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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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WANTED - Julian Assange, ein Leben
Folge 1: MIT DER MILCH DES NONKONFORMISMUS
Von Delphine Noels (Belgium4Assange) in Zusammenarbeit mit Marc Molitor, Pascale Vielle und Bogdan Zamfir - ins Deutsche übersetzt von Claudia Daseking

Ab Ende Oktober 2021 geht es in London wieder um den Antrag der USA auf Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Am 27. Oktober 2021 wird das Berufungsgericht zum ersten Mal tagen. Die Zeit bis dahin begleitet die NRhZ mit einem CountDown von 34 Folgen über das Leben von Julian Assange. Sie wiederholt damit den Countdown von Belgium4Assange, der zum 4. Januar 2021 führte, als die britische Justiz ihr Urteil im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange in der ersten Instanz gesprochen hatte. Belgium4Assange schrieb dazu: "Was steht bei diesem Prozess auf dem Spiel? Inwiefern betrifft uns das persönlich? Schwierig, hierzu klare Vorstellungen zu haben, da so viele Falschmeldungen und Desinformationen kursieren... Tag für Tag zeichnen wir seinen Weg voller Überraschungen und Enthüllungen nach und richten den Blick auf die näheren Umstände einer der fundamentalsten Kämpfe unserer Zeit." (Auf der website pour.press auf Französisch nachzulesen). Hier jetzt Folge 1:


Julian Assange wird am 3. Juli 1971 in Townsville an der Nordwestküste Australiens geboren. Seine Eltern, Christine Hawkins und John Shipton, haben sich auf einer Anti-Vietnamkriegsdemo kennengelernt. Es war eine Zeit, in der die Australier besonders politisiert waren und sich gegen Atomwaffen und gegen den Vietnamkrieg engagierten und Julian sagte später, dass diese Atmosphäre von politischem Engagement seine Kindheit geprägt und beeinflusst hätten. Wenn er über den Ursprung seiner politischen Einstellungen befragt wird, nennt er auch den Charakter seiner Mutter, die Malerin war und die eine Abneigung hatte, zu tun man von ihr erwartete. Er bestätigt, mit der Milch des Nonkonformismus aufgezogen worden zu sein.

Seine Eltern trennten sich kurz nach seiner Geburt. Julian wuchs bei seiner Mutter auf und sollte seinen Vater erst wieder treffen, als er 25 war. Die erste Station seines Lebens war Magnetic Island, eine Insel in der Nähe von Townsville in North Queensland. Julian sagte, in seiner Erinnerung hat es nichts über seinem Kopf gegeben als weiter blauer Himmel.



Julian ist knapp 2 Jahre alt, als seine Mutter mit Brett Assange zusammenkommt, der sein Stiefvater wird. Brett ist Musiker. Er hat eine kleine Wanderbühne. Und das Leben der kleinen Familie wird nomadisch. Sie fahren kreuz und quer durch Australien. Julian, der von Bienen fasziniert ist, nimmt sein Bienenvolk von Ort zu Ort mit. Die Figur der Biene, die mit ihresgleichen im Bienenstock zusammenlebt und zusammen arbeitet, wird später bei seinen politischen Begriffsbildungen eine Rolle spielen. Er wird eine Analogie herstellen zwischen den Bienen, die im Dienste ihres Volkes wirken und den anonymen Hackern, die dies für das Wohl der Gesellschaft tun.

Julian mochte die Schule nicht, und seine Reisen führten dazu, dass er die Schule andauernd wechselte. Seine Lehrzeit, die machte er woanders: Indem er auf Entdeckungstouren ging in den Orten, durch die er kam, in dem er alles Gerät, das ihm in die Hände kam, auseinandernahm und wieder zusammenbaute, indem er seine Eltern über alles ausfragte. Seine Mutter erzählte, dass Julians erste Wort „Warum?“ war. Aber vor allem, sagt er, was er aus der Zeit in Erinnerung behalten hat, ist „dass Wandel möglich ist“. Er war dabei, als Bürgerinitiativen gewannen (besonders gegen massiven Fang von Thunfisch), was ihn lehrte, dass Regeln dazu da sind, „to be broken“, um gebrochen zu werden. Und so kommt es, dass Julian anfängt zu denken, dass das Unmögliche nur solange besteht, bis die Vorstellungskraft eine Lösung findet, um das Alte über den Haufen zu werfen.

Julians Mutter trennt sich dann von Brett, als Julian neun ist. Sie beginnt eine Beziehung mit Leif Meynell; diese Liebesgeschichte geht jedoch schlecht aus. Ihre Trennung ist heftig und Leif lässt sie danach nicht in Ruhe und jagt durch ganz Australien hinter ihr her. Das Nomadenleben geht wieder los, aber dieses Mal, um der Rache eines Mannes zu entkommen. Julian wird später sagen, diese düstere Zeit habe ihn initiiert in die Kämpfe mit den dunklen Seiten der Menschheit.

Im Rückblick auf seine Kindheit erinnert sich Julian oft an ein Ereignis, das ihn geprägt hat: Den Brand seines Zuhauses. Er erklärt, dass es weniger der Brand an sich war, was ihn traumatisiert hat, sondern eher die Reaktion der Erwachsenen, die dabei waren. Die Passivität der Leute zu sehen, die zusahen, wie die Flammen ihr Haus zerstörten, ohne was zu tun, ohne was auch immer zu versuchen, um die Lage zu verbessern, verblüfften ihn. Später schrieb Julian: Jedes Mal, wenn wir Zeuge einer Ungerechtigkeit sind und nicht handeln, gewöhnen wir uns daran, passiv zu sein und verlieren die Fähigkeit, uns zu verteidigen. In einer modernen Wirtschaft ist es unmöglich, sich vor Ungerechtigkeit in Sicherheit zu bringen.... Da wir ja nur ein Leben haben, führen wir es doch wie ein mutiges Abenteuer, das alle unsere Fähigkeiten anspricht (…). Menschen in der Blüte ihres Lebens sind in der Pflicht, wenn sie Überzeugungen haben, für diese zu kämpfen.“


Quellen:

Underground, Juliette Dreyfus & Julian Assange, Canongate Books Ltd, 2012
Lien online: https://wikispooks.com/wiki/File:Underground.pdf
The most dangerous man in the world, Andrew Fowler, Skyhorse Publishing, 2011
The unauthorized autobiography, Julian Assange, Canongate Books Ltd, 2011


Link zu Folge 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27665


Siehe auch:

In einer Zeit, in der unter dem Deckmantel der Gesundheitsvorsorge eine ungeahnte digitale Überwachungsstruktur etabliert wird, fehlt WikiLeaks
Julian Assange: dem kommenden Überwachungsregime trotzen!
Von Erich Sturm
NRhZ 777 vom 22.09.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27648

Online-Flyer Nr. 777  vom 22.09.2021

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