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Globales
Konferenz "Souveränität der Staaten und Völkerrecht", Bern, Schweiz, 10.10.2020
Eine Perspektive aus Kuba
Von Abel Prieto - übersetzt von Andrea Duffour

Im Ankündigungstext zur Konferenz mit Teilnehmerinnen aus Syrien, Kuba, Frankreich und der Schweiz heißt es: "Die Charta der Vereinten Nationen misst dem Frieden und der 'souveränen Gleichheit aller Mitgliedstaaten' oberste Priorität bei. Am Ende des «Kalten Kriegs» bestand für einen kurzen Moment die Hoffnung, die Nationen kämen diesen Zielen näher. Angeführt von den USA schätzte der Westen die neue, mit dem Ende der UdSSR und dem Warschauer Pakt eingeleitete Periode falsch ein. Er glaubte, seine 'Werte' –hinter denen sich de facto seine Interessen verstecken –, mit Gewalt durchsetzen zu müssen. Im Namen der 'Menschenrechte' vervielfachte er in Jugoslawien, im Iran, im Mittleren Osten, in Afghanistan und Libyen «humanitäre Kriege». Geltendes Völkerrecht blieb außen vor. Donald Trumps Präsidentschaft stand ursprünglich im Zeichen des Endes der durch die USA geführten Kriege. In Wirklichkeit machten klassische Militärinterventionen vermehrt verdeckten Einmischungen Platz. 'Sanktionen', Embargos, 'hybride Kriege', Stellvertreterkriege und Erpressung charakterisieren die Beziehungen zu Russland, China, Iran und anderen. Mehr oder weniger freiwillig folgt die Europäische Union den Wünschen der USA, oft gegen ihre eigenen Interessen. Das Kolloquium befasst sich mit der Bedeutung der Souveränität und erläutert sie am Beispiel dreier Länder, deren Souveränität heute verletzt wird: Kuba, Venezuela und Syrien. Welche Gründe und Formen haben die Aggressionen? Welche Auswirkungen haben sie auf die Völker? Wie verteidigen sich diese Länder? Und wie finden wir zum internationalen Recht zurück?" (1) In diesem Kontext sprach Prof. Abel Prieto, Schriftsteller und Poet, Präsident von "Casa de las Américas", kubanischer Kulturminister 1997–2012 und 2016–2018. Seine Rede ist - in deutscher Übersetzung von Andrea Duffour - nachfolgend wiedergegeben.


Screenshot aus Video der Rede von Abel Prieto

Ich möchte die Organisatorinnen und Organisatoren dieser Veranstaltung, die Freundinnen und Freunde der Vereinigungen Schweiz-Kuba und Alba-Schweiz und andere Mitglieder der internationalen und kubanischen Solidaritätsbewegungen in diesem Land sowie unseren Ambassadeur von ganzem Herzen begrüßen. Eine ganz feste Umarmung aus Havanna.

Bei einem Ereignis wie diesem müssen wir zunächst daran denken, dass die Vereinten Nationen ihr 75-jähriges Bestehen feiern, eines der Hauptthemen dieses Kongresses. Die neue Organisation wurde unter den Nachwirkungen der Katastrophe der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Barbarei, des Holocausts, des Horrors des Faschismus gegründet und es waren genau diese Grundprinzipen, die garantieren sollten, dass sich eine solche Tragödie nie wieder ereignet. In ihrer Gründungscharta wird vorgeschlagen, auf den Aufbau eines universellen, friedlichen, sicheren Systems hinzuarbeiten, basierend auf gegenseitigem Respekt und auf dem Multilateralismus. Sie wurde auf der Grundlage des Gleichheitsprinzips, der Souveränität aller ihrer Mitglieder geboren, unabhängig davon, ob sie groß und mächtig oder klein und ressourcenschwach sind, damit alle gleichberechtigt an der neuen Organisation Einfluss haben und teilnehmen konnten.

Zu den grundlegenden Zielen gehörten die Aufrechterhaltung des Friedens und die internationale Sicherheit, die Ablehnung des Einsatzes von Bedrohung und Gewalt und die Beilegung von Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln zu erreichen, die Förderung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen auf der Grundlage der Achtung der Selbstbestimmung der Völker, zur Förderung der Zusammenarbeit bei der Lösung von internationalen Problemen verschiedenster Arten und zur Verteidigung der grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten.

Wenn man das so liest, wird man sich bewusst, wie schön und nobel, diese Utopie war. Aber in Anbetracht der Ereignisse dieser letzten Jahre, heute, an ihrem 75. Geburtstag, sieht die Organisation der Vereinten Nationen die Säulen, auf denen sie gegründet wurde, wiederholt verraten.

Die größte Hegemonialmacht, die Vereinigten Staaten von Nordamerika, ist verantwortlich für die eklatante und arrogante Untergrabung aller Grundlagen der Organisation. Jegliche Notion des Multilateralismus wurde ignoriert. Sie hat schon und wiederholt ständig Drohungen, Einschüchterungen und unilaterale Sanktionen gegen andere Länder. Das Verhalten ihrer Regierung, insbesondere der Administration Trump, schließt jegliche Idee aus, die mit der Achtung der Souveränität und der Zusammenarbeit zu tun haben. Seine Sprecher benutzen ein primitives und beschämendes Vokabular, das man in einem alten Western finden könnte: diese Leute kommen in die Taverne, fordern einen Whisky und zücken ihre Pistolen. Sie sehen, was ich meine, es ist dieser erbärmliche Stil, der die Wortführer dieses sich im Zerfall befindendem Imperiums charakterisiert.

Die Sprache des Faschismus, hassgeladen, voller Intoleranz, Rassismus, und in ihrer messianischen Überlegenheit, scheint im Diskurs dieses sich im Zerfall befindenden Imperiums wieder aufzuleben. Die Sprache, die wir in den Mündern Mussolinis, Hitlers, der großen Ikonen des Faschismus während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren davor gehört hatten, ist heute auf die eine oder andere Weise in den Reden der Sprecher dieses Yankee-Imperiums präsent.

Und wie wir wissen, ist der Faschismus nicht nur an der regierenden Spitze der USA anzutreffen, hat er sich weit darüber hinaus in anderen Regionen der Welt gefährlich verbreitet. Sie wissen, dass Sie viel besser als ich informiert sind, was in Europa geschieht. Er breitet sich in allen Regionen der Welt aus. Dazu kommt das beschleunigte Wettrüsten. Es war etwas, wovon die Vereinten Nationen vor 75 Jahren träumten, sie dachten, sie könnten es stoppen. Im Gegenteil, das Wettrüsten hat sich beschleunigt, nach dem Vorbild der kriegführenden US-Regierung, verantwortlich für 38 Prozent der weltweiten Militärausgaben.

Diese Supermacht, die alle Gründungsprinzipien der Vereinten Nationen hinwegfegt, hat, wie wir wissen, auch wichtige Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen aufgegeben. Ebenso löste sich Washington von der UNESCO ab und nahm an deren gemeinsamen Anstrengungen zur Verteidigung wesentlicher Werte der Kultur, Bildung und Wissenschaft nicht mehr teil, dies inmitten einer entwürdigten und aus allen Blickwinkeln erniedrigten Welt.

Die USA zogen sich ebenfalls aus dem Pariser Abkommen zum Klimawandel zurück. Das ist ein Skandal, denn dieses Land ist einer der Hauptverschmutzer, einer der Haupträuber der Umwelt. Sicher ist dieser Vertrag an sich unzureichend, wir wissen, dass er nicht alle wirklich dringenden Probleme löst, die gelöst werden müssten, um die Verschlechterung der Umwelt zu stoppen, aber er stellt einen bedeutenden Fortschritt dar in einer Schlacht, die, wie Fidel 1992 sagte, wenn wir sie verlieren, zur Ausrottung der menschlichen Spezies führen kann.

Neuerdings, angesichts der neuen Coronavirus-Pandemie, hat die Trump Verwaltung - anstatt die Weltgesundheitsorganisation bei der Bekämpfung der Krankheit durch internationale Zusammenarbeit zu unterstützen, deren Führungskräfte angegriffen und den Austritt seines Landes angekündigt. Es ist ein weiteres Symptom dafür, wie dieser wahre Feind der Menschheit handelt. Nicht nur ein Feind Kubas, nicht nur ein Feind Venezuelas, nicht nur ein Feind der Länder, die es auf die so genannte Liste der Achse des Bösen gesetzt hat, sondern ein Feind der Menschheit, ein Feind des Planeten, ein Feind der Welt.

Wie unser Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla vor der UNO ankündigte: "Es scheint, dass (die US-Regierung) im Krieg mit dem Planeten ist, mit seinen lebenswichtigen Ressourcen und mit seinen Bewohnern." So scheint es effektiv zu sein.

Natürlich stellen die Vereinigten Staaten nur die sichtbare Spitze eines ganzen gescheiterten Systems dar. Die Nachwirkungen des Neoliberalismus haben eine danteske Landschaft hinterlassen, insbesondere in den ärmeren Ländern und Sektoren. Es sind dies extreme Ungleichheit, Massenarbeitslosigkeit, Ausgrenzung, fehlender Zugang zur Grundversorgung und eine unkontrollierte Migration in den Norden aufgrund von Hunger, Kriegen oder aus anderen Gründen.

Das Anwachsen faschistischer Tendenzen ist also nur eine weitere Folge der neoliberalen Krise. Und Fidel hatte dies, wie ich mich erinnere, in Madrid zur Zeit des iberoamerikanischen Gipfels 1992 prophezeit. In diesem Moment der neoliberalen Euphorie war die Berliner Mauer gefallen, der Sowjetblock zusammengebrochen. Plötzlich würde der Markt, als Synonym für Freiheit, in dieser Welt herrschen, und Fidel sagte: Diese Welt, in der Markt herrschen wird, wird eine unregierbare Welt werden. Und wir sehen, so ist es tatsächlich gekommen.

In der UN-Vollversammlung selbst sagte unser Präsident Díaz-Canel:
    Etwas ganz Besonderes und Tiefgreifendes ist gescheitert, wenn man täglich zusehen muss, wie die Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen missachtet werden, wie Gebrauch oder die Androhung des Gebrauchs von Gewalt in den internationalen Beziehungen immer häufiger wird. Wir können nicht länger eine ungleiche, ungerechte und undemokratische internationale Ordnung als etwas Natürliches und Unbewegliches unterstützen, eine Ordnung, die den Egoismus vor die Solidarität und die schäbigen Interessen einer mächtigen Minderheit über die legitimen Hoffnungen von Millionen von Menschen stellt.“
Und er hat hinzugefügt:
    „Heute sind wir traurige Zeugen der Katastrophe, zu der die Welt durch die irrationale und nicht-nachhaltige kapitalistische Produktions- und Konsumgesellschaft gekommen ist. Jahrzehnte einer ungerechten Weltordnung und die Anwendung eines brutalen und zügellosen Neoliberalismus, der die Ungleichheiten verschärft und das Recht auf Entwicklung der Völker geopfert hat.
Kuba hat - wie Sie, die mit uns solidarisch sind und uns unterstützen, wissen - einen ganz anderen Weg als die katastrophalen neoliberalen Doktrinen gewählt. 1959 hörte es auf, eine Yankee-Kolonie zu sein und machte sich daran, eine freie souveräne Gesellschaft aufzubauen, die die Bedürfnisse und die Rechte der Menschen ins Zentrum seiner Aspirationen gestellt hat. Kuba missachtete die geopolitischen Gesetze, die es zur Unterordnung unter das Imperium verurteilt hat, und musste für diese Entscheidung einen hohen Preis bezahlen.

In derselben Rede bezog sich Präsident Díaz-Canel im Detail auf die rücksichtslose Verschärfung der Blockade der USA und der Trump Administration, ich zitiere wieder:
    "Die Intensität der Blockade ist zu einem qualitativ neuen Niveau eskaliert, was unsere Wirtschaft und die Entwicklung unseres Landes um ein Mehrfaches behindert. (...) Es vergeht keine Woche, ohne dass diese Regierung irgendwelche Erklärungen gegen Kuba oder uns neue Sanktionen auferlegt".
Und es vergeht effektiv keine Woche ohne neue Drohungen, nicht nur Drohungen, auch neue Restriktionen.

Die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade wurde offiziell am 3. Februar 1962 von Präsident Kennedy gegen Kuba proklamiert. Die dadurch verursachten Schäden während dieser fast sechs Jahrzehnten werden auf über 900 Milliarden Dollar geschätzt. Allein im Jahr 2019 verwendete Trump ganze 82 neue Maßnahmen, um Kuba zu isolieren und zu erdrosseln.

Um die Effizienz der Blockade zu gewährleisten, beeinflusst Washington das gesamte internationale Bankwesen, behindert die Gewährung von Krediten und jeglichen anderen Typen von Geschäftsbeziehungen mit Kuba; übt Druck aus auf die Lieferanten wichtiger Produkte für die Insel (einschließlich medizinischer Instrumente, Arznei und Lebensmittel); bedroht und bestraft seine ausländischen Handelspartner; sanktioniert Schiffgesellschaften, die kubanische Häfen anlaufen; verfolgt diejenigen, die Treibstoff transportieren; verbietet kommerzielle Flüge; verhindert die Ankunft von Touristen und Kreuzfahrtschiffen an unseren Küsten; limitiert kulturelle, akademische und andere professionelle Besuche; schränkt die Möglichkeiten ein, Überweisungen zu erhalten, unter trifft andere Maßnahmen, die die gesamte kubanische Bevölkerung erheblich beeinträchtigen.

Die Genfer Konvention von 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermords und das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs definieren Völkermord als die vorsätzliche Unterwerfung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe unter Lebensbedingungen, die darauf ausgerichtet sind, ihre physische Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.

Das Römer Statut selbst beschreibt das Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Handlungen, die vorsätzlich großes Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit von Personen, wenn diese als Teil eines weitverbreiteten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung begangen wurden.

Die illegale und unmoralische US-Blockade gegen Kuba wird eingestuft als Völkermord und als Verbrechen gegen die Menschheit [und nicht Menschlichkeit, wie das fälschlicherweise auf Deutsch übersetzt wird - A.d.Ü.]

Zu allem Überfluss, das wissen wir alle, verspottet Washington unbestraft das Mehrheitsvotum der letzten 27 konsekutiven Abstimmungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die seit 1992 das grausame Verbrechen dieser Agressionen gegen Kuba ununterbrochen verurteilt haben. Diese Abstimmungen haben absolut keinen Einfluss auf diese Leute.
 
Den plumpen Grund, den das Imperium zur Rechtfertigung seiner Aggressionen gegenüber unserer Insel angibt, ist wie Sie alle wissen, immer der Vorwand des ewig manipulierten Themas der Menschenrechte. Der Hauptverletzer dieser Rechte, das Land, das die Folter legalisiert hat, Eroberungskriege mit schrecklichen Folgen führt, Todesschwadronen und außergerichtliche Hinrichtungen, Staatsstreiche und perverse Verschwörungen wie die Operation Condor finanziert hat, ein Land, das irrationale Massaker auf seinem eigenen Territorium zulässt und dessen rassistische Polizei ungestraft unbewaffnete Bürger tötet, bezeichnet sich selbst als Champion und Richter in dieser Angelegenheit.

Kuba garantiert ausnahmslos all seinen Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Leben, Gesundheit, Bildung, Arbeit, sowie eine echte und nicht nur formelle Beteiligung am politischen Leben. Die jüngste kubanische Verfassung - mit der gesamten Bevölkerung diskutiert und von einer überwältigenden Mehrheit angenommen - vereint die Bürgerrechte mit Sorgfalt und beispielhafter Gründlichkeit.

Auf der anderen Seite haben wir die Zunahme der imperialistischen Angriffspolitik gegen unser Volk und dies mitten in der Schlacht gegen das neue Coronavirus. Das starke Gesundheitssystem und das wissenschaftliche Potenzial von Kuba hat es geschafft - trotz der Blockade und der wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie - auf seinem eigenen Territorium die Ausbreitung der Krankheit zu bremsen und gleichzeitig 39 anderen Ländern und Gebieten bei dieser sehr komplexen und riskanten Aufgabe zu Hilfe zu kommen.

Während Trump in seinem Land die Zahl der Infektionen und Todesfälle ansteigen sieht, zwischen Lügen, Widersprüchen und Vogel -Strauß Politik seine Wissenschaftler diskreditiert, dem Volk empfiehlt, sich Bleichmittel einspritzen zu lassen und versucht, die Schuld für seine Verantwortungslosigkeit und Nachlässigkeit auf andere zu schieben, leistet Kuba ein unbestreitbares und moralisches Engagement, welches die Supermacht in den Wahnsinn treibt, so dass sie uns bestraft, angreift und verleumdet. Es ist grotesk zu sehen, wie hohe Beamte der Regierung der Vereinigten Staaten und die zu ihren Diensten stehende Medienmaschine zusammen mit ihren unterwürfig ergebenen Vasallen unsere GesundheitsexpertInnen mit Beleidigungen und Lügen über ihre Arbeit in den Schmutz zu ziehen versuchen. Sie greifen genau die Leute an, die unsere Prinzipien der internationalen Solidarität und Zusammenarbeit vertreten, Prinzipien, die die einzige Chance für die Menschheit darstellen, diese aktuelle Tragödie zu überwinden.

Washington ging sogar so weit, auf demütigende Weise der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation eine Bewertung ihrer Rolle im Programm Mehr Ärzte aufzuzwingen, und dies ohne jegliches Mandat der Mitgliedstaaten. Dieses Programm Mehr Ärzte war eine Initiative der brasilianischen Arbeiterpartei, der kubanischen Regierung und der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung breiteren Sektoren des brasilianischen Volkes zu garantieren, die im Allgemeinen nicht über öffentliche Gesundheitsdienste verfügten. Auf Deutsch gesagt, mit der Haltung von Bolsonaro, dieses Programm zu boykottieren und abzubrechen, unsere Ärzte verbal zu attackieren, haben viele Menschen in Brasilien diese Unterstützung für ihre Gesundheit und ihr Leben wieder verloren.

Washington ging noch weiter: Es hat sich offen an Verantwortliche und Staatschefs von unserem Amerika gewandt, die beabsichtigt hatten, Abkommen der Zusammenarbeit mit Kuba im Gesundheitsbereich zu schließen und hat sie auf primitivste Weise erpresst. Das alles hat nichts mehr mit Diplomatie zu tun. Alles hier ist brutal und barbarisch.

Washington hat neuerdings auch einen Spezialfonds von drei Millionen US$ einzig und allein zur Bezahlung von Anschuldigungen gegen die medizinische kubanische Solidaritätszusammenarbeit geschaffen, um die Verleumdungsmaschine zu füttern. Doch trotz diesem schrecklichen Spektakel ist Kuba in die Exekutive der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation gewählt worden. Mit anderen Worten, das Ansehen Kubas ist diesem Strom der Infamie überlegen.

Das System der Vereinten Nationen muss gerettet werden und zivilisierte Beziehungen zwischen den Staaten gefordert werden - einzige Garantie zum Überleben der menschlichen Spezies auf unserem Planeten. Gleichzeitig müssen wir endlich dem alten Postulat nach einer wirklichen und wirksamen Demokratisierung der UNO nachkommen. Das war schon eine Obsession von Fidel. Fidel hat immer wieder insistiert dass die Vereinten Nationen demokratisiert werden müssen um wirklich die Interessen der Menschheit vertreten zu können.

Der Faschismus hat jetzt Atomwaffen. Sie beschäftigen konventionelle Armeen und private Söldnerunternehmen. Rechnen Sie darüber hinaus mit einer Maschinerie der Manipulation des Verhaltens von unglaublicher Effizienz, die in sozialen Netzwerken perverse und ausgetüftelte Instrumente der Manipulation gebraucht mit der sittenwidrigen Verwendung persönlicher Daten von Bürgerinnen und Bürgern.

Heute werden Wahlprozesse beeinflusst, indem man die "Profile" von potenziellen Wählerinnen und Wählern klassifiziert und absichtliche (und differenzierte) Meldungen entsendet, die bestimmte Staatsmänner mit komplett erfundenen und ad nauseam wiederholten Verleumdungen dämonisieren, und andere Kandidaten lobpreisen, als wären sie von Gott zur Rettung gesendet. Sie schaffen ein stark polarisiertes Klima wo falsche Nachrichten und Hassbotschaften gedeihen und zivilisierte Debatten von Ideen verunmöglicht werden. Diese subtilen und raffinierten Methoden der Manipulation untergraben heute die elementarsten Grundlagen zur Ausübung der Demokratie.

Angesichts des Wiederauflebens des Faschismus müssen sich alle ehrlichen Menschen dieser Welt vereinigen, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit und ganz speziell diejenigen, die den täglichen Völkermord nicht akzeptieren und Ungerechtigkeit nicht als etwas Normales und Unvermeidliches empfinden; diejenigen, die sich weigern in einer Kapsel des Egoismus zu leben und die Augen zu verschließen vor der Hilflosigkeit der Mehrheit; diejenigen, die wissen, dass ihnen niemand aufgrund seiner Hautfarbe oder seiner sexuellen Vorlieben, seiner religiösen Überzeugungen oder aus irgendeinem anderen Grund unterlegen ist; diejenigen, die den Frieden lieben und den Krieg, das Gesetz des Stärkeren und den selbstmörderischen Wettlauf zur Klimakatastrophe ablehnen.

Tatsache ist, dass es in allen Regionen der Erde Kerne von antiimperialistischem, anti-neoliberalem, antifaschistischem Widerstand gibt, gebildet von ArbeiterInnen, Studenten, ProfessorInnen, Lehrern, AktivistInnen und Veranstalterinnen und Förderern von Gemeinschaftsprojekten. Aber sie sind verstreut, zersplittert. Es fehlt ihnen Verbindung zueinander, unentbehrlich um Meinungen und Ideen austauschen und sich auf gemeinsame Aktionen einigen zu können.

Unter den gegenwärtigen Umständen müssen wir alles Erdenkliche unternehmen, um uns kennen zu lernen, miteinander auszutauschen, uns miteinander zu vernetzen, uns zu vereinen. Wir haben den Faschismus zu stoppen!

Paradoxerweise hat uns die Pandemie sehr bittere und gleichzeitig hoffnungversprechende Lektionen erteilt. Seine wichtigste Lektion könnte man mit dem sehr klaren Gedanken zusammenfassen, dass das Virus uns die Essenz des neoliberalen Modells offenbart hat.

Die hegemoniale Informations- und Kulturindustrie hat immer funktioniert, um uns glauben zu machen, dass dieses System der einzige "natürlich" vorstellbare Weg sei, das wirtschaftliche und soziale Leben zu organisieren. Man hat uns tagtäglich wiederholt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Und das so erfolgreich, dass sogar die Opfer des Systems sich selbst die Schuld an ihrem eigenen Unglück geben und nicht in der Lage sind, dies zu hinterfragen.

Das neue Coronavirus hat (den Neoliberalismus) splitternackt entblößt. Es hat tiefe Brüche in diese kulturelle Trugvorstellung hineingerissen. Es verursachte auch eine echte Explosion auf dem Gebiet des sozialen Denkens. Wir haben, wie selten zuvor, eine Lawine/Menge von sehr ernsthaften Fragen über die Ursachen dieser so düsteren Situation beobachtet, Fragen über ihre Folgen und auch Fragen über die Zukunft nach der Pandemie.

Für den argentinischen Politologen Atilio Borón sollten wir an eine Zukunft mit mehr Staat und weniger Markt denken, die Privatisierung des öffentlichen Gesundheitswesens und der wichtigsten Gesundheitsdienstleister vehement zurückweisen und auf Fidels Reflexionen zurückgreifen, um Antworten finden.
 
Durch all diese harten Jahre ist es eine Gewohnheit der Kubanerinnen und Kubaner (und nicht nur unseres Volkes) geworden: uns immer wieder an Fidels Reservoir an Klarheit, Integrität und Moral zu stärken.

Ein anderer Argentinier, der Journalist Carlos Aznárez, empfiehlt, ich zitiere:
    "...wenn Schwierigkeiten uns plagen, wenn wir glauben, dass uns die Kraft ausgeht, wenn es uns manchmal an Antworten (...) in diesen Momenten der Dunkelheit und des Unbehagens fehlt, dann gehen wir zurück zu Fidel, zu seinen Ideen, seiner Ethik, seiner Kühnheit, seinem Mut, zu seiner revolutionären Logik, und lassen uns von ihm inspiriert wieder auf den richtigen Weg leiten in dem wunderbaren Abenteuer, den Himmel erstürmen zu wollen."
Und genau mit einem Zitat von Fidel, in Havanna im Januar 2003, am 150. Jahrestag von José Martis Geburtstag, werde ich meine Intervention zu dieser Veranstaltung beenden. Als die Teilnehmer ihn fragten: „Was tun?“, gab Fidel nur eine Empfehlung:
    Wenn ich es wage, den illustren hier vereinten Besucherinnen und Besuchern auch nur irgend etwas vorzuschlagen, ich zitiere, wäre es das, was ich sehe, das Sie meines Erachtens bereits tun. Auf die Gefahr hin, Sie zu ermüden, möchte ich jedoch wiederholen und bekräftigen: angesichts der hochentwickelten und zerstörerischen Waffen, mit denen sie uns einschüchtern und einer wirtschaftlichen und sozial ungerechten, irrationalen und unhaltbare Weltordnung, der sie uns unterwerfen wollen: Ideen säen! Ideen säen! Und Ideen säen; Bewusstsein säen! "Bewusstsein säen! Und Bewusstsein säen!"
  Vielen Dank.


Fußnoten:

1 http://www.albasuiza.org/wp-content/uploads/2020/09/Flyer_changement.pdf

Online-Flyer Nr. 756  vom 04.11.2020

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