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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Globales
Putsch in Mali
"An die Arbeit, Maliens!"
Von Georges Hallermayer

Die klassische revolutionäre Situation: die Oben können nicht mehr so, wie sie wollen, und die unten wollen nicht mehr so, wie sie müssten. Was hat Präsident Ibrahim Aboubacar Keita (IBK) seit seiner Wiederwahl 2018 nicht alles versucht. Der vom französischen Präsidenten abgekupferte „Soziale Dialog“ kam nicht zustande, aus dem eine Regierung der „nationalen Union“ gebildet werden sollte, die wiederum eine neue Verfassung nach US-Vorbild erlassen sollte. Die von SIPRI verfasste repräsentative Umfrage „Weißbuch der Zivilgesellschaft für Frieden und Sicherheit in Mali“, das Präsident Keita im Januar 2019 vorstellte, hätte er sich sparen können. Seitdem ist die Armut nicht weniger, das Heer der Arbeit Suchenden nicht kleiner, der Frieden nicht sicherer geworden.

Die manipulierten Parlamentswahlen im März brachten mit sich, dass sich die zersplitterte politische Opposition von Parteien und Basis-Initiativen mit der religiös motivierten unter dem Imam Mahmoud Dicko zusammenfand und eine Plattform schuf: die Bewegung M5-RFP. Sie klagten den Präsidenten an, ein Netz von Korruption und Nepotismus geschaffen zu haben. Als auch das Verfassungsgericht das Wahlergebnis in über 30 Wahlkreisen anzweifelte, wurde der Slogan „IBK degage“ (IBK hau ab) materielle Gewalt. Mit dieser Formel und einem 10-Punkte-Programm für eine Übergangsregierung ging seit dem 5. Juni M5-RFP auf die Straße. Die dritte Massendemonstration am 10. Juli versuchte die Regierung, mit militärischen Mitteln zu „befrieden“: Gas, Prügel und Schüsse – am Ende lagen elf Tote am Boden und über Hundert Verletzte in den Hospitälern.

La treve, die traditionell verordnete Friedenspause vor dem mohammedanischen Opferfest Ende Juli verschafften dem Präsidenten Zeit und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft CEDEAO-COMESA die Gelegenheit einzugreifen. Eine Delegation von Präsidenten der Nachbarländer versuchte unter Leitung von Goodluck Jonathan, des ehemaligen Präsidenten Nigerias, den Kopf ihres Kollegen zu retten. Mit der Drohung von Sanktionen auch personeller Art versuchten sie zum einen, die im Zweifel stehenden Abgeordneten (unter ihnen der Parlamentspräsident) zum Rücktritt zu bewegen – was fehlschlug - und zum zweiten, führenden Persönlichkeiten der Bewegung M5, vor allem Imam Mahmoud Dicko, einen Ministerposten schmackhaft zu machen, die in der neugebildeten Rumpf-Regierung freigehalten wurden. Doch auch dieser Versuch schlug fehl.

Die Bewegung M5 machte ihre Ankündigung wahr, die Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ im August verstärkt fortzusetzen. Wie am Samstag 15. August angekündigt, haben die national zusammengeschlossenen Lehrergewerkschaften beschlossen, alle Bildungseinrichtungen im gesamten Lande zu schließen, nicht nur Generalstreik, sondern auch ein Gewaltakt. Sie fühlten sich mit Versprechungen hingehalten, das Übereinkommen vom 15. Oktober 2016 zu erfüllen, wonach ihre Gehälter wie die des öffentlichen Dienstes erhöht würden. In Kati begannen sie den Tag damit, das Gymnasium zu schließen, danach die Akademie und das Lehrerfortbildungsinstitut.

Ist es ein Zufall, dass wie im Jahre 2012 in Kati an nächsten Morgen schwerbewaffnete Soldaten der FAMA, der auf ihren Pick-ups in die Kaserne einzogen und ihre Kameraden aufforderten, sich ihnen anzuschließen. Gegen Mittag, so wird berichtet, war auch der Generalstabschef der Armee unter der Kontrolle der Nationalgarde, die von dem 41jährigen Oberst Sadio Camara, dem ehemaligen Direktor der Militärakademie von Kati angeführt wird. In Kati wurden ebenso alle Minister der Rumpfregierung gefangen wie auch Moussa Diawara, der Chef der Staatssicherheit. Mit Ausnahme des Verteidigungsministers General Dahirou Dembé, der sich selbst ergeben sollte. Ist es ein Zufall, dass bereits am Montagmorgen der Wirtschafts- und Finanzminister Abdoulaye Daffé von Bewaffneten aus seinem Büro in Bamako entführt wurde? Präsident IBK, sein Sohn Karim und Premierminister Boubou Cisse seien in Hausarrest, wird gemeldet. Boubou Cissé gab eine Regierungserklärung ab und appellierte an den Patriotismus des Militärs und dass die Waffen schweigen mögen. „Mali Tribune“ schreibt, dass Oberst Sadio Camara von mehreren hohen Offizieren der Nationalgarde, der Gendarmerie National, der Polizei, der Armee und der Luftwaffe wie auch Paramilitärs unterstützt wurde. Im Januar 2019 wurde Oberst Sadio Camara zur Fortbildung nach Russland abgeordnet und kam erst vor 15 Tage nach Bamako, um Urlaub zu nehmen. Man darf sich nicht wundern, wenn das Spekulationen gebiert …

M5-RFP hatte für Dienstag eine Karawane organisiert, die bis zum Präsidentenpalast ziehen sollte. Sie änderten ihren Plan und beschlossen, auf dem Boulevard de l’Independance zu kampieren. Sie wollten eigentlich erst am Freitag an dem symbolträchtigen Platz eine große Manifestation veranstalten, entschieden sich nun, bis dahin den Boulevard zu besetzen. Erst Dutzende, dann Tausende füllten den Tag über den Boulevard. Omar Mariko, der Vorsitzende der marxistischen Partei SADI und einer der Führer von M5, hat dort aufgerufen, die Militärs zu unterstützen.

Die CEDEAO forderte das Militär auf, in ihre Kasernen zurückzukehren, „den Dialog zu bevorzugen, um die Krise zu lösen“. Der französische Außenminister Le Drian verurteilt diesen schweren Vorfall wie auch Peter Pham der US-Beauftragte für den Sahel, „sei es auf der Straße oder durch das Militär“, so „Voice of America am 18. August.

Mohamed Keita zitierte für die Deutsche Welle Etienne Fakaba Sissoko, den Direktor des „Forschungszentrums für politische, wirtschaftliche und soziale Analysen“, der mehrere Szenarien für möglich hält. Einen echten Militärputsch, aber er hält einen Riss im Militär zwischen „Loyalisten“ und „Putschisten“ für wahrscheinlicher. Er schätzt, dass die Konfusion eine Welle der Sympathie für das Regime entstehen lassen könnte.

Hohe Offiziere sind in Arrest. Lässt das nicht eher darauf schließen, dass die rebellierenden Militärs sie haftbar machen für die schleichende Abnabelung der nördlichen Provinzen. Die UNO beschuldigte letzten Freitag in ihrem noch unveröffentlichten Bericht Minister und hohe Militärs der Obstruktion des „Abkommens von Algier“.

Mali – wie weiter?. Wird die Bewegung M5 auf dem Land weiter Zulauf bekommen, werden nach den Lehrern andere Gruppen mobil? Was machen die Frauen? Wir werden sehen, wie sich das Kräfteverhältnis entwickelt, wer mit wem was verfolgt…


Mali im Übergang: ein Fünkchen Hoffnung

„IBK degage“, (IBK hau ab) der Rücktritt des Präsidenten bewegte alle Schichten der Bevölkerung. Der Filmemacher Cheick Oumar Sissoko fasste am 19. August in seinem „Offenen Brief an die Staatschefs der CDEAO“, der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, die politischen Verbrechen zusammen: Punkt 1: wiederholte Verletzung der Verfassung, Punkt 2: Landesverrat, indem er ohne Zustimmung des Parlaments ein Verteidigungsabkommen unterzeichnete, was restriktive Klauseln enthält und die Ausrüstung der Luftwaffe blockiert hätten. Punkt 3: Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte habe er versucht, korrupte Verwandte (sein Sohn Karim war Vorsitzender des Verteidigungsausschusses), die überteuerte und nicht funktionsfähige Ausrüstung beschafften, der Justiz zu entziehen. Punkt 4: IBK sei schuldig, mit der Antiterrortruppe FORSAT die friedlichen Demonstrationen unterdrückt zu haben, wobei 23 Tote und über Hundert Verletzte zu beklagen waren - nicht zu vergessen die zerstörten 400 Dörfer und fast 15.000 Opfer im Norden und im Zentrum des Landes.

Am Montag besetzten in Kati Lehrer mit Aktivisten der Bewegung M5-FRP das Gymnasium, die Akademie und das Institut für Lehrerfortbildung. Die M5-Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ waren in eine landesweite Blockade umgeschlagen. Die vereinigten Lehrergewerkschaften hatten am Samstag zuvor beschlossen, landesweit alle Bildungseinrichtungen zu schließen. Ein 2016 mit der Regierung abgeschlossenes Abkommen war ein leeres Versprechen geblieben.

Am Dienstag besetzten in Kati Militärs unter Führung des 41jährigen Oberst Sadio Camara, dem früheren Chef der Militärakademie in Kati, unblutig die Kaserne - höchste Zeit, um einem Ausbruch von „Anarchie“ zuvorzukommen. Präsident Ibrahim Aboubacar Keita, Premier Boubou Cissé wurden samt Regierung im Hausarrest isoliert. Verhaftet wurden auch Generalstabsoffiziere wie General Keba Sangare, jene, die in einem bislang unveröffentlichten Bericht der UNO eine Umsetzung des Abkommens von Algier 2015 hintertrieben hatten. 29 Personen waren am letzten Freitag noch in Gewahrsam. IBK trat mit seiner Regierung zurück, um blutige Auseinandersetzungen seiner Anhänger mit M5-Oppositionellen zu verhindern.

Die heterogene Bewegung M5-FRP feierte das Eingreifen der Militärs und bot ihre Zusammenarbeit an. Das militärische „Komitee zur Errettung des Volkes“ CNSP unter Führung von Oberst Assimi Goita veröffentlichte ein Sofortprogramm in 15 Punkten. Die wesentlichen Punkte: Das Militärkomitee beabsichtigt, ihre Macht an ein 24köpfiges Übergangs-Gremium aus allen Schichten der Bevölkerung abzutreten, in dem nur 6 Militärs vertreten sind. Aus ihrer Mitte werden ein Übergangspräsident und eine Übergangsregierung gewählt, die eine „road-map“ ausarbeitet. Der Übergang wird auf 9 Monate beschränkt. Zu den anstehenden Wahlen im April 2021 dürfen die Mitglieder dieses Übergangsgremiums und der Übergangsregierung nicht kandidieren und müssen ihre Vermögensverhältnisse vor und am Ende des Übergangs offenlegen. Eine Nationale Kommission zur Änderung der Verfassung wird eingesetzt.

Ein „Nationales Forum für Frieden und Zusammenhalt“ soll die Bedingungen ausarbeiten, um die Vereinbarung von 2015 für „Frieden und Versöhnung“ mit der separatistischen „Coordination des mouvements de l'Azawad“ umzusetzen und Sicherheit und Frieden im praktisch abgespalteten Norden und im zerrütteten Zentrum des Landes herzustellen. Vor allem wird mit den unterschiedlichsten islamistischen Gruppen, auch mit Al-Qaida zu sprechen sein. Die vor einem Jahr mit Russland abgeschlossene militärische Zusammenarbeit wird verstärkt. Die USA stellt ihre „Hilfe“ ein, aber bleibt präsent, auch für ihr Bemühen, mit Africom ins subsaharischen Afrika umzuziehen. Frankreich zieht eine „bittere Bilanz“ nach sieben Jahren wie Le Monde am 20. August leitartikelt. Ihre gesamte Strategie ist auf den Prüfstand zu stellen, so „Le Figaro“, wie auch das bedrohte internationale Gerüst von Barkhane, MINUSMA, G5-Sahel EUTM, die neue EU Taskforce Takuba. Ob dem estischen Kontingent das tschechische und schwedische folgen wird?

Wird die Operation „Seduction“ (Verführung) der Delegation der CEDAO am letzten Wochenende, wie Radio France International am 23. August schrieb, Wirkung zeigt? Die CEDEAO half nach, den Geldhahn ihrer Zentralbank BCEAO abzudrehen. Guinea und Cote d’Ivoire setzen sehr rigoros ein Embargo um. An malisch-ivorischen Grenzübergängen stauen sich bereits die Lastwagen seit Freitag. Die Grenze Guineas zu Mali wurde per Anweisung übers Radio geschlossen. In beiden Ländern stehen in diesem Jahr Wahlen an. Insbesondere in Cote d’Ivoire befürchtet man einen Dominoeffekt, dort stellte sich der 78jährige Alassane Ouattara im Oktober einer dritten Wahl. Die Grenzen zu Land, Wasser und Luft zu Mali sind geschlossen, die Finanzströme über Zentralbank und Geschäftsbanken gekappt. Senegal und Burkina Faso bevorzugen eine moderate Linie, eine Abschwächung der Sanktionen. Auf jeden Fall ist die CEDEAO nicht mit dem großen Knüppel gekommen.

Die Bevölkerung Malis wird gut daran tun, weder dem Militär einen Blankoscheck des Vertrauens zu geben noch der Übergangsregierung. Wie im Sudan wird es darauf ankommen, die heterogene Bewegung M5-RFP, in der sich auch reaktionäre Kräfte tummeln, in ihren progressiven Forderungen zu stärken, nicht nachzulassen, dafür auf die Straße zu gehen – damit aus dem Fünkchen Hoffnung ein Hoffnungsfunke wird…


Ein komischer Militärputsch: ohne Blutvergießen, ohne Staatsstreich & ohne Junta

Am Dienstag letzter Woche putschten hohe Offiziere und entmachteten den Generalstab der Streitkräfte und ihren Oberbefehlshaber, Staatspräsident Ibrahim Boubacar Keita (IBK). Nach ein paar Stunden war es vollbracht, von keinem Blutvergießen, keiner Folter wurde berichtet. Nach dem Evangelischen Pressedienst (epd) waren 17 Militärs und Regierungsmitglieder, insgesamt knapp dreißig Personen am Wochenende noch in Haft. Finanzminister Abdoulaye Daffé, am Montag verhaftet, und Staatssekretär Sabane Mahalmoudou wurden freigelassen. Präsident Keita wurde mit seinem Sohn Karim nach Bamako in Hausarrest überstellt. IBK konnte mit seinen Ex-Kollegen im Ausland telefonieren und – wie sich die Emissäre der CEDEAO, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, am Wochenende versichern konnten – mit seinen 75 Jahren bei bester Gesundheit und ärztlicher Obhut. Premierminister Boubo Cissé zog in seine bewachte Residenz.

Das am Mittwoch veröffentlichte Ad-hoc-Programm diskutierte das militärische „Komitees zur Errettung des Volkes“ (CNSP) am Donnerstag mit den Vertretern der politischen Parteien. Im Unterschied zu einem Staatsstreich sei IBK nicht abgesetzt worden, sondern zurückgetreten, „um Blutvergießen zu vermeiden“. Und wie Goodluck Jonathan, der Leiter der CEDEAO-Delegation gegenüber der Presse sagte, sei IBK nicht gezwungen worden. Außerdem habe das CNSP nicht „die Macht an sich gerissen“, sondern „allein den Willen des Volkes vollstreckt“, so Colonel Malick Diaw, Vizepräsident des Komitees. Deshalb sei der Übergang zum einen zeitlich auf neun Monate limitiert. Bis es eine neue Verfassung gibt, sollten alle staatlichen Einrichtungen weiterarbeiten.

Zum zweiten werde der Übergang nicht von einer Junta allein, sondern mit Vertretern des Volkes gemeinsam geschaffen. In einem 24köpfigem Übergangs-Parlament sollten nur sechs Militärs sitzen und einen Übergangspräsidenten und eine Regierung wählen, um dieses „gewaltige Vorhaben“ bewältigen, so Ismael Wagué, der CNSP-Vorsitzende im Interview mit Jeune Afrique am 21. August.

Die Bewegung M5-RFP, die die Militäraktion mit einer großen Manifestation am letzten Freitag feierte, hatte am 20. August eine „Charte de transition politique pour la reconstruction du MALI“, eine Charta des politischen Übergangs für den Wiederaufbau von Mali in 17 Punkten beschlossen6, eine Ergänzung des Sofortprogramms des SNCP. Danach ziele der politische Übergang auf die Entstehung einer IV. Republik mit einer neuen Verfassung, die rigorose Verwaltung des Staatsvermögens durch Bestrafung von Bestechungen und die rasche Lösung sozialer und multidimensionaler Krisen ab. Die Kürzung des Verwaltungshaushalts der staatlichen Institutionen (woraus wie hierzulande Seilschaften bedient werden), die Aufhebung der Immunität (Straffreiheit) von Parlamentarier und die Kürzung ihrer Diäten auf ein Drittel, die Auflösung des Geheimdienstes, der soziale Dialog, um die Forderungen der Gewerkschaften auf harmonische Weise zu lösen, bilden die ersten Punkte. Die Wiederherstellung der nationalen Souveränität, die Abwehr der Abspaltung des Nordens, steckt hinter dem knappen Punkt 15: „Der politische Übergang wird sich mit Fragen des Abkommens von Algier und den Problemen der Region Mopti und Kayes befassen,“ wie Professor Modibo Sidibé sagt, „um eine Balkanisierung zu verhindern.“

Der letzte Punkt umreißt knapp das Ziel: „17. Am Ende des politischen Übergangs wird Mali über eine institutionalisierte republikanische Armee verfügen, und Selbstverteidigungsgruppen werden verschwinden. Mali wird auch ein einziges Wahlmanagement-Gremium haben, ein von Mängeln bereinigtes Wahlregister, eine neue Verfassung, die die Macht des neuen Präsidenten erheblich schmälern und die Verwaltung von politischen Privilegien abkoppeln wird, die Bevölkerung wird quer durch eine neue Zivilgesellschaft in die Verwaltung des Landes einbezogen werden, und die politische Praxis wird Standards zur Verbesserung und Moralisierung des politischen Lebens respektieren. Die staatlichen Mittel werden gerecht verteilt.“

Da kann man nur sagen: „Au boulot, Maliens!“, an die Arbeit, Malier, wie C.H.Sylla am Sonntag in der zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung „L’Aube“ (Morgenröte) kommentierte.

Realismus und die Größe der Aufgabe wird die CNSP wohl bewogen haben, in den Verhandlungen mit der CEDEAO darauf zu bestehen, dass nach dem „Modell Sudan“ die Übergangszeit auf drei Jahre verlängert wird und dass der Übergangspräsident ein Militär sein soll9. Unter Führung des früheren Staatspräsidenten von Nigeria Goodluck Jonathan loteten die Emissäre der CEDEAO (englisch COMESA) am Wochenende aus, ob sie die sofort ergriffenen Sanktionen verschärfen oder aufheben sollten. Die CEDEAO ist in der Frage in sich gespalten. Die Präsidenten von Senegal Macky Sall und Burkina Faso Roch Marc Kabore sprachen sich moderat dafür aus, die Sanktionen abzuschwächen. Aber der auch in Paris gefürchtete Domino-Effekt, dass sich die Bevölkerung gegen ihre Herren erhebt und sich anschickt, die Macht in die eigenen Hände zu nehmen! Der Domino-Effekt und „Franceafrique“ im Hinterkopf mag die Präsidenten von Guinea Alpha Condé und insbesonders Alassane Ouattara von Cote d’Ivoire dazu treiben, die Sanktionen rigoros umzusetzen. Im Norden von Cote d’Ivoire stauen sich bereits die schwerbeladenen LKWs. Beiden Ländern stehen noch in diesem Jahr Wahlen ins Haus, aber Alassane Ouattare hat bereits „Feuer unterm Dach“. Und wie IBK mit FORSAT versucht er, durch Anti-Terror-Truppen die demonstrierenden Massen niederzuhalten. Der Präsident des kleinen Staates Guinea-Bissau Umaro Sissoco Embaló hielt ihnen auf der Videokonferenz den Spiegel vor: Wenn schon Sanktionen, dann müsse man auch die bestrafen, die (wie in Cote d’Ivoire und Guinea) ein drittes Mandat anstrebte. Der CEDEAO-Kommissionspräsident Jean-Claude Kassi Brou gab sich zwar am Sonntag optimistisch, alles zu einem positiven Ende bringen zu können. Auch die Bereitschaft, Präsident Keitas Hausarrest aufzuheben und ihn reisen zu lassen, mochte hierbei helfen. „Nichts ist entschieden über den Übergang, seine Dauer, seine Richtung und die Zusammensetzung der einzusetzenden Regierung“. Wie Ismail Wague, der CNSP-Sprecher am Montag Abend im Fernsehen erklärte, sei die CEDEAO-Delegation ohne Übereinkunft abgereist.

Auf einer Videokonferenz am Mittwoch werde das weitere Vorgehen diskutiert. Alassane Ouattara wird seine Position während seines Kurzurlaubs bei Macron kalibrieren und um Unterstützung für seine dritte Kandidatur buhlen. Der senegalesische Präsident Macky Sall wird selbst daran nicht teilnehmen können, denn er weilt am Mittwoch und Donnerstag in Paris, mit Emmanuel Macron eine lange Liste abzuarbeiten. Die Drittkandidaturen und Mali dürften ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Zuckerbrot und Peitsche - Paris besteht darauf, dass die Transition in Mali nur kurz sein und als Übergangspräsident kein Militär amtieren dürfe. Das Zuckerbrot wird wohl am Donnerstag auf dem Galadiner anlässlich der Sommeruniversität der MEDEF, des französischen Unternehmerverbands serviert. Finanzminister Abdoulaye Diallo und Mountaga Sy, der Direktor der malischen Agentur für Investitionsförderung und Großprojekte APIX werden sich um die Details kümmern.

Die Grenzen zu Land, Wasser und Luft bleiben also vorerst versperrt. Nicht ganz undurchlässig, wie am Wochenende ein Chemie-Transport aus dem Senegal zeigt. Ob sich die CEDEAO wie die EU zu politischer Größe und die Mali-Delegation zur imperialistischen TROIKA entwickelt? Ein Wirtschaftsembargo würde die malische Bevölkerung in eine noch größere Misere stürzen, auch wenn pharmazeutische Produkte, Treibstoff und Elektrizität ausgespart sind, wie Macky Sall am 20. August twitterte. Mali ist auf die Importe über die Häfen in Dakar (Senegal), Abidjan (Cote d’Ivoire) und Cotonou (Benin) angewiesen. Die CEDEAO-Länder würde nicht unbeschadet bleiben, nach dem senegalesischen Ökonom Elhadji Mounirou Ndiaye „eine Auto-Flagellation.“ Nach Angaben de Nationalen Statistikagentur Ansd gehen 20 Prozent der senegalesischen Exporte nach Mali. Die Embargomaßnahmen stoßen bereits in Niger auf erste Proteste angrenzender Gemeinden. Als Gegenreaktion sind alle Viehmärkte in Mali, von Kayes bis Mopti, für den Export geschlossen. In Yorosso im Süden Malis sind die Lebensmittelpreise deutlich gestiegen, für Mais und Sorgho um über ein Drittel. Der malische Staat, der ohnehin am Tropf westlicher Donatoren hängt, würde in ernste Zahlungsschwierigkeiten geraten, sollten die Mitgliedsstaaten der CEDEAO wie die Cote d’Ivoire ihren Zahlungsverkehr mit Mali einstellen. Ein beruhigendes Signal kommt aus Dakar, die Zentralbank BCEAO öffnet ihre Filialen in Bamako, Mopti und Sikasso wieder.

„Au boulot, Maliens!“ (An die Arbeit, Maliens!)


Der dreiteilige Artikel ist verfasst am 19., 23. und 25. August 2020

Online-Flyer Nr. 752  vom 26.08.2020

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