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Aktueller Online-Flyer vom 27. Dezember 2024  

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Literatur
Hannes Hofbauer: Zensur – Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte
Betroffen sind wir alle
Buchbesprechung von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)

Der Linke Liedersommer 2022 fand dieses Jahr in Bad Orb in der Nähe von Frankfurt statt - nicht wie angekündigt im Naturfreunde-Haus im Rahnenhof in der Pfalz. Die Gründe für diese Verschiebung wurden andernorts bereits dokumentiert (1). Daher an dieser Stelle nur soviel: Ganz offensichtlich handelt es sich bei der Kündigung der Lokalität gegenüber den VeranstalterInnen des Linken Liedersommers um vorauseilenden Gehorsam einerseits und um einen Versuch zu zensieren andererseits. Ob und in wie fern dieser Versuch, den Anlass Linker Liedersommer zu verhindern, noch ein Nachspiel haben wird, müssen die VeranstalterInnen entscheiden. Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass derartige Machenschaften weder neu noch originell sind: So kennen wir z.B. kurzfristige Lokalkündigungen von Veranstaltungen der Palästina-Solidarität. Jede Gruppe oder Organisation, die oppositionell unterwegs ist und sich nicht an die exakt abgesteckten Leitplanken der im System geduldeten Opposition hält, kann ebenfalls ein Lied davon singen: Der Text dieses Liedes variiert je nach Land oder Region, die Melodie bleibt sich gleich: Erlaubt ist, was der Mainstream zulässt, alles andere wird diffamiert, als nicht diskussionsfähig erklärt, ignoriert oder eben zensiert. Mit anderen Worten: Eine Zensur findet statt. 

In unserem Alltag sind wir also alle mit mehr oder weniger drastischen Zensurmaßnahmen konfrontiert. Wer meint, nicht von Zensur betroffen zu sein, macht sich in der Tat etwas vor. Zeit also, sich darüber kundig zu machen, was Zensur eigentlich ist. Hannes Hofbauer gibt uns mit seinem, zu Beginn des Jahres 2022 im ProMedia-Verlag erschienen Buch ein gutes Werkzeug in die Hand, welches zum Verständnis der Zensur wesentlich beiträgt.

Herangehensweise

Wie wir es von Hannes Hofbauer, der von Haus aus Historiker ist, nicht anders erwarten, geht er das Thema historisch an. Die Anfänge der Zensur verortet er denn auch in Europa zeitgleich mit der Entwicklung des Buchdrucks. Den Herrschenden, vor allem dem Klerus, war von Beginn an suspekt, dass sich der gemeine Pöbel mittels Alphabetisierung und dem Lesen von Büchern Wissen aneignen könnte, welches nicht im Interesse der Kirchen und der Herrscherhäuser liegen konnte. Der Autor führt uns schon auf den ersten Seiten des Werkes die Denkweise der damaligen Herrscher vor Augen, und es ist schockierend – dies sei vorweg genommen – wie wenig sich diese Denkweise bis heute verändert hat.

Unliebsame Werke und deren Autoren wurden verboten und mit einem Bann belegt. Später, als sich die Technik des Buchdruckes mehr und mehr perfektionierte und auch kommerzialisierte, wurden nicht allein die Autoren der Bücher verfolgt, sondern auch die Verleger, ja sogar die Drucker und Buchhändler waren vor der Verfolgung nicht sicher.

Diese Verfolgungen von nicht genehmen Meinungen ziehen sich durch die Jahrhunderte. Der Widerstand dagegen auch. Wenn die Bücher verbrannt wurden, wurden sie im geheimen neu gedruckt und verteilt. Wenn die Autoren verfolgt wurden, so flohen sie, um anderenorts ihre Arbeit weiter zu führen.

«Der Feind steht links»

Hofbauer führt uns durch die Jahrhunderte, und selbstverständlich wird die deutschsprachige Zensurgeschichte unter der faschistischen Herrschaft der Nationalsozialisten ausführlich behandelt. Zu Zeiten der Nazis gab es in Deutschland und in den von ihnen unterworfenen Ländern eine offen praktizierte und definierte Zensur. Anmerkung am Rande: Eine Pressezensur kannte auch die Schweiz und dies obwohl sie offiziell niemals von den Nazis besetzt wurde. Diese Pressezensur in der Schweiz zielte vor allem darauf ab, die faschistischen Mächte Deutschland und Italien nicht zu brüskieren. (2) Sowohl in der nicht besetzten Schweiz als auch in den von den Nazis besetzten Ländern stand fest: «Der Feind steht links». Diese Doktrin sollte sich auch nach der Kapitulation des deutschen Faschismus nicht ändern. Schon kurz nach der Niederlage wurden von den US-amerikanischen Militärbehörden Zeitungen und Magazine unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Anschaulich schildert Hofbauer diese, ausschliesslich an der kapitalistischen Ideologie festgemachten Voraussetzungen. Einen Exkurs widmet er den Zensurmaßnahmen in der DDR, die es ja auch gab. Im Westen Europas stand und steht der Feind indes nach wie vor links.

Von der bleiernen Zeit nahtlos in die digitale Zensur

Zensurmaßnahmen, Berufsverbote und Ausgrenzungen rund um den deutschen Herbst dürften manche von uns noch in unguter Erinnerung haben. Diese Ereignisse werden von Hofbauer adäquat aufgearbeitet und analysiert. «Eine Zensur findet nicht statt», dieser Mythos wird schonungslos anhand von Beispielen demaskiert und ins historisch richtige Licht gerückt. Buchhändler wurden damals ebenso kriminalisiert wie AutorInnen. Das Beispiel des verstorbenen Bommi Baumann (3) findet ebenso Erwähnung wie die «klammheimliche Freude» des Göttinger Mescaleros. Der Göttinger Mescalero war der pseudonyme Autor des Textes «Buback – Ein Nachruf», der 1977 die Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback durch die RAF in einer Weise kommentierte, die in der Öffentlichkeit vor allem als Zustimmung zu dem Mord gewertet wurde, obwohl der Autor mit seinem Text in Wirklichkeit gegen Gewalt argumentierte. Beide Schriften, das Buch Baumanns und der Text des Mescaleros, beinhalten im Kern eine Abkehr vom bewaffneten Kampf, beide sind ein Plädoyer für den Dialog, beide Schriften unterlagen gleichwohl der Zensur, die angeblich nicht stattfand.
 
Demokratien beharren gegen außen auf dem Primat der Meinungs- und Pressefreiheit. Dem Autor gelingt es jedoch, mehrfach aufzuzeigen, dass der universelle Wert dieser Meinungs- und Pressefreiheit nicht nur gefährdet ist – als aufmerksame LeserInnen müssen wir zum Schluss kommen, dass diese Werte schon längst nicht mehr existent sind. Im besonderen Mass gilt dies für die sogenannt «neuen Medien».

Facebook, YouTube, Tube, Twitter & co.

Mit dem Aufkommen des Internets und den sogenannt sozialen Medien sollte man eigentlich annehmen, dass eben hiermit die Presse- und Meinungsfreiheit befördert wird. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die Grossen der Branche, erwähnt seien allen voran Facebook und YouTube, üben Zensur, wobei nicht auf Anhieb klar ist, ob es sich dabei um Selbstzensur oder um von oben verordnete Verbote handelt. So wird am Beispiel von Ken Jebsen exemplarisch aufgezeigt, wie nicht konforme Meinungen, auch und aktuell vor allem dann, wenn über die globale Covid-Hysterie berichtet wird, mundtot gemacht werden sollen. Fakten spielen dabei absolut keine Rolle. Am herrschenden Narrativ darf nicht gerüttelt werden. Darin unterscheiden sich die heutigen Zensoren mit ihren Lösch- und Streichorgien auf den digitalen Plattformen in keiner Weise von den Bücherverbrennern der alten Tage.

Die Verbote richten sich indes nicht nur gegen innen. So wurden zum Beispiel lange vor der militärischen Operation Russlands in der Ukraine die Plattformen Russia Today und Sputnik als «russische Propaganda» diffamiert. Mittlerweile ist sowohl der YouTube-Kanal von RT als auch derjenige von Sputnik gesperrt. "Feindsender" sollen und dürfen nicht mehr empfangen werden. Begründet wird dies mit «Desinformation bezüglich der Covid-19-Pandemie». Unter anderem sollen Interviews und Berichte mit Prof. Sucharit Bhakti und Dr. Wolfgang Wodarg diese Vorwürfe belegen. Dabei wird tunlichst übersehen, dass seriöser Journalismus einen Unterschied macht, ob über ein Ereignis berichtet wird, oder ob ein Ereignis kommentiert wird. Ersteres muss durch Fakten belegt werden können, letzteres erlaubt auch Thesen, Hypothesen und Antithesen. Die digitalen Zensoren scheren sich jedoch ebenso wenig um Fakten, wie um die elementarsten journalistischen Grundsätze.

Corona: Die immerwährende Zensur

Ein düsteres Bild zeichnet Hofbauer von den bestehenden und den wohl noch folgenden Maßnahmen gegen – nennen wir es irgendein Virus. In der Tat ist es erschreckend, wie viele Existenzen von impfunwilligen BürgerInnen überall in Europa zerstört wurden. Es ist erschreckend, wie Kinder und Jugendliche durch die Maßnahmen der Regierungen traumatisiert werden. Es ist erschreckend, wie wenig die wirtschaftlichen Folgen der Lockdown-Maßnahmen thematisiert werden. Ebenso erschreckend ist indes, wie Menschen, welche diese Maßnahmen verantwortungsbewusst und faktenorientiert diskutieren wollen, in die rechte Ecke oder in die Ecke der «Verschwörungstheoretiker» entsorgt werden sollen. Hofbauer macht uns auch auf die interessante Mutation der Definition von «Querdenker» aufmerksam. So konnten wir bis vor kurzem im Duden unter dem Begriff «Querdenker» folgendes lesen: «Männliche Person, die eigenständig und originell denkt und deren Ideen und Ansichten oft nicht verstanden oder akzeptiert werden.» Neu hinzugekommen ist nun eine zweite Deutung: «Anhänger, Sympathisant der politischen Bewegung 'Querdenken', die sich insbesondere gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie, gegen Impfungen u.Ä. richtet (und dabei auch Verschwörungserzählungen verbreitet)» (4) Wir dürfen gespannt sein, wie lange es dauert, bis die erste Definition der Zensurschere zum Opfer fällt.

Die Hoffnung lebt

Hannes Hofbauer lässt uns mit all den Schrecken der zensierten Vergangenheit und Gegenwart nicht im Dunklen stehen. Zum Schluss des Buches schimmert Hoffnung auf. «Zensurmaßnahmen werden immer umgangen» heisst es da. Tatsächlich ist es illusorisch annehmen zu wollen, ein Überwachungsstaat, so wie sich das die Exponenten des tiefen Staates vorstellen, könnte funktionieren. Wenn früher die Bücher verbrannt wurden, so wurden neue gedruckt. Wenn heute Facebook, YouTube und andere systemkonforme Plattformen Kanäle schließen, so tun sich andere Kanäle auf, Alternativen wird es immer geben. Wobei Hofbauer wahrscheinlich bewusst offen lässt, ob nun zum Beispiel "Telegram" so eine Alternative sein mag oder nicht. Wichtig ist und bleibt, dass wir alle nach wie vor unsere Stimmen erheben und uns unser Recht auf eine eigene Meinung und auf eigene Erkenntnisse nicht nehmen lassen. Widerstand gegen Unrecht und Unterdrückung wird es solange geben, wie es Unrecht und Unterdrückung gibt. Widerstand gegen Zensur wird es geben, solange es Zensur gibt. «Zensur» von Hannes Hofbauer, erschienen bei ProMedia, ist ein wichtiges, in diesen Tagen wahrscheinlich ein unentbehrliches Buch.


Hannes Hofbauer: Zensur – Publikationsverbote im Spiegel der Geschichte. Vom kirchlichen Index zur YouTube Löschung



ProMedia, Wien 2022, ISBN: 978-3-85371-497-3, 248 Seiten, 19,90 Euro


Fußnoten:

1 u.a. hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28125 und hier:https://www.freidenker.org/?p=13349 (Letzter Zugriff jeweils Juni 2022)
2 http://www.geschichte-schweiz.ch/weltchronik-von-salis.html (Letzter Zugriff Juni 2022)
3 Bommi Baumann: Wie alles anfing, München Trikont-dianus Verl., 1982
4 https://www.duden.de/rechtschreibung/Querdenker (Letzter Zugriff Juni 2022)

Online-Flyer Nr. 793  vom 22.06.2022

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