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Erklärung zur Polizeitaktik anlässlich ihrer Kundgebung am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Berlin Weißensee
Polizeilich angeordnete Käfighaltung für freie linke Menschen
Von Freie Linke Berlin (Text) und Birgit Franke (Fotos)
Die Berliner Polizei hat unsere Solidaritätsveranstaltung zum Friedenscamp „Stopp Ramstein“ am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Weißensee abermals in jeder erdenklichen Form zu behindern versucht. Der Platz wurde von der Polizei ringsum flächendeckend mit Hamburger Gittern abgesperrt, hinter denen sich Bereitschaftspolizeibeamte in der üblichen militärisch anmutenden schwarzen Uniform postierten und von einem jeden Menschen, der den Platz betreten wollte, Auskunft darüber verlangten, ob er (etwa) Teilnehmer dieser Kundgebung sei. Dass durch diese Drohkulisse aus Absperrgittern, schwarz gewandeten Einsatzkräften und inquisitorischen Fragen fast keiner der Passanten und Passantinnen den Mut fand, sich auf den Platz zu begeben (oder ihn auch nur zu queren: Viele Anwohner gingen außen herum), fassen wir als politisch gewünschte Polizei-Taktik auf. Sie widerspricht sämtlichen demokratischen Grundregeln und überdies dem Versammlungsgesetz Berlin, das dem Veranstalter einen ungestörten Verlauf einer angemeldeten und genehmigten Versammlung garantiert [1].
1. Friedenskundgebung im Käfig aus Absperrgittern – alle Fotos: Birgit Franke (Arbeiterfotografie)
2. Friedenskundgebungsteilnehmer
3. Käfig aus Absperrgittern
4. Freie Linke: links-libertär, antiimperialistisch - Frieden
5. Käfig aus Absperrgittern
6. Freie Linke
7. Käfig aus Absperrgittern
8. NATO: kapitalgesteuertes Kriegsbündnis
9. Lautstarke Störer der „Antifa-Gegendemonstration“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite
10. Krieg nutzt immer nur den Reichen
11. Freie Linke
12. Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“ (Helmut Schmidt)
13. Victor Grossman spricht von seiner Flucht aus dem US-amerikanischen Wehrdienst wegen eines drohenden McCarthy-Verfahrens
Anstatt aber für den uns zugesicherten „ungestörten Verlauf“ unserer Veranstaltung zu sorgen, ließ die Berliner Polizei es zu, dass die Gegendemonstration der so genannten „Antifa“ unsere Rednerinnen und Redner durch ihr megafon-verstärktes Dauerskandieren von Verleumdungen massiv stören konnte, so zum Beispiel den 92jährigen Victor Grossman, als er von seiner Flucht aus dem US-amerikanischen Wehrdienst wegen eines drohenden McCarthy-Verfahrens sprach, die ihn 1952 unter abenteuerlichen Umständen über Österreich in die DDR führte. Victor Grossman, dessen Großeltern Ende des 19. Jahrhunderts aus Angst vor antijüdischen Pogromen aus Europa in die USA geflohen waren, musste seine Rede zweimal wegen einer hysterisch kreischenden Einpeitscherin am Megafon der „Antifa-Gegendemonstration“ unterbrechen.
Den gegen diese Störungen bei der Polizeieinsatzleitung Protest erhebenden Organisatorinnen und Organisatoren der FL-Friedenskundgebung wurde von dieser Einsatzleitung mitgeteilt, dass „drüben“ jedes Wort ihrer Kundgebung akustisch zu verstehen sei und dass es „richtig“ sei, dass sie ihrerseits jedes Wort der Gegenkundgebung zu hören bekommen würden – warum die Polizei zu dieser Bewertung kam, blieb ihr Geheimnis; ebenso, wie sie das mit einer „störungsfreien Veranstaltung“ in Einklang bringen konnte. [2]
Wir halten fest: Im Jahr 2022 können 92jährige Menschen jüdischer Abstammung von sich selbst „Antifa“ nennenden Menschen in Berlin mit polizeilicher Genehmigung niedergebrüllt werden.
Sogar innerhalb der Käfighaltung ließ die Berliner Polizei noch das Regime, das keine rote Linien mehr kennt, walten: Uns als Veranstaltern der Friedenskundgebung wurde zunächst komplett verboten, mit Kreidestiften Friedenszitate berühmter Persönlichkeiten auf den Boden des Antonplatzes zu schreiben; im zweiten Anlauf wurde uns dann gestattet, diese Zitate auf dem Boden aufzubringen, wenn wir sie nach der Veranstaltung mit Wasser abwaschen würden; im dritten Anlauf „durften“ wir dann exakt fünf Zitate auf den Boden des Platzes schreiben, ohne sie nach der Veranstaltung mit Wasser (und Zahnbürste?) abwaschen zu müssen – freilich mussten die Texte (von Kant bis Kissinger) durch die Einsatzleitung genehmigt werden.
Genehmigt werden durch die Berliner Polizei musste auch: all unser Equipment, das wir mit drei Autos auf den Platz fuhren: Jede Tasche musste geöffnet werden, jedes Transparent musste vorgezeigt werden, jeder Ersatzreifen, jeder Bambusstab für die Fahnen musste präsentiert werden – nichts und niemand von uns durfte die von uns angemeldete und polizeilich genehmigte Kundgebung betreten, ohne von der Berliner Polizei gefilzt oder zumindest gewissensbefragt worden zu sein.
Die Einsatzleitung vor Ort erwiderte auf unseren vielfältigen Protest gegen all diese Schikanen, dass es sich dabei um „Sicherheitsmaßnahmen“ handele, weil unserer Veranstaltung seitens der Gegendemonstrantinnen und -demonstranten Gewalt drohe. Diese Gegendemonstranten freilich wurden weder durch die Polizei in Käfighaltung gesteckt oder ob ihrer Teilnahme gewissensbefragt noch von uns zusammengebrüllt. Ganz im Gegenteil!
Die Freie Linke Berlin stellt hiermit fest: Das Agieren (und anders ist dieser Einsatz nicht zu bezeichnen) der Berliner Polizei auf unserer Friedenskundgebung am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Berlin-Weißensee ist ein neuerlicher [3] Versuch, jeglichen gegen Regierungshandeln gerichteten Protest, der an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgerichtet ist, im Keim zu ersticken.
Und wir folgern aus diesem sich wiederholenden Verhalten der Exekutivorgane: Wir lassen uns nicht davon abbringen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gestalt des Grundgesetzes immer noch existiert, dass es ein Versammlungsrecht – zumindest de jure – weiterhin gibt, und dass Polizeikräfte – zumindest de jure – nach wie vor dazu verpflichtet sind, demokratischen, friedlichen und dem Grundgesetz verpflichteten Protest gegen Regierungsmaßnahmen zu schützen.
Fußnoten:
[1] Berliner Versammlungsgesetz, §3, Absatz (2), Satz 1 „Aufgabe der zuständigen Behörde ist es, 1. die Durchführung einer nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässigen Versammlung zu unterstützen, den ungehinderten Zugang zur Versammlung zu ermöglichen und ihre Durchführung vor Störungen zu schützen“ [Herv. FL]:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-VersammlFrhGBEpG1
abgerufen am 06.07.2022.
[2] Vielleicht geht diese Taktik auf jenen denkwürdigen Satz im 2021 geänderten Berliner Versammlungsgesetz zurück, der nunmehr völlig sinnfrei lautet: „Die Durchführung einer Gegenversammlung soll in Hör- und Sichtweite der Ausgangsversammlung ermöglicht werden.“ (§3, Absatz (3) – Wie sich das nun mit dem in Fußnote 1 zitierten voranstehenden Satz des Versammlungsgesetzes vertragen soll, demzufolge die „zuständige Behörde“ Versammlungen „vor Störungen zu schützen“ hat, wird womöglich demnächst ein Gericht zu entscheiden haben:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-VersammlFrhGBEpG1
abgerufen am 06.07.2022)
[3] https://freie-linke-berlin.de/archiv/presseerklaerung-zum-markt-der-demokratie%ef%bf%bc/
abgerufen am 06.07.2022
Erstveröffentlichung des Texts bei freie-linke-berlin.de
Online-Flyer Nr. 795 vom 20.07.2022
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Erklärung zur Polizeitaktik anlässlich ihrer Kundgebung am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Berlin Weißensee
Polizeilich angeordnete Käfighaltung für freie linke Menschen
Von Freie Linke Berlin (Text) und Birgit Franke (Fotos)
Die Berliner Polizei hat unsere Solidaritätsveranstaltung zum Friedenscamp „Stopp Ramstein“ am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Weißensee abermals in jeder erdenklichen Form zu behindern versucht. Der Platz wurde von der Polizei ringsum flächendeckend mit Hamburger Gittern abgesperrt, hinter denen sich Bereitschaftspolizeibeamte in der üblichen militärisch anmutenden schwarzen Uniform postierten und von einem jeden Menschen, der den Platz betreten wollte, Auskunft darüber verlangten, ob er (etwa) Teilnehmer dieser Kundgebung sei. Dass durch diese Drohkulisse aus Absperrgittern, schwarz gewandeten Einsatzkräften und inquisitorischen Fragen fast keiner der Passanten und Passantinnen den Mut fand, sich auf den Platz zu begeben (oder ihn auch nur zu queren: Viele Anwohner gingen außen herum), fassen wir als politisch gewünschte Polizei-Taktik auf. Sie widerspricht sämtlichen demokratischen Grundregeln und überdies dem Versammlungsgesetz Berlin, das dem Veranstalter einen ungestörten Verlauf einer angemeldeten und genehmigten Versammlung garantiert [1].
1. Friedenskundgebung im Käfig aus Absperrgittern – alle Fotos: Birgit Franke (Arbeiterfotografie)
2. Friedenskundgebungsteilnehmer
3. Käfig aus Absperrgittern
4. Freie Linke: links-libertär, antiimperialistisch - Frieden
5. Käfig aus Absperrgittern
6. Freie Linke
7. Käfig aus Absperrgittern
8. NATO: kapitalgesteuertes Kriegsbündnis
9. Lautstarke Störer der „Antifa-Gegendemonstration“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite
10. Krieg nutzt immer nur den Reichen
11. Freie Linke
12. Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“ (Helmut Schmidt)
13. Victor Grossman spricht von seiner Flucht aus dem US-amerikanischen Wehrdienst wegen eines drohenden McCarthy-Verfahrens
Anstatt aber für den uns zugesicherten „ungestörten Verlauf“ unserer Veranstaltung zu sorgen, ließ die Berliner Polizei es zu, dass die Gegendemonstration der so genannten „Antifa“ unsere Rednerinnen und Redner durch ihr megafon-verstärktes Dauerskandieren von Verleumdungen massiv stören konnte, so zum Beispiel den 92jährigen Victor Grossman, als er von seiner Flucht aus dem US-amerikanischen Wehrdienst wegen eines drohenden McCarthy-Verfahrens sprach, die ihn 1952 unter abenteuerlichen Umständen über Österreich in die DDR führte. Victor Grossman, dessen Großeltern Ende des 19. Jahrhunderts aus Angst vor antijüdischen Pogromen aus Europa in die USA geflohen waren, musste seine Rede zweimal wegen einer hysterisch kreischenden Einpeitscherin am Megafon der „Antifa-Gegendemonstration“ unterbrechen.
Den gegen diese Störungen bei der Polizeieinsatzleitung Protest erhebenden Organisatorinnen und Organisatoren der FL-Friedenskundgebung wurde von dieser Einsatzleitung mitgeteilt, dass „drüben“ jedes Wort ihrer Kundgebung akustisch zu verstehen sei und dass es „richtig“ sei, dass sie ihrerseits jedes Wort der Gegenkundgebung zu hören bekommen würden – warum die Polizei zu dieser Bewertung kam, blieb ihr Geheimnis; ebenso, wie sie das mit einer „störungsfreien Veranstaltung“ in Einklang bringen konnte. [2]
Wir halten fest: Im Jahr 2022 können 92jährige Menschen jüdischer Abstammung von sich selbst „Antifa“ nennenden Menschen in Berlin mit polizeilicher Genehmigung niedergebrüllt werden.
Sogar innerhalb der Käfighaltung ließ die Berliner Polizei noch das Regime, das keine rote Linien mehr kennt, walten: Uns als Veranstaltern der Friedenskundgebung wurde zunächst komplett verboten, mit Kreidestiften Friedenszitate berühmter Persönlichkeiten auf den Boden des Antonplatzes zu schreiben; im zweiten Anlauf wurde uns dann gestattet, diese Zitate auf dem Boden aufzubringen, wenn wir sie nach der Veranstaltung mit Wasser abwaschen würden; im dritten Anlauf „durften“ wir dann exakt fünf Zitate auf den Boden des Platzes schreiben, ohne sie nach der Veranstaltung mit Wasser (und Zahnbürste?) abwaschen zu müssen – freilich mussten die Texte (von Kant bis Kissinger) durch die Einsatzleitung genehmigt werden.
Genehmigt werden durch die Berliner Polizei musste auch: all unser Equipment, das wir mit drei Autos auf den Platz fuhren: Jede Tasche musste geöffnet werden, jedes Transparent musste vorgezeigt werden, jeder Ersatzreifen, jeder Bambusstab für die Fahnen musste präsentiert werden – nichts und niemand von uns durfte die von uns angemeldete und polizeilich genehmigte Kundgebung betreten, ohne von der Berliner Polizei gefilzt oder zumindest gewissensbefragt worden zu sein.
Die Einsatzleitung vor Ort erwiderte auf unseren vielfältigen Protest gegen all diese Schikanen, dass es sich dabei um „Sicherheitsmaßnahmen“ handele, weil unserer Veranstaltung seitens der Gegendemonstrantinnen und -demonstranten Gewalt drohe. Diese Gegendemonstranten freilich wurden weder durch die Polizei in Käfighaltung gesteckt oder ob ihrer Teilnahme gewissensbefragt noch von uns zusammengebrüllt. Ganz im Gegenteil!
Die Freie Linke Berlin stellt hiermit fest: Das Agieren (und anders ist dieser Einsatz nicht zu bezeichnen) der Berliner Polizei auf unserer Friedenskundgebung am 25.06.2022 auf dem Antonplatz in Berlin-Weißensee ist ein neuerlicher [3] Versuch, jeglichen gegen Regierungshandeln gerichteten Protest, der an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgerichtet ist, im Keim zu ersticken.
Und wir folgern aus diesem sich wiederholenden Verhalten der Exekutivorgane: Wir lassen uns nicht davon abbringen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gestalt des Grundgesetzes immer noch existiert, dass es ein Versammlungsrecht – zumindest de jure – weiterhin gibt, und dass Polizeikräfte – zumindest de jure – nach wie vor dazu verpflichtet sind, demokratischen, friedlichen und dem Grundgesetz verpflichteten Protest gegen Regierungsmaßnahmen zu schützen.
Fußnoten:
[1] Berliner Versammlungsgesetz, §3, Absatz (2), Satz 1 „Aufgabe der zuständigen Behörde ist es, 1. die Durchführung einer nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässigen Versammlung zu unterstützen, den ungehinderten Zugang zur Versammlung zu ermöglichen und ihre Durchführung vor Störungen zu schützen“ [Herv. FL]:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-VersammlFrhGBEpG1
abgerufen am 06.07.2022.
[2] Vielleicht geht diese Taktik auf jenen denkwürdigen Satz im 2021 geänderten Berliner Versammlungsgesetz zurück, der nunmehr völlig sinnfrei lautet: „Die Durchführung einer Gegenversammlung soll in Hör- und Sichtweite der Ausgangsversammlung ermöglicht werden.“ (§3, Absatz (3) – Wie sich das nun mit dem in Fußnote 1 zitierten voranstehenden Satz des Versammlungsgesetzes vertragen soll, demzufolge die „zuständige Behörde“ Versammlungen „vor Störungen zu schützen“ hat, wird womöglich demnächst ein Gericht zu entscheiden haben:
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-VersammlFrhGBEpG1
abgerufen am 06.07.2022)
[3] https://freie-linke-berlin.de/archiv/presseerklaerung-zum-markt-der-demokratie%ef%bf%bc/
abgerufen am 06.07.2022
Erstveröffentlichung des Texts bei freie-linke-berlin.de
Online-Flyer Nr. 795 vom 20.07.2022
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