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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Literatur
Ulrich Teusch: Der Krieg vor dem Krieg – Wie Propaganda über Leben und Tod entscheidet
Prophetisch mit Marx und Tolstoi
Buchbesprechung von Hannes Sies

Drei Jahre vor Beginn des Ukrainekriegs legte Autor Ulrich Teusch ein Buch vor, das uns heute helfen kann, die aktuelle Berichterstattung zur Ukraine zu verstehen. Nicht nur die Propaganda aus Russland. Vor allem die unserer Westmedien – von ARD bis New York Times, deren Tricks, Methoden und Parolen man anhand von Teusch reflektieren kann. Wir leben in einer Zeit, da unsere Westmedien hysterischen Russenhass mit fanatischem Antikommunismus vermengen, der Russe, also Putin, wolle mit seinem Überfall auf die Ukraine gewaltsam die alte marxistische Sowjetunion wieder herstellen usw. 2019 begann die monumentale Medienkritik von Teusch prophetisch mit einer Anleihe bei Marx und endet mit einem Zitat von Tolstoi, als hätte der Autor geahnt, dass die Medien drei Jahre später eine Kampagne fahren würden, die uns heute fast schon wieder Bücherverbrennungen von kommunistischen und russischen Klassikern erwarten lässt.

Die herrschende Meinung: Meinung der Herrschenden

Die herrschende Meinung ist, laut Marx, die Meinung der Herrschenden, Tolstoi riet in Krieg und Frieden, den Intrigen der Verderbten eine Allianz der Ehrlichen entgegenzusetzen. Teusch zitiert dies, um zu kritischen Politblogs im Netz zu raten und vor allem Marxens Medienkritik hinsichtlich der Westmächte auszuführen:

„Die etablierten Medien… werden weiterhin wichtige Nachrichten absichtsvoll unterdrücken, Informationen einseitig gewichten oder mit einem Spin versehen, mit zweierlei Maß messen, interessengeleitete Narrative konstruieren, gelegentlich Kampagnen fahren oder sich für handfeste Propaganda hergeben.“ Teusch S.7

Von ihrer jahrelangen antirussischen Kampagne sind unsere Medien derzeit wohl zur handfesten Kriegspropaganda übergegangen. Sie leugnen jede Kriegsschuld der Nato und stellen Putin als machtgierigen Aggressor hin. Dessen berechtigte Hinweise auf russische Sicherheitsbedürfnisse werden totgeschwiegen oder lächerlich gemacht, etwa wenn ZDF-Clown Oliver Welke auf einer Weltkarte das riesige Russland zeigt, dem nur an der winzigen Grenze zur EU ein paar Nato-Truppen gegenüberstehen - wie kann man sich da „eingekreist“ sehen? Die ZDF Heute Show vergaß aber auf ihrer Karte ein paar Kleinigkeiten: Kanada, Alaska, Japan, Südkorea, Kirgisien, Türkei - wenn man diese US-Basen und Alliierten verbindet entsteht was? Ein Kreis um Russland.

Eskalation und Provokation Richtung Moskau

Nato-Kriege? Vergeben und vergessen. Nato-Militär-Übermacht? Nie davon gehört. Dass USA und Nato seit Jahren Provokationen und Eskalationen in Richtung Krieg betrieben haben, will bei unseren Qualitätsmedien keiner mitbekommen haben.

Viele ahnungslose ARD-Sprecher, die derzeit jeden als „Putinversteher“, wenn nicht gleich als „Verräter“ denunzieren, der nach Verantwortung für die Eskalation auch im Westen sucht, hätten Teusch lesen sollen. Der beschrieb schon 2019 diese Eskalation, die 2022 zum Krieg führte, etwa wie am 2.Oktober 2018 die US-Nato-Botschafterin Kay Bailey Hutchinson in Richtung Moskau mit einem präventiven Militärschlag der überlegenen US-Streitkräfte gedroht hatte. Sie hatte die einseitige Kündigung des INF-Rüstungskontrollvertrages durch die USA unter Trump mit unbelegten Beschuldigungen rechtfertigten wollen, Moskau habe den Vertrag heimlich unterlaufen. Aber das war nicht das einzige Nato-Säbelfuchteln in Richtung russischer Grenze:

„Bereits am 28.September 2018 hatte US-Innenminister Ryan Zinke vorgeschlagen, die Navy des Landes könne eine Blockade gegen den russischen Energiehandel verhängen und so dafür sorgen, dass die russischen Energielieferungen ihre Zielmärkte nicht mehr erreichen.“ (Teusch S.12)

Grüne Kanonenboote gegen Putin

Die US-Navy braucht heute keine Kanonenboote mehr zu schicken, ihren Job machen derzeit die deutschen Grünen mit ihrer Flagg-Fregatte Annalena. Teusch beschreibt weitere Indizien für Aggressionen von USA und Nato: Säbelrasselnde Nato-Großmanöver direkt an der russischen Westgrenze 2018, hektische Nato-Planungen für verschärften Cyberkrieg gegen Russland und Peking, verbale Attacken von Trumps Sicherheitsberater John Bolton gegen eine angebliche „Troika des Tyrannei“, die ein „Dreieck des Terrors“ an der Südflanke der USA bilde (Kuba, Nicaragua, Venezuela), und „das Kidnapping von Meng Wanzhou, der stellvertretenden Vorsitzenden des chinesischen Huawei-Konzerns“.

Teusch resümiert hellsichtig und erklärt uns damit zugleich, warum die aktuelle Kriegshetze die Bevölkerungsmehrheit so scheinbar schnell in einen Kriegsrausch versetzte (d.h. vorerst in einen Wir-wollen-Panzerhaubitzen-an-die-Ostfront-liefern-Rausch). Wir wurden schleichend auf Krieg eingestimmt. „Was erwartet uns 2019 und danach? Politiker, Diplomaten, Militärs, Journalisten reden wieder ganz offen über Krieg. Auch über den ganz großen Krieg. Es ist gespenstisch, beängstigend.“ (Teusch S.15)

„Zeitenwende“ oder Messen mit zweierlei Maß


Teusch stimmte schon 2019 zu, „dass der Krieg zwischen der Nato und Russland doch längst begonnen habe“, es handle sich „um einen Wirtschaftskrieg, einen Cyberkrieg, einen hybriden Krieg, einen Propagandakrieg, auch einen Krieg mit militärischen Provokationen“ (S.18). Medientaktik ist dabei das Messen mit zweierlei Maß. Jüngst meldete z.B. die ARD empört, dass wegen Putins Überfall die Ukraine 20 Prozent des ukrainischen Ackerlandes nicht bewirtschaften könne, Tenor: Putin sei Schuld am drohenden Welthunger. Teusch zitierte zum Thema Schuld am Hungertod einen Nestor des deutschen Journalismus. Peter Scholl-Latour schrieb zum völkerrechtswidrigen Krieg und Wirtschaftskrieg der USA gegen den Irak:

„Als ich die Auswirkungen der Sanktionen im Irak zwischen 1991 und 2003 miterlebt habe, war das derart grauenhaft. Das Wasser konnte nicht mehr gereinigt werden, die Landwirtschaft nicht mehr betrieben werden. Das war furchtbar. Die Sterblichkeit unter Kindern und Säuglingen war erschreckend.“ (Teusch, Scholl-Latour zitierend S.18)

Die Nato ließ über US-Außenministerin Albright verkünden, eine halbe Million tote Kinder wäre es wert gewesen, Diktator Saddam mal zu zeigen, wer die Hosen an hat. Der Diktator selbst war von den Sanktionen wenig betroffen in seinem Luxuspalast (wie Putin heute auch nicht von den aktuellen Sanktionen). Das Medien-Mitleid im Westen hielt sich bei den irakischen Babies in Grenzen, Albrights Zynismus war keine „Zeitenwende“, genauso wenig wie völkerrechtswidrige Nato-Überfälle auf Belgrad, Bagdad, Kabul, Tripolis oder der dauernde Killerdrohnen-Geheimkrieg gegen 1,3 Milliarden Moslems. Aber wehe, wehe, wenn andere Machtblöcke völkerrechtswidrig einen Krieg beginnen. „Dann Volk steh auf und Sturm brich los!“, wie man früher sagte. Etwas raffinierter ist die Kriegspropaganda inzwischen, man hatte ja viel Zeit sie zu optimieren.

Wenn die ARD uns heute täglich geflohene Frauen und Kinder, zerstörte Häuser, weinende ukrainische Großmütterchen zeigt, zerreißt es uns das Herz. So sehr, dass viele sich nicht mehr fragen können, ob nicht unter jedem bombardierten Haus in Belgrad, Bagdad und Kabul ebensolche verzweifelten Menschen zu finden gewesen wären. Nur -Westmedien interessierten sich für deren Leid nicht die Bohne und tun dies bis heute nicht, wo etwa die grauenhaften Spätfolgen der Nato-Uranmunition aus dem Jugoslawienkrieg bei ARD & DLF gezielt verschwiegen und vertuscht werden (siehe meine Rezension zu „Tödlicher Staub“).

Überfall auf Irak: Medienmogul Murdoch, Bush und Blair

Wer unseren Medienmachern heute Einseitigkeit vorwirft und ihre Doppelmoral kritisiert, wird frech und zynisch mit der alten Kalte-Kriegs-Parole vom „Whataboutism“ abgefertigt. Teusch ist davon unbeeindruckt und beschreibt den Überfall der USA und Großbritanniens auf den Irak 2003, ermöglicht auch durch die Rückendeckung des Medienmoguls Murdoch für Londons Kriegs-Premier Tony Blair:

„Krieg geht mit Kriegspropaganda einher, permanenter Krieg mit Kriegspropaganda in Permanenz. Wenn es in Kriegen zu einer Quasi-Gleichschaltung der etablierten Medien kommt, dann ist der Umstand, dass wir in einer Zeit des permanenten Krieges leben möglicherweise der Hauptgrund für die seit Jahren zu beobachtende mediale Formierung.“ (S.21)

Diese Achse Bush-Blair-Murdoch verdeutlicht, was Teusch abschließend auf die Machtkritik des US-Klassikers Sheldon Wolin beziehen wird. Wolin hatte die USA als Fassaden-Demokratie, als „invertierten Totalitarismus“ bezeichnet, als „Corporate State“, dessen Macht liege bei „den großen Industrie- und Dienstleistungskonzernen, bei der Finanzindustrie, beim Militär-, Sicherheits- und Geheimdienstapparat“ (Teusch S.190). Die Machtcliquen dieses Deep State sind sich nicht immer einig, halten aber gegen konkurrierende Staaten wie Russland und China zusammen. Doch unter Trump und Biden hatten sie ein PR-Problem, denn „trotz einer Jahre währenden Russia-Russia-Russia-Kampagne des US-Mainstreams ergab eine neuere Gallup-Umfrage, dass nur ein kaum messbarer Teil der Bevölkerung in der Russland-Frage ein drängendes Problem sieht.“ (Teusch S.191) Das könnte eine Antwort auf die Frage sein, warum die USA Moskau jahrelang bis aufs Blut reizten, um den Ukrainekrieg zu provozieren.

Geschichte der Kriegspropaganda: Vom Holcaust zur Nato-Osterweiterung

Die von Teusch gezeichnete Historie der Kriegspropaganda beginnt mit Arthur Ponsonby und seinen zehn Prinzipien der Kriegspropaganda, formuliert nach dem Ersten Weltkrieg (die man unschwer in der heutigen ARD-Linie zur Ukraine wiedererkennt), zitiert Kriegsgegner und -kritiker von Bertrand Russell über I.F.Stone bis George Orwell. Wichtiger Zeuge für Teusch ist William J. Perry, der Kennedy in der Kubakrise beriet und bei Bill Clinton Chef des Pentagon war. Das Politblog Truthdig führte 2015 ein Interview mit Perry, der die Atomkriegsgefahr heute für größer hält als im (ersten) Kalten Krieg. Teusch: „Die größte aktuelle Gefahr droht für Perry aus dem zerrütteten Verhältnis zwischen den USA und Russland. In seiner Ursachenanalyse gibt er dem Westen die Hauptschuld an dieser gefährlichen Zuspitzung. Insbesondere die Nato-Osterweiterung hält er für einen schwerwiegenden Fehler.“ (Teusch S.46)

Im Kapitel „Der andere Holocaust“ kritisiert Teusch eine Ende 2014 (also als Begleitmusik für den Ukraine-Putsch) von ZDFInfo ausgestrahlte Serie „Die Wahrheit über den Holocaust“. Die sei auf Hitlers Plan einer Vernichtung der „jüdischen Rasse“ fixiert, übergehe aber, dass auch alle Slawen als lebensunwerte Untermenschen galten. „Das Massensterben der sowjetischen Bevölkerung war von vorneherein einkalkuliert und gewollt… In seinem rassistisch-ideologischen Vernichtungskrieg war Nazi-Deutschland jedes Mittel recht… Die slawischen ‚Eingeborenen‘ sollten… dezimiert werden.“ (S.55-57)

Juden waren also nicht das einzige Ziel der Massenmörder, aber oft ihr erstes, auch weil sie nach der Nazi-Hassparole vom „jüdischen Bolschewismus“ mit dem verhassten Kommunismus identifiziert wurden. „An den mörderischen Pogromen beteiligten sich -vom Baltikum über Ostpolen, den Westen Weißrusslands bis hin zur Ukraine- auch einheimische nationalistische Kräfte.“ (Teusch S.52) Teusch nennt hier nicht den Namen Bandera, den Haupttäter der Pogrome in der Ukraine, diskutiert leider nicht die kriegstreiberische Glorifizierung des Nazi-Komplizen Banderas durch prowestliche Regime in Kiew von Jazenjuk über Poroschenko bis Selenski (dessen Berliner Botschafter Melnyk 2015 Blumen an Banderas Grab niederlegte).

Kriegspropaganda, Antisemitismus und Antirussismus

Teusch befasst sich dafür mit zweierlei Maß gegenüber Antisemitismus und Antirussismus, ersterer werde von unseren Medien zurecht kritisiert, letzterer aber übersehen oder sogar aktiv betrieben. Er zitiert den Publizisten Alexander Mercouris, der antirussische Stereotype untersuchte -in unserer Zeit der Political Correctness, die Vorurteile eigentlich zu bekämpfen vorgibt, nur eben dieses nicht.

„Die negative Stereotypisierung Russlands und der Russen sei hingegen nicht nur nicht verschwunden, sondern häufiger und schlimmer geworden. Sie sei heute allgegenwärtig, wiederhole sich endlos in westlichen Filmen, im Fernsehen, in anderen Medien… Kein Westler könne diesem medial vermittelten Antirussismus entkommen und nur wenige seien in der Lage, sich seinem Einfluss zu entziehen oder zu widersetzen.“ (S.67)

Dem kann ich nur zustimmen und verweise auf meine Kritik der gegenwärtig dauernd wiederholten ZDF-Thrillerserie „Arctic Circle“, deren grobschlächtige Ressentiments Russen und Serben betreffen. Kriegs- und Hasspropaganda stehen nach Teusch im Dienst des Militärisch-Industriellen Komplexes, des Deep State, der am Krieg Milliarden verdient und seine Macht ausbaut, nach innen gegen die Demokratie, wie nach außen gegen immer neu erfundene oder geschaffene Feinde. Spätestens der von Bush jr. begonnene „Krieg gegen den Terror“ habe einen permanenten Kriegszustand der USA und des Westens geschaffen und durch ausufernde, immer raffiniertere Propaganda in die Köpfe der Menschen gepflanzt:

„Gerade in heutiger Zeit, da der militärisch-industrielle Komplex bzw. der Permanent War Complex eine unverkennbare Eigendynamik gewonnen hat… muss man weit stärker davon ausgehen, dass viele Bedrohungen, mit denen uns das Fürchten gelehrt wird, nichts anderes sind als interessengeleitete Übertreibungen, Verzerrungen, Täuschungen oder Lügen -Kriegspropaganda ohne Grundierung in der realen Welt.“ (Teusch S.138)

Hatte Teusch damals vielleicht die Panik auf Hawaii Januar 2018 im Auge? Trump und Kim aus Nordkorea hatten einen „diplomatischen“ Atomraketen-Schwanzvergleich inszeniert. Ein Atomangriffs-Fehlalarm brachte der US-Kolonie Hawaii 38 Minuten Todesangst vor Kims neuer Langstrecken-Rakete. Heute ist tatsächlich ein Angriff Russlands erfolgt, aber müssen wir deshalb zwingend die komplette Weltwirtschaft ruinieren und alle Kontakte nach Osten kappen? USA und Briten durften bei uns weiter Handel treiben, trotz völkerrechtswidriger Überfälle auf diverse Länder. Der hysterische Wirtschaftskrieg blockiert Friedensverhandlungen, führt zu Krise und Hunger weltweit. Hat der Westen das Recht, dies zu tun? Es nützt nur einem Deep State aus Militär und Rüstungsindustrie und den US-Firmen, die jetzt ihr teures Fracking-Gas verkaufen können -einen Klima-Killer, für den gerade die Grünen lauthals Werbung machen.

Ulrich Teusch, der Mainstream und dessen Glaubwürdigkeitskrise 2014

Ulrich Teusch ist Journalist und Politikprofessor ohne festen Lehrstuhl und wenn sich unsere Universitäten als ebenso gleichgeschaltet erweisen wie der Medien-Mainstream, dann hat er keine großen Chancen auf eine richtig gutbezahlte Professur mit Verbeamtung. Teusch ergreift Partei für Medien, die wirklich als vierte Gewalt im Staat handeln, also als kritische Instanz, die den Herrschenden aus Politik und Wirtschaft auf die Finger sieht. Mit seinem Buch „Lückenpresse“ parodierte er die billige Abwehr des Mainstreams, der als Selbstrechtfertigung immer wieder brutal-dümmliche AfD- und Nazi-Schreihälse einblendete, die aggressiv „Lügenpresse auf die Fresse!“ in eine Kamera grölten.

Zuvor, ab 2014, brach die Glaubwürdigkeit unserer selbsternannten „Qualitätsmedien“ wie ARD, ZDF, SZ oder Spiegel, bei einer Mehrheit der deutschen Medienkonsumenten massiv ein -zu platt und billig war die antirussische Propaganda im Zuge des „prowestlichen“ Regimechange in Kiew gewesen. Zu offensichtlich war selbst unbedarften Internetnutzern, dass uns die Abendnachrichten ein verdrehtes, tendenziöses Bild präsentiert hatten. In Kiew hatte ein offensichtlich vom Westen, maßgeblich den USA und Deutschland, gesteuerter Putsch stattgefunden.

„Lügenpresse“ oder Lückenpresse?

Mit der Parole „Lügenpresse“, die Medienkritikern unterstellt wurde, sowie suggestiven Bildern sollten diese in die Ecke rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker gerückt werden. Mit „Lückenpresse“ wies Teusch daraufhin, dass es manifester Lügen nicht bedarf, um zu manipulieren. Es genügen „Lücken“, Auslassungen, die ein tendenziöses Bild zeichnen, ein „Narrativ“. Was die Wirkung von Medienkritik angeht, zeigt sich Teusch von der Taubheit der Medienmacher resigniert:

„Der sich seit 2014 aufbauende medienkritische Druck, der ‚Aufstand des Publikums‘, konnte doch nicht einfach verpuffen, sagte ich mir, er musste doch irgendeine positive Wirkung erzielen… Nichts dergleichen geschah… Es ging einfach weiter wie gehabt… Wir haben es mit Medien zu tun, die nicht reformierbar sind. Sie sind ins gegebene Macht- und Herrschaftssystem integriert. Sie sind nicht das, was sie zu sein vorgeben… sind keine Vierte Gewalt… sie organisieren keinen offenen, ehrlichen gesellschaftlichen Diskurs.“ (Teusch S.8)

Teusch rät zur Nutzung „antisystemischer Medien“ und nennt diverse Netzmedien: Die Nachdenkseiten (Politblog des Alt-SPDlers Albrecht Müller), Rubikon (selbstorganisiertes Blog), KnFM (Blog des Radio-Dissidenten Ken Jebsen), Telepolis (Nerd-Feuilleton des großen Computer-Verlags Heise) -anzufügen wäre noch Multipolar, an dem Teusch selbst beteiligt ist. Der politische Einfluss der kritischen Netzmedien bleibt leider bescheiden. Seit ihrer Propaganda-Schlappe von 2014 haben die „Systemmedien“ (Teusch) dazu gelernt -nicht an journalistischer Qualität, sondern leider an manipulativer Durchschlagskraft.

Mit tendenziösen „Faktenfindern“, Pseudo-Kritik an „Fakenews“ und Propaganda (die natürlich überall gegeißelt wird, nur im eigenen Lager nicht) wurde das Netz überschwemmt, so dass ernsthafte Medien-Kritiker heute schwerer zu finden sind. Gewinnen kluge Köpfe mit abweichender Meinung etwas mehr Aufmerksamkeit, stürzt sich die Mainstream-Medienmeute mit Hetz- und Hasskampagnen auf sie, wie es KenFM, Daniele Ganser und selbst der betagte SPD-Medien-Nestor Albrecht Müller, der einst Willy Brandt den erfolgreichen Kanzler-Wahlkampf organisierte, erleben mussten (seitens der biederen SZ). Am Buch von Teusch ist ein unübersichtlicher Aufbau zu kritisieren, der weder historischer noch systematischer Ordnung folgt, aber von einem flotten Stil und einer Fülle an Fakten ausgeglichen wird. Chomsky wird nur mit zwei Schlagworten zitiert, dafür aber für sein Reinfallen auf die US-Libyen-Propaganda gerügt. Den Medienkritiker Uwe Krüger erwähnt Teusch nicht. Krüger hatte die Mainstream-Medien akademisch abgesichert kritisiert und besagter ‚Aufstand des Publikums‘ gewann über Krüger-Zitate im ZDF-Kabarett „Die Anstalt“ erst richtig an Fahrt.

Ulrisch Teusch und Julian Assange


Aber wenigstens solidarisiert Ulrich Teusch sich mit Julian Assange, wenn auch ohne die Bedeutung der Plattform Wikileaks zu würdigen oder die ein Jahrzehnt andauernde Hetzkampagne der Medien gegen ihn zu erwähnen (die ich in meinem Beitrag zum Band „Macht: Die herrschende Meinung ist die Meinung der Herrschenden“ beschreibe). Dafür wird Assange in seiner Warnung an RT zitiert, an Russia Television, wo Assange Auftritte mit Edward Snowden hatte: „Sie werden versuchen, euch auszuschalten“ (Teusch S.153). Was Julian Assange vorher sah, ist geschehen. Assange selbst steht nach einem unsagbar unfairen Schauprozess, der jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn spricht, vor der Abschiebung in ein grausiges Terror-Gefängnis in den USA.

Julian Assange, der Ikone eines freien und mutigen Journalismus, der wagte auch die Herren der gewaltigsten Militär- und Geheimdienst-Maschine der Geschichte, also die US-Regierung, zu kritisieren, droht Lebenslänglich oder sogar die Todesstrafe. Warum? Er hatte deren Kriegsverbrechen, Korruption und Propagandalügen enthüllt.


Ulrich Teusch: Der Krieg vor dem Krieg: Wie Propaganda über Leben und Tod entscheidet



Westendverlag, Berlin 2019, 224 Seiten, 18 Euro

Online-Flyer Nr. 791  vom 25.05.2022

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