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Kundgebung am 31. Januar 2020 vor dem Bundestag
BDS: die einzige Möglichkeit des Protestes
Fotos von Ingrid Koschmieder und Elke Zwinge
Am 31.01.2020 war der Platz vor dem Reichstag der Ort einer Kundgebung unter dem Motto "Schluss mit der Kriminalisierung der BDS-Bewegung!". Zum Protest aufgerufen hatten "BDS Berlin", "Palästina spricht" und die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten" (EJJP). Im Aufruf heißt es: „Mehr als ein halbes Jahr nach der Willensbekundung des Deutschen Bundestags gegen die internationale BDS-Bewegung fordern mehrere Organisationen... die Abgeordneten des Deutschen Bundestages erneut auf, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Übereinstimmung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auch im Hinblick auf BDS-Aktionen zu schützen und den Anti-BDS-Beschluss vom Mai 2019 aufzuheben.“ Dazu "BDS Berlin": „Der 17. Mai 2019 war ein dunkler Tag für die Meinungsfreiheit in Deutschland und bedeutet für den deutschen Bundestag ein historisches Tief. Alle politischen Parteien des Parlaments haben Absichtserklärungen eingebracht, mit denen der Versuch unternommen wird, die vom Staat Israel begangenen Verbrechen zu legitimieren, darunter auch das der Apartheid – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit... Als Kampagne, die für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit einsteht, richtet sich BDS unbedingt gegen alle Formen des Rassismus einschließlich des Antisemitismus. Die Vorstellung, dass es nur eine Gruppe von Menschen verdient, als freie und gleiche zu leben, während eine andere, in diesem Fall die Palästinenser*innen, dazu verurteilt sind, ihre Leben im Zustand der Unterdrückung und Rechtlosigkeit zu fristen – das ist der Inbegriff von Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Es ist für die deutschen Parteien und Institutionen nicht zu spät, was sie nicht müde werden als ihr Anliegen zu proklamieren, auch tatsächlich zu tun: die Grundsätze des Internationalen Rechts anerkennen und die Meinungsfreiheit schützen.“
„BDS ist antifaschistisch“ (Fotos - wenn nicht anders angegeben - von Ingrid Koschmieder)
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag – „Boykott, Kapitalentzug, Sanktionen (BDS) ist eine von Palästinensern geführte Bewegung für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit.“
„Anti-Semitismus ist ein Verbrechen, Anti-Zionismus ist eine Pflicht“
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
„Hört auf damit, Israel zu bewaffnen“
„Boykottiert Israel – Beendet die Apartheid“ (Foto: Elke Zwinge)
„BDS: Boykott, Kapitalentzug, Sanktionen“
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
Annette Groth (links)
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
„Warnung: Zionismus kann Ungerechtigkeit verursachen!“
George Rashmawi, Palästinensische Gemeinde Bonn
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
Mick Napier, Scottish Palestine Solidarity Campaign
„Boykottiert Israel“
Shahd Abulsalana, Palestine, UK
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag (Foto: Elke Zwinge)
Erklärung von "BDS Berlin" zum Anti-BDS-Beschluss des deutschen Bundestages:
Der 17. Mai 2019 war ein dunkler Tag für die Meinungsfreiheit in Deutschland und bedeutet für den deutschen Bundestag ein historisches Tief. Alle politischen Parteien des Parlaments haben Absichtserklärungen eingebracht, mit denen der Versuch unternommen wird, die vom Staat Israel begangenen Verbrechen zu legitimieren, darunter auch das der Apartheid – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ganz besonders unsäglich ist der Umstand, dass dabei zur Rechtfertigung der „Kampf gegen Antisemitismus“ bemüht wird.
Die palästinensisch geführte BDS-Kampagne, gegen die sich die Erklärungen richten, hat das Internationale Recht und die universellen Prinzipien der Menschenrechte zur Grundlage. Sie fordert Freiheit für die Palästinenser*innen, die unter militärischer Besatzung leben, Gleichheit für die Palästinenser*innen unter dem israelischen Apartheidregime und Gerechtigkeit für die palästinensischen Flüchtlinge, die seit siebzig Jahren im erzwungenen Exil leben.
Diese Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit sind die Grundlage jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens. Insofern ist es bestürzend zu erleben, dass der gesamte Deutsche Bundestag sich von diesen Werten distanziert und sie für illegitim erklärt hat.
Als Kampagne, die für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit einsteht, richtet sich BDS unbedingt gegen alle Formen des Rassismus einschließlich des Antisemitismus. Die Vorstellung, dass es nur eine Gruppe von Menschen verdient, als freie und gleiche zu leben, während eine andere, in diesem Fall die Palästinenser*innen, dazu verurteilt sind, ihre Leben im Zustand der Unterdrückung und Rechtlosigkeit zu fristen – das ist der Inbegriff von Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Es ist für die deutschen Parteien und Institutionen nicht zu spät, was sie nicht müde werden als ihr Anliegen zu proklamieren, auch tatsächlich zu tun: die Grundsätze des Internationalen Rechts anerkennen und die Meinungsfreiheit schützen.
Quelle: bdsberlin.org
Im Rahmen der Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude sprach auch die Ex-Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Annette Groth. Nachfolgend ihr Redemanuskript:
2019 haben die israelischen Streitkräfte 5.500 Palästinenser in den besetzten Gebieten verhaftet, darunter 889 Kinder, und mindestens 128 Frauen. Derzeit sind ca. 5000 Palästinenser inhaftiert, davon 40 Frauen und ca. 200 Kinder. 450 Palästinenser sind in Administrativhaft, d.h. ohne Anklage. 95 Prozent der Inhaftierten haben zumindest einmal während ihrer Haft Folter erlebt, auch Kinder!
In Gaza hat die israelische Armee seit Ende März 2018, dem Beginn der großen Protestmärsche, 256 ZivilistInnen getötet sowie über 29.000 verletzt – oft sehr schwer, da die SoldatInnen gezielt in die Beine und Knie schießen, so dass die Beine amputiert werden müssen.
An einem Tag im Mai 2018 wurden über 60 Menschen gezielt getötet. Auf die Frage, warum Soldaten auf die palästinensischen Demonstranten schießen, antwortete die Sprecherin des israelischen Außenministeriums in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender RTÉ lapidar: „Wir können nicht all diese Leute ins Gefängnis stecken.“ Es gab keine weltweite Empörung, im Gegenteil, in unseren Mainstreammedien wurde diese barbarische Ungeheuerlichkeit verschwiegen.
Man stelle sich vor, Putin oder ein Sprecher der iranischen Regierung hätte diesen Satz gesagt, es hätte einen weltweiten Aufschrei gegeben, und Außenminister Maas, Trump und Co hätten sofort mit allen möglichen Sanktionen und Strafaktionen gedroht.
Jede Nacht werden palästinensische Kinder aus dem Bett geholt, oft zu den Polizeigefängnissen mitgenommen, geschlagen und verhaftet. Kein anderes Land inhaftiert so viele Kinder wie Israel! Täglich werden Palästinenser an den checkpoints drangsaliert, ihre Menschenwürde mit Füßen getreten.
Derzeit plant die israelische Regierung die Vertreibung von ca. 36.000 PalästinenserInnen im Negev, um auf ihrem Land u.a. eine Waffen-Testanlage für den Rüstungskonzern ELBIT zu errichten, die etwa die doppelte Größe von Tel Aviv umfassen soll. Elbit ist übrigens für die Kontrolle der EU-Außengrenzen zuständig.
Statt gegen die allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen der israelischen SoldatInnen und SiedlerInnen zu protestieren und Druck auf die israelische Regierung auszuüben, wird hierzulande Jagd auf vermeintliche Antisemiten gemacht.
Seit dem Bundestagsantrag mit dem Titel "BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten - Antisemitismus bekämpfen" vom 17. Mai 2019, angenommen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, haben sich die Auseinandersetzungen um BDS verschärft. In dem Antrag heißt es, dass BDS zum Boykott gegen Israel, gegen israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Sportlerinnen und Sportler aufrufe. "Der allumfassende Boykottaufruf führe in seiner Radikalität zur Brandmarkung israelischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger jüdischen Glaubens als Ganzes".
Der Vollständigkeit halber muss ich leider auch berichten, dass auch die Fraktion DIE LINKE am 17. Mai 2019 einen Antrag "BDS-Bewegung ablehnen – Friedliche Lösung im Nahen Osten befördern" eingebracht hat. Der Antrag wirbt für die Zwei-Staaten-Lösung, sagt aber auch, dass es „Äußerungen und Handlungen aus der BDS-Bewegung gibt, die darauf abzielen, das Existenzrecht des Staates Israel in Zweifel zu ziehen“. Das ist zwar Unsinn, aber einige Linke beziehen sich auf diesen Antrag und hetzen ebenfalls gegen BDS. Jedenfalls war dieser Antrag ein Riesenfehler.
Seit Mai ist der allgemeine „Medien-Sprech“: die BDS-Kampagne ist antisemitisch. Das ist zwar grober Unfug, wird aber von PolitikerInnen und JournalistInnen häufig wiederholt, weil es eine gängige Behauptung ist, die überall gelesen wird, wie mir eine Journalistin sagte. Die Hetze gegen die menschenrechtsbasierte und gewaltfreie BDS-Bewegung ist gefährlich und lenkt von den Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen der israelischen Regierung ab, die fast nicht mehr thematisiert werden.
Einen bemerkenswerten Artikel von Barry Trachtenberg, Professor für Jüdische Geschichte an der Wake Forest University in North Carolina, USA, druckte die TAZ mit dem Titel „Die Panik angesichts der BDS-Bewegung in Deutschland lenkt uns von der wirklich antisemitischen Bedrohung durch Neonazis ab“. [https://taz.de/Debatte-ueber-die-BDS-Bewegung/!563171] Darin heisst es:
„Als jüdischer US-Bürger, der die Boykottbewegung unterstützt, und als Historiker, der über das jüdische Volk und den Holocaust forscht, sowie als Unterzeichner beider Briefe hat mich die Art und Weise alarmiert, in der die BDS-Bewegung falsch charakterisiert und dämonisiert wird. Mir geht es dabei um zwei Punkte: Zunächst ist der Versuch, BDS als antisemitisch darzustellen, vor allem ein Trick, um legitime Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten abzuwehren. Zum anderen – und genauso besorgniserregend – verkennen all jene, die vor BDS warnen, die sehr viel gefährlichere Bedrohung, die für Juden und andere Minderheiten in beiden Ländern von rassistischen Vorkämpfern einer weißen Vorherrschaft ausgeht“.
Trachtenberg bezieht sich auf den Aufruf "Setzen Sie „BDS“ NICHT mit Antisemitismus gleich", den er zusammen mit 240 jüdischen und israelischen Akademikern unterzeichnet hat.
Lesenswert ist auch der Appell von Amos Goldberg, Professor an Hebräischen Universität Jerusalem und Spezialist für die Erforschung des Holocaust, an „meine deutschen Freunde“, veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau.
„Ich warne meine Freunde in Deutschland wegen unserer Erfahrungen in Israel: Es steht noch mehr Ärger bevor, falls Sie die Grundsätze der Demokratie, die Meinungsfreiheit und eine prinzipientreue Außenpolitik nicht energisch verteidigen. Wenn Sie nicht für diese Werte kämpfen, gerade auch im Kontext sensibler Themen, könnte sich Deutschland in fünf oder zehn Jahren in ein weiteres illiberales Bollwerk verwandeln. Seine Politik könnte dann der Israels, Ungarns und Polens ähneln.“
Wir haben bereits ein repressives, autoritäres Bollwerk, was mir Angst macht. Ich nenne hier nur die verheerenden Verschärfungen der Polizeigesetze, die mit einem demokratischen Rechtsstaat nach meiner Auffassung unvereinbar sind.
Wie in Israel haben wir jetzt auch einen neuen Begriff: das ist die so genannte "Drohende Gefahr". Dieser neue Rechtsbegriff ermöglicht der Polizei, künftig auch ohne konkrete Verdachtsmomente so genannte "Gefährder" präventiv zu verhaften. Dieses "legale Instrument" erinnert an die in Israel weitverbreitete Maßnahme, potentielle jugendliche palästinensische Steinewerfer oder andere Verdächtige in israelische Militärgefängnisse zu stecken, auch wenn sie nachweislich nichts "verbrochen" haben. Das ist doch einfach furchtbar und verletzt die Menschenrechte sowie viele internationale Konventionen wie z.B. die Kinderrechtskonvention.
Kürzlich haben Trump und Co behauptet, dass die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen rechtskonform mit Internationalem Völkerrecht sind. Das ist ungeheuerlich und zeigt die Verachtung für Internationales Recht. Es gab keinen Aufschrei, nur vereinzelt Protest. Kurz davor hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Produkte aus den Siedlungen als solche gekennzeichnet werden müssen. Mir kommt es vor, als ob nach einem Leitfaden des Ministeriums für strategische Angelegenheiten vorgegangen wird, das zur Bekämpfung von BDS gegründet wurde und mit Millionen von Dollar diesen „Kampf“ führt.
Den Leitfaden bzw. die Strategien zur Bekämpfung von BDS beschreiben die israelischen Filmemacher Eyal Sivan und Armelle Laborie in ihrem Buch "Legitimer Protest". Darin geht es um die Durchsetzung neuer Formen der Unterdrückung von Meinungsfreiheit, die Einschränkung akademischer Freiheit durch Denunziation von Professoren und akademischem Lehrpersonal und letztendlich um die "Anpassung" des Völkerrechts, einschließlich des Kriegsrechts und der Menschenrechte (!):
„Seit Anfang des 21. Jahrhunderts nehmen die politischen EntscheidungsträgerInnen Israels, unterstützt von StrategInnen, JuristInnen und Forschenden, an einer globalen Offensive teil, um das Völkerrecht – insbesondere das Kriegsrecht und die Menschenrechte – den heutigen Realitäten der vom Terrorismus bedrohten liberalen Demokratien anzupassen.“
Die letzte Attacke von Netanjahu richtet sich gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Netanjahu wollte, dass alle zur Holocaust-Zeremonie eingeladenen führenden Politiker aus aller Welt eine gemeinsame Erklärung gegen den ICC abgeben und erklären, dass der ICC keine Gerichtsbarkeit über das besetzte palästinensische Gebiet hat. Das ist ein wirklicher Völkerrechtsbruch, aber ein weltweiter Aufschrei blieb aus. Ob Steinmeier unterschrieben hat, weiß ich nicht... Netanjahu geht jetzt noch weiter und verrät die Holocaust-Überlebenden, die "nie wieder" schworen, und fordert direkte Sanktionen gegen die Anwälte und Richter des ICC.
Zum Schluss möchte ich auf die warnenden Worte von Jeff Halper, Vorsitzender des israelischen Komitees gegen Häuserzerstörungen und Autor des wichtigen Buches "War against the People: Israel, the Palestinians and Global Pacification" (London 2015) hinweisen:
„Israel exportiert mehr als nur Waffen, Sicherheits- und Überwachungssysteme, Aufstandsbekämpfungs- und Antiterrorinstrumente, Modelle der Bevölkerungskontrolle oder Polizeitaktiken. Israel verkauft und wirbt für etwas, was viel weiter geht und viel gefährlicher ist: einen Sicherheitsstaat, der Sicherheit über alles andere stellt und der Demokratie und Menschenrechte in einer Welt des Terrors als 'liberalen Luxus' betrachtet (und dabei wird jeder Widerstand, ganz gleich, ob er sich gegen Unterdrückung oder gegen kapitalistische Ausbeutung richtet, schnell unter der Rubrik 'Terrorismus' eingeordnet).“
BDS ist für uns die einzige Möglichkeit des Protestes und ich wünsche der BDS-Bewegung große Erfolge!
Siehe auch:
Dem Kampf gegen Apartheid und Völkerrechtsbruch in den Rücken gefallen
Rassistische Querfront im Reichstag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25936
Online-Flyer Nr. 734 vom 05.02.2020
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Kundgebung am 31. Januar 2020 vor dem Bundestag
BDS: die einzige Möglichkeit des Protestes
Fotos von Ingrid Koschmieder und Elke Zwinge
Am 31.01.2020 war der Platz vor dem Reichstag der Ort einer Kundgebung unter dem Motto "Schluss mit der Kriminalisierung der BDS-Bewegung!". Zum Protest aufgerufen hatten "BDS Berlin", "Palästina spricht" und die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten" (EJJP). Im Aufruf heißt es: „Mehr als ein halbes Jahr nach der Willensbekundung des Deutschen Bundestags gegen die internationale BDS-Bewegung fordern mehrere Organisationen... die Abgeordneten des Deutschen Bundestages erneut auf, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Übereinstimmung mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auch im Hinblick auf BDS-Aktionen zu schützen und den Anti-BDS-Beschluss vom Mai 2019 aufzuheben.“ Dazu "BDS Berlin": „Der 17. Mai 2019 war ein dunkler Tag für die Meinungsfreiheit in Deutschland und bedeutet für den deutschen Bundestag ein historisches Tief. Alle politischen Parteien des Parlaments haben Absichtserklärungen eingebracht, mit denen der Versuch unternommen wird, die vom Staat Israel begangenen Verbrechen zu legitimieren, darunter auch das der Apartheid – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit... Als Kampagne, die für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit einsteht, richtet sich BDS unbedingt gegen alle Formen des Rassismus einschließlich des Antisemitismus. Die Vorstellung, dass es nur eine Gruppe von Menschen verdient, als freie und gleiche zu leben, während eine andere, in diesem Fall die Palästinenser*innen, dazu verurteilt sind, ihre Leben im Zustand der Unterdrückung und Rechtlosigkeit zu fristen – das ist der Inbegriff von Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Es ist für die deutschen Parteien und Institutionen nicht zu spät, was sie nicht müde werden als ihr Anliegen zu proklamieren, auch tatsächlich zu tun: die Grundsätze des Internationalen Rechts anerkennen und die Meinungsfreiheit schützen.“
„BDS ist antifaschistisch“ (Fotos - wenn nicht anders angegeben - von Ingrid Koschmieder)
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag – „Boykott, Kapitalentzug, Sanktionen (BDS) ist eine von Palästinensern geführte Bewegung für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit.“
„Anti-Semitismus ist ein Verbrechen, Anti-Zionismus ist eine Pflicht“
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
„Hört auf damit, Israel zu bewaffnen“
„Boykottiert Israel – Beendet die Apartheid“ (Foto: Elke Zwinge)
„BDS: Boykott, Kapitalentzug, Sanktionen“
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
Annette Groth (links)
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
„Warnung: Zionismus kann Ungerechtigkeit verursachen!“
George Rashmawi, Palästinensische Gemeinde Bonn
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag
Mick Napier, Scottish Palestine Solidarity Campaign
„Boykottiert Israel“
Shahd Abulsalana, Palestine, UK
Protest gegen die Kriminalisierung von BDS vor dem Reichstag (Foto: Elke Zwinge)
Erklärung von "BDS Berlin" zum Anti-BDS-Beschluss des deutschen Bundestages:
Der 17. Mai 2019 war ein dunkler Tag für die Meinungsfreiheit in Deutschland und bedeutet für den deutschen Bundestag ein historisches Tief. Alle politischen Parteien des Parlaments haben Absichtserklärungen eingebracht, mit denen der Versuch unternommen wird, die vom Staat Israel begangenen Verbrechen zu legitimieren, darunter auch das der Apartheid – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ganz besonders unsäglich ist der Umstand, dass dabei zur Rechtfertigung der „Kampf gegen Antisemitismus“ bemüht wird.
Die palästinensisch geführte BDS-Kampagne, gegen die sich die Erklärungen richten, hat das Internationale Recht und die universellen Prinzipien der Menschenrechte zur Grundlage. Sie fordert Freiheit für die Palästinenser*innen, die unter militärischer Besatzung leben, Gleichheit für die Palästinenser*innen unter dem israelischen Apartheidregime und Gerechtigkeit für die palästinensischen Flüchtlinge, die seit siebzig Jahren im erzwungenen Exil leben.
Diese Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit sind die Grundlage jedes gesellschaftlichen Zusammenlebens. Insofern ist es bestürzend zu erleben, dass der gesamte Deutsche Bundestag sich von diesen Werten distanziert und sie für illegitim erklärt hat.
Als Kampagne, die für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit einsteht, richtet sich BDS unbedingt gegen alle Formen des Rassismus einschließlich des Antisemitismus. Die Vorstellung, dass es nur eine Gruppe von Menschen verdient, als freie und gleiche zu leben, während eine andere, in diesem Fall die Palästinenser*innen, dazu verurteilt sind, ihre Leben im Zustand der Unterdrückung und Rechtlosigkeit zu fristen – das ist der Inbegriff von Rassismus oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Es ist für die deutschen Parteien und Institutionen nicht zu spät, was sie nicht müde werden als ihr Anliegen zu proklamieren, auch tatsächlich zu tun: die Grundsätze des Internationalen Rechts anerkennen und die Meinungsfreiheit schützen.
Quelle: bdsberlin.org
Im Rahmen der Kundgebung vor dem Reichstagsgebäude sprach auch die Ex-Bundestagsabgeordnete der Partei DIE LINKE, Annette Groth. Nachfolgend ihr Redemanuskript:
2019 haben die israelischen Streitkräfte 5.500 Palästinenser in den besetzten Gebieten verhaftet, darunter 889 Kinder, und mindestens 128 Frauen. Derzeit sind ca. 5000 Palästinenser inhaftiert, davon 40 Frauen und ca. 200 Kinder. 450 Palästinenser sind in Administrativhaft, d.h. ohne Anklage. 95 Prozent der Inhaftierten haben zumindest einmal während ihrer Haft Folter erlebt, auch Kinder!
In Gaza hat die israelische Armee seit Ende März 2018, dem Beginn der großen Protestmärsche, 256 ZivilistInnen getötet sowie über 29.000 verletzt – oft sehr schwer, da die SoldatInnen gezielt in die Beine und Knie schießen, so dass die Beine amputiert werden müssen.
An einem Tag im Mai 2018 wurden über 60 Menschen gezielt getötet. Auf die Frage, warum Soldaten auf die palästinensischen Demonstranten schießen, antwortete die Sprecherin des israelischen Außenministeriums in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender RTÉ lapidar: „Wir können nicht all diese Leute ins Gefängnis stecken.“ Es gab keine weltweite Empörung, im Gegenteil, in unseren Mainstreammedien wurde diese barbarische Ungeheuerlichkeit verschwiegen.
Man stelle sich vor, Putin oder ein Sprecher der iranischen Regierung hätte diesen Satz gesagt, es hätte einen weltweiten Aufschrei gegeben, und Außenminister Maas, Trump und Co hätten sofort mit allen möglichen Sanktionen und Strafaktionen gedroht.
Jede Nacht werden palästinensische Kinder aus dem Bett geholt, oft zu den Polizeigefängnissen mitgenommen, geschlagen und verhaftet. Kein anderes Land inhaftiert so viele Kinder wie Israel! Täglich werden Palästinenser an den checkpoints drangsaliert, ihre Menschenwürde mit Füßen getreten.
Derzeit plant die israelische Regierung die Vertreibung von ca. 36.000 PalästinenserInnen im Negev, um auf ihrem Land u.a. eine Waffen-Testanlage für den Rüstungskonzern ELBIT zu errichten, die etwa die doppelte Größe von Tel Aviv umfassen soll. Elbit ist übrigens für die Kontrolle der EU-Außengrenzen zuständig.
Statt gegen die allgegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen der israelischen SoldatInnen und SiedlerInnen zu protestieren und Druck auf die israelische Regierung auszuüben, wird hierzulande Jagd auf vermeintliche Antisemiten gemacht.
Seit dem Bundestagsantrag mit dem Titel "BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten - Antisemitismus bekämpfen" vom 17. Mai 2019, angenommen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, haben sich die Auseinandersetzungen um BDS verschärft. In dem Antrag heißt es, dass BDS zum Boykott gegen Israel, gegen israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Sportlerinnen und Sportler aufrufe. "Der allumfassende Boykottaufruf führe in seiner Radikalität zur Brandmarkung israelischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger jüdischen Glaubens als Ganzes".
Der Vollständigkeit halber muss ich leider auch berichten, dass auch die Fraktion DIE LINKE am 17. Mai 2019 einen Antrag "BDS-Bewegung ablehnen – Friedliche Lösung im Nahen Osten befördern" eingebracht hat. Der Antrag wirbt für die Zwei-Staaten-Lösung, sagt aber auch, dass es „Äußerungen und Handlungen aus der BDS-Bewegung gibt, die darauf abzielen, das Existenzrecht des Staates Israel in Zweifel zu ziehen“. Das ist zwar Unsinn, aber einige Linke beziehen sich auf diesen Antrag und hetzen ebenfalls gegen BDS. Jedenfalls war dieser Antrag ein Riesenfehler.
Seit Mai ist der allgemeine „Medien-Sprech“: die BDS-Kampagne ist antisemitisch. Das ist zwar grober Unfug, wird aber von PolitikerInnen und JournalistInnen häufig wiederholt, weil es eine gängige Behauptung ist, die überall gelesen wird, wie mir eine Journalistin sagte. Die Hetze gegen die menschenrechtsbasierte und gewaltfreie BDS-Bewegung ist gefährlich und lenkt von den Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen der israelischen Regierung ab, die fast nicht mehr thematisiert werden.
Einen bemerkenswerten Artikel von Barry Trachtenberg, Professor für Jüdische Geschichte an der Wake Forest University in North Carolina, USA, druckte die TAZ mit dem Titel „Die Panik angesichts der BDS-Bewegung in Deutschland lenkt uns von der wirklich antisemitischen Bedrohung durch Neonazis ab“. [https://taz.de/Debatte-ueber-die-BDS-Bewegung/!563171] Darin heisst es:
„Als jüdischer US-Bürger, der die Boykottbewegung unterstützt, und als Historiker, der über das jüdische Volk und den Holocaust forscht, sowie als Unterzeichner beider Briefe hat mich die Art und Weise alarmiert, in der die BDS-Bewegung falsch charakterisiert und dämonisiert wird. Mir geht es dabei um zwei Punkte: Zunächst ist der Versuch, BDS als antisemitisch darzustellen, vor allem ein Trick, um legitime Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten abzuwehren. Zum anderen – und genauso besorgniserregend – verkennen all jene, die vor BDS warnen, die sehr viel gefährlichere Bedrohung, die für Juden und andere Minderheiten in beiden Ländern von rassistischen Vorkämpfern einer weißen Vorherrschaft ausgeht“.
Trachtenberg bezieht sich auf den Aufruf "Setzen Sie „BDS“ NICHT mit Antisemitismus gleich", den er zusammen mit 240 jüdischen und israelischen Akademikern unterzeichnet hat.
Lesenswert ist auch der Appell von Amos Goldberg, Professor an Hebräischen Universität Jerusalem und Spezialist für die Erforschung des Holocaust, an „meine deutschen Freunde“, veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau.
„Ich warne meine Freunde in Deutschland wegen unserer Erfahrungen in Israel: Es steht noch mehr Ärger bevor, falls Sie die Grundsätze der Demokratie, die Meinungsfreiheit und eine prinzipientreue Außenpolitik nicht energisch verteidigen. Wenn Sie nicht für diese Werte kämpfen, gerade auch im Kontext sensibler Themen, könnte sich Deutschland in fünf oder zehn Jahren in ein weiteres illiberales Bollwerk verwandeln. Seine Politik könnte dann der Israels, Ungarns und Polens ähneln.“
Wir haben bereits ein repressives, autoritäres Bollwerk, was mir Angst macht. Ich nenne hier nur die verheerenden Verschärfungen der Polizeigesetze, die mit einem demokratischen Rechtsstaat nach meiner Auffassung unvereinbar sind.
Wie in Israel haben wir jetzt auch einen neuen Begriff: das ist die so genannte "Drohende Gefahr". Dieser neue Rechtsbegriff ermöglicht der Polizei, künftig auch ohne konkrete Verdachtsmomente so genannte "Gefährder" präventiv zu verhaften. Dieses "legale Instrument" erinnert an die in Israel weitverbreitete Maßnahme, potentielle jugendliche palästinensische Steinewerfer oder andere Verdächtige in israelische Militärgefängnisse zu stecken, auch wenn sie nachweislich nichts "verbrochen" haben. Das ist doch einfach furchtbar und verletzt die Menschenrechte sowie viele internationale Konventionen wie z.B. die Kinderrechtskonvention.
Kürzlich haben Trump und Co behauptet, dass die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen rechtskonform mit Internationalem Völkerrecht sind. Das ist ungeheuerlich und zeigt die Verachtung für Internationales Recht. Es gab keinen Aufschrei, nur vereinzelt Protest. Kurz davor hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass Produkte aus den Siedlungen als solche gekennzeichnet werden müssen. Mir kommt es vor, als ob nach einem Leitfaden des Ministeriums für strategische Angelegenheiten vorgegangen wird, das zur Bekämpfung von BDS gegründet wurde und mit Millionen von Dollar diesen „Kampf“ führt.
Den Leitfaden bzw. die Strategien zur Bekämpfung von BDS beschreiben die israelischen Filmemacher Eyal Sivan und Armelle Laborie in ihrem Buch "Legitimer Protest". Darin geht es um die Durchsetzung neuer Formen der Unterdrückung von Meinungsfreiheit, die Einschränkung akademischer Freiheit durch Denunziation von Professoren und akademischem Lehrpersonal und letztendlich um die "Anpassung" des Völkerrechts, einschließlich des Kriegsrechts und der Menschenrechte (!):
„Seit Anfang des 21. Jahrhunderts nehmen die politischen EntscheidungsträgerInnen Israels, unterstützt von StrategInnen, JuristInnen und Forschenden, an einer globalen Offensive teil, um das Völkerrecht – insbesondere das Kriegsrecht und die Menschenrechte – den heutigen Realitäten der vom Terrorismus bedrohten liberalen Demokratien anzupassen.“
Die letzte Attacke von Netanjahu richtet sich gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Netanjahu wollte, dass alle zur Holocaust-Zeremonie eingeladenen führenden Politiker aus aller Welt eine gemeinsame Erklärung gegen den ICC abgeben und erklären, dass der ICC keine Gerichtsbarkeit über das besetzte palästinensische Gebiet hat. Das ist ein wirklicher Völkerrechtsbruch, aber ein weltweiter Aufschrei blieb aus. Ob Steinmeier unterschrieben hat, weiß ich nicht... Netanjahu geht jetzt noch weiter und verrät die Holocaust-Überlebenden, die "nie wieder" schworen, und fordert direkte Sanktionen gegen die Anwälte und Richter des ICC.
Zum Schluss möchte ich auf die warnenden Worte von Jeff Halper, Vorsitzender des israelischen Komitees gegen Häuserzerstörungen und Autor des wichtigen Buches "War against the People: Israel, the Palestinians and Global Pacification" (London 2015) hinweisen:
„Israel exportiert mehr als nur Waffen, Sicherheits- und Überwachungssysteme, Aufstandsbekämpfungs- und Antiterrorinstrumente, Modelle der Bevölkerungskontrolle oder Polizeitaktiken. Israel verkauft und wirbt für etwas, was viel weiter geht und viel gefährlicher ist: einen Sicherheitsstaat, der Sicherheit über alles andere stellt und der Demokratie und Menschenrechte in einer Welt des Terrors als 'liberalen Luxus' betrachtet (und dabei wird jeder Widerstand, ganz gleich, ob er sich gegen Unterdrückung oder gegen kapitalistische Ausbeutung richtet, schnell unter der Rubrik 'Terrorismus' eingeordnet).“
BDS ist für uns die einzige Möglichkeit des Protestes und ich wünsche der BDS-Bewegung große Erfolge!
Siehe auch:
Dem Kampf gegen Apartheid und Völkerrechtsbruch in den Rücken gefallen
Rassistische Querfront im Reichstag
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25936
Online-Flyer Nr. 734 vom 05.02.2020
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