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Kultur und Wissen
Anforderungen an Lehrerberuf sind seit jeher gewaltig
Doch "Lehrer" ist der "schönste" Beruf, den der Mensch haben kann
Von Rudolf Hänsel
Die Anforderungen an die schulische Erziehung und Bildung sowie an die Lehrer sind seit jeher immens. Trotzdem ist der Beruf des Lehrers der „schönste“ Beruf, den der Mensch haben kann. Am Lehrer können sich die Schüler reiben und ihr Mütchen kühlen – aber auch wachsen. Gemeinsam können Lehrer wie Schüler den Weg zu einem friedlichen Miteinander finden in einer Welt endloser Kriege, in der auch vor einem „präventiven Atomkrieg“ nicht zurückgeschreckt wird (Prof. Chossudovsky). Als ehemaliger Lehrer und Doktor der Pädagogik werde ich das näher erläutern und damit für den nicht mehr sehr attraktiven Beruf des Lehrers angesichts eines sich abzeichnenden großen Bildungs-Desasters eine „Lanze brechen“.
„Für eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung“
Bereits vor 21 Jahren, am 20. Mai 2002 verfasste ich als Leiter der „Staatlichen Schulberatungsstelle für die bayerische Landeshauptstadt München“ einen Diskussionsbeitrag zum 17fachen Mord oder Amoklauf in der Stadt Erfurt und meinte abschließend, dass „nur ein gesellschaftlicher Konsens über Werte, Ziele und Vorbilder in der Erziehung der heranwachsenden Generation Orientierung und Halt geben kann“ (1).
Weiter habe ich geschrieben: „Destruktive gesellschaftliche Einflüsse wie eine Unterhaltungsindustrie, die über Film, Fernsehen, Video, Computerspiel und Musik im Wesentlichen eine Mischung aus Gewalt, Perversion und Nihilismus vermittelt sowie die Unsicherheit der Erzieher führten bei der Jugend zu Desorientierung und Haltlosigkeit. (…).
Die Uneinigkeit in der Gesellschaft über diese Fragen hat der heranwachsenden Generation in den letzten Jahrzehnten nicht zum Vorteil gereicht. Eine Zunahme der Gewaltbereitschaft, des Drogenmissbrauchs, des Nihilismus waren die Folge. Eine breite gesellschaftliche Diskussion tut Not, an deren Ende ein Konsens stehen muss (…). Diese Diskussion muss geführt werden ohne Tabuisierung und Abstempelung anderer Meinungen und muss sich unter anderem an den vielen wertvollen Forschungsergebnissen der Entwicklungspsychologie, besonders der Bindungs- und Erziehungsstilforschung sowie den Forschungen zu den Bedingungen prosozialen Verhaltens und an der Medienwirkungsforschung orientieren.“ (2)
Dieser Diskussionsbeitrag ist auch nahezu ein viertel Jahrhundert später noch zeitgemäß.
Situation der schulischen Erziehung und Bildung heute
„Bildung! Bildung! Bildung! Über kaum ein Thema wird häufiger und härter gestritten. Bildung soll die Persönlichkeit entwickeln und ein erfülltes Leben ermöglichen. Bildung soll gut ausgebildete Fachkräfte für den Arbeitsmarkt bereitstellen und unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig halten. Bildung soll Frieden und Demokratie sichern und unser kulturelles Wissen über die Generationen weitergeben.“ (3)
Dieser Definition von „Bildung“ können sich westlichen Gesellschaften sicher anschließen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie diesem Anspruch auch gerecht werden und die Bildungschancen ihrer Kinder fördern. Und das vor allem nach dem verhängnisvollen „Krisenjahr“ 2022 mit Corona-bedingten Schulschließungen, einem erschreckenden Lehrermangel und einem hohen Migrationshintergrund der Schüler. Ganz zu schweigen von der Bildungssituation in den so genannten Entwicklungsländern.
Dabei gibt es kein menschliches Problem, das nicht von Lehrern thematisiert werden könnte und sollte, angefangen vom schulischen Lernen, der Unterhaltungsgewalt auf den Handys von Kindern bis hin zum Drogenkonsum, zur Desinformation der „kriegstreibenden Presse“ (Karl Kraus), zur Geschichte des Faschismus‘ (Vera Sharav) und bewährten Wegen zu einem friedlichen Zusammenleben.
Bildung im psychologischen Sinne hieße auch noch, den Menschen zu vermitteln, wie sie ihre Probleme lösen sollen und können. Hierzu zählen ihr Lebensgefühl sowie ihre Meinung über sich selbst, die Mitmenschen und die Gemeinde.
„In unseren Schulen herrscht Krieg!“
Im Jahr 1975 schätzte der Individualpsychologe Prof. Dr. Rudolf Dreikurs die Situation an Schulen nicht ganz unrealistisch ein, als er geschrieben hat: „Ob der Lehrer es möchte oder nicht, ob er sich dessen bewusst wird oder nicht, gewöhnlich wird er in einen Machtkampf hineingezogen, aus dem er sich nicht befreien kann.“ (4)
Doch gleichzeitig hat er angemerkt: „Jedes Kind wird gelegentlich aus Gründen, die ihm selbst verborgen bleiben, Widerstand leisten. Zu wiederholen, was es tun sollte, verbessert nicht die Situation, ruft im Gegenteil einen Konflikt im Kind hervor und verstärkt seinen offenen Widerstand gegenüber dem Lehrer. Nur jemand, der die psychologischen Mechanismen, die das richtige Funktionieren des Kindes blockieren, versteht, kann ihm helfen, sich einzufügen und Fortschritte zu machen.“ (5)
Es kommt also darauf an, dass sich der Lehrer mit oder ohne Hilfe eines pädagogisch-psychologischen Fachmanns dieses Machtkampfs bewusst wird und Frieden schließt mit seinen Schülern. Im Artikel „Wir Bürger sollten den Humanismus erproben…“ habe ich den positiven Fall eines Lehrer-Kollegen geschildert, dem es gelang, sich mit einem ehemals störenden Schüler zu versöhnen und den Kriegszustand in der Klasse zu beenden (6).
Die heiligste Pflicht eines Erziehers
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, jedem Lehrer und Erzieher ins Stammbuch geschrieben: „Die wichtigste Aufgabe eines Erziehers – man kann fast sagen: seine heiligste Pflicht – besteht darin, Sorge zu tragen, dass kein Kind in der Schule entmutigt wird und dass ein Kind, das bereits entmutigt in die Schule eintritt, durch seine Schule und durch seinen Lehrer Vertrauen in sich selbst gewinnt.“ (7)
„Lehrer, das ist der schönste Beruf, den der Mensch haben kann.“
Mein Psychologie-Lehrer Friedrich Liebling drückte es einmal so aus: “Lehrer, das ist der schönste Beruf, den der Mensch haben kann. Es gibt keinen schöneren. Das gemeinsame Wachsen aneinander durch die tägliche Beziehung, die intensive Auseinandersetzung, die den ganzen Menschen fordert mit all seinen Schwächen und Stärken, das Gespräch, das tägliche Ringen um die Lufthoheit im Klassenzimmer. Damit der Störer, der sich im Grunde nur das Lernen nicht zutraut, nicht die Oberhand gewinnt und dadurch andere ansteckt und ablenkt, die Stimmung in der Klasse verdirbt. Der Lehrer muss die Oberhand behalten, Vorbild sein, Anführer beziehungsweise Rudelführer der ganzen Bande bleiben, an dem sich die Schüler reiben können, an dem sie ihr Mütchen kühlen können, an dem sie aber auch wachsen können. Lehrer, das ist der schönste Beruf…!“ (8)
Fußnoten:
(1) Dr. Hänsel Rudolf (2002). Für eine bewusste ethisch-moralische Wertevermittlung. Ein Diskussionsbeitrag zu Erfurt. Staatliche Schulberatungsstelle für München. Zentrale pädagogisch-psychologische Beratungsstelle für die Schulen in der Landeshauptstadt und im Landkreis München.
(2) A. a. O., S. 1f.
(3) https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/282582/was-ist-bildung-eine-einfuehrung/
(4) Dreikurs Rudolf (1975). Psychologie im Klassenzimmer. Stuttgart, S. 19
(5) A. a. O., S. 40
(6) https://www.globalresearch.ca/we-citizens-should-prove-humanism-...ood-capable-living-together-without-weapons-wars/5817065?/
(7) Hänsel Rudolf (2020). Wie geht es Ingo? Oder: Wie wird man Mitmensch? Ein Dank an meinen Lehrer. Gornji Milanovac, S. 15
(8) A. a. O., S. 34
English version:
Demands on the teaching profession have always been enormous
But "teacher" is the "most beautiful" profession a person can have
By Dr Rudolf Hänsel
The demands on school education, Bildung and teachers have always been immense. Nevertheless, the profession of teacher is the "most beautiful" profession a person can have. Students can rub up against teachers and cool their chins – but they can also grow. Together, teachers and students can find the way to peaceful coexistence in a world of endless wars, in which even a "preventive nuclear war" is not shied away from (Prof. Chossudovsky). As a former teacher and doctor of education, I will explain this in more detail and thus "break a lance" for the no longer very attractive profession of teaching in the face of a looming major educational disaster.
"For a conscious ethical-moral values education".
As early as 21 years ago, on 20 May 2002, as head of the "State School Advisory Office for the Bavarian capital Munich", I wrote a contribution to the discussion on the 17-fold murder or killing spree in the city of Erfurt and concluded that "only a social consensus on values, goals and role models in education can give orientation and support to the growing generation" (1).
I went on to write: "Destructive social influences such as an entertainment industry that essentially conveys a mixture of violence, perversion and nihilism via film, television, video, computer games and music, as well as the insecurity of educators, led to disorientation and a lack of support among the youth. (...).
The disagreement in society over these issues has not been to the advantage of the growing generation in recent decades. An increase in violence, drug abuse and nihilism were the result. A broad social discussion is needed, at the end of which there must be a consensus (...). This discussion must be conducted without tabooing and labelling other opinions and must be oriented, among other things, to the many valuable research results of developmental psychology, especially attachment and parenting style research, as well as research on the conditions of prosocial behaviour and media effects research." (2)
This contribution to the discussion is still timely almost a quarter of a century later.
Situation of school education and Bildung today
"Bildung! Bildung! Bildung! Hardly any other topic is argued about more often and more heatedly. Bildung should develop the personality and enable a fulfilled life. Bildung should provide well-trained skilled workers for the labour market and keep our economy competitive. Bildung should secure peace and democracy and pass on our cultural knowledge across the generations." (3)
Western societies can certainly subscribe to this definition of "Bildung". However, the question arises whether they also live up to this claim and promote the opportunities of their children. And especially after the disastrous "crisis year" of 2022 with Corona-related school closures, a frightening teacher shortage and a high migrant background of pupils. Not to mention the situation in the so-called developing countries.
There is no human problem that cannot and should not be addressed by teachers, from learning at school, entertainment violence on children's mobile phones to drug use, disinformation from the "war-mongering press" (Karl Kraus), the history of fascism (Vera Sharav) and proven ways to live together peacefully.
Bildung in the psychological sense would also mean teaching people how they should and can solve their problems. This includes their attitude towards life as well as their opinion about themselves, fellow human beings and the community.
"There is a war going on in our schools!"
In 1975, the individual psychologist Prof. Dr. Rudolf Dreikurs was not entirely unrealistic in his assessment of the situation in schools when he wrote:
"Whether the teacher likes it or not, whether he realises it or not, he is usually drawn into a power struggle from which he cannot extricate himself." (4)
But at the same time he noted:
"Every child will occasionally resist for reasons that are hidden from himself. Repeating what he should do does not improve the situation; on the contrary, it evokes a conflict in the child and increases his open resistance to the teacher. Only someone who understands the psychological mechanisms that block the child's proper functioning can help him to fit in and make progress." (5)
What matters, then, is that the teacher, with or without the help of a pedagogical-psychological expert, becomes aware of this power struggle and makes peace with his students. In the article "We citizens should try out humanism..." I described the positive case of a teacher colleague who succeeded in reconciling with a formerly disruptive pupil and ending the state of war in the class (6).
The most sacred duty of an educator
As early as the beginning of the 19th century, Alfred Adler, the founder of individual psychology, wrote in every teacher's and educator's book: "The most important task of an educator – one can almost say his most sacred duty – is to see to it that no child is discouraged at school and that a child who enters school already discouraged gains confidence in himself through his school and through his teacher." (7)
"Teacher, that is the most beautiful profession man can have."
My psychology teacher Friedrich Liebling once put it this way: "Teacher, that is the most beautiful profession man can have. There is none more beautiful. Growing together through the daily relationship, the intensive discussion that demands the whole person with all his weaknesses and strengths, the conversation, the daily struggle for air supremacy in the classroom. So that the troublemaker, who basically just doesn't trust himself to learn, doesn't gain the upper hand and thereby infect and distract others, spoiling the mood in the class. The teacher has to keep the upper hand, be a role model, remain the leader or pack leader of the whole gang, against whom the pupils can rub themselves, against whom they can cool their chins, but also from whom they can grow. Teacher, that is the most beautiful profession...!" (8)
Footnotes:
(1) Dr. Hänsel Rudolf (2002). For a conscious ethical-moral teaching of values. A contribution to the discussion in Erfurt. State School Counselling Centre for Munich. Central educational-psychological counselling centre for schools in the state capital and in the district of Munich.
(2) op. cit., p. 1f.
(3) https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/282582/was-ist-bildung-eine-einfuehrung/
(4) Dreikurs Rudolf (1975). Psychology in the Classroom. Stuttgart, p. 19
(5) op. cit., p. 40
(6) https://www.globalresearch.ca/we-citizens-should-prove-humanism-...ood-capable-living-together-without-weapons-wars/5817065?/
(7) Hänsel Rudolf (2020). How is Ingo? Or: How does one become a fellow human being? A thank you to my teacher. Gornji Milanovac, p. 15
(8) op. cit., p. 34
Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Schul-Rektor, Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe. Nach seinen Universitätsstudien wurde er wissenschaftlicher Lehrer in der Erwachsenenbildung. Als Pensionär arbeitete er als Psychotherapeut in eigener Praxis. In seinen Büchern und Fachartikeln fordert er eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung sowie eine Erziehung zu Gemeinsinn und Frieden. Für seine Verdienste um Serbien bekam er 2021 von den Universitäten Belgrad und Novi Sad den Republik-Preis „Kapitän Misa Anastasijevic“ verliehen.
Dr. Rudolf Lothar Hänsel is a school rector, educational scientist and qualified psychologist. After his university studies he became an academic teacher in adult education. As a retiree he worked as a psychotherapist in his own practice. In his books and professional articles, he calls for a conscious ethical-moral education in values as well as an education for public spirit and peace. For his services to Serbia, he was awarded the Republic Prize "Captain Misa Anastasijevic" by the Universities of Belgrade and Novi Sad in 2021.
Online-Flyer Nr. 811 vom 17.05.2023
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Kultur und Wissen
Anforderungen an Lehrerberuf sind seit jeher gewaltig
Doch "Lehrer" ist der "schönste" Beruf, den der Mensch haben kann
Von Rudolf Hänsel
Die Anforderungen an die schulische Erziehung und Bildung sowie an die Lehrer sind seit jeher immens. Trotzdem ist der Beruf des Lehrers der „schönste“ Beruf, den der Mensch haben kann. Am Lehrer können sich die Schüler reiben und ihr Mütchen kühlen – aber auch wachsen. Gemeinsam können Lehrer wie Schüler den Weg zu einem friedlichen Miteinander finden in einer Welt endloser Kriege, in der auch vor einem „präventiven Atomkrieg“ nicht zurückgeschreckt wird (Prof. Chossudovsky). Als ehemaliger Lehrer und Doktor der Pädagogik werde ich das näher erläutern und damit für den nicht mehr sehr attraktiven Beruf des Lehrers angesichts eines sich abzeichnenden großen Bildungs-Desasters eine „Lanze brechen“.
„Für eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung“
Bereits vor 21 Jahren, am 20. Mai 2002 verfasste ich als Leiter der „Staatlichen Schulberatungsstelle für die bayerische Landeshauptstadt München“ einen Diskussionsbeitrag zum 17fachen Mord oder Amoklauf in der Stadt Erfurt und meinte abschließend, dass „nur ein gesellschaftlicher Konsens über Werte, Ziele und Vorbilder in der Erziehung der heranwachsenden Generation Orientierung und Halt geben kann“ (1).
Weiter habe ich geschrieben: „Destruktive gesellschaftliche Einflüsse wie eine Unterhaltungsindustrie, die über Film, Fernsehen, Video, Computerspiel und Musik im Wesentlichen eine Mischung aus Gewalt, Perversion und Nihilismus vermittelt sowie die Unsicherheit der Erzieher führten bei der Jugend zu Desorientierung und Haltlosigkeit. (…).
Die Uneinigkeit in der Gesellschaft über diese Fragen hat der heranwachsenden Generation in den letzten Jahrzehnten nicht zum Vorteil gereicht. Eine Zunahme der Gewaltbereitschaft, des Drogenmissbrauchs, des Nihilismus waren die Folge. Eine breite gesellschaftliche Diskussion tut Not, an deren Ende ein Konsens stehen muss (…). Diese Diskussion muss geführt werden ohne Tabuisierung und Abstempelung anderer Meinungen und muss sich unter anderem an den vielen wertvollen Forschungsergebnissen der Entwicklungspsychologie, besonders der Bindungs- und Erziehungsstilforschung sowie den Forschungen zu den Bedingungen prosozialen Verhaltens und an der Medienwirkungsforschung orientieren.“ (2)
Dieser Diskussionsbeitrag ist auch nahezu ein viertel Jahrhundert später noch zeitgemäß.
Situation der schulischen Erziehung und Bildung heute
„Bildung! Bildung! Bildung! Über kaum ein Thema wird häufiger und härter gestritten. Bildung soll die Persönlichkeit entwickeln und ein erfülltes Leben ermöglichen. Bildung soll gut ausgebildete Fachkräfte für den Arbeitsmarkt bereitstellen und unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig halten. Bildung soll Frieden und Demokratie sichern und unser kulturelles Wissen über die Generationen weitergeben.“ (3)
Dieser Definition von „Bildung“ können sich westlichen Gesellschaften sicher anschließen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sie diesem Anspruch auch gerecht werden und die Bildungschancen ihrer Kinder fördern. Und das vor allem nach dem verhängnisvollen „Krisenjahr“ 2022 mit Corona-bedingten Schulschließungen, einem erschreckenden Lehrermangel und einem hohen Migrationshintergrund der Schüler. Ganz zu schweigen von der Bildungssituation in den so genannten Entwicklungsländern.
Dabei gibt es kein menschliches Problem, das nicht von Lehrern thematisiert werden könnte und sollte, angefangen vom schulischen Lernen, der Unterhaltungsgewalt auf den Handys von Kindern bis hin zum Drogenkonsum, zur Desinformation der „kriegstreibenden Presse“ (Karl Kraus), zur Geschichte des Faschismus‘ (Vera Sharav) und bewährten Wegen zu einem friedlichen Zusammenleben.
Bildung im psychologischen Sinne hieße auch noch, den Menschen zu vermitteln, wie sie ihre Probleme lösen sollen und können. Hierzu zählen ihr Lebensgefühl sowie ihre Meinung über sich selbst, die Mitmenschen und die Gemeinde.
„In unseren Schulen herrscht Krieg!“
Im Jahr 1975 schätzte der Individualpsychologe Prof. Dr. Rudolf Dreikurs die Situation an Schulen nicht ganz unrealistisch ein, als er geschrieben hat: „Ob der Lehrer es möchte oder nicht, ob er sich dessen bewusst wird oder nicht, gewöhnlich wird er in einen Machtkampf hineingezogen, aus dem er sich nicht befreien kann.“ (4)
Doch gleichzeitig hat er angemerkt: „Jedes Kind wird gelegentlich aus Gründen, die ihm selbst verborgen bleiben, Widerstand leisten. Zu wiederholen, was es tun sollte, verbessert nicht die Situation, ruft im Gegenteil einen Konflikt im Kind hervor und verstärkt seinen offenen Widerstand gegenüber dem Lehrer. Nur jemand, der die psychologischen Mechanismen, die das richtige Funktionieren des Kindes blockieren, versteht, kann ihm helfen, sich einzufügen und Fortschritte zu machen.“ (5)
Es kommt also darauf an, dass sich der Lehrer mit oder ohne Hilfe eines pädagogisch-psychologischen Fachmanns dieses Machtkampfs bewusst wird und Frieden schließt mit seinen Schülern. Im Artikel „Wir Bürger sollten den Humanismus erproben…“ habe ich den positiven Fall eines Lehrer-Kollegen geschildert, dem es gelang, sich mit einem ehemals störenden Schüler zu versöhnen und den Kriegszustand in der Klasse zu beenden (6).
Die heiligste Pflicht eines Erziehers
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, jedem Lehrer und Erzieher ins Stammbuch geschrieben: „Die wichtigste Aufgabe eines Erziehers – man kann fast sagen: seine heiligste Pflicht – besteht darin, Sorge zu tragen, dass kein Kind in der Schule entmutigt wird und dass ein Kind, das bereits entmutigt in die Schule eintritt, durch seine Schule und durch seinen Lehrer Vertrauen in sich selbst gewinnt.“ (7)
„Lehrer, das ist der schönste Beruf, den der Mensch haben kann.“
Mein Psychologie-Lehrer Friedrich Liebling drückte es einmal so aus: “Lehrer, das ist der schönste Beruf, den der Mensch haben kann. Es gibt keinen schöneren. Das gemeinsame Wachsen aneinander durch die tägliche Beziehung, die intensive Auseinandersetzung, die den ganzen Menschen fordert mit all seinen Schwächen und Stärken, das Gespräch, das tägliche Ringen um die Lufthoheit im Klassenzimmer. Damit der Störer, der sich im Grunde nur das Lernen nicht zutraut, nicht die Oberhand gewinnt und dadurch andere ansteckt und ablenkt, die Stimmung in der Klasse verdirbt. Der Lehrer muss die Oberhand behalten, Vorbild sein, Anführer beziehungsweise Rudelführer der ganzen Bande bleiben, an dem sich die Schüler reiben können, an dem sie ihr Mütchen kühlen können, an dem sie aber auch wachsen können. Lehrer, das ist der schönste Beruf…!“ (8)
Fußnoten:
(1) Dr. Hänsel Rudolf (2002). Für eine bewusste ethisch-moralische Wertevermittlung. Ein Diskussionsbeitrag zu Erfurt. Staatliche Schulberatungsstelle für München. Zentrale pädagogisch-psychologische Beratungsstelle für die Schulen in der Landeshauptstadt und im Landkreis München.
(2) A. a. O., S. 1f.
(3) https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/282582/was-ist-bildung-eine-einfuehrung/
(4) Dreikurs Rudolf (1975). Psychologie im Klassenzimmer. Stuttgart, S. 19
(5) A. a. O., S. 40
(6) https://www.globalresearch.ca/we-citizens-should-prove-humanism-...ood-capable-living-together-without-weapons-wars/5817065?/
(7) Hänsel Rudolf (2020). Wie geht es Ingo? Oder: Wie wird man Mitmensch? Ein Dank an meinen Lehrer. Gornji Milanovac, S. 15
(8) A. a. O., S. 34
English version:
Demands on the teaching profession have always been enormous
But "teacher" is the "most beautiful" profession a person can have
By Dr Rudolf Hänsel
The demands on school education, Bildung and teachers have always been immense. Nevertheless, the profession of teacher is the "most beautiful" profession a person can have. Students can rub up against teachers and cool their chins – but they can also grow. Together, teachers and students can find the way to peaceful coexistence in a world of endless wars, in which even a "preventive nuclear war" is not shied away from (Prof. Chossudovsky). As a former teacher and doctor of education, I will explain this in more detail and thus "break a lance" for the no longer very attractive profession of teaching in the face of a looming major educational disaster.
"For a conscious ethical-moral values education".
As early as 21 years ago, on 20 May 2002, as head of the "State School Advisory Office for the Bavarian capital Munich", I wrote a contribution to the discussion on the 17-fold murder or killing spree in the city of Erfurt and concluded that "only a social consensus on values, goals and role models in education can give orientation and support to the growing generation" (1).
I went on to write: "Destructive social influences such as an entertainment industry that essentially conveys a mixture of violence, perversion and nihilism via film, television, video, computer games and music, as well as the insecurity of educators, led to disorientation and a lack of support among the youth. (...).
The disagreement in society over these issues has not been to the advantage of the growing generation in recent decades. An increase in violence, drug abuse and nihilism were the result. A broad social discussion is needed, at the end of which there must be a consensus (...). This discussion must be conducted without tabooing and labelling other opinions and must be oriented, among other things, to the many valuable research results of developmental psychology, especially attachment and parenting style research, as well as research on the conditions of prosocial behaviour and media effects research." (2)
This contribution to the discussion is still timely almost a quarter of a century later.
Situation of school education and Bildung today
"Bildung! Bildung! Bildung! Hardly any other topic is argued about more often and more heatedly. Bildung should develop the personality and enable a fulfilled life. Bildung should provide well-trained skilled workers for the labour market and keep our economy competitive. Bildung should secure peace and democracy and pass on our cultural knowledge across the generations." (3)
Western societies can certainly subscribe to this definition of "Bildung". However, the question arises whether they also live up to this claim and promote the opportunities of their children. And especially after the disastrous "crisis year" of 2022 with Corona-related school closures, a frightening teacher shortage and a high migrant background of pupils. Not to mention the situation in the so-called developing countries.
There is no human problem that cannot and should not be addressed by teachers, from learning at school, entertainment violence on children's mobile phones to drug use, disinformation from the "war-mongering press" (Karl Kraus), the history of fascism (Vera Sharav) and proven ways to live together peacefully.
Bildung in the psychological sense would also mean teaching people how they should and can solve their problems. This includes their attitude towards life as well as their opinion about themselves, fellow human beings and the community.
"There is a war going on in our schools!"
In 1975, the individual psychologist Prof. Dr. Rudolf Dreikurs was not entirely unrealistic in his assessment of the situation in schools when he wrote:
"Whether the teacher likes it or not, whether he realises it or not, he is usually drawn into a power struggle from which he cannot extricate himself." (4)
But at the same time he noted:
"Every child will occasionally resist for reasons that are hidden from himself. Repeating what he should do does not improve the situation; on the contrary, it evokes a conflict in the child and increases his open resistance to the teacher. Only someone who understands the psychological mechanisms that block the child's proper functioning can help him to fit in and make progress." (5)
What matters, then, is that the teacher, with or without the help of a pedagogical-psychological expert, becomes aware of this power struggle and makes peace with his students. In the article "We citizens should try out humanism..." I described the positive case of a teacher colleague who succeeded in reconciling with a formerly disruptive pupil and ending the state of war in the class (6).
The most sacred duty of an educator
As early as the beginning of the 19th century, Alfred Adler, the founder of individual psychology, wrote in every teacher's and educator's book: "The most important task of an educator – one can almost say his most sacred duty – is to see to it that no child is discouraged at school and that a child who enters school already discouraged gains confidence in himself through his school and through his teacher." (7)
"Teacher, that is the most beautiful profession man can have."
My psychology teacher Friedrich Liebling once put it this way: "Teacher, that is the most beautiful profession man can have. There is none more beautiful. Growing together through the daily relationship, the intensive discussion that demands the whole person with all his weaknesses and strengths, the conversation, the daily struggle for air supremacy in the classroom. So that the troublemaker, who basically just doesn't trust himself to learn, doesn't gain the upper hand and thereby infect and distract others, spoiling the mood in the class. The teacher has to keep the upper hand, be a role model, remain the leader or pack leader of the whole gang, against whom the pupils can rub themselves, against whom they can cool their chins, but also from whom they can grow. Teacher, that is the most beautiful profession...!" (8)
Footnotes:
(1) Dr. Hänsel Rudolf (2002). For a conscious ethical-moral teaching of values. A contribution to the discussion in Erfurt. State School Counselling Centre for Munich. Central educational-psychological counselling centre for schools in the state capital and in the district of Munich.
(2) op. cit., p. 1f.
(3) https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/282582/was-ist-bildung-eine-einfuehrung/
(4) Dreikurs Rudolf (1975). Psychology in the Classroom. Stuttgart, p. 19
(5) op. cit., p. 40
(6) https://www.globalresearch.ca/we-citizens-should-prove-humanism-...ood-capable-living-together-without-weapons-wars/5817065?/
(7) Hänsel Rudolf (2020). How is Ingo? Or: How does one become a fellow human being? A thank you to my teacher. Gornji Milanovac, p. 15
(8) op. cit., p. 34
Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Schul-Rektor, Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe. Nach seinen Universitätsstudien wurde er wissenschaftlicher Lehrer in der Erwachsenenbildung. Als Pensionär arbeitete er als Psychotherapeut in eigener Praxis. In seinen Büchern und Fachartikeln fordert er eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung sowie eine Erziehung zu Gemeinsinn und Frieden. Für seine Verdienste um Serbien bekam er 2021 von den Universitäten Belgrad und Novi Sad den Republik-Preis „Kapitän Misa Anastasijevic“ verliehen.
Dr. Rudolf Lothar Hänsel is a school rector, educational scientist and qualified psychologist. After his university studies he became an academic teacher in adult education. As a retiree he worked as a psychotherapist in his own practice. In his books and professional articles, he calls for a conscious ethical-moral education in values as well as an education for public spirit and peace. For his services to Serbia, he was awarded the Republic Prize "Captain Misa Anastasijevic" by the Universities of Belgrade and Novi Sad in 2021.
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