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Wirtschaft und Umwelt
Fest eingebunden in die Kriegsräson der angloamerikanisch bestimmten westlichen Wertegemeinschaft
Geopolitik der Rohstoffe
Von Hermann Ploppa
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gab zuletzt bekannt, es müsse jetzt Friedensverhandlungen geben und Gebietsabtretungen Kiews an die Russische Föderation. EU-Kommissar Thierry Breton möchte gerne lieber gestern als heute die einseitige Abhängigkeit von russischen und chinesischen Rohstoffen beenden. Denn jetzt müsse endlich »Schluss sein mit der Ära der Naivität«. So ließ sich Thierry Breton vernehmen. Europa sei einseitig abhängig bei der Rohstoffbeschaffung von China und Russland. Wir müssen endlich strategisch denken und eine »Geopolitik der Rohstoffe« entwickeln.
Darum hat der EU-Kommissar, zuständig für den europäischen Binnenmarkt sowie für Verteidigung und Raumfahrt, einen Gesetzentwurf formulieren lassen, den so genannten »Raw Materials Act«. Also zu Deutsch: Gesetz für Rohstoffe. Im Entwurf heißt es: Die »übermäßige Abhängigkeit Europas von kritischen Materialien, die oft nur aus einem Land stammen, wird immer riskanter.« Mit »kritischen Materialien« handelt es sich in erster Linie um so genannte Seltene Erden (die gar nicht so selten sind); um Kobalt, Lithium und Magnesium. Die geplante Digitalisierung und die Elektrifizierung des Verkehrs sind ohne diese Stoffe undenkbar. Es betrifft im Einzelnen die Herstellung von: Halbleitern, Elektronik, Robotik, Batterien, Elektromotoren oder auch Solarzellen.
Thierry Breton kommt übrigens, wie alle tonangebenden Hierarchen der Europäischen Union, aus der Hochfinanz. Breton hat vor seiner politischen Karriere vornehmlich französische Großkonzerne »saniert«. Sanieren bedeutet heutzutage immer: Wirtschaftsbetriebe durch Fusionen und Ankäufe so zu recht zu modellieren, dass Spekulanten an der Börse die neu arrangierten Häppchen optimal verdauen können. Das hat Breton so gut gemacht, dass er zuerst Finanzminister in Frankreich wurde und eben jetzt Kommissar, also quasi Minister, in der EU. Sein geplantes Rohstoffgesetz sieht als Ausweg aus der Abhängigkeit von fremden Rohstoffen drei Maßnahmen vor: zum einen Selbstversorgung, zweitens Sparsamkeit im Umgang mit Rohstoffen und drittens Recycling bereits im Umlauf befindlicher Rohstoffe aus ausgedienten Endprodukten.
Selbstversorgung nicht zumutbar
Nun, mit der Selbstversorgung ist das so eine Sache. Es gibt zwar in Europa Landstriche mit Lithium- oder Magnesium-Vorkommen, die in der Erde schlummern. Bislang hat man sie jedoch aus guten Gründen nicht geborgen. Zum einen wäre die Förderung nicht rentabel. Zum anderen würde die Landschaft nicht unerheblich zerstört – was zu Recht politische Widerstände in der Region hervorrufen würde. Es wurden in der Vergangenheit Versuche unternommen, in Storkwitz bei Delitsch in Sachsen Seltene Erden zu fördern. Allerdings wurde der Versuch abgebrochen, weil das Unternehmen vollkommen unrentabel war.
Im Rahmen der De-Industrialisierung Europas seit den 1970er Jahren wurden alle schmutzigen und umweltverbrauchenden Wirtschaftszweige großräumig in die Länder der so genannten Dritten Welt verlagert. So sind jetzt ganze Regionen in Südostasien komplett ruiniert. Die Arbeiter haben keine große Lebenserwartung. Die Löhne sind unterirdisch. Ein trauriger Höhepunkt in puncto Umwelt- und Menschenverbrauch ist Bayan Obo in der Inneren Mongolei, die zur Volksrepublik China gehört. Hier werden Seltene Erden, insbesondere Thorium im Tagebau gefördert. Anstatt Natur gibt es hier eine Abwasserlache von zehn Millionen Kubikmeter jedes Jahr, voll mit radioaktivem Thorium, Flusssäure, Schwefelsäure. Lungenkrebs ist in dieser Region überdurchschnittlich vertreten und die Wüste breitet sich immer mehr aus.
Unsere ach so grünen neuen Technologien ziehen eine Spur der Verwüstung hinter sich her. So etwas ist den Bürgern in Europa schlicht nicht zuzumuten. Zudem gab es in Deutschland schon einmal in der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs 1936 einen Vierjahresplan, durch den Deutschland unabhängig von Importen von Erdöl oder Metallen gemacht werden sollte. Die so genannten Hermann-Göring-Werke waren ein kompletter Reinfall. Ähnliche Ergebnisse dürften auch Versuche auf europäischer Ebene erbringen.
Das große Suchen kann beginnen
Wie sieht denn die Marktlage für Rohstoffe aus? Lithium zum Beispiel erhalten wir zu zwei Dritteln aus Australien. Der größte Exporteur von Lithium ist Chile. Und Chile wiederum liefert seine Rohstoffe nach China, denn China ist weltweit führend in der Veredelung von Lithium. Kobalt wiederum kommt zu über 80 Prozent aus dem Kongo. Er wird dort unter steinzeitlichen Verhältnissen unter Tage gefördert von Kindern, die in die engen Stollen passen, und die im Erwachsenenalter bereits alt und verbraucht sind. Hier wird auch das für die Handy-Produktion unerlässliche Coltan gefördert. Damit der Staat Kongo möglichst nichts von den üppigen Profiten dieser kaum kaschierten Sklaverei abbekommt, wurden so genannte Bürgerkriege angezettelt, in deren Folge bislang fünf Millionen Menschen zu Tode gekommen sind. Bei Kobalt besteht also überhaupt keine Abhängigkeit von China oder Russland. Beim Magnesium allerdings ist China der mit Abstand bedeutendste Lieferant, gefolgt von Russland.
Es bleibt also für die europäische Industrie, will sie an politisch problemlose und ausreichend große Förderflächen herankommen, nur die Suche nach wenig besiedelten Regionen außerhalb Europas. Die findet man im Falle der Seltenen Erden in Mount Weld in West-Australien oder aber in Südgrönland. Dass allerdings die Verknappung der Rohstoffe nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun, sondern strukturelle Gründe hat, das wussten die Meisterdenker der Europäischen Union schon lange. Denn die Kommunistische Partei der Volksrepublik China hat in ihrem aktuellen Fünfjahresplan festgelegt, dass China nicht länger billiger Rohstofflieferant der angloamerikanischen Hemisphäre sein will. Sondern vielmehr von der Rohstoff-Förderung bis zum hochanspruchsvollen Endprodukt alles selber in die Hand nehmen will. Qualität statt Quantität.
Die allerschlimmsten Menschenschinder- und Umweltschmutzklitschen für Seltene Erden sind mittlerweile geschlossen. Es gilt, stattdessen Premium-Produzent der Welt zu werden. Das ist die eigentliche Bedrohung für die westliche Wertegemeinschaft. Deswegen wurde von der EU bereits im Jahre 2020 der »Raw Materials Action Plan« ausgearbeitet. Damals rief die pure Andeutung, in Portugal und andernorts in Europa könnte jetzt die Landschaft nachhaltig ruiniert werden, Umweltschutzverbände auf den Plan. Doch sind die Planungen der EU immer nur ein Echo von Planungen der einschlägigen Unternehmerverbände. In diesem Fall hat die »Europeans Raw Material Alliance« den Souffleur für EU-Kommissar Thierry Breton abgegeben. Und hinter dieser Rohstoffallianz steht das »European Institute for Innovation and Technology«. In dessen Vorstand sitzen arbeitgebernahe Professoren, aber auch Vertreter von Unternehmensberatungsfirmen wie Deloitte oder auch Martina Larkin, ihres Zeichens Europa- und Asienchefin des Weltwirtschaftsforums.
EU muss Prioritäten setzen
Und obgleich diese klugen Köpfe ganz genau wissen, dass die Rohstoffproblematik strukturelle Gründe hat, wird der Öffentlichkeit die Sache so verkauft, als wäre die Abhängigkeit von russischen und chinesischen Rohstoffen eine perfide Kriegslist der beiden Länder. Der Ökonom des Unternehmer-Lobby-Instituts der Wirtschaft (IW) Jürgen Matthes gibt sich kriegslustig: »Nachhaltigkeitsziele sind wichtig und unverzichtbar, aber sie dürfen nicht zur dominierenden Priorität werden, wenn geostrategische Ziele dabei auf der Strecke bleiben.« Auf Deutsch: Um in den Krieg gehen zu können, müssen die deutschen Unternehmer empfindliche Einbußen hinnehmen. Das macht deutlich, dass auch die deutschen Unternehmer nicht wirklich frei sind. Vielmehr sind sie durch die korporatistische Vereinigungen fest eingebunden in die Kriegsräson der angloamerikanisch bestimmten westlichen Wertegemeinschaft. Eine wirklich zukunftsweisende Rohstoffpolitik würde sich energisch bemühen, neue umwelt- und sozialverträgliche Werkstoffe zu entwickeln. Und sich im Übrigen vom verheerenden Wachstumswahn zu verabschieden.
Und aktuell noch dies: Während der jährlichen Kultaranta-Gespräche in Finnland vollzog der Generalsekretär der Nato, Jens Stoltenberg, eine 180-Grad-Wende – zumindest im Vergleich zu unseren hiesigen Propaganda-Medien. Er machte eine Ökonomie des Krieges klar. Der Westen sei zwar bereit, für den Krieg »einen Preis zu zahlen«, Kiew werde aber Friedensverhandlungen weiterführen und Gebietsabtretungen machen müssen. »Wieviel Territorium, wieviel Unabhängigkeit, wieviel Souveränität sind sie bereit, für den Frieden preiszugeben?«, so Stoltenberg. Diese Botschaft kann in beide Richtungen verstanden werden, nach Ost wie West. Die Ukraine wird zwischen Machtblöcken aufgeteilt.
Dieser Beitrag erscheint in der Wochenzeitung "Demokratischer Widerstand" (Ausgabe #DW94). Die gedruckte Zeitung kann frei verteilt, einzeln abonniert und nachhause geliefert sowie unterstützt werden. Siehe demokratischerwiderstand.de
Erstveröffentlichung am 15. Juni 2022 bei Apolut
Online-Flyer Nr. 793 vom 22.06.2022
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Wirtschaft und Umwelt
Fest eingebunden in die Kriegsräson der angloamerikanisch bestimmten westlichen Wertegemeinschaft
Geopolitik der Rohstoffe
Von Hermann Ploppa
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gab zuletzt bekannt, es müsse jetzt Friedensverhandlungen geben und Gebietsabtretungen Kiews an die Russische Föderation. EU-Kommissar Thierry Breton möchte gerne lieber gestern als heute die einseitige Abhängigkeit von russischen und chinesischen Rohstoffen beenden. Denn jetzt müsse endlich »Schluss sein mit der Ära der Naivität«. So ließ sich Thierry Breton vernehmen. Europa sei einseitig abhängig bei der Rohstoffbeschaffung von China und Russland. Wir müssen endlich strategisch denken und eine »Geopolitik der Rohstoffe« entwickeln.
Darum hat der EU-Kommissar, zuständig für den europäischen Binnenmarkt sowie für Verteidigung und Raumfahrt, einen Gesetzentwurf formulieren lassen, den so genannten »Raw Materials Act«. Also zu Deutsch: Gesetz für Rohstoffe. Im Entwurf heißt es: Die »übermäßige Abhängigkeit Europas von kritischen Materialien, die oft nur aus einem Land stammen, wird immer riskanter.« Mit »kritischen Materialien« handelt es sich in erster Linie um so genannte Seltene Erden (die gar nicht so selten sind); um Kobalt, Lithium und Magnesium. Die geplante Digitalisierung und die Elektrifizierung des Verkehrs sind ohne diese Stoffe undenkbar. Es betrifft im Einzelnen die Herstellung von: Halbleitern, Elektronik, Robotik, Batterien, Elektromotoren oder auch Solarzellen.
Thierry Breton kommt übrigens, wie alle tonangebenden Hierarchen der Europäischen Union, aus der Hochfinanz. Breton hat vor seiner politischen Karriere vornehmlich französische Großkonzerne »saniert«. Sanieren bedeutet heutzutage immer: Wirtschaftsbetriebe durch Fusionen und Ankäufe so zu recht zu modellieren, dass Spekulanten an der Börse die neu arrangierten Häppchen optimal verdauen können. Das hat Breton so gut gemacht, dass er zuerst Finanzminister in Frankreich wurde und eben jetzt Kommissar, also quasi Minister, in der EU. Sein geplantes Rohstoffgesetz sieht als Ausweg aus der Abhängigkeit von fremden Rohstoffen drei Maßnahmen vor: zum einen Selbstversorgung, zweitens Sparsamkeit im Umgang mit Rohstoffen und drittens Recycling bereits im Umlauf befindlicher Rohstoffe aus ausgedienten Endprodukten.
Selbstversorgung nicht zumutbar
Nun, mit der Selbstversorgung ist das so eine Sache. Es gibt zwar in Europa Landstriche mit Lithium- oder Magnesium-Vorkommen, die in der Erde schlummern. Bislang hat man sie jedoch aus guten Gründen nicht geborgen. Zum einen wäre die Förderung nicht rentabel. Zum anderen würde die Landschaft nicht unerheblich zerstört – was zu Recht politische Widerstände in der Region hervorrufen würde. Es wurden in der Vergangenheit Versuche unternommen, in Storkwitz bei Delitsch in Sachsen Seltene Erden zu fördern. Allerdings wurde der Versuch abgebrochen, weil das Unternehmen vollkommen unrentabel war.
Im Rahmen der De-Industrialisierung Europas seit den 1970er Jahren wurden alle schmutzigen und umweltverbrauchenden Wirtschaftszweige großräumig in die Länder der so genannten Dritten Welt verlagert. So sind jetzt ganze Regionen in Südostasien komplett ruiniert. Die Arbeiter haben keine große Lebenserwartung. Die Löhne sind unterirdisch. Ein trauriger Höhepunkt in puncto Umwelt- und Menschenverbrauch ist Bayan Obo in der Inneren Mongolei, die zur Volksrepublik China gehört. Hier werden Seltene Erden, insbesondere Thorium im Tagebau gefördert. Anstatt Natur gibt es hier eine Abwasserlache von zehn Millionen Kubikmeter jedes Jahr, voll mit radioaktivem Thorium, Flusssäure, Schwefelsäure. Lungenkrebs ist in dieser Region überdurchschnittlich vertreten und die Wüste breitet sich immer mehr aus.
Unsere ach so grünen neuen Technologien ziehen eine Spur der Verwüstung hinter sich her. So etwas ist den Bürgern in Europa schlicht nicht zuzumuten. Zudem gab es in Deutschland schon einmal in der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs 1936 einen Vierjahresplan, durch den Deutschland unabhängig von Importen von Erdöl oder Metallen gemacht werden sollte. Die so genannten Hermann-Göring-Werke waren ein kompletter Reinfall. Ähnliche Ergebnisse dürften auch Versuche auf europäischer Ebene erbringen.
Das große Suchen kann beginnen
Wie sieht denn die Marktlage für Rohstoffe aus? Lithium zum Beispiel erhalten wir zu zwei Dritteln aus Australien. Der größte Exporteur von Lithium ist Chile. Und Chile wiederum liefert seine Rohstoffe nach China, denn China ist weltweit führend in der Veredelung von Lithium. Kobalt wiederum kommt zu über 80 Prozent aus dem Kongo. Er wird dort unter steinzeitlichen Verhältnissen unter Tage gefördert von Kindern, die in die engen Stollen passen, und die im Erwachsenenalter bereits alt und verbraucht sind. Hier wird auch das für die Handy-Produktion unerlässliche Coltan gefördert. Damit der Staat Kongo möglichst nichts von den üppigen Profiten dieser kaum kaschierten Sklaverei abbekommt, wurden so genannte Bürgerkriege angezettelt, in deren Folge bislang fünf Millionen Menschen zu Tode gekommen sind. Bei Kobalt besteht also überhaupt keine Abhängigkeit von China oder Russland. Beim Magnesium allerdings ist China der mit Abstand bedeutendste Lieferant, gefolgt von Russland.
Es bleibt also für die europäische Industrie, will sie an politisch problemlose und ausreichend große Förderflächen herankommen, nur die Suche nach wenig besiedelten Regionen außerhalb Europas. Die findet man im Falle der Seltenen Erden in Mount Weld in West-Australien oder aber in Südgrönland. Dass allerdings die Verknappung der Rohstoffe nichts mit dem Ukraine-Krieg zu tun, sondern strukturelle Gründe hat, das wussten die Meisterdenker der Europäischen Union schon lange. Denn die Kommunistische Partei der Volksrepublik China hat in ihrem aktuellen Fünfjahresplan festgelegt, dass China nicht länger billiger Rohstofflieferant der angloamerikanischen Hemisphäre sein will. Sondern vielmehr von der Rohstoff-Förderung bis zum hochanspruchsvollen Endprodukt alles selber in die Hand nehmen will. Qualität statt Quantität.
Die allerschlimmsten Menschenschinder- und Umweltschmutzklitschen für Seltene Erden sind mittlerweile geschlossen. Es gilt, stattdessen Premium-Produzent der Welt zu werden. Das ist die eigentliche Bedrohung für die westliche Wertegemeinschaft. Deswegen wurde von der EU bereits im Jahre 2020 der »Raw Materials Action Plan« ausgearbeitet. Damals rief die pure Andeutung, in Portugal und andernorts in Europa könnte jetzt die Landschaft nachhaltig ruiniert werden, Umweltschutzverbände auf den Plan. Doch sind die Planungen der EU immer nur ein Echo von Planungen der einschlägigen Unternehmerverbände. In diesem Fall hat die »Europeans Raw Material Alliance« den Souffleur für EU-Kommissar Thierry Breton abgegeben. Und hinter dieser Rohstoffallianz steht das »European Institute for Innovation and Technology«. In dessen Vorstand sitzen arbeitgebernahe Professoren, aber auch Vertreter von Unternehmensberatungsfirmen wie Deloitte oder auch Martina Larkin, ihres Zeichens Europa- und Asienchefin des Weltwirtschaftsforums.
EU muss Prioritäten setzen
Und obgleich diese klugen Köpfe ganz genau wissen, dass die Rohstoffproblematik strukturelle Gründe hat, wird der Öffentlichkeit die Sache so verkauft, als wäre die Abhängigkeit von russischen und chinesischen Rohstoffen eine perfide Kriegslist der beiden Länder. Der Ökonom des Unternehmer-Lobby-Instituts der Wirtschaft (IW) Jürgen Matthes gibt sich kriegslustig: »Nachhaltigkeitsziele sind wichtig und unverzichtbar, aber sie dürfen nicht zur dominierenden Priorität werden, wenn geostrategische Ziele dabei auf der Strecke bleiben.« Auf Deutsch: Um in den Krieg gehen zu können, müssen die deutschen Unternehmer empfindliche Einbußen hinnehmen. Das macht deutlich, dass auch die deutschen Unternehmer nicht wirklich frei sind. Vielmehr sind sie durch die korporatistische Vereinigungen fest eingebunden in die Kriegsräson der angloamerikanisch bestimmten westlichen Wertegemeinschaft. Eine wirklich zukunftsweisende Rohstoffpolitik würde sich energisch bemühen, neue umwelt- und sozialverträgliche Werkstoffe zu entwickeln. Und sich im Übrigen vom verheerenden Wachstumswahn zu verabschieden.
Und aktuell noch dies: Während der jährlichen Kultaranta-Gespräche in Finnland vollzog der Generalsekretär der Nato, Jens Stoltenberg, eine 180-Grad-Wende – zumindest im Vergleich zu unseren hiesigen Propaganda-Medien. Er machte eine Ökonomie des Krieges klar. Der Westen sei zwar bereit, für den Krieg »einen Preis zu zahlen«, Kiew werde aber Friedensverhandlungen weiterführen und Gebietsabtretungen machen müssen. »Wieviel Territorium, wieviel Unabhängigkeit, wieviel Souveränität sind sie bereit, für den Frieden preiszugeben?«, so Stoltenberg. Diese Botschaft kann in beide Richtungen verstanden werden, nach Ost wie West. Die Ukraine wird zwischen Machtblöcken aufgeteilt.
Dieser Beitrag erscheint in der Wochenzeitung "Demokratischer Widerstand" (Ausgabe #DW94). Die gedruckte Zeitung kann frei verteilt, einzeln abonniert und nachhause geliefert sowie unterstützt werden. Siehe demokratischerwiderstand.de
Erstveröffentlichung am 15. Juni 2022 bei Apolut
Online-Flyer Nr. 793 vom 22.06.2022
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