartal wurden 16 Prozent weniger Handys (8,5 Mill.) verkauft, damit sank der Marktanteil in der EU auf 18,8 Prozent, so der Marktanalyst Canalys nach Caixin Global am 13. August. Dazu müsse sich Huawei der „major force in Europe“ vom chinesischen Konkurrenten Xiaomi erwehren. Auf mittlere Sicht wird sich auch die 800 Mio. Dollar Investition in den Bau eines Werks in Sao Paula auszahlen, von der Reuters am 9. August berichtete.

Ohne die US-Handelssanktionen hätte Huawei Samsung vom globalen Spitzenplatz im Smartphone-Geschäft verdrängen und aus der Führung in der 5G-Technologie Kapital schlagen können anstatt Kosten für verlorene Kunden zu kalkulieren. Das Unternehmen bleibt global in einer starken Position, aber die Wachstumsdynamik und der Glanz seiner Spitzentechnologie wurden durch die US-Restriktionen gemindert. Wie „abacus“, die Tochter der „South China Morning Post“ in Hongkong am 22. August meldete, habe Huawei 50 kommerzielle 5G-Netzwerkverträge abgeschlossen, mehr als die Hälfte davon (28) in Europa, um den Verkauf der nächsten Telekom-Generation anzuführen. Finnlands Ericson und Schwedens Nokia kommen auf 43 bzw. 22 Verträge, während der chinesische Konkurrent ZTE 25 Verträge öffentlich angekündigt hat. Auch der aktuelle Erfolg, dass Japans führende Mobilfunkanbieter (als letzter NTT docomo am 20. August) ihre im Mai ausgesetzten Geschäfte wieder aufgenommen haben, kann darüber nicht hinwegsehen lassen, dass ein härterer Weg vor Huawei liegt. Die landeseigene Konkurrenz schläft auch nicht: Neben Südkoreas Samsung dominieren laut Canalys derzeit Oppo, Vivo und Xiaomi den Versand von Smartphones nach Thailand, Vietnam, den Philippinen, Malaysia und Indonesien.


Verfasst am 21. August 2019, updated am 22. August 2019

Online-Flyer Nr. 716  vom 28.08.2019

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