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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Aktuelles
Sechster Kölner Karlspreis der Neuen Rheinischen Zeitung an Sabiene Jahn
Respekt und Perspektive
Sabiene Jahn – interviewt von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

"Wir sind das Volk" ist der berühmt gewordene Ruf nach Mitbestimmung in einer historischen Phase Deutschlands, der von Meinungsmanipulatoren unmittelbar in "Wir sind  e i n  Volk" verkehrt wurde. Noch im Umfeld der Geschehnisse hieß es hie und da "Wir sind ein blödes Volk". Heute wissen wir genauer, wohin die Hoffnung viele Menschen geführt und gar nicht selten zutiefst enttäuscht zurückgelassen hat. Im Laufe des historischen Prozesses schien gar der Frieden greifbar nahe. Heute steht fest: der Krieg ist greifbar nahe. Die – vorgeschobenen – Werte der "westlichen Gemeinschaft" sind manipulative Lippenbekenntnisse. Der Psychologe Günter Rexilius äußert sich dazu 2019 wie folgt: „Aus der aktuellen Bedrohung, die sich täglich verschärft, gibt es keinen, wenn nicht einen revolutionären Ausweg in das Reich der Freiheit, in dem alle Menschen friedlich, gerecht und würdevoll, in wertschätzender Verbindung zur Natur, leben können. Ihr selbstbewusstes und angstfreies Erleben, Denken und Fühlen sind das innere humane Gegengewicht zu einem global tödlichen kapitalistischen System. Sie müssen allerdings entschlossen und ausdauernd erkämpft werden, nach außen wie nach innen.“ Die für den sechsten Kölner Karlspreis für Engagierte Literatur und Publizistik nominierte Kommunikationswirtin und Künstlerin Sabiene Jahn macht sich in diesem Sinne an der Basis stark für eine unabhängige Meinungsbildung fernab jeder Bevormundung und Ohnmacht. Die Neue Rheinische Zeitung stellt sie im folgenden spannenden Interview ihren Leserinnen und Lesern vor.



Sabiene Jahn – nominiert für den NRhZ-Karlspreis für Engagierte Literatur und Publizistik 2019


Seit Anfang 2018 betreibst Du die Veranstaltungsreihe "Koblenz: im Dialog". Was hat Dich dazu bewogen, diese ins Leben zu rufen? Gab es einen Auslöser?

Zunächst einmal bin ich politisch interessiert und hatte viele Fragen. Wir beobachteten in Diskussionen über die sozialen Medien immer wieder, dass sachliche Diskussionen nur bedingt möglich waren. Schnell erhitzte es sich. Ein Tummelplatz für Missverständnisse, falsche Grundannahmen oder unsachliche Thesen. Dann stellten wir fest, fehlte es auch an Platz, Zeit und sicher auch Vermögen, denn wer ist schon Experte auf jedem Gebiet? Persönliche Begegnungen finden wir da besser, wohlwollend dem Gesprächspartner gegenüber sitzend. Wir fanden jedoch kein adäquates Format dafür in der Region, in dem aktuelle und prinzipielle Thematiken, über die wir sprechen wollten, tiefgründiger betrachtet werden konnten. Wir sprachen meist in Kneipen und Restaurants, und alle bedauerten diese Lücke. Manche, die wir trafen, sprachen gar hinter vorgehaltener Hand. Das fand ich schlimm, es war geradezu ein Alarmzeichen für mich. Denn ich habe diesbezüglich schon Erfahrungen in der DDR gemacht. Das glaubte ich überwunden zu haben. Ich wollte unbedingt eine Möglichkeit eröffnen, dass sich Menschen zu wichtigen Themen treffen. Daher beschloss ich, dieses sozio-kulturelle Angebot in Koblenz zu schaffen. Einen großen Zeitungsverlag, in dem ich mal tätig war, wollte ich als Partner gewinnen, denn meine Themen finden weder dort noch in den öffentlich-rechtlichen Medien ausführlich statt. Der Verlag lies ausrichten, ich sei zu links. Also machte ich es selbst.

Es gibt die verbreitete Ansicht, dass Parteien spalten und dass in Parteien-Demokratien eine Klientel-Politik betrieben wird. Warum sollte es ein "parteifreier" Bürgerdialog sein?

Danke für die Frage, sie ist von zentraler Bedeutung. Es gibt wichtige Gründe dafür. Ich bin selbst in keiner Partei organisiert und sah bislang auch keine Notwendigkeit, das zu tun. Ich mag keine Korsetts, keine Parteirichtlinien und keinen Funktionärsjargon… Ich brauche sachorientierte Diskussionen, um Visionen zu erarbeiten. Jeder Betrieb arbeitet so und jede Familie, um Lösungen für Probleme zu finden. Zum anderen bemerkte ich immer wieder, dass wir in Deutschland nicht mehr wirklich unbelastet und freigeistig über einige Themen sprechen können.
 
Den finalen Anreiz zum Andersdenken bekamen Rolf und ich, nachdem wir einige Male die Linken in Koblenz zu ihren Sprecherratssitzungen besucht hatten. Wir wählten kurz vor der letzten Bundestagswahl diese Partei aus, weil sie für uns noch die einzige Friedenspartei darstellt. Da wir für die Friedensbewegung aktiv werden wollten, unterstützten wir sie bei einzelnen Projekten, zur Bundestagswahl klebten wir Plakate, für eine mehrwöchige Obdachlosenkampagne am Koblenzer Bahnhof backten wir kiloweise Butterplätzchen, und ich machte die Pressearbeit für den städtischen Verband. Das war ein voller Erfolg. In Koblenz gab es damals nicht mal 100 Mitglieder bei den Linken, und zu den monatlichen Besprechungen kamen meist nur fünf bis zehn Leute.

Sehr schnell bemerkten wir, dass die Koblenzer Linken für internationale und nationale Themen überhaupt nicht gesprächsbereit waren. Grundlegende gesellschaftliche Themen, die uns hier vor Ort beeinflussen, werden aber in Berlin entschieden. Den Druck müssen diese Orts-Gruppen deshalb dahin tragen, meinten wir. Deshalb lohnte allemal dort eine Diskussion, wie das zu bewerkstelligen ist und für was konkret. In einer der Sprecherratssitzungen wurde uns bei den Linken dann das Wort verboten. So durften wir weder über den Konflikt in Syrien sprechen noch unseren Unmut zur NATO-Präsenz kundtun oder die Weißhelme kritisieren. Wir wurden erst recht abgewürgt, als wir unsere Gedanken zur russisch-deutschen Zusammenarbeit äußerten. Als wir dann einem Mitglied, das sich für eine Bundesversammlung nominieren ließ, antrugen, sie könne sich für das Thema „Stress am Arbeitsplatz (Burnout)“ stark machen, den viele Menschen immer mehr beklagen und dem dieses Mitglied selbst in einem internationalen Konzern als Betriebsratsvorsitzende unterlegen war, wurden wir sogar zur Persona non Grata. Unfassbar. Das Mitglied empfand das als „zu persönlich“. Das weibliche Mitglied verbat sich, darauf angesprochen zu werden. Da war für uns die politische Arbeit in dieser Form Geschichte. (Sie sitzt heute im Stadtrat bei einer anderen Partei.)

Eine besondere Erfahrung schärfte meine Sinne allerdings schon kurz nach der Wende. Ich war gerade von einem gewerkschaftlichen Hauptvorstand im „Westen“ übernommen worden. Diese Erfahrung rief meine Reaktanz [Abwehrreaktion] gegenüber Parteien in mir hervor. Kurz die Vorgeschichte. Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre hätte ich im Grunde in die SED eintreten müssen, um Journalistik studieren zu können. Darüber lachten oder schimpften Westdeutsche vor der Wende lauthals, dass das „bei uns“ in der DDR so gehandhabt wurde. Folglich nahm ich an, das wäre „bei ihnen“ dann anders. Umso mehr verwunderte mich dann schließlich, als ich nach der Wende als parteilose Redakteurin von einem Gewerkschaftsvorstand auf eine Parteimitgliedschaft angesprochen wurde. „Nur auf diese Weise könne ich künftig als politische Mitarbeiterin bei der Gewerkschaft tätig sein“, legte mir der damalige Personalchef nahe. Als Mitglied der SPD hätte ich immer eine führende Position besetzen können, als CDU-Mitglied immer nur einen Stellvertreter-Posten, so die Ansage. Das fand ich nicht nur übergriffig, ich fühlte mich geradezu betrogen, denn im Westen praktizierten die Organisationen das, was sie noch vor wenigen Monaten bei den Ostdeutschen angeprangert hatten. Es war für mich nicht mehr möglich, dort zu bleiben, auch wenn es nur eine Unterschrift für ein Parteibuch gekostet hätte, mal abgesehen von einem außerordentlich hohen Gehalt, das politische Mitarbeiter bei einer Gewerkschaft verdienen. Die Mitglieder sollten dringend um eine Offenlegung der Gehälter ihrer Funktionäre bitten, sie werden wohl Bauklötze staunen.

Kurzum: Ich wollte diese Unterwürfigkeit und auch die Interessensverquickung nicht. Und wenn wir uns heute – 30 Jahre später – anschauen, was die westliche Gewerkschaft für ihre Mitglieder an sozialpolitischen Veränderungen tatsächlich bewirken konnte, dann ist das schlichtweg ungenügend, wenn wir eine Schulnote vergeben müssten. Die Gewerkschaft verfolgt ihre Ziele nicht mehr im Kampf gegen Regierungsparteien und Unternehmen, sie ist heute – so scheint es – fast überall mit den Parteien assimiliert. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Aber das verstehen manche nicht, noch nicht. Ich habe das Gefühl, die 89er-Wende des Ostens muss im Westen erst noch stattfinden. Die gewerkschaftlichen Erfolge der DDR wurden schon gar nicht berücksichtigt – nicht in einem Einigungsvertrag oder in einer möglichen neuen Verfassung für Gesamtdeutschland. Das übrigens könnte nachgeholt werden, denn das Fahrrad muss nicht ein zweites Mal erfunden werden. Die DDR war einer der sozialsten Saaten des Ostens und die alte Mär von der Zahlungsunfähigkeit gehört aus den Geschichtsbüchern der Schulen gestrichen.

Um auf Eure Frage zurückzukommen: der parteifreie Bürgeraustausch ist die Antwort auf die Klientelpolitik, denn Klientelpolitik verfolgt zu Gunsten ihres Klientels – die ihrer Financiers - ganz eigene Interessen, was zu Lasten anderer geht. Mal nebenher ein Fakt: Gerademal 1,8 Prozent der Gesamtbevölkerung in der Bundesrepublik sind überhaupt in einer Partei organisiert. Es gibt schlichtweg sehr vernünftige und grundsätzliche Themen, die uns alle betreffen, die Friedenspolitik etwa, Abrüstung, eine neue Finanzpolitik, Sozialpolitik, Politik für Familien und eine gute Bildung. Und dann gibt es auch sehr viele persönliche Themen, wie für mich die Beziehung zu unserem Nachbarn Russland. Ich wuchs mit der Sprache auf, las Bücher, kenne ihre Dichter, schätze die Verlässlichkeit und pflege Freundschaften dorthin. Etwas mehr Respekt für diese Menschen wäre durchaus angebracht. Es ist ein Vermächtnis mit unserer Geschichte. Wir Ostdeutschen lehnten vor 89 ausschließlich den vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Alliierten ab, aber eine enge Freundschaft, Unterstützung und Kooperation waren uns immer sehr wichtig. Und nicht nur gegenüber Russland. So bildeten wir in der DDR auch zahlreiche junge Menschen aus Afrika aus, damit sie für ihr Land mit solidem Know How ausgestattet waren.

Inzwischen hast Du eine beachtliche Zahl bekannter Referenten unter einem breiten Themenspektrum zu Vorträgen eingeladen (Dirk Pohlmann, Hermann Ploppa, Ekkehard Sieker... Wolfgang Bittner... Oleg Muzyka... Ernst Wolff, Wolfgang Effenberger, Owe Schattauer...). Aber einer bestimmten Personengruppe scheint dies zu missfallen. Es wurde versucht, Dir Räume streitig zu machen. Vor der Tür gab es Proteste, es wurden Farbbeutel auf ein historisches Gebäude geworfen. Warum war oder ist das so? Und um wen handelt es sich bei diesen Leuten?

Genau kann ich es noch nicht sagen. Es ist eine Melange von Spaltpilzen und spät-pubertierenden Hitzköpfen bis rechtsextremen Pseudointellektuellen. Eine Hetzkampagne von vornehmlich Antideutschen, der Antideutschen Aktion Koblenz. Ich habe die Namen vorliegen, ich kenne ihre Gesichter. Sie demonstrierten gegen den Bürgerdialog mit US-amerikanischen und israelischen Fahnen und verteilten Flyer mit völlig irrem Inhalt, in dem ein Schreiberling stets das Thema, mich und meine Referenten falsch darstellt. Eine lupenreine Verleumdungskampagne. Einige schleichen sich gar in unsere Veranstaltungen ein, um Zeitschriften wie free21 mitzunehmen oder zu hören, was man über den Wissensverwurster „Feliks“ auf Wikipedia sagt. Ich hoffte insgeheim, sie begreifen, dass wir alle äußerst herzlich mit uns umgehen. Sie wähnen hinter der Ecke einen Geist, den es nicht gibt. Wie zum Beispiel bei Dirk Pohlmann, dem Antideutsche vorwarfen, mit „echten Fakten“ zu arbeiten. Welche Ironie! Durch die aufwendige Recherchearbeit Dirk Pohlmanns und von Markus Fiedler war das Landgericht Hamburg sogar vom „öffentlichen Interesse“ dieser Arbeit überzeugt. Mit Urteil vom 20.Februar 2019 lehnte das Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung von einem gewissen „Feliks“ ab. Wohl aufgrund der hohen Aktivitätsdichte und Aggressivität von „Feliks“ überwog das Interesse an der Person hinter dem Benutzernamen (Urteil vom 20.Februar 2019 – 324 O 458/18).

Der Fall insgesamt beleuchtet nicht nur die undurchsichtigen Strukturen hinter der Online-Enzyklopädie, sondern wie einige wenige sehr aktive Administratoren großen Einfluss auf die Inhalte der Wikipedia ausüben können. Es werden Personen und Gruppen übel denunziert und auch die „Neue Rheinische Zeitung“ ist davon betroffen. Angesichts der großen Auswirkung und Suggestivkraft von Wikipedia-Artikeln ist es deshalb nicht unbedeutend, wer konkret diese Artikel ändert oder Änderungen dieser Artikel verhindert. Die Identität hinter „Feliks“ ist daher zweifelsfrei aufzudecken, er schreibt für dieses einflussreiche Medium.
 
Einzelne Mitglieder der städtischen Parteigruppen von Grünen, den Linken und der Satirepartei DIE PARTEI stehen da mitten drin. Sie vereinen sich in einem Bündnis, dass „Aufstehen gegen Rassismus“ heißt und dass kürzlich in „Schängel*innen gegen Rechts“ umbenannt wurde. Alles grundsätzlich Inhalte, die ich selbst teile und auch alle meine Gäste, da gibt es überhaupt keine Zweifel. Die Antifa Koblenz setzte dem eine Krone auf. Diese drohte mir gar, „mich überall auszuleuchten und mir auf jeden Teppich zu pissen“. Die Partei setzte mich gar auf eine „Todesliste“. Der Gründer der Gruppe „Refugees Solidarity Koblenz“ verstieg sich darin, uns solange zuzusetzen, bis es „Koblenz: Im Dialog“ nicht mehr gäbe, und wieder bewarf er uns mit seinen aus der Luft gegriffenen Zusprechungen. Es folgten Bedrohungen gegenüber Geschäftsleuten und Veranstaltungshäusern, mit denen wir arbeiteten, Farbanschläge, Hetzmails folgten. Bis August 2019 fanden die Bürgerdialoge ausnahmslos unter Polizeischutz statt. Selbst ein DGB-Vorsitzender in Koblenz machte diesen Nonsens – wider besseren Wissens – mit. Er nutzte sein beschauliches Netzwerk, öffentlich-rechtliche Medienanstalten, auch ein ökumenisches Netzwerk, um eine Falschmeldung zu streuen. Er markierte mir gegenüber aber, dass er sich für die Ereignisse in Odessa 2014 interessieren würde, deshalb lud ich ihn zur Buchlesung mit Oleg Muzyka ein. Muzyka war 2014 dort um Haaresbreite dem Tod entkommen, verfolgt von einem Nazimob. Der Funktionär verbat sich die informelle Einladungsmail. Na was denn nun? Hermann Ploppa hat ein Buch zu den Netzwerken geschrieben, die unsere Demokratie unterwandern, was ich nur jedem ans Herz legen kann, auch jenen, denen die solide Grundstruktur dieses Staates etwas bedeutet, die wir in den USA nicht vorfinden – das Land, in dem Politiker sich die Macht kaufen.

Die plakativen Slogans sind uns betreffend völlig gelogen und gipfelten sogar in einer langen Liste, wer sich schon alles von mir distanziert haben soll. Darunter ist u.a. meine eigene Musikband „Nobel Quartett“ zu finden. Wichtig zu wissen ist, dass der erwähnte Bandname schlichtweg mein Markenname ist, den ich selbst mit unterschiedlichen Musikern besetze, die stets für immer neue Programme engagiert werden. Sinnbildlich ist das dann so zu verstehen, als wenn sich Deinhard vom Unternehmen Henkel distanzieren würde. Ein Witz. Wenn man sich mal überlegt, wieviel Arbeit und Energie dafür aufgewendet wird, das zu erfinden, es zu schreiben und zu verteilen inklusive der Aufwendungen, die wir erbringen müssen, um die Verursacher dieser Verleumdungen ausfindig zu machen, plus der Arbeit, die Verwaltung, Justiz und Polizei damit haben. Das ist schon reichlich zum Haare raufen. Es wird klar, wieviel Positives und Sinnvolles man im Grunde erreichen könnte. Die komplette antideutsche Mischpoke ist so daneben, da gibt es selbst im Duden für sinn- und sachverwandte Wörter keinen treffenden Begriff. Ernsthaft, wenn sich diese Denke und dieser völlig willkürliche Aktivismus durchsetzt, dass wir beispielsweise über die miserable internationale Finanzpolitik nicht mehr reden dürfen, weil dann solche Wirrköpfe auf der Straße stehen, die sonst wahrscheinlich nie ihre Wohnung verlassen – denn das sieht man ihnen an – dann gute Nacht.

Wir haben uns bei „Koblenz: Im Dialog“ mittlerweile mit achtzehn überaus interessanten Sachthemen und Vorträgen beschäftigt, auch mit diesem Phänomen. Diese Demo-Liga hat bislang nichts Produktives auf die Beine gestellt für die Gesellschaft. Weder stellten sie eine Frage, noch findet dort kontinuierlich Sacharbeit zur Verbesserung dieses Landes statt. Sie haben auch unsere Fragen nicht beantwortet. Das einzige was von ihnen übrig bleibt, sind leere Bierflaschen und gestohlene Stühle, beschmutzte Fassaden und Fahrzeuge, die andere wieder in Ordnung bringen müssen. Mit Wissen hat es jedenfalls nichts zu tun. Sie sind kriminell und folgen imperialen Ideologien.

Alle unsere Veranstaltungen kann man übrigens auf unserer Facebook-Seite „Koblenz: Im Dialog“ nachlesen. Im Moment baue ich in Kooperation mit einer ostdeutschen Berufsschule eine übersichtliche Internetseite für den Bürgerdialog, für Menschen, die Facebook aus gutem Grund meiden. Und auch wir werden uns bald auf die Plattform von „Human Connection“ verlagern, da mich das undurchsichtige Netzwerk Facebook sehr stört.

Du legst Wert darauf, dass es eine offene Veranstaltung ist, zu der jede/r eingeladen ist, die/der sich informieren möchte und offene Fragen – auch kontrovers – diskutieren kann. Was glaubst Du, stört Deine Widersacher an dem Konzept? Wo ist der Haken? Stellst Du womöglich die Machtfrage?

Dass Veranstaltungen „offen für Jedermann“ sind, kann mitunter zu neurotischen Ängsten führen. Nicht bei meinen Gästen, sie kommen gern, niemand zwingt sie. Ich bin wiederum kein Machtmensch, ich fordere nur mein Recht ein, eine Meinung zu haben. Ich habe Fragen und Ideen und ich bin ein Teamplayer. Wir möchten Dialog und von anderen Menschen lernen. Dazu lade ich Wissenschaftler und Journalisten mit ihren Expertisen und Einschätzungen ein. Mit dem Politologen Hermann Ploppa sprechen wir über Machtstrukturen in der Politik, mit Dirk Pohlmann reden wir über Machterhalt bei Staatsterrorismus oder über das Wissenslexikon Wikipedia und mit Dirk C. Fleck über die Macht der Zerstörung unserer Umwelt. Ekkehard Sieker ist wissenschaftlicher Journalist und der Faktenchecker von „Die Anstalt“ im ZDF. Satire ist dieses Sendeformat längst nicht mehr, und das begreifen auch viele Menschen. Das „Moneyproject“, was er erläuterte, verdeutlicht die völlig aus dem Ruder laufende Finanzmacht, er entlarvt den Neoliberalismus. Ernst Wolff benennt die Strategien der machtvollen Finanzindustrie, und Marius Krüger programmierte die machtvolle App „Democracy Deutschland“, die Bürger in die Lage versetzen könnte, Bundestagsentscheidungen selbst abzustimmen. Über Korruption in Justiz, Wirtschaft und Politik sprach letztes Jahr ein Journalist. Im Publikum meldete sich ein Gast, dessen Biografie offenbar einer solchen Korruption zum Opfer gefallen war. Seine Schuld? Er entwickelte eine alternative Methode zur Energiegewinnung, die den Verbraucher nur ein Viertel des Preises gekostet hätte. Da hatte offenbar ein Stromkonzern etwas dagegen. Er saß sieben Jahre wegen angeblichen Betruges im Gefängnis. Vor wenigen Monaten löste sich dies in Luft auf, als er öffentlich den Beweis erbrachte, dass alles mit rechten Dingen zuging. Er kämpft nun um die Rehabilitation.

Die Ergebnisse, die wir von unseren Referenten hören, stammen meist aus jahrelangen Recherchen. Darüber sprechen wir. Wer anderer Meinung ist oder etwas dazu beitragen möchte, kann seine Sichtweise sachlich schildern. Er, sie, es werden nicht ausgegrenzt. Es darf in unserer Gesellschaft keine Tabus geben, wenn wir geschichtliche Tatsachen im Heute betrachten, um für die Zukunft neue Erkenntnisse zu gewinnen. Um das zu verstehen, graben wir sicherlich bis an die „Zahnwurzeln“ und das, was bislang verborgen blieb bei aller nüchternen Betrachtung. Diese Erkenntnisse haben oft mit Kriegen zu tun, die heute noch geführt werden. Deutschland spielt da eine zentrale Rolle als NATO-Partner mit Know How und Kriegsmaterial. Schauen wir nach Ramstein, wird dort extraterritoriale Tötung von Menschen geduldet. Noch düsterer ist nicht nur die Ignoranz, mit der der Wikileaks-Gründer Julian Assange in Europa bestraft wird. Julians psychische Folter in einem englischen Gefängnis ist von einem UN-Bevollmächtigten bestätigt worden, und das Verbrechen ist dem Auswärtigen Amt keine Rede wert. Das sind grauenhafte Zustände. Der Witz ist, wenn man sich kritisch über das internationale Finanzsystem unterhält, ist das für die Antideutschen eine Verschwörungstheorie. Fakt ist aber, die Grundlagen unseres aktuellen Finanzsystems wurden in einer tatsächlichen Verschwörung von Superreichen und Bankern ursächlich in Amerika gelegt. Wir kennen das Ergebnis: die FED. Das Treffen wurde geheim gehalten, die Pläne nicht offen gelegt. Das Ergebnis ist selbst heute in den USA umstritten. In intellektuellen Kreisen ist das bekannt. Etwas anderes zu behaupten, ist falsch und geradezu borniert. Wir pflegen gute Kontakte zu allen in der Menschheitsfamilie, egal welchem Glauben oder welcher Ethnie sie angehören. Da gibt‘s bei uns schlichtweg keinen Haken. Ich habe deshalb auch mehrere Unterlassungsklagen gegen einen der Protagonisten, den Stadtratsabgeordneten Sebastian Beuth, gewonnen. Das Hauptsacheverfahren ist im Januar 2020. Er ignoriert richterliche Beschlüsse und erhielt dafür die 3. Ordnungsmittelstrafe. Diese Geldstrafe, die alternativ auch mit Haftstrafe abgegolten werden kann, versuchte er vor einigen Monaten, über eine Spendenseite einzutreiben. Die neueste Idee ist, Rechtsschutz über einen gemeinnützigen Verein zu erlangen. Ich glaube, das wird schwierig bis unmöglich. Ich denke, er benötigt Projektionsfläche für seine politische (Untergrund-)Arbeit.

Im März 2019 hast Du die Mind-Award-Preisverleihung an Daniele Ganser moderiert. Daniele Ganser wird – wie viele andere auch – mit seinen Erkenntnissen vom Mainstream ausgeblendet. Warum ist das so? Stehen dahinter die gleichen Kräfte?

Ich kann das nicht für Dr. Daniele Ganser beantworten. Was wir wissen, ist, dass er in erster Linie verunglimpft wird, damit seine Themen nicht stattfinden. Aber vielleicht fragt Ihr mal Herrn Kleber vom ZDF, weshalb er Sichtweisen der Atlantikbrücke jeden Abend zum Besten gibt. Er muss davon überzeugt sein. Und wenn er auch nur davon überzeugt ist, dass er am Monatsende durch seine Propaganda genug Geld auf seinem Konto hat. Die Argumentation der kleinen Gruppe von Opponenten bestätigen ihr Grundproblem, dem fehlenden demokratischen Verständnis. Sie vermögen offenkundig zwischen „Dialog“ und „Monolog“ nicht zu unterscheiden und gehen davon aus, ein Gespräch zwischen Vertretern unterschiedlicher Auffassung sei nicht möglich. Nach den Maßstäben des Beklagten wäre es beispielsweise wohl gerechtfertigt, Sir Winston Churchill wahlweise als „Stalinisten“ oder „Nationalsozialisten“ zu bezeichnen, weil er eine Mehrzahl von Gesprächen mit Josef Stalin geführt bzw. mit der NS-Regierung verhandelt hat? Oder Ronald Reagan und Helmut Kohl als „Kommunisten“, weil sie mit Michail Gorbatschow verhandelt haben? Oder die Tagesthemen und insbesondere den Moderator Ingo Zamperoni als „Faschisten“, weil dieser dort z.B. anlässlich der Landtagswahl in Thüringen ein Interview mit Bernd Höcke führte? Wer sich schließlich nicht nur mit Claqueuren umgeben will, muss „in Kauf nehmen“, mit Menschen anderer Meinung zu sprechen. Und in der Causa Dr. Ganser ist es nur richtig, die ganze Geschichte von der wissenschaftlichen Seite zu betrachten, er ist nun mal Historiker. Er ist seinem Beruf verpflichtet, nicht irgendwelchen Propagandisten, die uns eine Geschichte auftischen, wie sie nicht stattgefunden haben kann. Ich denke, die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen dringend reformiert werden. Es gibt wichtige Formate, die sich dezidiert damit auseinandersetzen. Volker Bräutigam, Tagesschau-Redakteur, und Friedhelm Klinkhammer, Jurist beim Haus-Sender der Tagesschau, dem NDR, (beide in Pension) oder Journalist Uli Gellermann tun uns da einen guten Dienst. Sie klären auf, was Fakten sind und wie Propaganda funktioniert – wie auch Prof. Rainer Mausfeld. Da geht es auch um Macht, die Macht der Worte, Menschen mit Hetze auf Krieg einzuschwören. Es sollte eine bundesdeutsche Vereinigung der Bürger gegen diese rechtsgerichtete Hetze geben. Die Vorstände der öffentlich-rechtlichen Medien sind mit Parteifunktionären besetzt, noch Fragen?

Wird Dir Dein Engagement in Sachen Anti-Krieg und Freundschaft mit Russland direkt – oder versteckt – zum Vorwurf gemacht?

Wisst Ihr, es gibt in Koblenz eine Handvoll Leute, die mir das vorwirft. Mir geht’s um Frieden und Völkerfreundschaft. Wer mir das versteckt oder offen zum Vorwurf macht, ist mir sowas von egal. Fakt ist, es sind wundervolle Menschen – auch in Russland - mit erstrebenswerten Tugenden und einer überdurchschnittlichen Bildung. Und die Bürger eines Landes sollte man generell, auch in Deutschland, von Regierungen und deren Agenda differenziert betrachten. Deutschland hat dem russischen Volk zwei heftige Kriege gebracht und damit viel Leid hervorgerufen. Wir haben die verdammte Verpflichtung, unseren Nachbarn endlich die Hand der Freundschaft zu geben. Und das gilt für alle anderen Nachbarn drum herum auch.

Du bist persönlich denunziert worden und hast auch Prozesse geführt. Das sieht danach aus, dass Du Dich nicht einschüchtern lässt. Braucht man dafür ein gutes Nervenkostüm? Und/oder gute Kontakte?

Ein gutes Nervenkostüm brauchen meine Gegner, wenn ich sie am Schlafittchen habe. Man braucht Geduld, vor allem Humor, vor allem aber ein gesundes Selbstwertgefühl. Man braucht eine gute Spürnase, eine Rechtsschutzversicherung, kluge Anwälte und Freunde, die bei der Recherche helfen, denn das ist das Zeitaufwendigste daran – justitiable Beweise für ein Gericht zusammenzustellen. Diese Feiglinge agieren meist Inkognito. Ich kann heute den Groll vieler Polizisten gut nachvollziehen, die zwar Anhaltspunkte für ein Verbrechen haben, aber das nicht nachweisen können, weil es oft schwierig ist. Wir konnten handfeste Beweise für Hetze und unwahre Behauptungen vorlegen und speziell eine Person dafür zur Rechenschaft ziehen. Andere bleiben auf unserem Radar. Ich bin dann auch sehr glücklich, Freunde und Bekannte zu haben, die wissen, was mich bewegt und mir am Herzen liegt. Daher trifft es mich nicht ins Mark.

Hast Du aufgrund der Angriffe mal daran gedacht aufzugeben?

Nie. Ich tue nichts Unrechtes.

Als "Geschöpf des Mauerfalls" bist Du mit 23 Jahren in den Westen übergesiedelt. Was hast Du dort erwartet? Und was hast Du vorgefunden?


(lach) Ich habe moderne Straßen erwartet, selbstverständlich ein kinderfreundliches Land, kostenlose Ausbildungsmöglichkeiten, kostenfreie Studienplätze, zumindest warmes Mittagessen für Schulen, in denen Kinder auch was lernen, ein funktionierendes Gesundheitssystem, was sich komplementär um Vorsorge und Heilung kümmert, ein humanistisches politisches System, soziale Gerechtigkeit, inneren Frieden, Meinungsfreiheit, den ungebrochenen Einsatz für Frieden. Ich habe Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit erwartet. Ich habe wahrhaftige Politiker, ehrbare Menschen erwartet, die bestrebt sind, die Zukunft für sich und ihre Kinder besser zu gestalten…ja, das habe ich erwartet. Ich war geschockt von Bettlern, die am Straßenrand saßen. Derartiges kannte ich nicht. Dann kam 9/11, dann der Krieg gegen den Terrorismus, die Stationierung der deutschen Truppen im Nahen Osten und in Afrika, zuvor der völkerrechtswidrige Krieg gegen Jugoslawien, und heute stehen deutsche Panzer 400 Kilometer vor Moskau – und eine schier unglaubliche Hetze gegen Russland rotiert. Man hat fast den Eindruck, sie können es kaum erwarten, ein Sturmgewehr in die Hand zu nehmen… Aber wen wollen sie dafür mitnehmen? Die Deutschen wollen keinen Krieg, nirgendwo. Diese Antideutschen vielleicht? Die Renten sind verprasst, und für weitere Kriegsspiele wird der deutsche Steuerzahler bald 20 Prozent des Bundeshaushaltes opfern müssen. Wir reden dann von etwa 70 Milliarden in jedem Jahr. Was wollt Ihr noch hören? Die Wende muss im Westen erst noch kommen, davon bin ich überzeugt. Und wenn jemand meint, er hätte vorgesorgt, der sollte schon mal den Telefonhörer holen und sich anhören, wie ein Freizeichen klingt...

Nach der „Wende“ in der DDR wurde ich – das war 1990 – in Bochum bei der IG Bergbau West eingestellt, arbeitete aber schon vorher bei der ostdeutschen Schwester-Gewerkschaft IG Bergbau und Energie in Berlin im Hauptvorstand als Redakteurin. Da war ich 23 Jahre alt. Ich wollte erst nicht nach Bochum, pendelte auch anfänglich von Bochum nach Berlin, weil ich in Berlin gern lebte, war aber neugierig, auch die andere Seite kennenzulernen.

Ich habe noch in Erinnerung, wie schroff sich die westdeutschen Kollegen in Berlin verhalten haben – fällt mir grad noch ein. Von einem Tag auf den anderen übernahmen sie nämlich die Sitzungsleitung. Es wurden Tag für Tag Mitarbeiter entlassen. Der Vorstand musste komplett gehen. Andere arbeiteten in führenden Positionen als Sekretär und waren hervorragend ausgebildet, einige hatten promoviert. Die Westdeutschen fragten nicht nach ihrer Qualität oder Qualifikation, sondern schauten ausschließlich nach der Parteimitgliedschaft und entschieden das einfach. Ich war erschrocken über diese Verfahrensweise. Heute denke ich, dass sie zum Teil belastete Mitarbeiter loswerden wollten, aber vor allem wollten sie Doppelbesetzungen vermeiden, um ihren eigenen Job zu sichern, denn die Fusion war das Ziel. Wir Kollegen hatten damals das Gefühl, völlig überfahren worden zu sein. Einige übernahm der Hauptvorstand in Bochum, so auch mich.

Die Gewerkschaftszeitung „Glück auf“, für die ich schrieb, war übrigens die älteste Gewerkschaftszeitung in Ostdeutschland. Nach der Wende wurde sie zu unserem Leidwesen eingestampft – die „Energie“ aus Bochum sollte erhalten bleiben. 1990/91 – könnte man sagen – siedelte ich schließlich ganz um. Von Berlin nach Bochum, kurze Zeit später dann nach Rheinland-Pfalz – zuerst Neuwied und 1999 schließlich nach Koblenz.

Was gibt es rückblickend aus Deiner Jugendzeit in der DDR für Dich an bemerkenswerten Erfahrungen – auch im Rahmen Deiner (kommunistischen/antifaschistischen) Familie?


Ich hatte eine umsorgte, liebevolle Kindheit, wurde durch meine Mutter musikalisch gefördert in einem Konservatorium und war bei Leichtathletik-Spartakiaden sehr aktiv. In der DDR gab es für alles nur Mögliche Wettbewerbe, für Mathematik, Sprachen oder Gesangsausscheide – ich war überall dabei. Ich schrieb schon als Schülerin für eine regionale Tageszeitung in den Ferien. Wir hatten Feste, Familien- und Freundschaftstreffen mit älteren Menschen und Komsomolzen aus der Sowjetunion. Wir haben gefeiert, getanzt und das Leben genossen. Diskos mochte ich nicht, das war mir zu laut und einen Freund, der aus Thüringen mit seinem Motorrad aus dem Nichts erschien, habe ich einfach weggeschickt. Ich hatte keine Zeit für einen Freund (lach). Meine Mutter ging neben ihrem Beruf als Chemikerin noch zusätzlich kellnern. Ab und an nahm sie mich mit, aber das war nix für mich. Auch aus dem Garten musste ich mich verdrücken, habe beim Unkrautjähten Blumen anstatt das Unkraut herausgerissen… (lach). Zum Glück hab‘ ich das jetzt drauf. Wir haben auf dem Bauernhof meiner Großeltern einmal pro Jahr ein Schlachtfest gefeiert, viele Katzen, Hunde und zwei Schweine hatten wir, auf einer großen Wiese versorgte mein Großvater Kühe. Überall waren Pflaumenbäume im Dorf, da durfte man naschen und mit Freundinnen bastelte ich Kränze aus Butterblumen. Mit meinen Cousinen experimentierte ich mit nem Bunsenbrenner und wollte mir eine Creme mixen. Die explodierte einmal. Und wir haben uns an die Nähmaschine gesetzt. Ach, das war sehr idyllisch zu Hause. Im Winter gingen wir Rodeln und überboten uns, wer es aus einer Mulde am weitesten auf die Bahngleise schafft. Das war selbstverständlich verboten, aber irgendeinen Unsinn musste ich auch mal machen, meinen Schulkollegen war ich – so hörte ich letztens beim Klassentreffen – zu vernünftig…

Am Schönsten war‘s immer, wenn ich mit Großmutter auf der quietschigen Hollywood-Schaukel den Hühnern zuschaute, mit ihr die Federn für unser Bettzeug rupfte oder zuschaute, wie sie die Marzipanrosen für wunderschöne Torten mit ihren gleichaltrigen Freundinnen formte. Jeden Sonntag brachte sie frisches Brot vom Bäcker aus dem Nachbarort, und meine Schwester und ich verkrochen uns dann unter der Decke und höhlten es mit den Fingern von einer Seite aus, weil wir das einfach gern aßen. Ein Brot kostete damals eine Ostmark und schmeckte nach Sauerteig. Ach, es gibt da so Vieles, was mich schwelgen lässt, es war so unbeschwert. Ich ging sogar in die Kirche, obwohl ich überhaupt nicht gläubig bin. Das war einmal im Jahr. Es duftete so herrlich nach Weihrauch, und der Pfarrer hielt oft sehr witzige Predigten. Wenn die Kirche aus war, war Bescherung bei Oma, danach zu Hause bei Muttern. Dann gab es Steak mit Champignions und Pommes aus der Friteuse, und wir hörten danach die Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste. Ich erinnere mich auch an eine Karpfengeschichte, in der man auch den Fisch verschonte oder „Hurvinek und Sbebel“ aus der Tschechoslowakei. Eine Dose Ananas kostete übrigens für den Nachtisch 23 Ostmark. Die hatte meine Mutter nach langem Anstehen extra für Weihnachten gekauft zu den Feigen, Nüssen und den Datteln. Apfelsinen hatten wir immer genügend, denn die wurden im Konsum zugeteilt, und meistens gab Oma ihre Früchte für uns mit.

Meine Mutter war im Deutschen Frauenbund organisiert und hatte dennoch immer genug Zeit für uns. Wir hatten Sicherheit, waren versorgt und hatten keine Angst vor der Zukunft. Insbesondere ältere Menschen nicht. Meine Großeltern wurden von meiner Mutter gepflegt, neben der Vollzeitbeschäftigung. Wir gingen regelmäßig ins Theater, ins Kino, fuhren im Sommer nach Thüringen in ein Betriebs-Ferienlager, in das sogar meine Mutter mitfahren konnte. Dafür wurden Mitarbeiter in der DDR freigestellt, um die Betreuung der Kinder zu übernehmen. Danach ging es immer noch zwei Wochen an die Ostsee, für die Alleinerziehende mit Kindern ein Vorrecht auf einen Ferienplatz beim FDGB (Freien Deutschen Gewerkschaftsbund) hatten. Das waren dann schicke Hotels direkt am Meer. Jeden Sonntag gab es für uns einen selbstgebackenen Kuchen, und ich kuschelte mich mit meiner Schwester auf dem Sofa, da wurden wir von Muttern abwechselnd gekrault. Für Ilja Richter haben wir uns beeilt, pünktlich aus der Schule zu kommen. Ich glaube, ich habe dann immer pünktlich den Schulbus genommen, ansonsten lief ich nämlich gern zu Fuß.

Übrigens, ich habe eine Episode vergessen darzustellen. Ich hatte mein Volontariat damals bei der halleschen Tageszeitung um einen Monat früher verlassen. Ich sollte einen Vertrag unterzeichnen, in dem ich mich verpflichtet hätte, mit der Musik aufzuhören. Die damalige SED-Parteisekretärin der „Freiheit“ meinte, Musik würde sich nicht mit einem journalistischen Beruf vereinbaren. Den Vertrag unterschrieb ich nicht, daher endete mein Vertrag, als ich protestierte. Ich hatte beobachtet, dass ich mehr Jobs am Wochenende übertragen bekam als meine Kommilitonen. Ich hatte damals richtig Stress, schrieb die Beiträge im Auto meiner Mutter, die mich damals von A nach B fahren musste, denn ich hatte kein Auto. Sie fuhr mich deshalb, damit ich die Arbeiten noch in die Zentralredaktion bringen konnte, um dann schnell zum Band-Bus oder einem Bahnhof zu eilen, damit ich noch rechtzeitig zum nächsten Auftrittsort gelangen konnte. Manchmal war es so knapp, dass ich meine Auftrittsgarderobe schon im Zug aufm Klo oder im Taxi anzog, damit ich pünktlich auf der Bühne stand. Der Stress war von der Personalleitung beabsichtigt, damit mir das Musikmachen vergehen sollte. Aber die Musik war stärker, wir hatten tolle Aufträge, große Galas in der ganzen Republik, Rundfunkproduktionen, nahmen an Hitparaden im Radio teil. Ich hatte sogar mit „Mansfelder Land“ einen Nummer Eins Hit im Berliner Rundfunk (haha). Ich äußerte meine Wahrnehmung in einer wöchentlich stattfindenden Redaktionsbesprechung, danach war Schluss. Ich hatte Glück, dass meine spätere Chefredakteurin bei der Gewerkschaftszeitung ein ähnliches Schicksal teilte wie ich. Sie war die Frau eines Chefarztes an der Universitätsklinik in Halle. Sie wollte nicht mehr am Wochenende arbeiten, weil sie für ihren Sohn da sein wollte. Das sah man in der Chefredaktion nicht gern, deshalb wechselte auch sie zur Gewerkschaftszeitung, die national zwei-wöchentlich erschien. Wir reisten für Recherchen mit einem Dienstauto und Chauffeur damals in Tagebaue und interviewten Bergmänner oder schauten uns Kernkraftwerke oder die Umsetzung von Geothermie-Produktionen an und sprachen mit den Ingenieuren vor Ort.

Und heute ist alles besser?

Heute gibt es Barbecue, ständig irgendeinen Schlussverkauf (nicht für mich), nur noch Events und Parties – volle Veranstaltungskalender, aber wenn Du Dir die Sorgen der Menschen anhörst, dann wird es mir schwer ums Herz. Viele sind schlichtweg allein, viele Menschen sind völlig ausgebrannt. Mein Zurücksehnen an meine Kindheit stimmt mich schon etwas melancholisch. Wenn du dann hingehst, um einen Bürgerdialog zu schaffen, um die Möglichkeit zu haben, Dich gesittet den gesellschaftlichen Themen zu nähern und hast einen Haufen fahnenschwenkender Schüler und Studenten vor der Tür stehen, die mit faschistoiden Methoden Meinungen unterdrücken, dann erinnere ich mich an die Erzählungen meiner Großmutter Emma-Amalie, die die Nazis mit roten Betttüchern aus dem Dorf gejagt hat. Sie war auch eine der Teilnehmerinnen an einer Versammlung im Volkspark Halle, bei der Ernst Thälmann sprach, der Kandidat für die kommunistische Partei, die im Westen in den 50er Jahren verboten wurde. Das war im März 1925, und sie musste mir das immer und immer wieder erzählen. Die Nazis lösten damals gewaltsam die Veranstaltung auf, zehn Menschen wurden erschossen. Einer von ihnen war der 28jährige Bläser eines Spielmannzuges, Fritz Weineck, der die Leute warnen sollte, wenn Gefahr drohte. Er war mir als Kind unter dem Namen „Der kleine Trompeter“ bekannt, denn in der Schule lernten wir ein Lied, was zu seiner Beerdigung gesungen wurde. Oma Emma war Widerstandskämpferin und riskierte ihr Leben, wenn sie Flugblätter aus der Stadt ins Dorf schmuggelte. Oft funktionierte auch der Buschfunk, also die Mund-zu-Mund-Übertragung von wichtigen Treffpunkten und Terminen. Ganz selbstverständlich versteckte sie das Gold und den Schmuck eines jüdischen Goldschmiedes aus Halle unter den Dielen des Hauses und gab es dem Besitzer nach seiner Wiederkehr zurück. Sie war eine bescheidene, fleißige Bäuerin, die die traumhaftesten Hefeklöße machte. Das waren bestimmt 90 Stück für die ganze Familie. Für jeden mindestens 10 Stück, dazu warme Früchte. Opa erzählte hingegen meist nicht viel, wir mussten bei den Nachrichten absolut leise sein, eine Herausforderung für mich. Aber er war der Schiedsmann im Ort, Schöffe am Gericht und Schiedsrichter im Kreis. Manchmal verließ er schnell den Platz, wenn eine Mannschaft mit seiner Entscheidung nicht klar kam. Ist recht viel, was ich Euch hier erzähle... Jetzt wisst Ihr aber vielleicht, woher ich meine Energie nehme (lautlach).


Kurz-Biografie

Am 22. Juni 1967 in Sachsen-Anhalt geboren, Lebenspartner, eine erwachsene Tochter. Das Paar lebt auf dem Land, nahe Koblenz. Da wo sie leben, wandelte schon Friedrichs Engels mit seiner Maria über die Flure.

Berufswunsch: Sängerin und Redakteurin

Polytechnische Oberschule „Friedrich Engels“, Erweiterte Oberschule (Hochschulreife) plus Facharbeiterausbildung (Anlagentechnikerin), Volontariat bei der halleschen Tageszeitung, Redakteurin bei der Gewerkschaftszeitung der IG Bergbau und Energie, Konservatorium „Georg Friedrich Händel“ in Halle/Saale für Violine, Akkordeon und die klassische Gesangsausbildung, Musiktheorie und Sprecherziehung.

Mit 15 Jahren Einstieg in eine Profiband mit Mitgliedern der Dessauer Philharmonie, Hörfunkproduktionen und TV-Auftritte.

In den 1990ern nach Rheinland-Pfalz gekommen, studierte in Bonn Kommunikation und Marketing, arbeitete über 20 Jahre in einem großen regionalen Verlag und sang 12 Jahre als Sängerin bei einer Journalisten-Rockband (Pagemakerz) auf großen Festivalbühnen. Supports für Künstler wie Wolfgang Niedecken (BAP), Jethro Tull und Scorpions u.v.m. Seit fünf Jahren selbständig, Engagement im Gala-Geschäft, wie schon in Ostdeutschland. Seit über 15 Jahren eigene Formation von Quartett bis Oktett. Abendfüllende Konzerte, u.a. mit professionellen Musikern mit und ohne Handicap. Sie arbeitet mit internationalen Künstlern.

Sabiene Jahn begleitet renommierte Schriftsteller mit ihrer Stimme, sie ist auch Synchronsprecherin und arbeitete viele Jahre für das Radio oder Agenturen als Werbesprecherin. Sie liest oder singt zu Buchlesungen, wird regelmäßig engagiert von einer Rolling-Stones-Tribute-Band aus Mainz und organisiert seit fast zwei Jahren eine Vortragsveranstaltung in Koblenz mit Autoren, Journalisten, Wissenschaftlern oder Filmregisseuren. Jahn ermuntert Menschen von Heidelberg bis Köln, Mainz und Koblenz zu einem erfrischenden politischen Diskurs. Um lebensnahe Lösungsansätze für Bürger möchte sie sich in der Veranstaltungsreihe im Jahr 2020 bemühen.

Und wer Sabiene Jahn sehen möchte, der achte in Rheinland-Pfalz auf ein „Polizeiauto“ mit der Aufschrift „Friedensfahrzeug“. Diese Idee hatten ihre Friedensfreunde Silke und Christian Volgmann in Köln, um das Thema Frieden kontinuierlich auf die Straße zu bringen. Es gibt bundesweit über 30 Gefährte dieser Art, das Konzept funktioniert prächtig. Auch für Polizisten, die als erste danach fragen, ob es erlaubt sei. Ist es, ohne Leuchtfolie.



Sabiene Jahn mit dem "Friedensfahrzeug" im Juni 2019 in Ramstein (Foto: arbeiterfotografie.com)


Die Verleihung des NRhZ-Karlspreises für Engagierte Literatur und Publizistik 2019 erfolgt am 16. Dezember 2019 in Koblenz im Rahmen der Veranstaltung "Koblenz: im Dialog" mit Dirk Pohlmann. Eine festliche Veranstaltung im größeren Rahmen findet im Frühjahr 2020 statt.





"Koblenz: Im Dialog" auf Facebook:
https://de-de.facebook.com/koblenzimdialog/


Siehe auch:

Attacken gegen eine Veranstaltung mit Hermann Ploppa in Koblenz
Fremdschämen
Von Sabiene Jahn
NRhZ 650 vom 07.03.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24656

VideoGRUSS an die Leserinnen und Zuschauer der Neuen Rheinischen Zeitung
Ich lade Euch ein zum parteifreien Bürgerdialog
Von Sabiene Jahn
NRhZ 662 vom 06.06.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24928
https://www.youtube.com/watch?v=IgGDczloO3c

Koblenz: im Dialog
Eine Klarstellung
Von Sabiene Jahn und Rolf Künster
NRhZ 673 vom 12.09.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25202

1. Koblenzer Dialogpreis 2018 an Sergej Viktor Filbert
Akribische Friedensarbeit: Freundschaft mit Russland
Von Sabiene Jahn
NRhZ 688 vom 26.12.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25528

Video: MIND AWARD für Daniele Ganser – NATO-Strukturen und deutsche Mitgliedschaft
Moderiert von Sabiene Jahn
NRhZ 701 vom 18.04.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25833
https://www.youtube.com/watch?v=vAnDY23GySs

Zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA
Gefahren öffentlich beim Namen nennen
Von Sabiene Jahn
NRhZ 727 vom 28.11.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26396

6. Kölner Karlspreis geht an Sabiene Jahn und Julian Assange
Nicht Zuschauer, sondern verantwortlicher Teil der Geschichte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 730 vom 18.12.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26464


"Koblenz: Im Dialog" in Arbeiterfotografie-Videos:

Vortrag am 04.06.2018
Ernst Wolff: Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzuges
NRhZ 667 vom 11.07.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25047
https://www.youtube.com/watch?v=FAJxhMri_E4

Vortrag am 15.10.2018
Dirk Pohlmann über Wikipedia – die Enttarnung des "Feliks"
NRhZ 679 vom 24.10.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25334
https://www.youtube.com/watch?v=LbjT3vcMvMI

Vortrag am 15.10.2018
Dirk Pohlmann über Wikipedia – Schöne neue Welt mit Psiram und Kahane
NRhZ 680 vom 31.10.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25356
https://www.youtube.com/watch?v=ii6-N2VsTa0

Vortrag am 17.12.2018
Owe Schattauer zeigt uns den SOMMER IN SIBIRIEN
NRhZ 690 vom 30.01.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25590
https://www.youtube.com/watch?v=o5ogH998Srs

Vortrag am 04.02.2019
Mathias Bröckers: war on drugs ::: no business like drug buisiness
NRhZ 693 vom 20.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25666
https://www.youtube.com/watch?v=8S5IX9NFEqE

Vortrag am 17.06.2019
Christoph Hörstel: Wie geht wirksame Opposition?
NRhZ 718 vom 11.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26203
https://www.youtube.com/watch?v=umMFXKKh69g

Veranstaltung mit Wolfgang Bittner und Willy Wimmer am 16.9.2019
Wolfgang Bittner: "Der neue West-Ost-Konflikt" – Buchpremiere
NRhZ 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26242
https://www.youtube.com/watch?v=DA-WLgiN5sI

Online-Flyer Nr. 728  vom 04.12.2019

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