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Kommentar
Über einen zum non-plus-ultra-Schimpfwort mutierten Begriff
Ich bin Querdenker
Von Georg Meggle
Selber nachdenken? Das kann gefährlich sein. Zumal, wenn man das auch noch öffentlich tut. Also auch sagt, was man denkt. Und zwar egal, ob das die Anderen gerade hören wollen oder nicht. Soll man sich das Nachdenken deshalb verbieten? Gar auch den Anderen? Gar auch den engsten Freunden? Sollte man, um der Zukunft seiner Kinder willen, wenn diese die typischen Kinderfragen zu stellen anfangen, ihnen dieses Nachfragen, statt sich drauf einzulassen, nicht besser gleich verwehren? Oder – mittels Erziehung (durch Vorbild und durch Sanktionierung) – nicht zumindest dafür sorgen, dass sich das Nachfragen und das Antworten darauf in geregelten Bahnen vollzieht? Doch wer soll regeln, was „geregelt“ heißt? Soll man das Denken, statt es selber zu probieren, deshalb, weil es für einen selbst gefährlich werden kann, lieber den Andern überlassen? Es gar an Denk-Experten delegieren, etwa an Philosophen? Doch an welche? Und könnte, sich am Denken Anderer zu orientieren, letztlich nicht – wieder für uns selber wie ganz generell – die noch risikoreichere Alternative sein?
Prof. Dr. Georg Meggle
Von solchen Grundsatzfragen hört man derzeit wenig. Warum? Warum ist Fragen-Stellen derzeit öffentlich nicht mehr en vogue? Was gäb es derzeit Wichtigeres?
Wer sich auf solche Fragen auch nur einlässt, hat schon mit dem Selber-Denken angefangen. Tut also etwas, was derzeit nicht in ist. Blökt nicht mit den andern Schafen in der Herde, egal in welcher. Wird in der weißen Herde schnell zum schwarzen Schaf. Wird rasch zum Außenseiter. Wer trotzdem selber denkt, wagt viel. Und der alte Spruch „Wer wagt, gewinnt“, der gilt gewiss nicht auch für die, die selbst zu denken wagen. Ganz im Gegenteil.
Selber nachzudenken kann nicht nur gefährlich sein. Es muss das sein. Denn was könnte “Über etwas nachdenken“ anderes heißen als zu prüfen, ob dieses Etwas wirklich so ist, wie es zu sein scheint? Kurz: Das Denken beginnt mit dem in-Frage-Stellen. Könnte, was wir bisher für zweifellos wahr und richtig gehalten haben, nicht auch anders sein? Was spricht dafür, dass es so ist, wie von uns bisher geglaubt? Und was spricht dagegen?
Kritisches Denken beginnt mit der letzteren Frage. Und ein radikal kritisches Denken lässt, wenn die Contra-Gründe stärker als die Pro-Gründe sind, die jeweilige Prüfwaage nicht allein deshalb trotzdem für die Pro-Seite ausschlagen, weil diese Seite von den Anderen, von einer Mehrheit, von einer Tradition, von irgendeiner (staatlichen, kirchlichen oder akademischen) Institution, von irgendeinem Expertengremium oder von irgendeinem Dogma zur stärkeren erklärt worden ist. Es stimmt: Denken, wenn es denn ein kritisches, gar ein radikal kritisches sein will, ist unvermeidlich potentiell subversiv. Und somit eine echte Gefahr für jegliche Art von Orthodoxie.
Radikal kritische Denker hat man früher, noch eingedenk der Folgen eines blinden Mitschwimmens im Strom des jeweiligen Herdentriebs, mit den Worten Dissident bzw. Querdenker geehrt. Dass letzteres inzwischen zu dem non-plus-ultra-Schimpfwort mutiert ist, sagt über den Verfall einer angeblich rationalen öffentlichen Kultur des Räsonierens eigentlich schon alles.
Georg Meggle – Analytischer Philosoph, derzeit Gastdozent an der AUC (American University in Cairo), hat mit den Gefahren, von denen in diesem Artikel die Rede ist, im Kontext seiner Publikationen zur Logik der Abschreckung, Humanitären Interventionen, Terrorismus und Antisemitismus einige Erfahrungen gesammelt. Siehe dazu u.a. sein Kapitel 74 in dem frei zugänglichen e-Book von 2021: https://eplus.uni-salzburg.at/obvusboa/content/titleinfo/6202655
Erstveröffentlichung bei telepolis am 30.12.2021
Siehe auch:
Auf den Spuren des Querdenkers Jesus
Die Impfzwang-Gegner sind selbst schuld am neuen Faschismus!
Von Yavuz Özoguz
NRhZ 784 vom 12.01.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27862
Neuer "Krefelder Appell" warnt vor Krieg gegen die Menschheit, 16. November 2021
Den Kriegstreibern in den Arm fallen – online unterzeichnen!
Von Mitgliedern der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO"
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27774
Online-Flyer Nr. 784 vom 12.01.2022
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Über einen zum non-plus-ultra-Schimpfwort mutierten Begriff
Ich bin Querdenker
Von Georg Meggle
Selber nachdenken? Das kann gefährlich sein. Zumal, wenn man das auch noch öffentlich tut. Also auch sagt, was man denkt. Und zwar egal, ob das die Anderen gerade hören wollen oder nicht. Soll man sich das Nachdenken deshalb verbieten? Gar auch den Anderen? Gar auch den engsten Freunden? Sollte man, um der Zukunft seiner Kinder willen, wenn diese die typischen Kinderfragen zu stellen anfangen, ihnen dieses Nachfragen, statt sich drauf einzulassen, nicht besser gleich verwehren? Oder – mittels Erziehung (durch Vorbild und durch Sanktionierung) – nicht zumindest dafür sorgen, dass sich das Nachfragen und das Antworten darauf in geregelten Bahnen vollzieht? Doch wer soll regeln, was „geregelt“ heißt? Soll man das Denken, statt es selber zu probieren, deshalb, weil es für einen selbst gefährlich werden kann, lieber den Andern überlassen? Es gar an Denk-Experten delegieren, etwa an Philosophen? Doch an welche? Und könnte, sich am Denken Anderer zu orientieren, letztlich nicht – wieder für uns selber wie ganz generell – die noch risikoreichere Alternative sein?
Prof. Dr. Georg Meggle
Von solchen Grundsatzfragen hört man derzeit wenig. Warum? Warum ist Fragen-Stellen derzeit öffentlich nicht mehr en vogue? Was gäb es derzeit Wichtigeres?
Wer sich auf solche Fragen auch nur einlässt, hat schon mit dem Selber-Denken angefangen. Tut also etwas, was derzeit nicht in ist. Blökt nicht mit den andern Schafen in der Herde, egal in welcher. Wird in der weißen Herde schnell zum schwarzen Schaf. Wird rasch zum Außenseiter. Wer trotzdem selber denkt, wagt viel. Und der alte Spruch „Wer wagt, gewinnt“, der gilt gewiss nicht auch für die, die selbst zu denken wagen. Ganz im Gegenteil.
Selber nachzudenken kann nicht nur gefährlich sein. Es muss das sein. Denn was könnte “Über etwas nachdenken“ anderes heißen als zu prüfen, ob dieses Etwas wirklich so ist, wie es zu sein scheint? Kurz: Das Denken beginnt mit dem in-Frage-Stellen. Könnte, was wir bisher für zweifellos wahr und richtig gehalten haben, nicht auch anders sein? Was spricht dafür, dass es so ist, wie von uns bisher geglaubt? Und was spricht dagegen?
Kritisches Denken beginnt mit der letzteren Frage. Und ein radikal kritisches Denken lässt, wenn die Contra-Gründe stärker als die Pro-Gründe sind, die jeweilige Prüfwaage nicht allein deshalb trotzdem für die Pro-Seite ausschlagen, weil diese Seite von den Anderen, von einer Mehrheit, von einer Tradition, von irgendeiner (staatlichen, kirchlichen oder akademischen) Institution, von irgendeinem Expertengremium oder von irgendeinem Dogma zur stärkeren erklärt worden ist. Es stimmt: Denken, wenn es denn ein kritisches, gar ein radikal kritisches sein will, ist unvermeidlich potentiell subversiv. Und somit eine echte Gefahr für jegliche Art von Orthodoxie.
Radikal kritische Denker hat man früher, noch eingedenk der Folgen eines blinden Mitschwimmens im Strom des jeweiligen Herdentriebs, mit den Worten Dissident bzw. Querdenker geehrt. Dass letzteres inzwischen zu dem non-plus-ultra-Schimpfwort mutiert ist, sagt über den Verfall einer angeblich rationalen öffentlichen Kultur des Räsonierens eigentlich schon alles.
Georg Meggle – Analytischer Philosoph, derzeit Gastdozent an der AUC (American University in Cairo), hat mit den Gefahren, von denen in diesem Artikel die Rede ist, im Kontext seiner Publikationen zur Logik der Abschreckung, Humanitären Interventionen, Terrorismus und Antisemitismus einige Erfahrungen gesammelt. Siehe dazu u.a. sein Kapitel 74 in dem frei zugänglichen e-Book von 2021: https://eplus.uni-salzburg.at/obvusboa/content/titleinfo/6202655
Erstveröffentlichung bei telepolis am 30.12.2021
Siehe auch:
Auf den Spuren des Querdenkers Jesus
Die Impfzwang-Gegner sind selbst schuld am neuen Faschismus!
Von Yavuz Özoguz
NRhZ 784 vom 12.01.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27862
Neuer "Krefelder Appell" warnt vor Krieg gegen die Menschheit, 16. November 2021
Den Kriegstreibern in den Arm fallen – online unterzeichnen!
Von Mitgliedern der Kampagne "NATO raus – raus aus der NATO"
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27774
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