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Globales
Ein aufschlussreiches historisches Detail zum Antisemitismus-Vorwurf gegen die BDS-Bewegung: Auch die Zionisten benutzten Boykott gegen die Araber als Kampfmittel
Wer im Glashaus sitzt…
Von Arn Strohmeyer
Israel und die Anhänger dieses Staates gehen weltweit mit allen Mitteln und auch mit sehr viel Geld gegen die BDS-Bewegung (Boykott, Sanktionen und De-Investment) vor und bezichtigen sie des Antisemitismus. Der Deutsche Bundestag hat dieser israelischen Kampagne mit ihrem Beschluss vom 17. Mai 2019 sogar ihren parlamentarischen Segen gegeben. Seitdem gilt in Deutschland: Wer BDS öffentlich verteidigt oder sogar vertritt, ist ein Antisemit. Da muss man dann über den Inhalt von BDS gar nicht mehr sprechen: Dass hier die Palästinenser – völlig im Einklang mit dem Völkerrecht und vielen UNO-Resolutionen – das Ende der Besatzung und die Einlösung ihres Rechts auf Selbstbestimmung fordern. Es ist immer das alte Lied: Wenden die Palästinenser Gewalt an, um ihre berechtigten Ziele zu erreichen, ist es Terrorismus; wollen sie mit dem friedlichen Mittel des Boykotts zum Ziel kommen (wie BDS) ist es „Antisemitismus“.
Es ist in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich, dass die Zionisten in Palästina vor der Staatsgründung mit demselben Mittel des Boykotts gegen die Araber vorgegangen sind. Sehr früh schon hatten die Zionisten im Kampf um die Macht dort die Prinzipien der „jüdischen Ware“ und der „jüdischen Arbeit“ eingeführt. Das heißt: Sie förderten nur die Produktion der jüdischen Wirtschaft und riefen dazu auf, nur jüdische Produkte zu kaufen und arabische Produkte zu boykottieren. Durch diese Maßnahmen sollte der arabisch-palästinensische Markt geschwächt werden. Der forcierte Aufbau einer rein jüdischen Infrastruktur verfolgte das Ziel, die Trennung zwischen arabischer und jüdischer Gemeinschaft in Palästina zu verstärken und einen rein jüdischen Wirtschaftssektor aufzubauen.
Der israelische Historiker Tom Segev erläutert in seinem Buch Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels (München 2005), wie die Zionisten dabei vorgingen: „Die Zionisten riefen dazu auf, nur noch Produkte zu kaufen, die das Qualitätssiegel ‚Made in Palestine‘ trugen, worunter sie Erzeugnisse verstanden, die von jüdischen Bauernhöfen oder aus jüdischen Fabriken stammten. Mitte der dreißiger Jahre wurde in Tel Aviv die Vereinigung palästinensischer Produkte gegründet, aber der Name war irreführend, denn der Vereinigung ging es nicht um die Förderrung palästinensischer, sondern ausschließlich jüdischer Produkte.
Die neue Organisation diente dem Versuch, die Menschen in ihrem täglichen Leben zu nationaler Loyalität zu zwingen. ‚Jeder Mann und jede Frau im Jischuw [der vorstaatlichen zionistischen Gesellschaft in Palästina] hat die Pflicht, sich ungeachtet der Parteizugehörigkeit an dieser wichtigen Aufgabe zu beteiligen, deren Ziel die Stärkung der [jüdischen[ Wirtschaft und die Schwächung der Feinde unserer Wiedergeburt ist‘, hieß es in einer öffentlichen Erklärung. Die Vereinigung, die sich bald in Vereinigung der Produktloyalisten umbenannte, machte den Kauf landwirtschaftlicher und industrieller Erzeugnisse aus jüdischer Produktion fast zu einem ‚Gebot‘.
Freiwillige der Organisation patrouillierten über die Märkte und bedrohten gelegentlich Händler, die arabische Waren verkauften. ‚Verräter‘ wurden öffentlich angeprangert, ihre Geschäfte mit Graffiti kenntlich gemacht. Manchmal zertrümmerten die Produktloyalisten sogar Schaufensterscheiben. Zwar erregten sie auch Kritik – ihnen wurde vorgeworfen, Gangstermethoden zu benutzen und Tel Aviv zu einem zweiten Chicago zu machen – doch sie wurden zumeist als patriotische Pioniere gerühmt. Der Herausgeber der Kinderzeitung Dawar LeJeladim ermutigte seine jungen Leser, keine ausländischen Erzeugnisse zu essen, selbst wenn dies erfordere, sich ihren Müttern zu widersetzen. ‚Bittet Eure Mütter, nur Produkte der hebräischen Wirtschaft zu kaufen.‘“
Auch die zur gleichen Zeit in Palästina aktive zionistische Gesellschaft zur Einführung der hebräischen Sprache appellierte: „Wir sollten die Öffentlichkeit dazu aufrufen, keine in Palästina produzierten Waren zu kaufen, wenn sie nicht ein hebräisches Etikett, eine hebräische Verpackung oder eine hebräische Aufschrift haben.“ Die Zionisten behaupteten auch die Überlegenheit ihrer Waren. Segev schreibt: „Damals war es um den Bau einer Seifenfabrik gegangen, obwohl in Nablus bereits Seife produziert wurde. Haaretz veröffentlichte dann Werbung für örtlich produzierte Seife aus reinem Olivenöl, ‚frei von arabischen Zusätzen und von besserer Qualität als die Seife von Nablus.‘“
Der Diffamierung der BDS-Bewegung als „antisemitisch“ muss man also das Etikett der Heuchelei und der Doppelmoral anhängen – gemäß der alten Volksweisheit: Wer im Glashaus sitzt…
Online-Flyer Nr. 757 vom 23.11.2020
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Ein aufschlussreiches historisches Detail zum Antisemitismus-Vorwurf gegen die BDS-Bewegung: Auch die Zionisten benutzten Boykott gegen die Araber als Kampfmittel
Wer im Glashaus sitzt…
Von Arn Strohmeyer
Israel und die Anhänger dieses Staates gehen weltweit mit allen Mitteln und auch mit sehr viel Geld gegen die BDS-Bewegung (Boykott, Sanktionen und De-Investment) vor und bezichtigen sie des Antisemitismus. Der Deutsche Bundestag hat dieser israelischen Kampagne mit ihrem Beschluss vom 17. Mai 2019 sogar ihren parlamentarischen Segen gegeben. Seitdem gilt in Deutschland: Wer BDS öffentlich verteidigt oder sogar vertritt, ist ein Antisemit. Da muss man dann über den Inhalt von BDS gar nicht mehr sprechen: Dass hier die Palästinenser – völlig im Einklang mit dem Völkerrecht und vielen UNO-Resolutionen – das Ende der Besatzung und die Einlösung ihres Rechts auf Selbstbestimmung fordern. Es ist immer das alte Lied: Wenden die Palästinenser Gewalt an, um ihre berechtigten Ziele zu erreichen, ist es Terrorismus; wollen sie mit dem friedlichen Mittel des Boykotts zum Ziel kommen (wie BDS) ist es „Antisemitismus“.
Es ist in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich, dass die Zionisten in Palästina vor der Staatsgründung mit demselben Mittel des Boykotts gegen die Araber vorgegangen sind. Sehr früh schon hatten die Zionisten im Kampf um die Macht dort die Prinzipien der „jüdischen Ware“ und der „jüdischen Arbeit“ eingeführt. Das heißt: Sie förderten nur die Produktion der jüdischen Wirtschaft und riefen dazu auf, nur jüdische Produkte zu kaufen und arabische Produkte zu boykottieren. Durch diese Maßnahmen sollte der arabisch-palästinensische Markt geschwächt werden. Der forcierte Aufbau einer rein jüdischen Infrastruktur verfolgte das Ziel, die Trennung zwischen arabischer und jüdischer Gemeinschaft in Palästina zu verstärken und einen rein jüdischen Wirtschaftssektor aufzubauen.
Der israelische Historiker Tom Segev erläutert in seinem Buch Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels (München 2005), wie die Zionisten dabei vorgingen: „Die Zionisten riefen dazu auf, nur noch Produkte zu kaufen, die das Qualitätssiegel ‚Made in Palestine‘ trugen, worunter sie Erzeugnisse verstanden, die von jüdischen Bauernhöfen oder aus jüdischen Fabriken stammten. Mitte der dreißiger Jahre wurde in Tel Aviv die Vereinigung palästinensischer Produkte gegründet, aber der Name war irreführend, denn der Vereinigung ging es nicht um die Förderrung palästinensischer, sondern ausschließlich jüdischer Produkte.
Die neue Organisation diente dem Versuch, die Menschen in ihrem täglichen Leben zu nationaler Loyalität zu zwingen. ‚Jeder Mann und jede Frau im Jischuw [der vorstaatlichen zionistischen Gesellschaft in Palästina] hat die Pflicht, sich ungeachtet der Parteizugehörigkeit an dieser wichtigen Aufgabe zu beteiligen, deren Ziel die Stärkung der [jüdischen[ Wirtschaft und die Schwächung der Feinde unserer Wiedergeburt ist‘, hieß es in einer öffentlichen Erklärung. Die Vereinigung, die sich bald in Vereinigung der Produktloyalisten umbenannte, machte den Kauf landwirtschaftlicher und industrieller Erzeugnisse aus jüdischer Produktion fast zu einem ‚Gebot‘.
Freiwillige der Organisation patrouillierten über die Märkte und bedrohten gelegentlich Händler, die arabische Waren verkauften. ‚Verräter‘ wurden öffentlich angeprangert, ihre Geschäfte mit Graffiti kenntlich gemacht. Manchmal zertrümmerten die Produktloyalisten sogar Schaufensterscheiben. Zwar erregten sie auch Kritik – ihnen wurde vorgeworfen, Gangstermethoden zu benutzen und Tel Aviv zu einem zweiten Chicago zu machen – doch sie wurden zumeist als patriotische Pioniere gerühmt. Der Herausgeber der Kinderzeitung Dawar LeJeladim ermutigte seine jungen Leser, keine ausländischen Erzeugnisse zu essen, selbst wenn dies erfordere, sich ihren Müttern zu widersetzen. ‚Bittet Eure Mütter, nur Produkte der hebräischen Wirtschaft zu kaufen.‘“
Auch die zur gleichen Zeit in Palästina aktive zionistische Gesellschaft zur Einführung der hebräischen Sprache appellierte: „Wir sollten die Öffentlichkeit dazu aufrufen, keine in Palästina produzierten Waren zu kaufen, wenn sie nicht ein hebräisches Etikett, eine hebräische Verpackung oder eine hebräische Aufschrift haben.“ Die Zionisten behaupteten auch die Überlegenheit ihrer Waren. Segev schreibt: „Damals war es um den Bau einer Seifenfabrik gegangen, obwohl in Nablus bereits Seife produziert wurde. Haaretz veröffentlichte dann Werbung für örtlich produzierte Seife aus reinem Olivenöl, ‚frei von arabischen Zusätzen und von besserer Qualität als die Seife von Nablus.‘“
Der Diffamierung der BDS-Bewegung als „antisemitisch“ muss man also das Etikett der Heuchelei und der Doppelmoral anhängen – gemäß der alten Volksweisheit: Wer im Glashaus sitzt…
Online-Flyer Nr. 757 vom 23.11.2020
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