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Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen zum Buch "Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet" von Mats Schönauer und Moritz Tschermak
Mediale Volksverhetzung
Von Evelyn Hecht-Galinski

Meinen aktuellen Hochblauen-Kommentar möchte ich als Zusammenfassung meiner Rezension des Buches "Ohne Rücksicht auf Verluste“ – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet" von Mats Schönauer und Moritz Tschermak sowie meinen Gedanken zu BILD und medialer Volksverhetzung sehen. Mich hat das Buch sehr beeindruckt und es schließt genau die Lücke, die in der BILD-Betrachtung bisher fehlte. Beginnen möchte ich aus aktuellem Anlass mit dem Nachwort dieses Buchs. Die kritischen Anmerkungen von Kevin Kühnert, dem gewählten SPD-Generalsekretär, gegen dieses Blatt, sind mehr als unglaubwürdig. Wurde nicht gerade Kühnert wieder einmal zitiert, weil man sich seinem „philosemitischen Pathos“ so verbunden fühlt? Diesen Einwand kann ich mir nicht verkneifen – auch angesichts der Tatsache, dass bei uns zu Hause die BILD-Zeitung, weder im Alltag noch im Urlaub jemals gekauft oder gelesen wurde, was sich bei mir bis heute verinnerlicht hat. Dieses – wie ich die BILD-Zeitung immer bezeichne – „Krebsgeschwür“ der deutschen Medienlandschaft oder diese – wie ein guter Freund immer schreibt – „Presstituierte“ ist der giftigste Spaltpilz, den es auf dem deutschen Markt gibt. So war es eigentlich überfällig, dass Max Schönauer und Moritz Tschernak die Idee zu ihrem Buch hatten. Es ist von der Einleitung bis Kapitel 14 außerordentlich gelungen und scharfsinnig geschrieben. (bild.de)

Unseriöses Krawallorgan der Nation

Schließlich ist BILD das unseriöse Krawallorgan der Nation und schreckt vor keiner Geschmacklosigkeit zurück, die Quote bringen könnte, denn diese sinkt stetig und hat zwar einen Tiefpunkt, zählt aber trotzdem mit 1,1 Millionen verkaufter Exemplare, europaweit immer noch zu den größten Zeitungen. Auch die beängstigende hohe Digitalquote ist unfassbar. BILD zählt zu den größten News-Portalen Deutschlands, was kein positives Zeichen hinsichtlich der Internet-Information bedeutet und auf einen erschreckenden Niedergang der Bildung und Kultur hinweist.

Die Autoren beschreiben diese Umstände – die Feindbilder oder feindlichen Lieblingsobjekte ganz nach „Springerischen Weltsicht“. Alles Linke ist schon einmal Feind, während USA und gewisse politische Favoriten – mehrheitlich rechts – gelobt werden. Allerdings sollte sich keiner der Gelobten allzu sicher sein, nicht demnächst auf der Abschussliste zu stehen, wenn er nicht mehr in das BILD-Schema passt. Viele Prominente und Politiker mussten das schon „schmerzlich“ erleben – als Quittung für ihre „mediale Geilheit“, sich bei BILD anzubiedern.

Wenn Politiker noch dazu Gastkommentare verfassen dürfen, dann ist für viele dieser Selbstdarsteller das Optimum erreicht. Ich frage mich allerdings, wie es kommt, dass sich führende Politiker und Funktionsträger immer wieder bemüßigt fühlen, sich per BILD zu äußern – angefangen vom Bundespräsidenten bis hin zur Kanzlerin usw. Das ist mehr als kritikwürdig und trägt wohl kaum zur Glaubwürdigkeit bei.

Einer Demokratie unwürdig

Sonntag für Sonntag kommt quasi als „Wort zum Sonntag“ durch die BILD-Bibel eine neue Politiker-Predigt. Es scheint, als fungiert BILD als Nachrichtenagentur. Wozu also dpa, wo es doch BILD gibt. Das erscheint mir – mit Verlaub – einer Demokratie und ihrer Vertreter unwürdig.

Wie die Autoren die fragwürdigen Methoden sezieren, ist beeindruckend. Wie sie die Unwahrheiten gewisser Macher beschreiben, ist sehr informativ und öffnet jedem Leser die Augen und sollte zum Umdenken führen, so dass sich niemand mehr verleiten lässt, auf dieses Blatt hereinzufallen.

Gefährlicher sind allerdings die Punkte, wenn ganz nach „Springer Ritus“ der Kalte Krieg forciert und vor Sympathien für Atomwaffen nicht zurückgeschreckt wird. Da wird es brandgefährlich. Gerade der „geschasste“ Chefredakteur Julian Reichelt war ein „Meister“ dieses Metiers. Was allerdings ohne die wohlwollende Unterstützung durch Vorstandschef Döpfner so sicher nicht machbar gewesen wäre. Döpfner, der sich selbst einmal als „christlichen Zionisten“ bezeichnete, wurde vor kurzer Zeit als Präsident des Verbandes der Zeitungsverleger bestätigt, was in meinen Augen eine unverzeihliche Fehlentscheidung ist  Bei Reichelts Rauswurf soll es um Kokain und Sex mit Mitarbeiterinnen gegangen sein. Der Chefredakteur soll sich immer wieder an junge Kolleginnen herangemacht haben. (deutschlandfunknova.de)

Meister der Propaganda in Deutschland

Zitieren möchte ich eine hervorragende Stellungnahme der Badischen Zeitung, die sich von Döpfner distanzierte, nachdem dieser eine private SMS geschrieben hatte, Julian Reichelt sei „wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre, die meisten anderen Journalisten seien zu „Propaganda-Assistenten“ geworden. Daraufhin distanzierte sich die BZ von Döpfner, der eine freie und kritische Berichterstattung in Zweifel zieht. (badische-zeitung.de)

Besonders brisant erscheint mir auch Döpfners Aussage, dass die meisten anderen Journalisten zu „Propaganda-Journalisten“ geworden seien. Das sagt gerade der „Meister der Propaganda in Deutschland“ – der Mann, dessen „Worte man nicht auf die Goldwaage legen sollte“. (n-tv.de)

Ekelhafte, zerstörerische Hetz-Kampagnen

Kommen wir zu besonders ekelhaften Beispielen und zerstörerischen Hetz-Kampagnen. Ein besonders häufiger Gastkommentator in BILD ist der „deutsche Patriot“ und „Stahlhelmjude“ Michael Wolffsohn, dessen besonderes „Lieblingshassobjekt“ Muslime sind, deren „Antisemitismus er für den gefährlichsten hält, wie er in der NZZ schon 2018 warnte. 2019 hetzte er gegen die BDS-Entscheidung und begrüßte er den anstehenden BDS-Bundestagsbeschluss. (bild.de). BILD scheute sich nicht zu fragen, ob „Black Lives Matter ein Antisemitismus Problem“ habe (bild.de). BILD stellte die „Fridays for Future“-Ikone Greta Thunberg als „Judenhasserin“ dar und rückte die ganze FfF-Bewegung in die antisemitische Ecke, vor der Eltern ihre Kinder warnen sollten (spiegel.de) (bild.de)

Im vergangenen November war die kommende grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth das Hassobjekt. Weil sie es vernünftiger Weise abgelehnt hatte, den Bundestags-BDS-Beschluss von 2019, den die meisten Grünen unterschrieben hatten, zuzustimmen, weil sie es ablehnte, BDS pauschal als antisemitisch zu bezeichnen (Anmerkung: BDS ist überhaupt nicht antisemitisch!) In dem BILD-Hetz-Artikel wird ihr unterstellt, dem deutschen Kulturbetrieb, in dem Feindschaft gegen die USA und Israel zum guten Ton gehört, näher zu stehen als ihre Vorgängerin der CDU, Monika Grütters. Ebenso „kritikwürdig“, dass sie dem „Massenmörder“ Allreza Sheikh Attar lachend ein High-Five klatschte. Diese Volksverhetzung gegen diesen Mann, den mein Mann und ich persönlich in seiner Residenz besuchten, den wir schätzten und mit dem wir uns austauschten, ist so perfide und ist eine Fortführung der ständigen Anti-Iran Propaganda im Dienst der Israel-Unterstützer. (bild.de) (bild.de)

BILD gegen BDS

Als sich auch deutsche Künstler, Museen und Theater hinter die BDS-Bewegung stellten und forderten, diesen unsäglichen BDS-Beschluss des Bundestags rückgängig zu machen, erschien sofort ein ekelhafter BILD-Artikel gegen den Kulturbetrieb mit der polemischen Fake Behauptung „Nähe der BDS-Bewegung zu Nazi-Hetzkampagne“. (bild.de) (bild.de)

Nach einer beispiellosen Diffamierungskampagne der BILD gegen die WDR-Journalistin und Ärztin Nemi El-Hassan beendete der WDR die Zusammenarbeit mit ihr – ein mehr als armseliges Bild des WDR und seines Intendanten Tom Burow. (bild.de) Glücklicher Weise stand das ZDF hinter ihr und beschäftigte sie weiter. (bild.de)

Aktuell läuft eine neue BILD-Hetz-Kampagne gegen die Deutsche Welle und Mitarbeiter der arabischen Auslandsredaktion, nachdem die Süddeutsche Zeitung über Antisemitismus-Vorwürfe berichtet hatte. Zudem wurde noch der jordanische „Anti-Israel“ „Roya TV“, als unverhohlen gegen den „jüdischen Staat“ hetzend verunglimpft. Allerdings verteidigt DW den Sender weiter, und das ist ein wichtiges Zeichen. Inzwischen wurde eine Untersuchung der Vorwürfe angeordnet, die von einem „besonderen“ Duo gemacht wird, von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der ehemaligen FDP-Justizministerin und Antisemitismusbeauftragten von NRW, und Ahmad Mansour, dem deutsch-israelischen Autor und Psychologen. Da kann man sicher sein, wie „profiliert und unabhängig“ beide untersuchen werden. (deutschlandfunk.de)

Im Geist von Axel Springer

Kampagne für Kampagne ist die BILD immer steigerungsfähig, ganz im Geist von Axel Springer und dem Springer Konzern und seiner „fünf Essentials“, die alle Mitarbeiter von BILD, WELT und jetzt auch noch POLITICO – per Arbeitsvertrag akzeptieren müssen. (tagesspiegel.de)

Ganz offensichtlich ist der unbändige Putin-Russland- und Erdogan-Türkei-Hass. Der übertrifft alle Mainstream-Medien, die selbst eifrig in dasselbe Horn blasen. Es ist diese Kriegstreiberei, die uns alle besorgt machen sollte. BILD lässt nichts aus. Gerade wenn es um Muslime und Flüchtlinge geht, werden alle Schleusen des Hasses geöffnet. Sie werden als besonders beängstigend dargestellt, da es um Hasserzeugung und Verbreitung von Vorurteilen geht. Auch Frauen und Gesundheit und Sex mit allen dazugehörigen Regionen werden nicht ausgelassen und machen jedem „Schmuddelblatt“ Konkurrenz.

Wenn die Autoren über geschmacklose Titel berichten – wie, „Fast jede Minute ein neuer Asylant“, „Gewinnerdeutsche und Mördermigranten“, „Die Masche der Roma“, „Die Muslime nehmen uns die Schnitzel weg“ – dann ist das eine wichtige und bezeichnende Auswahl, die die gefährliche und ekelhafte Machart dieses Blattes belegt und die aufrütteln muss.

Gefangen im Feindbild – Scharfrichter der Nation

Ja, BILD ist „gefangen im Feindbild“, spaltet die Gesellschaft und schafft ein Klima, das den „Klimawandel“ in der Gemeinschaft forciert. Sie fühlt sich berufen, als Scharfrichter der Nation aufzutreten. Sie wetterte gegen „Gutmenschen Justiz“ und hetzte gegen „Hartz IV Schmarotzer“.

BILD wird besonders aktiv, wenn es um die „Islamisierung des Abendlandes geht“ und förderte rechtes Gedankengut, schreckte auch nicht vor der Verteidigung von SPD-Sarrazin zurück und machte sich damit der Verbreitung dieses unsäglichen Gedankenguts schuldig. Gerade diese Tatbestände sind so wichtig und von den Autoren auch benannt. BILD, die vermeintlich als „Stimme des Volkes“ fungiert, ist aber in Wirklichkeit populistischer Müll und „fungiert als Werkzeug des Täters“

Die Autoren von „Ohne Rücksicht auf Verluste“ beschreiben eindringlich die Methoden von BILD. Kapitel für Kapitel erleben wir Reporter im Blutrausch und die skrupellose Missachtung von Opfern und deren Angehörigen – wenn nur noch die Schlagzeilen anstatt der Menschen existieren und die BILD-Zeitung Profit aus dem Leid zieht.

Toxische Aufwieglungs-Methoden

Die Autoren fordern uns Leser auf, uns beim Deutschen Presserat, der bei BILD nur selten Gehör findet, zu beschweren, wenn wir meinen, dass der seit 1973 existierende Pressekodex verletzt wird. Wir müssen hartnäckig bleiben und uns nicht mit Stellungnahmen von BILD abfinden, aus denen hervorgeht, dass BILD richtig gehandelt hat und die Beschwerde Unfug sei. BILD geht bisweilen sogar soweit, den Presserat nicht nur zu ignorieren, sondern gegen ihn vorzugehen. Es ist erschreckend, wie ich durch das Buch erfuhr, dass bis auf das Aussprechen der Rügen der Presserat keinerlei Sanktionsmittel hat. Zwar sind gerügte Medien angehalten, die Rügen abzudrucken, so steht es im Pressekodex, doch wenn sie es nicht tun – wie die BILD-Zeitung, die seit 2019 keine einzige Rüge abgedruckt hat – hat der Presserat kein Mittel, sie zu zwingen, weshalb er schon seit Jahrzehnten als „zahnloser Tiger“ bezeichnet wird.

Also zeigen die Autoren mit ihrem Buch eine mehr als ernüchternde Situation. Sie entlarven die BILD-Zeitung und deren toxische Aufwieglungs-Methoden, die die Gesellschaft spaltet und in einen medialen Brandherd verwandelt.

Einen Kritikpunkt möchte ich noch anbringen. Mir fehlen im Buch mehr Informationen zu den BILD-Antisemitismus-Hetz-Kampagnen („jüdischer Staat“) sowie zu Iran, Russland und Türkei. Haben Mats Schönauer und Moritz Tschermak bewusst darauf verzichtet, um sich nicht die „Finger zu verbrennen“? Oder entspricht das einer eigenen Überzeugung? „Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass umgeht“ ist wichtig und lehrreich und ich empfehle uneingeschränkt den Kauf – auch als Geschenk für die kommenden Festtage mit wahrscheinlich viel Zeit zum lesen Daheim.


Moritz Tschermak und Mats Schönauer: "Ohne Rücksicht auf Verluste - Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet"



Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG, Köln 2021, Paperback, 18 Euro, weitere Information und Bestellmöglichkeit hier


Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

Online-Flyer Nr. 782  vom 08.12.2021

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