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Krieg und Frieden
Offener Brief vom 27.12.2019 an Oskar Lafontaine
Das Ziel "Ami go home!" konsequent angehen
Von Fee Strieffler und Wolfgang Jung (LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein)

Die souveräne Bundesrepublik Deutschland könnte sich mit der jederzeit möglichen Kündigung des so genannten Truppenstationierungsvertrages und dem ebenso problemlos zu vollziehenden Austritt aus der NATO in nur zwei Jahren sämtlicher US-Truppen und US-Militärbasen in unserem Land entledigen. "Die Kampagne 'NATO raus – raus aus der NATO' fordert bereits die Kündigung des Truppenstationierungsvertrages und den Austritt aus der NATO, wird aber nur sehr unzureichend von den derzeit im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt. Lieber Oskar Lafontaine, wäre es da nicht an der Zeit, die vor sich hin dümpelnde Bewegung 'Aufstehen' endlich in eine wirklich neue Partei 'Aufstehen für den Frieden' umzuwandeln. Wenn diese neue linke Partei, die sicher großen Zuspruch erhielte, das wichtige Ziel 'Ami go home!' glaubwürdig und konsequent anginge, stünde endlich wieder eine ernstzunehmende deutsche Friedenspolitik zur Wahl, die über 60 Prozent der Deutschen wollen." Mit diesen Sätzen endet ein Offener Brief von Fee Strieffler und Wolfgang Jung an Oskar Lafontaine, den die NRhZ nachfolgend dokumentiert.


Lieber Oskar Lafontaine, Ihre in Reden auf Friedenskundgebungen vorgetragenen Argumentationsketten und die daraus abgeleiteten überzeugenden Schlussfolgerungen haben uns schon oft dazu ermutigt, unsere Aufklärungsarbeit über die Kriegstreiber diesseits und jenseits des Atlantiks fortzusetzen.

Deshalb sind wir sehr enttäuscht über die widersprüchlichen Äußerungen in Ihrem Facebook-Beitrag "Ami go home!" vom 22. Dezember 2019 (1).

Bezugnehmend auf die wegen der russischen Gas-Pipeline Nord Stream 2 gegen die Bundesrepublik Deutschland verhängten US-Sanktionen, haben Sie darin ausgeführt: "Die Bundesregierung spricht von einem Eingriff in die Souveränität. Welch ein Irrtum. Souverän waren wir nie. Seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmen die Amis bei uns über Krieg und Frieden."

Die Behauptung, wir seien "nie souverän" gewesen, trifft aber nur für die Zeit vor dem In krafttreten des "Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland", des so genannten Zwei-plus-Vier-Vertrages (2) vom 12. September 1990 zu.

In diesem Vertrag haben die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges dem vereinten Deutschland – wie nachfolgend nachzulesen ist – völkerrechtlich verbindlich seine volle Souveränität zurückgegeben:

    Artikel 7

    1) Die Französische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Vereinigten Staaten von Amerika beenden hiermit ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes. Als Ergebnis werden die entsprechenden, damit zusammenhängenden vierseitigen Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst.

    2) Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.

Eine ausführliche Begründung unserer Auffassung, dass die Bundesrepublik damit ein Staat mit uneingeschränkter Souveränität wurde, ist nachzulesen im Artikel "Irreführende Behauptungen zur Souveränität Deutschlands". (3)

Wer heute noch behauptet, wir seien nach wie vor nicht souverän, leitet Wasser auf die Mühlen der Quer-und Kriegstreiber, die uns einreden wollen, wir seien immer noch ein "besetztes Land", das alle Anordnungen der USA zu befolgen habe und sich nicht dagegen wehren könne.

Lieber Oskar Lafontaine, Ihre nachfolgend abgedruckten weiteren Aussagen bleiben zwar trotzdem richtig, beschreiben aber nur einen bestehenden Zustand und zeigen leider keinen Weg zu dessen Beendigung auf:

"Die Militärbasen der USA in Deutschland schützen uns nicht, sondern sie gefährden uns. Da sie ihre aggressive Einkreisungspolitik gegenüber Russland und China mit einem gigantischen Kriegshaushalt von 738 Milliarden Dollar immer weiter forcieren, und durch die Kündigung des INF-Vertrages und die Stationierung von Raketen mit kurzen Warnzeiten an der russischen Grenze die Kriegsgefahr immer weiter erhöhen, ist es in unserem Sicherheitsinteresse, die US-Militärbasen auf deutschem Boden aufzulösen.

„Ami go home!“ müsste das Motto der deutschen Politik sein, nachdem immer klarer wird, dass die mächtigste Militärmacht der Welt in zunehmendem Maße das Völkerrecht missachtet und die ganze Welt terrorisiert."

Diesen unhaltbaren Zustand könnten die in der Bundesrepublik Deutschland politisch Verantwortlichen aber sehr wohl ändern, wenn sie endlich von unserer seit September 1990 wiedergewonnenen vollen Souveränität Gebrauch machen würden.

Leider sind auch von der SPD geführte Bundesregierungen nie auf die Idee gekommen, "Ami go home!" zum Motto ihrer Politik zu machen. Spätestens mit dem Beginn der Osterweiterung der NATO im Jahr 1999 und dem Bruch der diesbezüglichen Zusagen an die Sowjetunion hätte die Schröder/Fischer-Regierung den Abzug aller US-Truppen aus dem vereinten Deutschland betreiben müssen.

Die erste rotgrüne Regierung, die von 1998 bis 2002 amtierte, und der Sie, lieber Oskar Lafontaine, bis 18. März 1999 angehörten, hat das aber nicht getan, sondern sich aktiv an dem völkerrechtswidrigen US-Angriffskrieg gegen Serbien beteiligt, mit dem Jugoslawien zerschlagen wurde. Dass Sie damals – sicher auch, weil Sie damit nicht einverstanden waren – alle politischen Ämter und den SPD-Vorsitz niedergelegt haben, ehrt Sie zwar bis heute, wäre es rückblickend aber nicht besser gewesen, wenn Sie als noch amtierender SPD-Vorsitzender die SPD und ihre Bundestagsfraktion dazu gebracht hätten, Schröder und Fischer aufzuhalten?

Die zweite Regierung Schröder/Fischer hat sich aus wahltaktischen Gründen zwar offiziell nicht an dem mit Lügen inszenierten völkerrechtswidrigen US-Angriffskrieg gegen den Irak beteiligt, aber die uneingeschränkte Nutzung der US-Basen in der Bundesrepublik gestattet und sogar Bundeswehr-Soldaten zu deren Bewachung abgestellt.

Auch die seit 2005 – überwiegend mit SPD-Unterstützung – ununterbrochen regierende CDU-Kanzlerin Merkel wollte sich nicht mit den USA anlegen.

Die von Ihnen mitgegründete Partei DIE LINKE hat das auf Betreiben Gregor Gysis aber auch nicht getan. Das haben wir in den LUFTPOST-Artikeln "NATO-Auflösung oder NATO-Austritt?" (4) und "Alibi mittels Schaufensterantrag" (5) nachgewiesen.

Dabei könnten in Wahrnehmung der vollen, uneingeschränkten Souveränität der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag und die Bundesregierung jederzeit in nur zwei Jahren die Forderung "Ami go home!" durchsetzen, denn es gibt einen ganz einfachen, völkerrechtlich abgesicherten Weg, der das möglich macht:

Wenn die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Bundesregierung per Mehrheitsbeschluss beauftragen würden, den "Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, den so genannten Truppenstationierungsvertrag, zu kündigen, müssten alle US-Truppen innerhalb von nur zwei Jahren aus der Bundesrepublik abgezogen und alle US-Militärbasen auf deutschem Boden geschlossen werden. Wenn gleichzeitig und auf gleiche Weise mit einer Frist von nur einem Jahr auch der Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO durchgesetzt würde, wäre nicht nur die akute Kriegsgefahr gebannt, durch Einsparung der NATO-Beiträge und weiterer überflüssig gewordener Rüstungsausgaben stünde außerdem genügend Geld für soziale Aufgaben und die Lösung anderer Probleme zur Verfügung.

Die Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" (6) fordert bereits die Kündigung des Truppenstationierungsvertrages und den Austritt aus der NATO, wird aber nur sehr unzureichend von den derzeit im Bundestag vertretenen Parteien unterstützt.

Lieber Oskar Lafontaine, wäre es da nicht an der Zeit, die vor sich hin dümpelnde Bewegung "Aufstehen" endlich in eine wirklich neue Partei "Aufstehen für den Frieden" umzuwandeln. Wenn diese neue linke Partei, die sicher großen Zuspruch erhielte, das wichtige Ziel "Ami go home!" glaubwürdig und konsequent anginge, stünde endlich wieder eine ernstzunehmende deutsche Friedenspolitik zur Wahl, die über 60 Prozent der Deutschen wollen.

Mit friedlichen Grüßen auch an Ihre Frau Sahra Wagenknecht und allen guten Wünschen für das neue Jahr,
Fee Strieffler und Wolfgang Jung


Fussnoten:

1 Ami go home! - Oskar Lafontaine am 22.12.2019 auf seiner Facebook-Seite

Die USA führen Wirtschaftskriege mit vielen Todesopfern gegen die ganze Welt, jetzt auch gegen uns. Die Bundesregierung spricht von einem Eingriff in die Souveränität. Welch ein Irrtum. Souverän waren wir nie. Seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmen die Amis bei uns über Krieg und Frieden. Charles de Gaulle sagte 1963: „Verbündete zu haben… ist für uns, in der geschichtlichen Ära, in der wir uns befinden, eine Selbstverständlichkeit. Aber seine eigene freie Entscheidungsmöglichkeit zu besitzen … ist ebenfalls ein kategorischer Imperativ, denn Allianzen haben keine absolute Tugend, gleichgültig auf welchen Gefühlen sie beruhen. Und wenn man einmal die Verfügungsgewalt über sich selbst aufgibt, läuft man große Gefahr, sie nie wieder zu erlangen.“ Und François Mitterrand ergänzte später: „Man überlässt anderen nicht die Entscheidung, wenn Leben und Tod auf dem Spiel stehen.“

Die Militärbasen der USA in Deutschland schützen uns nicht, sondern sie gefährden uns. Da sie ihre aggressive Einkreisungspolitik gegenüber Russland und China mit einem gigantischen Kriegshaushalt von 738 Milliarden Dollar immer weiter forcieren, und durch die Kündigung des INF-Vertrages und die Stationierung von Raketen mit kurzen Warnzeiten an der russischen Grenze die Kriegsgefahr immer weiter erhöhen, ist es in unserem Sicherheitsinteresse, die US-Militärbasen auf deutschem Boden aufzulösen.

„Ami go home!“, riefen die Studenten 1968, als die USA unter der Nutzung ihrer deutschen Militärbasen Millionen Menschen in Vietnam ermordeten. „Ami go home!“, riefen die Menschen bei uns wieder, als die Amis mit der Lüge, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen, den Irak-Krieg führten, der Hunderttausende das Leben kostete - wieder unter Nutzung ihrer deutschen Militäreinrichtungen. „Ami go home!“ müsste das Motto der deutschen Politik sein, nachdem immer klarer wird, dass die mächtigste Militärmacht der Welt in zunehmenden Maße das Völkerrecht missachtet und die ganze Welt terrorisiert.

Quelle: https://de-de.facebook.com/oskarlafontaine/photos/pb.188971457830996.-2207520000../2727692323958884/?type=3&theater

2 Zwei-plus-Vier-Vertrag
http://www.documentarchiv.de/brd/2p4.html

3 Kommentiertes Transkript eines Interviews mit dem russischen Politologen Alexej Fenenko
Irreführende Behauptungen zur Souveränität Deutschlands
Von LUFTPOST
NRhZ 713 vom 17.07.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26078

4 Wie eine Mehrheit im Bundesvorstand der Partei DIE LINKE die Friedensbewegung von zentralen Forderungen abzulenken und zu spalten versucht
NATO-Auflösung oder NATO-Austritt?
Von LUFTPOST
NRhZ 642 vom 27.12.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24458

5 Kommentar zum Antrag "Abzug der US-Soldaten aus Deutschland" der Bundestagsfraktion DIE LINKE
Alibi mittels Schaufensterantrag
Von LUFTPOST
NRhZ 725 vom 13.11.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26348

6 Initialzündung für eine Kampagne der Friedensbewegung
NATO raus - raus aus der NATO
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 551 vom 02.03.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22582


Mit Dank übernommen von LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein – dort veröffentlicht am 27.12.2019 (mit zusätzlichen Hinweisen)
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_19/LP14119_271219.pdf



Siehe auch:

15 Jahre und 1 Monat LUFTPOST
Ernüchternde Bilanz und Empfehlungen für die Zukunft
Von LUFTPOST – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein
NRhZ 731 vom 01.01.2020
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26485

Appell an Bundesregierung und Bundestag, September 2019
Von deutschem Boden darf nur Frieden ausgehen
Von Kampagne „NATO raus – raus aus der NATO“
NRhZ. 720 vom 25.09.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26222

Reaktionen auf den Appell der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" an Bundesregierung und Bundestag
Debatte um die Verbannung der US-Kriegsmaschinerie kommt in den Bundestag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 723 vom 23.10.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26305

Appeal of campaign "NATO out - out of NATO" to German Government and Bundestag
Debate on banishment of US war machine comes to German Parliament
By Anneliese Fikentscher and Andreas Neumann
NRhZ 724 vom 02.11.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26312

Weitere Reaktionen auf den Appell der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO" an Bundesregierung und Bundestag
Debatte um die Verbannung der US-Kriegsmaschinerie kommt in den Bundestag (2)
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 727 vom 27.11.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26380

Online-Flyer Nr. 731  vom 01.01.2020

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