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Aus dem Buch "Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten"
Wie die erste Weltbank zu Hitlers Kriegsbank wurde
Von Werner Rügemer
1930 gründeten die USA die erste Weltbank, in der Schweiz. Sie finanzierte den 2. Weltkrieg, heute ist sie die Zentralbank der Zentralbanken. Mit dem Young-Plan 1929 hatten die USA die Reparationszahlungen des Deutschen Reiches noch einmal stark gekürzt und bis 1988 gestreckt. Als dann 1931 Deutschland gar nichts mehr zahlte, beschlossen die USA: Deutschland muss erst einmal nicht mehr zahlen, und Deutschland bekommt einen 100-Millionen-Dollar-Kredit. Beides sollte Deutschland helfen, die Wirtschaftskrise einzudämmen, so hieß es. In Wirklichkeit ging es vor allem um US-Investitionen. (1)
Wall Street gründet die erste Weltbank
Der neue Kredit wurde über eine 1930 neu gegründete Bank ausgezahlt: Bank for International Settlements (BIS, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ). So heißt sie noch heute und agiert in Basel als Zentralbank der Zentralbanken. Die BIS ist auch »Globalisierungskritikern« im 21. Jahrhundert immer noch kaum bekannt, obwohl sie bis heute eine global regulierende Rolle spielt, etwa mit den Regulierungen Basel I (1988), Basel II (2004) und Basel III (2010).
Die BIS war das Kernstück des Young-Plans. Sie sollte die Reparationsforderungen langfristig aufrechterhalten. Zugleich sollte das Kreditkarussell dem Einfluss der Regierungen und der öffentlichen Diskussion entzogen werden.
Die BIS war eine Aktiengesellschaft. Die Anteile wurden durch die Zentralbanken der Gründerstaaten USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und Japan eingezahlt. Den US-Anteil zahlte ein Bankenkonsortium unter Führung von Rockefellers First National Bank of New York: Sie war der größte BIS-Aktionär. Präsident wurde Gates McGarrah, Präsident der New Yorker Federal Reserve Bank.
Sitz in der »neutralen« Schweiz
Der Sitz der BIS wurde in die „neutrale“ Schweiz verlegt, nach Basel, und hatte einen exterritorialen Status. Die BIS unterliegt nicht dem Schweizer Recht und nicht der Schweizer Finanzaufsicht. Die hohen Einkommen der führenden Beschäftigten werden in der Schweiz nicht besteuert. Der Sitz in Basel liegt außerhalb der Hauptstadt Bern und außerhalb des zentralen Schweizer Finanzplatzes Zürich.
Aber gleichzeitig übernahm der Schweizer Staat den Schutz der Bank gegen ausländische Eingriffe. Die BIS beruhte somit auf einem Verfassungsbruch. Nur die zwei Kommunisten in der Schweizer Nationalversammlung stimmten dagegen.
Zeitweise war der Chef der Schweizer Nationalbank, Ernst Weber, gleichzeitig Vorsitzender des BIS-Verwaltungsrates. Der Schweizer Bundespräsident Jean-Marie Musy jubelte: »Und nun hoffen wir, dass die Schweiz durch die Reparationsbank vollends zur Drehscheibe der internationalen Kapitalbewegung, zum Clearing-House für den Kapital-, Devisen- und Goldverkehr der Welt werde.«
Banker kooperieren über Feindschaften hinweg
Der erste Bankpräsident McGarrah stellte zum Amtsantritt zufrieden fest: »Die Bank ist vollständig jeder Kontrolle von Regierungen und jedem Einfluss politischer Art entzogen.« So etwas hatte die Wall Street immer gewollt, mit der Federal Reserve in den USA schon erreicht – und nun auch international.
Schon 1931 wurden nach den Gründerstaaten weitere Staaten mit ihren Zentralbanken Mitglied: Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechoslowakei, Estland, Litauen, Griechenland, Albanien, Jugoslawien.
Der sowieso auf Bankgeheimnis und internationale Kapitalkriminalität spezialisierte Standort Schweiz wurde tief in das BIS-System einbezogen. Die BIS durfte ihre internationalen Transaktionen über Schweizer Privatbanken und auch über die Schweizer Nationalbank abwickeln. So unterhielt die BIS hier auch mehrere Golddepots.
Auch unter Wall-Street-Führung: Juden raus!
Die deutsche Reichsbank blieb auch 1933 Aktionär der BIS. Das Deutsche Reich entsandte den von Hitler wiederernannten Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht in den BIS-Verwaltungsrat. Die BIS akzeptierte ebenso, dass Schacht Carl Melchior rauswarf: Der jüdische Bankier von der Hamburger Privatbank M. M. Warburg war seit Beginn 1930 stellvertretender Vorsitzender im BIS-Verwaltungsrat gewesen.
Gegen diesen Antisemitismus kam bei den Wall-Street-Bankern kein Protest auf. Auch nicht als die Hitler-Regierung Kurt Freiherr von Schröder, SS-Mitglied, als Nachfolger von Melchior benannte. Von Schröder hatte in seiner Kölner Bank J. H. Stein das Sonderkonto »S« zugunsten von Himmlers SS eingerichtet. Er hatte durch das Geheimtreffen am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa zwischen Hitler und Ex-Kanzler Franz von Papen in Abstimmung mit den Ruhrindustriellen die Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt. Außerdem war er Vertreter von ITT in Deutschland, Schwiegersohn des IG-Farben-Großaktionärs Georg von Schnitzler sowie Sprecher der Reichsgruppe der deutschen Privatbanken. Er hatte beste Verbindungen zu den verwandten Banken des Schröder-Clans in New York und London (J. Henry Schroder, Schrobanco). Danach wurden noch Hermann Schmitz, Chef der IG Farben, sowie Robert Pferdmenges von der NS-freundlichen Kölner Bank Sal. Oppenheim in den Verwaltungsrat der BIS berufen.
BIS: Faschisten, Demokraten, Neutrale vereint
Aus der Abwicklung der Versailler Reparationen wurde so schrittweise ein neues internationales Finanzsystem aufgebaut. Die Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich, die faschistischen Diktaturen Deutschland, Japan und Italien, die »Neutralen« wie Schweden und Schweiz – alle arbeiteten zusammen, zum Wohle der führenden Kapitalisten ihrer Länder. Das blieb auch so im Krieg.
So lobte BIS-Chefökonom Per Jacobsson aus dem »neutralen« Schweden im Rotary Club Basel am 4. November 1940: Der deutsche Reichsbankpräsident Schacht habe seit 1933 das NS-Wirtschaftswunder bewirkt, durch die unbegrenzten Rüstungskredite und durch das Tiefhalten der Löhne. Damit sei die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches erfolgreicher als die Reformpolitik etwa des Demokraten Roosevelt in den USA und des Sozialisten Léon Blum in Frankreich, die auf Erhöhung der Arbeitseinkommen gesetzt hätten.
Wall Street leitet Hitlers Kriegsbank
Die erste Probe ihres Könnens lieferte die BIS 1939. Die deutsche Wehrmacht hatte die Tschechoslowakei besetzt. Deren Zentralbank schickte ein Telegramm zur BIS nach Basel: Die BIS soll die bei der Bank of England in London deponierten tschechoslowakischen Währungsreserven von 23,1 Tonnen Gold an die Deutsche Reichsbank überschreiben. Am 24. März verbuchte die BIS dieses Geschäft und lieferte Nazi-Deutschland auch noch die tschechoslowakischen Währungsreserven in London aus.
Zwischenzeitlich hatte der Niederländer Wilhelm Beyen die Bank geführt. Er hatte gute Beziehungen zum holländischen Konzern Unilever, dem weltgrößten Hersteller von Seifen und Margarine. Beyen ermöglichte, dass Unilever einen Teil seiner Gewinne zum Hauptsitz nach London transferierte, trotz des deutschen Devisenverbots.
Aber für die Kriegsgeschäfte wurde 1940 wieder ein Wall-Street-Banker zum BIS-Präsidenten: Thomas McKittrick. Das Wall Street Journal kommentierte: »Mit der Ernennung eines Amerikaners soll die internationale Bank aus dem Bannkreis der europäischen Politik gerückt werden … McKittrick verspricht nicht nur eine neutrale, sondern auch effiziente Kontrolle der BIS in schwieriger Zeit.«
In der BIS arbeiteten, wie schon vor dem Krieg, die Zentralbanken aller wichtigen, am Krieg beteiligten Staaten zusammen – unter Ausschluss der Sowjetunion: Sie war der gemeinsame Feind aller westlichen Diktaturen und Kapital-Demokratien.
Raubgold-Wäsche für Hitler-Deutschland
So wurde die BIS zu Hitlers Kriegsbank. Mit Kriegsbeginn war das Deutsche Reich bankrott. Die Reichsmark galt international nichts mehr. Devisen für Deutschland konnte nur die BIS beschaffen.
Zum Beispiel wusch sie Raubgold – wie im Falle der Tschechoslowakei –, das die Wehrmacht aus den Zentralbanken der besetzten Staaten stahl. Die BIS tauschte das Gold in Devisen – Schweizer Franken, schwedische Kronen, portugiesische Escudos, US-Dollars –, die das NS-Regime für den Kauf kriegswichtiger Güter im Ausland brauchte: Eisenerz, Kugellager und Kohle aus Schweden, Wolfram zur Stahlhärtung aus Portugal und Spanien, Rindfleisch aus Argentinien, Ölprodukte aus den USA.
Die BIS lenkte so auch Arisierungsgewinne, die sich auf den Pariser Konten der Chase National Bank (Rockefeller) und Morgan ansammelten, zur Reichsbank. Die an der BIS beteiligten Privat- und Nationalbanken finanzierten die für das Deutsche Reich wichtigen Warenflüsse des 2. Weltkrieges.
Das Führungstrio bestand aus dem Präsidenten McKittrick, Roger Auboin vom Aufsichtsrat der französischen Nationalbank sowie dem Direktor der Deutschen Reichsbank, Paul Hechler. Eine wichtige Rolle spielte auch der Präsident der britischen Nationalbank, Montagu Norman, der in London viele nachgeordnete BIS-Operationen ausführte.
Die Vertreter des NS-Regimes besetzten gleichberechtigt Posten als Direktoren und im Verwaltungsrat, so Reichsbankpräsident Schacht, Reichsbank-Vizepräsident Emil Puhl und der Privatbankier von Schröder. Mitarbeiter aus Deutschland stellten das größte Personalkontingent.
McKittrick ging nach dem Krieg zurück zur Wall Street. Er wurde Chef der Chase National Bank. BIS-Funktionäre übernahmen führende Aufgaben, im IWF, im Marshall-Plan, auch in Zentralbanken, so Karl Blessing: In Adenauers Bundesrepublik Deutschland wurde er Präsident der Bundesbank.
Spätes Erbe: Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
BIS-Chefökonom Jacobssen gründete 1968 mit der Nationalbank Schwedens nachträglich den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Einen solchen hatte Preisgründer Alfred Nobel nicht vorgesehen. Nun lebt das Erbe von Hitlers Kriegsbank in modernisierter, „wissenschaftlicher“ Gestalt fort, mit „höchsten Weihen“.
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten - Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg
PapyRossa Verlag, Köln 2023, Paperback, 324 Seiten, 22,90 Euro
Mit Freedom, Democracy und Wohlstand präsentierte sich der aufsteigende US-Kapitalismus der Welt. Doch die Praktiken von »America First« mit Völkermord, Arbeitsausbeutung, kriegerischem Raub fremden Eigentums wurden nur modernisiert. Der Erste Weltkrieg wurde das erste große Globalgeschäft, Bündnispartner wurden abhängig. Nach dem Krieg investierten US-Konzerne in Westeuropa. Mussolini wurde mit Krediten überhäuft. US-Konzerne belieferten Franco und rüsteten die deutsche Wehrmacht für einen Krieg gegen »Russland« aus. Die US-geführte neue Zentralbank in der Schweiz wusch NS-Raubgold. Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt. Mit dem Abwurf von zwei Atombomben auf die Zivilbevölkerung begannen neue Kriege gegen neue Feinde – unter systematischem Bruch des Völkerrechts.
Fußnote:
1 Für diese auszugsweise Veröffentlichung wurde das Buchkapitel vom Autor gekürzt, ebenso wurden die Quellenangaben weggelassen.
Siehe auch:
Wie die USA Europa eroberten – zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg
Verhängnisvolle Freundschaft
Von Werner Rügemer
NRhZ 815 vom 19.07.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28712
Online-Flyer Nr. 816 vom 09.08.2023
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Literatur
Aus dem Buch "Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten"
Wie die erste Weltbank zu Hitlers Kriegsbank wurde
Von Werner Rügemer
1930 gründeten die USA die erste Weltbank, in der Schweiz. Sie finanzierte den 2. Weltkrieg, heute ist sie die Zentralbank der Zentralbanken. Mit dem Young-Plan 1929 hatten die USA die Reparationszahlungen des Deutschen Reiches noch einmal stark gekürzt und bis 1988 gestreckt. Als dann 1931 Deutschland gar nichts mehr zahlte, beschlossen die USA: Deutschland muss erst einmal nicht mehr zahlen, und Deutschland bekommt einen 100-Millionen-Dollar-Kredit. Beides sollte Deutschland helfen, die Wirtschaftskrise einzudämmen, so hieß es. In Wirklichkeit ging es vor allem um US-Investitionen. (1)
Wall Street gründet die erste Weltbank
Der neue Kredit wurde über eine 1930 neu gegründete Bank ausgezahlt: Bank for International Settlements (BIS, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ). So heißt sie noch heute und agiert in Basel als Zentralbank der Zentralbanken. Die BIS ist auch »Globalisierungskritikern« im 21. Jahrhundert immer noch kaum bekannt, obwohl sie bis heute eine global regulierende Rolle spielt, etwa mit den Regulierungen Basel I (1988), Basel II (2004) und Basel III (2010).
Die BIS war das Kernstück des Young-Plans. Sie sollte die Reparationsforderungen langfristig aufrechterhalten. Zugleich sollte das Kreditkarussell dem Einfluss der Regierungen und der öffentlichen Diskussion entzogen werden.
Die BIS war eine Aktiengesellschaft. Die Anteile wurden durch die Zentralbanken der Gründerstaaten USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und Japan eingezahlt. Den US-Anteil zahlte ein Bankenkonsortium unter Führung von Rockefellers First National Bank of New York: Sie war der größte BIS-Aktionär. Präsident wurde Gates McGarrah, Präsident der New Yorker Federal Reserve Bank.
Sitz in der »neutralen« Schweiz
Der Sitz der BIS wurde in die „neutrale“ Schweiz verlegt, nach Basel, und hatte einen exterritorialen Status. Die BIS unterliegt nicht dem Schweizer Recht und nicht der Schweizer Finanzaufsicht. Die hohen Einkommen der führenden Beschäftigten werden in der Schweiz nicht besteuert. Der Sitz in Basel liegt außerhalb der Hauptstadt Bern und außerhalb des zentralen Schweizer Finanzplatzes Zürich.
Aber gleichzeitig übernahm der Schweizer Staat den Schutz der Bank gegen ausländische Eingriffe. Die BIS beruhte somit auf einem Verfassungsbruch. Nur die zwei Kommunisten in der Schweizer Nationalversammlung stimmten dagegen.
Zeitweise war der Chef der Schweizer Nationalbank, Ernst Weber, gleichzeitig Vorsitzender des BIS-Verwaltungsrates. Der Schweizer Bundespräsident Jean-Marie Musy jubelte: »Und nun hoffen wir, dass die Schweiz durch die Reparationsbank vollends zur Drehscheibe der internationalen Kapitalbewegung, zum Clearing-House für den Kapital-, Devisen- und Goldverkehr der Welt werde.«
Banker kooperieren über Feindschaften hinweg
Der erste Bankpräsident McGarrah stellte zum Amtsantritt zufrieden fest: »Die Bank ist vollständig jeder Kontrolle von Regierungen und jedem Einfluss politischer Art entzogen.« So etwas hatte die Wall Street immer gewollt, mit der Federal Reserve in den USA schon erreicht – und nun auch international.
Schon 1931 wurden nach den Gründerstaaten weitere Staaten mit ihren Zentralbanken Mitglied: Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechoslowakei, Estland, Litauen, Griechenland, Albanien, Jugoslawien.
Der sowieso auf Bankgeheimnis und internationale Kapitalkriminalität spezialisierte Standort Schweiz wurde tief in das BIS-System einbezogen. Die BIS durfte ihre internationalen Transaktionen über Schweizer Privatbanken und auch über die Schweizer Nationalbank abwickeln. So unterhielt die BIS hier auch mehrere Golddepots.
Auch unter Wall-Street-Führung: Juden raus!
Die deutsche Reichsbank blieb auch 1933 Aktionär der BIS. Das Deutsche Reich entsandte den von Hitler wiederernannten Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht in den BIS-Verwaltungsrat. Die BIS akzeptierte ebenso, dass Schacht Carl Melchior rauswarf: Der jüdische Bankier von der Hamburger Privatbank M. M. Warburg war seit Beginn 1930 stellvertretender Vorsitzender im BIS-Verwaltungsrat gewesen.
Gegen diesen Antisemitismus kam bei den Wall-Street-Bankern kein Protest auf. Auch nicht als die Hitler-Regierung Kurt Freiherr von Schröder, SS-Mitglied, als Nachfolger von Melchior benannte. Von Schröder hatte in seiner Kölner Bank J. H. Stein das Sonderkonto »S« zugunsten von Himmlers SS eingerichtet. Er hatte durch das Geheimtreffen am 4. Januar 1933 in seiner Kölner Villa zwischen Hitler und Ex-Kanzler Franz von Papen in Abstimmung mit den Ruhrindustriellen die Kanzlerschaft Hitlers eingefädelt. Außerdem war er Vertreter von ITT in Deutschland, Schwiegersohn des IG-Farben-Großaktionärs Georg von Schnitzler sowie Sprecher der Reichsgruppe der deutschen Privatbanken. Er hatte beste Verbindungen zu den verwandten Banken des Schröder-Clans in New York und London (J. Henry Schroder, Schrobanco). Danach wurden noch Hermann Schmitz, Chef der IG Farben, sowie Robert Pferdmenges von der NS-freundlichen Kölner Bank Sal. Oppenheim in den Verwaltungsrat der BIS berufen.
BIS: Faschisten, Demokraten, Neutrale vereint
Aus der Abwicklung der Versailler Reparationen wurde so schrittweise ein neues internationales Finanzsystem aufgebaut. Die Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich, die faschistischen Diktaturen Deutschland, Japan und Italien, die »Neutralen« wie Schweden und Schweiz – alle arbeiteten zusammen, zum Wohle der führenden Kapitalisten ihrer Länder. Das blieb auch so im Krieg.
So lobte BIS-Chefökonom Per Jacobsson aus dem »neutralen« Schweden im Rotary Club Basel am 4. November 1940: Der deutsche Reichsbankpräsident Schacht habe seit 1933 das NS-Wirtschaftswunder bewirkt, durch die unbegrenzten Rüstungskredite und durch das Tiefhalten der Löhne. Damit sei die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches erfolgreicher als die Reformpolitik etwa des Demokraten Roosevelt in den USA und des Sozialisten Léon Blum in Frankreich, die auf Erhöhung der Arbeitseinkommen gesetzt hätten.
Wall Street leitet Hitlers Kriegsbank
Die erste Probe ihres Könnens lieferte die BIS 1939. Die deutsche Wehrmacht hatte die Tschechoslowakei besetzt. Deren Zentralbank schickte ein Telegramm zur BIS nach Basel: Die BIS soll die bei der Bank of England in London deponierten tschechoslowakischen Währungsreserven von 23,1 Tonnen Gold an die Deutsche Reichsbank überschreiben. Am 24. März verbuchte die BIS dieses Geschäft und lieferte Nazi-Deutschland auch noch die tschechoslowakischen Währungsreserven in London aus.
Zwischenzeitlich hatte der Niederländer Wilhelm Beyen die Bank geführt. Er hatte gute Beziehungen zum holländischen Konzern Unilever, dem weltgrößten Hersteller von Seifen und Margarine. Beyen ermöglichte, dass Unilever einen Teil seiner Gewinne zum Hauptsitz nach London transferierte, trotz des deutschen Devisenverbots.
Aber für die Kriegsgeschäfte wurde 1940 wieder ein Wall-Street-Banker zum BIS-Präsidenten: Thomas McKittrick. Das Wall Street Journal kommentierte: »Mit der Ernennung eines Amerikaners soll die internationale Bank aus dem Bannkreis der europäischen Politik gerückt werden … McKittrick verspricht nicht nur eine neutrale, sondern auch effiziente Kontrolle der BIS in schwieriger Zeit.«
In der BIS arbeiteten, wie schon vor dem Krieg, die Zentralbanken aller wichtigen, am Krieg beteiligten Staaten zusammen – unter Ausschluss der Sowjetunion: Sie war der gemeinsame Feind aller westlichen Diktaturen und Kapital-Demokratien.
Raubgold-Wäsche für Hitler-Deutschland
So wurde die BIS zu Hitlers Kriegsbank. Mit Kriegsbeginn war das Deutsche Reich bankrott. Die Reichsmark galt international nichts mehr. Devisen für Deutschland konnte nur die BIS beschaffen.
Zum Beispiel wusch sie Raubgold – wie im Falle der Tschechoslowakei –, das die Wehrmacht aus den Zentralbanken der besetzten Staaten stahl. Die BIS tauschte das Gold in Devisen – Schweizer Franken, schwedische Kronen, portugiesische Escudos, US-Dollars –, die das NS-Regime für den Kauf kriegswichtiger Güter im Ausland brauchte: Eisenerz, Kugellager und Kohle aus Schweden, Wolfram zur Stahlhärtung aus Portugal und Spanien, Rindfleisch aus Argentinien, Ölprodukte aus den USA.
Die BIS lenkte so auch Arisierungsgewinne, die sich auf den Pariser Konten der Chase National Bank (Rockefeller) und Morgan ansammelten, zur Reichsbank. Die an der BIS beteiligten Privat- und Nationalbanken finanzierten die für das Deutsche Reich wichtigen Warenflüsse des 2. Weltkrieges.
Das Führungstrio bestand aus dem Präsidenten McKittrick, Roger Auboin vom Aufsichtsrat der französischen Nationalbank sowie dem Direktor der Deutschen Reichsbank, Paul Hechler. Eine wichtige Rolle spielte auch der Präsident der britischen Nationalbank, Montagu Norman, der in London viele nachgeordnete BIS-Operationen ausführte.
Die Vertreter des NS-Regimes besetzten gleichberechtigt Posten als Direktoren und im Verwaltungsrat, so Reichsbankpräsident Schacht, Reichsbank-Vizepräsident Emil Puhl und der Privatbankier von Schröder. Mitarbeiter aus Deutschland stellten das größte Personalkontingent.
McKittrick ging nach dem Krieg zurück zur Wall Street. Er wurde Chef der Chase National Bank. BIS-Funktionäre übernahmen führende Aufgaben, im IWF, im Marshall-Plan, auch in Zentralbanken, so Karl Blessing: In Adenauers Bundesrepublik Deutschland wurde er Präsident der Bundesbank.
Spätes Erbe: Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften
BIS-Chefökonom Jacobssen gründete 1968 mit der Nationalbank Schwedens nachträglich den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Einen solchen hatte Preisgründer Alfred Nobel nicht vorgesehen. Nun lebt das Erbe von Hitlers Kriegsbank in modernisierter, „wissenschaftlicher“ Gestalt fort, mit „höchsten Weihen“.
Werner Rügemer: Verhängnisvolle Freundschaft - Wie die USA Europa eroberten - Erste Stufe: Vom 1. zum 2. Weltkrieg
PapyRossa Verlag, Köln 2023, Paperback, 324 Seiten, 22,90 Euro
Mit Freedom, Democracy und Wohlstand präsentierte sich der aufsteigende US-Kapitalismus der Welt. Doch die Praktiken von »America First« mit Völkermord, Arbeitsausbeutung, kriegerischem Raub fremden Eigentums wurden nur modernisiert. Der Erste Weltkrieg wurde das erste große Globalgeschäft, Bündnispartner wurden abhängig. Nach dem Krieg investierten US-Konzerne in Westeuropa. Mussolini wurde mit Krediten überhäuft. US-Konzerne belieferten Franco und rüsteten die deutsche Wehrmacht für einen Krieg gegen »Russland« aus. Die US-geführte neue Zentralbank in der Schweiz wusch NS-Raubgold. Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt. Mit dem Abwurf von zwei Atombomben auf die Zivilbevölkerung begannen neue Kriege gegen neue Feinde – unter systematischem Bruch des Völkerrechts.
Fußnote:
1 Für diese auszugsweise Veröffentlichung wurde das Buchkapitel vom Autor gekürzt, ebenso wurden die Quellenangaben weggelassen.
Siehe auch:
Wie die USA Europa eroberten – zunächst vom 1. zum 2. Weltkrieg
Verhängnisvolle Freundschaft
Von Werner Rügemer
NRhZ 815 vom 19.07.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28712
Online-Flyer Nr. 816 vom 09.08.2023
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