SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Kommentar
Gedanken zur Zeit
Wer sagt eigentlich, dass man keine Vergleiche ziehen soll?
Von Lutz Weber
In den vergangenen zwei Jahren habe ich unglaublich interessante Menschen getroffen und über ihr Leben und ihre Erfahrungen berichtet. Einer dieser Menschen ist mir besonders ans Herz gewachsen. Als er mir ein Interview über sein Leben gab, sagte er, ich solle das besser nicht veröffentlichen. Er hat Angst. Angst vor den Behörden wie Polizei und Ordnungsamt. Angst vor Linksextremen. Er hat aber auch Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Er ist Jude, und seine Mutter hat Auschwitz überlebt. Ihren Mann und einen Sohn hatte sie dort verloren. Er erzählte mir, wie er sich für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt hat, und welchen hohen Preis er dafür zahlen musste.
Dieses Interview habe ich vor einem 3/4 Jahr geführt. Inzwischen hat sich viel geändert, und ich fühle mich, wenn ich jetzt an ihn denke, unendlich traurig. Nein, ich kann mein Entsetzen kaum in Worte fassen.
Auf Grund seiner Geschichte ist er nicht geimpft. Es wird ihm darum heute untersagt, Geschäfte oder Restaurants zu betreten. Als wolle man uns sagen, schaut hin, solche unglaublichen Zustände können jederzeit wieder kommen, erlebt er gerade die Erniedrigungen und Ausgrenzungen, von denen er mir aus dunklen Zeiten erzählt hat. Woher kommen auf einmal wieder überall diese Menschen, die bereitwillig anderen das (Grund-)Recht auf körperliche Unversehrtheit absprechen? Woher kommen diese Menschen, die lachend mit dem Finger zeigen, wenn mein Freund ausgeschlossen wird? Ich bin entsetzt, wie weit viele Menschen im Land gehen, und möchte mir gar nicht vorstellen, wie weit sie noch gehen werden.
Da ich in der DDR aufgewachsen bin, fühle ich mich verpflichtet, Dinge aufzuzeigen, die in der DDR vergleichbar waren. Genauso habe ich mich - doch nicht ohne Grund - ein Leben lang für eine unsägliche deutsche Nazi-Zeit geschämt, um heute zuzusehen, wie es (aus meiner Sicht) wieder Tendenzen gibt, die in dieselbe Richtung gehen. Ich kann nicht, ohne ein Wort darüber zu verlieren, zusehen. Nein, im Gegenteil, ich setze mich von ganzem Herzen für Frieden, Freiheit und Menschenrecht ein. Ebenso verachte ich Faschisten und Nazis. Das ist der Grund, warum ich jederzeit wachsam bleibe und diese Vergleiche auch weiter ziehen werde. Das bin ich nicht nur meinem jüdischen Freund schuldig.
Online-Flyer Nr. 783 vom 22.12.2021
Druckversion
Kommentar
Gedanken zur Zeit
Wer sagt eigentlich, dass man keine Vergleiche ziehen soll?
Von Lutz Weber
In den vergangenen zwei Jahren habe ich unglaublich interessante Menschen getroffen und über ihr Leben und ihre Erfahrungen berichtet. Einer dieser Menschen ist mir besonders ans Herz gewachsen. Als er mir ein Interview über sein Leben gab, sagte er, ich solle das besser nicht veröffentlichen. Er hat Angst. Angst vor den Behörden wie Polizei und Ordnungsamt. Angst vor Linksextremen. Er hat aber auch Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Er ist Jude, und seine Mutter hat Auschwitz überlebt. Ihren Mann und einen Sohn hatte sie dort verloren. Er erzählte mir, wie er sich für Freiheit und Gerechtigkeit eingesetzt hat, und welchen hohen Preis er dafür zahlen musste.
Dieses Interview habe ich vor einem 3/4 Jahr geführt. Inzwischen hat sich viel geändert, und ich fühle mich, wenn ich jetzt an ihn denke, unendlich traurig. Nein, ich kann mein Entsetzen kaum in Worte fassen.
Auf Grund seiner Geschichte ist er nicht geimpft. Es wird ihm darum heute untersagt, Geschäfte oder Restaurants zu betreten. Als wolle man uns sagen, schaut hin, solche unglaublichen Zustände können jederzeit wieder kommen, erlebt er gerade die Erniedrigungen und Ausgrenzungen, von denen er mir aus dunklen Zeiten erzählt hat. Woher kommen auf einmal wieder überall diese Menschen, die bereitwillig anderen das (Grund-)Recht auf körperliche Unversehrtheit absprechen? Woher kommen diese Menschen, die lachend mit dem Finger zeigen, wenn mein Freund ausgeschlossen wird? Ich bin entsetzt, wie weit viele Menschen im Land gehen, und möchte mir gar nicht vorstellen, wie weit sie noch gehen werden.
Da ich in der DDR aufgewachsen bin, fühle ich mich verpflichtet, Dinge aufzuzeigen, die in der DDR vergleichbar waren. Genauso habe ich mich - doch nicht ohne Grund - ein Leben lang für eine unsägliche deutsche Nazi-Zeit geschämt, um heute zuzusehen, wie es (aus meiner Sicht) wieder Tendenzen gibt, die in dieselbe Richtung gehen. Ich kann nicht, ohne ein Wort darüber zu verlieren, zusehen. Nein, im Gegenteil, ich setze mich von ganzem Herzen für Frieden, Freiheit und Menschenrecht ein. Ebenso verachte ich Faschisten und Nazis. Das ist der Grund, warum ich jederzeit wachsam bleibe und diese Vergleiche auch weiter ziehen werde. Das bin ich nicht nur meinem jüdischen Freund schuldig.
Online-Flyer Nr. 783 vom 22.12.2021
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FILMCLIP
FOTOGALERIE