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Arbeit und Soziales
Langzeitstudie soll untersuchen, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Menschen auswirkt
Und noch ein Test
Von Harald Schauff
Im Frühjahr 2021 soll ein deutsches Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen starten. Wieder einmal. Anders als zuvor soll es dieses Mal streng wissenschaftlich begleitet werden. Zumindest klingt so der hehre Anspruch des Projektes. Mitinitiator ist neben dem Verein ‚Mein Grundeinkommen‘ nämlich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). 120 Menschen sollen drei Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen von monatlich 1200 Euro erhalten. Die Teilnehmer werden ausgewählt aus bis zu einer Million Bewerber/innen, die sich bis Ende August bewerben konnten. Die Studie wird nicht aus Staatsgeldern, sondern ausschließlich über private Spenden finanziert.
Das Neue Deutschland berichtete in seiner Online-Ausgabe vom 19.8 2020 über das Projekt. Im Untertitel hieß es: ‚Was ein bedingungsloses Grundeinkommen mit Menschen macht, wird jetzt erstmals genau untersucht.‘ Umkehrschluss: Alle bisherigen Untersuchungen und Projekte, und das sind so einige, waren zu ungenau oder nicht von unabhängiger Seite untersucht worden. Diese Position zieht sich als roter Faden durch den Bericht.
‚Als Forscher werden wir bemüht sein, das Vertrauen und Engagement aus der Zivilgesellschaft in wissenschaftliche Erkenntnis zu transformieren‘, wird Jürgen Schupp vom DIW zitiert. Auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts und der Kölner Universität sind beteiligt.
Jede Menge Expertise also, die Objektivität und Unvoreingenommenheit garantieren soll. An jener soll es beim Thema bislang gemangelt haben. Laut DIW-Forscher Schupp wurde die Idee bislang vor allem ideologisch diskutiert. Die neue Studie soll nun Aufschluss darüber geben, wie ein Grundeinkommen das Empfinden und Verhalten von Menschen verändert. Wie sich das Grundeinkommen auf Preise, Löhne und Mieten auswirkt, lässt sich mit dem Projekt jedoch nicht ermitteln.
Weltweit existieren bereits Studien zum Grundeinkommen. DIW-Forscher Schupp zufolge sind diese allerdings ‚entweder veraltet, nicht verallgemeinerbar oder untersuchen das Grundeinkommen nur für Erwerbslose.‘
Zum Glück kommt jetzt dank DIW & Co die erste wirklich aussagekräftige Untersuchung, soll glauben gemacht werden. Das erinnert ein wenig an den Klimaforscher Hans von Storch, der zweckoptimistisch verkündet hat, der Klimawandel sei für die Menschheit in Griff zu kriegen. Er hielt die menschengemachte globale Erwärmung als Tatsache erst ab Mitte der 90er Jahre für bestätigt, als sein Hamburger Institut entsprechende Forschungsergebnisse vorlegte. Mehrere Untersuchungen hatten den Klimawandel längst davor entdeckt, u.a. eine vom Ölkonzern Shell in Auftrag gegebene Metastudie Ende der 80er Jahre.
Wie oft und wie genau soll noch getestet werden, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung und Eigeninitiative fördert? Der am Projekt beteiligte Verein ‚Mein Grundeinkommen‘ weiß, wovon er spricht, wenn er feststellt, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde ‚Vertrauen, Sicherheit und Handlungsspielräume‘ schaffen. Anders als Hartz IV, welches das Gegenteil fördert, sprich ‚Desinformation, Existenzangst und Misstrauen‘.
Der Verein hat inzwischen über 650 zeitlich begrenzte Grundeinkommen verlost. Befragungen der Empfänger/innen ergaben, dass es ihnen mit dem Grundeinkommen besser ging. Sie lebten gesünder, verhielten sich sozialer, waren mutiger und weniger besorgt über ihre finanzielle Situation. Das deckt sich mit den Eindrücken anderer Grundeinkommensprojekte wie jenem in Otjivero/Namibia. Allerdings, so der Vorwurf von Kritikern, seien diese nur von Gruppen, Personen und Einrichtungen ausgewertet worden, die dem Grundeinkommen positiv gegenüber stehen und deshalb nicht als unabhängig gelten können.
Wer sich seit Jahrzehnten für das Konzept einsetzt, gilt von dieser Position aus als voreingenommen, befangen, ideologisch beeinträchtigt. Deswegen wird einem kein Glauben geschenkt. Selbst wenn man einschränkend darauf hinweist, dass das Grundeinkommen kein Allheilmittel zur Lösung aller gesellschaftlichen Probleme ist und es daneben weitere Anstrengungen und Umbaumaßnahmen in Bereichen wie Bildung und Gesundheit bedarf.
Das Test-Vorhaben im Frühjahr nährt ein wenig den Verdacht, dass gezielt nach Gründen gesucht wird, warum ein BGE den Menschen doch nicht weiterhilft. Es hat etwas von der berühmten Suche nach dem Haar in der Suppe.
Wie meinte dm-Gründer Götz Werner so treffend? Wer (das BGE) nicht will, wird Gründe finden. Und seien es ein paar Prozent, die sich mit dem Grundeinkommen zufrieden geben und sich nicht weiter betätigen. Das sind jedoch Ausnahmen, wie bisherige Studien und Projekte zeigen.
Eigentlich müssten jene bereits genügend Material geliefert haben, um eine Metastudie durchzuführen. Eine solche sollte mehr Aussagekraft besitzen als jede neue Studie. Die DIW-Forscher machen sich die Sache etwas leicht, frühere Projekte als veraltet oder nicht verallgemeinerbar abzutun.
Außerdem: Wer garantiert, dass ihr Test der ultimative ist? Niemand. Überzeugte Gegner des Grundeinkommens werden sich auch nicht von positiven Testergebnissen auf Grundlage vermeintlich ‚streng wissenschaftlicher Kriterien‘ umstimmen lassen.
Etwa Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der das Grundeinkommen für ‚unvernünftig‘ hält und darauf pocht, dass ‚Arbeit den Unterschied macht‘. Er und andere Verfechter der alten Erwerbsgesellschaft drehen seit Jahrzehnten die Endlosspirale derselben Argumente, wonach die Menschen mit einem BGE weniger bzw. gar nicht arbeiten würden und im Endeffekt auch unglücklicher wären.
Im Gegenzug wird die Erwerbsarbeit als Allheilmittel angepriesen. Zu dessen heilender wie sinnstiftender Wirkung dürfen auch schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne in Kauf genommen werden. Hauptsache Arbeit, auch wenn sie zunächst einmal keine ‚gute‘ ist. Doch auch die von Gewerkschaftsvertretern so bezeichnete ‚gute Arbeit‘ besteht aus jeder Menge ungutem Druck und Zwang.
Druck wirkt sich auf Betroffene psychisch und geistig nachteilig aus, wie Forscher vom Max-Planck-Institut, das am Projekt im Frühjahr mitbeteiligt ist, festgestellt haben. Er führt zum ‚Verlust von kognitiven Ressourcen‘. Menschen besinnen sich unter Druck eher auf Bekanntes und suchen weniger nach neuen Informationen. Druck fördert also den Tunnelblick. Tunnelblicker neigen dazu, sich mit ihresgleichen zu umgeben. Ergebnis: Der Blick bleibt im Tunnel. Mit einem Grundeinkommen könnten die Menschen im Kopf freier werden. Genau das soll der Test herausfinden. Also das, was frühere Tests im Grunde längst bestätigt haben.
Was wäre die Alternative zum BGE? Weiterwurschteln wie bisher und auf die Illusion der Vollbeschäftigung setzen? Darauf, dass die Gewerkschaften alles über Tarifverträge ‚erkämpfen‘, also in langwierigem Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite bei Kaffee, Kuchen und belegten Brötchen. Ein seit Jahrzehnten bewährtes Konzept. Hat es Armut und Ungleichheit verhindert?
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Oktober 2020, erschienen.
Online-Flyer Nr. 755 vom 23.10.2020
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Langzeitstudie soll untersuchen, wie sich ein bedingungsloses Grundeinkommen auf Menschen auswirkt
Und noch ein Test
Von Harald Schauff
Im Frühjahr 2021 soll ein deutsches Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen starten. Wieder einmal. Anders als zuvor soll es dieses Mal streng wissenschaftlich begleitet werden. Zumindest klingt so der hehre Anspruch des Projektes. Mitinitiator ist neben dem Verein ‚Mein Grundeinkommen‘ nämlich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). 120 Menschen sollen drei Jahre lang ein bedingungsloses Grundeinkommen von monatlich 1200 Euro erhalten. Die Teilnehmer werden ausgewählt aus bis zu einer Million Bewerber/innen, die sich bis Ende August bewerben konnten. Die Studie wird nicht aus Staatsgeldern, sondern ausschließlich über private Spenden finanziert.
Das Neue Deutschland berichtete in seiner Online-Ausgabe vom 19.8 2020 über das Projekt. Im Untertitel hieß es: ‚Was ein bedingungsloses Grundeinkommen mit Menschen macht, wird jetzt erstmals genau untersucht.‘ Umkehrschluss: Alle bisherigen Untersuchungen und Projekte, und das sind so einige, waren zu ungenau oder nicht von unabhängiger Seite untersucht worden. Diese Position zieht sich als roter Faden durch den Bericht.
‚Als Forscher werden wir bemüht sein, das Vertrauen und Engagement aus der Zivilgesellschaft in wissenschaftliche Erkenntnis zu transformieren‘, wird Jürgen Schupp vom DIW zitiert. Auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts und der Kölner Universität sind beteiligt.
Jede Menge Expertise also, die Objektivität und Unvoreingenommenheit garantieren soll. An jener soll es beim Thema bislang gemangelt haben. Laut DIW-Forscher Schupp wurde die Idee bislang vor allem ideologisch diskutiert. Die neue Studie soll nun Aufschluss darüber geben, wie ein Grundeinkommen das Empfinden und Verhalten von Menschen verändert. Wie sich das Grundeinkommen auf Preise, Löhne und Mieten auswirkt, lässt sich mit dem Projekt jedoch nicht ermitteln.
Weltweit existieren bereits Studien zum Grundeinkommen. DIW-Forscher Schupp zufolge sind diese allerdings ‚entweder veraltet, nicht verallgemeinerbar oder untersuchen das Grundeinkommen nur für Erwerbslose.‘
Zum Glück kommt jetzt dank DIW & Co die erste wirklich aussagekräftige Untersuchung, soll glauben gemacht werden. Das erinnert ein wenig an den Klimaforscher Hans von Storch, der zweckoptimistisch verkündet hat, der Klimawandel sei für die Menschheit in Griff zu kriegen. Er hielt die menschengemachte globale Erwärmung als Tatsache erst ab Mitte der 90er Jahre für bestätigt, als sein Hamburger Institut entsprechende Forschungsergebnisse vorlegte. Mehrere Untersuchungen hatten den Klimawandel längst davor entdeckt, u.a. eine vom Ölkonzern Shell in Auftrag gegebene Metastudie Ende der 80er Jahre.
Wie oft und wie genau soll noch getestet werden, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen Selbstbewusstsein, Eigenverantwortung und Eigeninitiative fördert? Der am Projekt beteiligte Verein ‚Mein Grundeinkommen‘ weiß, wovon er spricht, wenn er feststellt, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde ‚Vertrauen, Sicherheit und Handlungsspielräume‘ schaffen. Anders als Hartz IV, welches das Gegenteil fördert, sprich ‚Desinformation, Existenzangst und Misstrauen‘.
Der Verein hat inzwischen über 650 zeitlich begrenzte Grundeinkommen verlost. Befragungen der Empfänger/innen ergaben, dass es ihnen mit dem Grundeinkommen besser ging. Sie lebten gesünder, verhielten sich sozialer, waren mutiger und weniger besorgt über ihre finanzielle Situation. Das deckt sich mit den Eindrücken anderer Grundeinkommensprojekte wie jenem in Otjivero/Namibia. Allerdings, so der Vorwurf von Kritikern, seien diese nur von Gruppen, Personen und Einrichtungen ausgewertet worden, die dem Grundeinkommen positiv gegenüber stehen und deshalb nicht als unabhängig gelten können.
Wer sich seit Jahrzehnten für das Konzept einsetzt, gilt von dieser Position aus als voreingenommen, befangen, ideologisch beeinträchtigt. Deswegen wird einem kein Glauben geschenkt. Selbst wenn man einschränkend darauf hinweist, dass das Grundeinkommen kein Allheilmittel zur Lösung aller gesellschaftlichen Probleme ist und es daneben weitere Anstrengungen und Umbaumaßnahmen in Bereichen wie Bildung und Gesundheit bedarf.
Das Test-Vorhaben im Frühjahr nährt ein wenig den Verdacht, dass gezielt nach Gründen gesucht wird, warum ein BGE den Menschen doch nicht weiterhilft. Es hat etwas von der berühmten Suche nach dem Haar in der Suppe.
Wie meinte dm-Gründer Götz Werner so treffend? Wer (das BGE) nicht will, wird Gründe finden. Und seien es ein paar Prozent, die sich mit dem Grundeinkommen zufrieden geben und sich nicht weiter betätigen. Das sind jedoch Ausnahmen, wie bisherige Studien und Projekte zeigen.
Eigentlich müssten jene bereits genügend Material geliefert haben, um eine Metastudie durchzuführen. Eine solche sollte mehr Aussagekraft besitzen als jede neue Studie. Die DIW-Forscher machen sich die Sache etwas leicht, frühere Projekte als veraltet oder nicht verallgemeinerbar abzutun.
Außerdem: Wer garantiert, dass ihr Test der ultimative ist? Niemand. Überzeugte Gegner des Grundeinkommens werden sich auch nicht von positiven Testergebnissen auf Grundlage vermeintlich ‚streng wissenschaftlicher Kriterien‘ umstimmen lassen.
Etwa Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der das Grundeinkommen für ‚unvernünftig‘ hält und darauf pocht, dass ‚Arbeit den Unterschied macht‘. Er und andere Verfechter der alten Erwerbsgesellschaft drehen seit Jahrzehnten die Endlosspirale derselben Argumente, wonach die Menschen mit einem BGE weniger bzw. gar nicht arbeiten würden und im Endeffekt auch unglücklicher wären.
Im Gegenzug wird die Erwerbsarbeit als Allheilmittel angepriesen. Zu dessen heilender wie sinnstiftender Wirkung dürfen auch schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne in Kauf genommen werden. Hauptsache Arbeit, auch wenn sie zunächst einmal keine ‚gute‘ ist. Doch auch die von Gewerkschaftsvertretern so bezeichnete ‚gute Arbeit‘ besteht aus jeder Menge ungutem Druck und Zwang.
Druck wirkt sich auf Betroffene psychisch und geistig nachteilig aus, wie Forscher vom Max-Planck-Institut, das am Projekt im Frühjahr mitbeteiligt ist, festgestellt haben. Er führt zum ‚Verlust von kognitiven Ressourcen‘. Menschen besinnen sich unter Druck eher auf Bekanntes und suchen weniger nach neuen Informationen. Druck fördert also den Tunnelblick. Tunnelblicker neigen dazu, sich mit ihresgleichen zu umgeben. Ergebnis: Der Blick bleibt im Tunnel. Mit einem Grundeinkommen könnten die Menschen im Kopf freier werden. Genau das soll der Test herausfinden. Also das, was frühere Tests im Grunde längst bestätigt haben.
Was wäre die Alternative zum BGE? Weiterwurschteln wie bisher und auf die Illusion der Vollbeschäftigung setzen? Darauf, dass die Gewerkschaften alles über Tarifverträge ‚erkämpfen‘, also in langwierigem Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite bei Kaffee, Kuchen und belegten Brötchen. Ein seit Jahrzehnten bewährtes Konzept. Hat es Armut und Ungleichheit verhindert?
Harald Schauff ist Redakteur der Kölner Obdachlosen- und Straßenzeitung "Querkopf". Sein Artikel ist im "Querkopf", Ausgabe Oktober 2020, erschienen.
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