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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Kultur und Wissen
Plädoyer für eine pädagogische Aufarbeitung der Corona-Krise (2. Teil)
Die Corona-Krise und der Rückfall der Lehre(r) hinter die Aufklärung
Von Bernd Schoepe

Die mangelnde Bereitschaft, Ursachen, Verlauf und Folgen der Corona-Krise aufzuarbeiten, offenbart das beunruhigende, ja erschreckende Maß an Regression gegenüber Rationalität und Wissen in unserer Zeit. Von diesem sind auch und gerade Wissenschaften und Pädagogik stark betroffen. Nötig wäre ein Wiedererinnern und Wiederanknüpfen an das Denken der Aufklärung, das zum Besten gehört, was die Moderne hervorgebracht hat.

    „Niemand, dem Du beibringst zu denken, kann danach wieder so gehorchen wie zuvor. Nicht aus rebellischem Geist heraus, sondern wegen der Angewohnheit, im Zweifel alle Dinge zu prüfen.“ (Hannah Arendt)

    „Elende Menschen, beruft euch nie auf eine Autorität, wo es nur um eine Frage der Vernunft geht, es sei denn, ihr wollt auf Jahrhunderte hin als die impertinentesten unter den Menschen gesehen und als die ungerechtesten in öffentlichem Hass gehalten werden.“ (Voltaire)

Ein Blick zurück

Im Mai / Juni 2023 erschien, zunächst in den NachDenkSeiten und dem Blog „Geld und mehr“ von Norbert Häring, mein Text „Die Schwarze Corona-Pädagogik und das Versagen der Erzieher und Lehrer in der Panik-Pandemie“ (1). Darin äußerte ich mich kritisch zu Autoritätshörigkeit, dem Konformismus und der Empathie- und Verständnislosigkeit meines Berufsstandes während der Corona-Krise und forderte eine gründliche Aufarbeitung der Fehler und Irrtümer. In diesem Zusammenhang lautete mein Vorschlag:

„Ein Weg, die schlimme Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, könnte sein, dass die Lehrerkollegien sich mit den Skeptikern und Kritikern der Maßnahmen an einen Tisch setzen und konstruktiv überlegen, welche Schritte zur Aufarbeitung gemeinsam unternommen werden können.“

Zu dem Vorschlag hob ich hervor, dass dieses Experiment, sofern es mit Umsicht und Mut betrieben würde, weit ausstrahlen und eine positive Wirkung auf die ganze Gesellschaft haben könnte. Leider ist dieser Vorschlag bis jetzt noch von keiner Schule aufgegriffen worden.

Ende 2023 hat es hingegen den Anschein, als wollten die Pädagogen sich tatsächlich in ihrer größten Lebenslüge seit dem niemals konsequent aufgearbeiteten Mitmachen, Mitlaufen und Gehorchen unter dem Hakenkreuz, ihrer (Selbst-)Gleichschaltung im Nazi-Totalitarismus vor genau 90 Jahren, „häuslich“ einrichten. Auch wenn ich bezweifle, dass ihnen das gelingen wird, bedeutet dies erst mal kein Innehalten in dem Hamsterrad der Lernfabriken, zu denen die Schulen im Land lange schon vor Corona geworden sind und keine Chance für die bei uns ohnehin traurig unterentwickelte Fehlerkultur. Vor allem gibt es keine Solidarität mit den zahlreichen, euphemistisch als „Kollateralschäden“ bezeichneten und an den gesellschaftlichen Rand gedrückten Leiden.

Soll es wirklich heißen: Weggesperrt, geimpft, geschädigt, geleugnet?

Soll es wirklich auch weiterhin keine Solidarität mit den Geschädigten und Leidtragenden der Corona-Maßnahmen geben, weil das Wahrnehmen dieser Leiden bedeuten würde, das eigene Tun, Meinen und Glauben während der Pandemie-Zeit nachträglich in Frage stellen zu müssen? Soll es wegen der Angst vor „dem Mut zu wissen“ wirklich dabeibleiben, physische und psychische Schäden der Betroffenen – zum Teil solche, die ihr ganzes, weiteres Leben beeinträchtigen können, zu marginalisieren und zu verdrängen?

Sicher scheint bloß, dass so kein Ende des Traumas der Corona-Krise in Sicht kommt – einer Krise, in der die Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte, in solidarische Bürger und verantwortungslose Corona-Leugner gespalten wurde. Deswegen wurden Ehen und Familien, ungezählte Existenzen ökonomisch, psychisch und auch physisch zerstört. Seitdem geht ein tiefer und (noch?) unüberbrückbarer Riss durch das Land. Solange der unselige Zustand der Spaltung anhält, solange erscheint die Aussicht auf Versöhnung als Schimäre. Das unterstreicht, wie wichtig es wäre, zu Dialog und Verständigung zurückzufinden.

Nach früheren Einsprüchen und Warnungen – Anfang 2021 untersuchten mein Kollege Finn Jagow und ich, in der „zweiten Welle“ nach erneuter Schließung aller Schulen, die Auswirkungen der Maßnahmen auf unsere Schülerinnen und Schüler mit alarmierenden Befunden – sowie einem ersten eigenen kritischen Rückblick auf die Corona-Zeit im Juni 2022 (2) – sehe ich mich aufgrund der anhaltend großen Ignoranz in Politik, Medien und bei den Pädagogen gezwungen, zum wiederholten Mal darauf hinzuweisen, dass Kinder und Jugendliche in der Covid-19-Krise durch Handlungen und Versäumnisse der Erzieher und Lehrer schwer geschädigt worden sind. Eine besonders unrühmliche Rolle spielte dabei die Lobbypolitik ihrer Verbände, die man nur als rücksichtslos gruppenegoistisch bezeichnen kann. (3)

Wiederholte, drängende Fragen an die Lehrerschaft

Weil Kolleginnen und Kollegen diese und andere besorgte Wortmeldungen bislang beharrlich und nahezu komplett ignoriert haben, obwohl sie doch ein Anlass zur Selbstreflexion hätten sein können, bleiben drängende Fragen weiter unbeantwortet:
  • Wie kann es sein, dass Pädagogen angesichts der immer noch nicht in ihrem gesamten Ausmaß absehbaren Schäden, die mit evidenzlosen, der Sache nach nicht gerechtfertigten Maßnahmen Kindern und Jugendlichen zugefügt worden sind, einfach wieder zur Tagesordnung übergehen?
  • Wie können Pädagogen weiter so tun, als sei nichts geschehen? Wie kann so getan werden, als hätte es Social Distancing, das Verbot fast aller Sozialkontakte, Maskenpflicht, Testregime in den Schulen, monatelanges digitales Homeschooling, Hilflosigkeit und Eingesperrt-Sein zuhause bei Kindern und Jugendlichen nie gegeben oder sei der Rede nicht wert?
  • Wie kann man den gesundheitlichen Folgen eines erst von Lehrern und Erziehern befürworteten Isolationszwanges, dann eines faktisch durch sie ausgeübten Impfzwanges – die Folgen reichen von Angst- und Essstörungen über Depressionen bis hin zu Thrombosen, Lähmungen, Auto-Immunerkrankungen sowie einem deutlich erhöhten Risiko an chronischer Herzmuskel-(Myokarditis) oder Herzbeutelentzündung (Perikarditis) zu erkranken, wobei die Schädigungen langfristig sind, aber oft erst mit größerem zeitlichen Abstand, in einem Zeitraum von 5-10 Jahren nach der Impfung, auftreten können – so gefühllos-unbeteiligt und gleichgültig begegnen?
Bei alldem sind Entwicklungsstörungen, Lernrückstände und Bildungseinbußen noch gar nicht berücksichtigt, die ein noch dunkleres Bild der Corona-Maßnahmenpolitik und ihren Auswirkungen auf die junge Generation (4) zeichnen. Sie fallen z.T. so erheblich aus, dass sie gar nicht mehr ausreichend kompensiert werden können. (5)

Wie, wenn nicht aus blindem Vertrauen und autoritätsgläubiger Gefolgschaft, bei der man den Gebrauch der eigenen Vernunft unterließ, konnten Pädagogen überhaupt so vehement dafür eintreten, dass sich ihre Schutzbefohlenen aufgrund einer Krankheit, die für sie zu keinem Zeitpunkt eine besondere Gefahr darstellte, einer Therapie mit einem experimentellen Impfstoff unterziehen sollten, der ihren Organismus gentechnisch verändert? (6)

Erinnern wir uns: Keiner trommelte lauter für die „Impfung“ und keine Berufsgruppe forderte ständig mehr Vorzugsbehandlungen für sich als die Lehrer. Das „Angebot“ an die jungen Menschen sich „impfen“ zu lassen, verwandelte sich im je konkreten Fall ganz schnell durch den sozialen Druck, der in den Schulen herrschte, zu Aufrufen, Aufforderungen, ja zur moralischen Pflicht („Solidarisch sein!“) dies zu tun. Hinzu kam noch der Gruppenzwang in den Klassen und Lerngruppen. All das hielt die Mehrheit der Pädagogen offensichtlich nicht nur für unproblematisch, sondern dieser Personenkreis erhöhte sogar den psychischen Druck im Verlauf der Krise auf die Schüler noch.

Spricht nicht rückblickend bedauerlicherweise vieles dafür, dass es vorauseilender Gehorsam war, der dazu führte, dass bei den behördlichen Anordnungen Pädagogen Fragen nach dem Kindeswohl erst gar nicht stellten, meist ohne jedes Zögern kindeswohlgefährdende Maßnahmen umsetzten und nicht selten sogar noch strengere Maßnahmen forderten? Damit griff ein Umgang Schülerinnen und Schülern gegenüber Platz, der ihre Rechte völlig missachtete und sie teilweise entwürdigte, ohne dass auch nur ansatzweise Zweifel und Bedenken gegenüber dieser Art von Schwarzer Pädagogik laut wurden oder in den Kollegien gar darüber diskutiert worden wäre. Und das obwohl alle Lehrer wissenschaftlich sozialisiert und ausgebildet sind und kein Merkmal die wissenschaftliche Sozialisierung und Einstellung besser kennzeichnen dürfte als der methodische Zweifel. Es war schockierend mit anzusehen, wie stattdessen die Wirkung sich verselbständigender Ängste durch die geschürte Pandemiepanik immer weitere Kreise zog; als man vom ersten Lockdown wider besseres Wissen-Können in den zweiten lief und immer größere Schäden damit anrichtete. (7)

Neuere Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Belastungen der Kinder und Jugendlichen durch die Covid-Schutzmaßnahmen...

Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung kam Anfang 2023 auf Grundlage einer breiten, im europäischen Maßstab ländervergleichend angelegten Datenauswertung gesichert zu dem Schluss, „dass coronabedingte Schließungen mit einer Steigerung von Depressionssymptomen bei Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang stehen“ (8). Eine wichtige Erkenntnis der Studie lautet:

„Je strikter die Eindämmungsmaßnahmen, wie Schulschließungen waren, umso größer (...) die Zunahme von generellen Depressionssymptomen (...)“ (9)

Bei Depressionen gibt die Studie gegenüber der Vor-Corona-Zeit eine Steigerung um 75 % an. Zugleich betonen die Autoren, dass diese Angabe nur die Spitze des Eisbergs abbilde, da ausschließlich die in Behandlung befindlichen Kinder und Jugendlichen statistisch erfasst würden. Im ambulanten System müssten Kinder und Jugendliche aber im Durchschnitt heute sechs Monate auf einen Therapieplatz warten. (10)

Die Ergebnisse aus dem fünften Durchgang der COPSY-Längsschnittstudie des Universitäts-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf in Zusammenarbeit mit der Universität Konstanz zeigen, dass die psychischen Belastungen der Kinder und Jugendlichen weiterhin signifikant höher als vor Corona sind. Jeder dritte befragte Jugendliche im Alter bis 17 Jahre weist demnach schwerere psychische Krankheits- bzw. Belastungssymptome auf. Des Weiteren fanden

„(d)ie Wissenschaftler:innen (…) heraus, dass es Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren während der ersten Pandemiewelle im Durchschnitt wesentlich schlechter ging. Diese Verschlechterung des Wohlbefindens ist auf die Schulschließungen zurückzuführen. Ganz besonders sind die Elf- bis Vierzehnjährigen davon betroffen. Jungen kamen mit Schulschließungen schlechter zurecht als Mädchen. In Haushalten mit begrenztem Wohnraum litten die Jugendlichen grundsätzlich am meisten unter der Belastung durch Schulschließungen. (…) Die Familien wurden weitgehend mit der beispiellosen Situation zu Hause alleingelassen, einschließlich der Mehrfachbelastung, Arbeit, Schule und Familienleben unter einen Hut zu bringen“, macht Prof. Dr. Christina Felfe, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Konstanz, deutlich.“ (11)

Verantwortungslos geschürte Ängste führten dazu, dass die Lehrer in ihren Schülern primär tatsächlich nur noch Gefährder der eigenen Gesundheit, ja des eigenen Lebens erblickten. Zum anderen war das Angstregime, dem die Lehrer unkritisch und in vielen Fällen wohl auch uninformiert zu folgen bereit waren, der Grund dafür, dass die Lehrerschaft sich (nicht nur) bei den Schulschließungen völlig einseitig auf ihr vermeintliches Eigeninteresse fixierte. Dieses wurde durchgängig, von Anfang bis Ende des Covid19-Ausnahmezustandes, über die Interessen und das Wohl der Kinder gestellt.

...und ausbleibende Schlussfolgerungen

Nachdem sich herausgestellt hat, dass die Maßnahmen, die die Kinder und Jugendlichen schützen sollen, Schaden anrichten – während der Schul-Lockdowns verdreifachte (!) sich in der Altersgruppe der 12- bis 18jährigen die Anzahl derer, die einen Suizidversuch verübten (12) –

„(…) sollte man erwarten, dass im Nachgang geprüft wird, wie solch eine Verkehrung zum Schlechten möglich war, davon aber ist weit und breit nichts zu vernehmen“, (13)

so der Schulpsychologe Jürgen Mietz. Mietz leitet seine Forderungen zur Aufarbeitung daraus ab und fragt in dem Zusammenhang auch nach dem professionellen Selbstverständnis der Verantwortlichen, bei denen während der Corona-Zeit wohl einiges ins Rutschen kam:

„Berufsverbände und Gewerkschaften, die auf ihre Integrität pochen und eine Position der Fürsorge und Anwaltlichkeit für ihr Klientel in Anspruch nehmen, sollen hier aktiv werden. In Zeiten eingeschränkter Meinungsfreiheit und Einschüchterung kein leichtes Unterfangen. Aber sind solche Organisationen nicht dazu da, einen Raum der Debatte, der Überwindung von Vereinzelung und Kritik zu erhalten?“

Und er fragt weiter: „Wo sind Berufsorganisationen und Gewerkschaften aufgestanden und haben sich für die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit stark gemacht?“ (14)

Warum die Corona-Krise unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung betrachtet werden sollte

In dieser Einleitung umreiße ich den Gegenstandsbereich meiner Erörterungen und die zentrale Problematik, aus der sich diese offenen, weiterhin virulenten Fragen aus der noch immer verweigerten Corona-Aufarbeitung ergeben. Der unter der Überschrift „Die Corona-Krise und der Rückfall der Lehre(r) hinter die Aufklärung“ vorgelegte Folge-Text zur „Schwarzen Corona-Pädagogik“ versammelt Fragen, Überlegungen und Analysen zu den verschiedenen Aspekten des allgemein prekär gewordenen Zustandes gesellschaftlicher und politischer Rationalität, wie er durch den Umgang mit Covid-19 zutage trat. Er nimmt insbesondere die negativen Auswirkungen der Corona-Politik auf die Wissenschaften und das wissenschaftliche Denken auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, wie der Pädagogik und der Politik, genauer in den Blick.

Der Verlust an Rationalität, den wir während der Corona-Krise erleben mussten und der sich in dem von Mietz konstatierten Ausbleiben jeglicher Prüfung im Nachgang, „wie solch eine Verkehrung zum Schlechten möglich“ wurde, erneut zeigt, ist nicht nur dramatisch zu nennen, weil dadurch die Problemlösungsfähigkeiten einer Gesellschaft beeinträchtigt und geschwächt werden. Darüber hinaus bedeutet Rationalitätsverlust in der modernen Welt immer auch Wirklichkeitsverlust. Hannah Arendt hat in „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ darauf hingewiesen, dass durch die Verleugnung der Wirklichkeit – Arendt spricht von dem „fehlenden Widerstand durch Wirklichkeit – (…) prinzipiell alles möglich werde“ (15). Der Schriftsteller und politische Theatermacher Michael Schneider hat kürzlich in einem Vortrag auf dem Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie unter dem Titel „Die Neue Normalität“ in Berlin gesagt, es habe

„sich (…) während der Corona-Krise gezeigt (…), dass die Wirklichkeit von den westlichen Regierungen, den parlamentarischen Mehrheiten, Gerichten und tonangebenden Medien regelrecht bekämpft wurde, indem sie die freie öffentliche Debatte darüber zu verhindern versuchten (...)“ (16)

Arendt, so Schneider, habe beschrieben, wie aufstrebende totalitäre Regime bei der Wirklichkeitszertrümmerung auf einen wissenschaftlichen Diskurs zurückgriffen. Im Covid-Ausnahmezustand sei dies mit Hilfe der Virologie geschehen.

Ein zentrales Anliegen dieser Überlegungen ist es daher, Arendts Befund

„ (…) dass die größte Gefahr der Moderne nicht von der Anziehungskraft nationalistischer und rassistischer Ideologien (…), sondern von dem Verlust an Wirklichkeit (…) ausgeht“ (17)

und die Rolle, die die „moderne Hörigkeit gegenüber den Wissenschaften“ (Michael Schneider) dabei spielt, im Kontext der – auch daraus sich ableitenden – Forderung nach einer Erneuerung der Aufklärung zu diskutieren.

Warum erscheint der Zusammenhang mit der Aufklärung so wichtig?

Ein Wiedererinnern und Wiederanknüpfen an das aufklärerische Denken ist dringend erforderlich, weil, wie es die Philosophin Elena Louisa Lange ausgedrückt hat

„die Covid-19-Pandemie und die Reaktion darauf (...) einen Zivilisationsbruch verursacht hat“.

Aufgrund des vom Corona-Regime zu verantwortenden „Zivilisationsbruchs“ komme man, so Lange, „nicht mehr umhin, die Gegenwart als etwas zu sehen, das nicht mehr mit dem menschlichen Fortschritt als solchem verbunden ist.“ Das lasse nur den Schluss zu,

„dass wir in einer Ära der Gegenaufklärung leben.“ (18) (Hervorhebungen im Text von mir, B.S.)

Umgekehrt sollte man die Aufklärung nicht nur als das weit über ihre Epoche hinausragende Projekt der Verwirklichung personaler Selbstbestimmung, bürgerlicher Freiheitsrechte und als der Beginn des durch Wissen, Wissenschaft und rationalem Denken geführten Kampfes gegen Aberglauben, Obskurantismus, Herrschaftswillkür und kirchliche und politische Dogmen verstehen. Der US-amerikanische Soziologe und Erziehungswissenschaftler Neil Postman (1931-2003) geht in seinem dieser Tage besonders lesenswerten Buch „Die zweite Aufklärung“ aus dem Jahr 1999 auch der Verbindung von Aufklärung und Fortschritt, als einer für unsere Zukunft besonders wichtigen Spur der Aufklärungsgeschichte, nach. Postmans Gedanken können komplementär zu Langes Charakterisierung der Gegenwart als „Ära der Gegenaufklärung“ gelesen werden. Bei Postman heißt es dazu:  

„Das Geschenk des achtzehnten Jahrhunderts findet man in der Intelligenz und Kraft der Fragen, die es hinsichtlich des Fortschritts aufwarf, ein Sachverhalt, den die besten Köpfe des folgenden Jahrhunderts sehr wohl verstanden. Im neunzehnten Jahrhundert setzte man sich mit diesen Fragen auseinander, und es kam zu umfassenden und leidenschaftlichen Antworten darauf, insbesondere hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen technischem und moralischem Fortschritt.“ (19)

Neben der Kraft zum vernünftigen Selbst-Denken, dem Streben nach Autonomie, Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz, der Herausbildung einer pluralistisch-kritischen Öffentlichkeit, der Entwicklung des Rechts, der Rechtsstaatlichkeit und der wissenschaftlich-skeptischen Weltsicht sieht Postman in den Überlegungen der „besten Köpfe (...) hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen technischem und moralischen Fortschritt“ das wichtigste Argument, um mit Verve für eine Wiederbesinnung auf die  Aufklärung und eine Neuauflage ihres Denkens einzutreten. Seine These lautet, dass wir nur durch „diese Brücke zurück, die wir ins 18. und 19. Jahrhundert bauen“, lernen werden, die Probleme des 21.Jahrhunderts wirklich lösen zu können. Anhand der Frage: „Wieviel Technik braucht der Mensch?“ lässt der Geist der Aufklärung sich wunderbar exemplifizieren. Die sinngemäße Antwort, die Postman darauf gibt: Gerade so wenig bzw. so viel, um uns frei zu machen und uns Zeit für das zu geben, wofür es sich zu leben lohnt. (20)

Zur Erkenntnis, dass die Aufklärung für uns eine ungebrochene Relevanz hat, wenn man an der Vorstellung einer lebenswerten Zukunft festhalten möchte, setzen nun die Beobachtungen Elena Louisa Langes den zeitdiagnostisch-empirischen Kontrapunkt. Wichtige Bestände der Aufklärung lösen sich vor unseren Augen nämlich auf bzw. werden durch die Politik gerade abgewickelt:

(…) es geht mit der Angsterzählung Covid19 (…) um die Abschaffung der bürgerlichen Subjektivität, d.h. um noch die letzte Abschaffung der wenigen Errungenschaften für das Individuum, die das bürgerliche Zeitalter erkämpfen konnte. Was an die Stelle bürgerlicher Subjektivität und Selbstbestimmung treten wird, ist noch nicht klar. Klar ist nur, dass der Mensch, das Individuum, seine spezifischen Wünsche und Bedürfnisse (...) nach Geselligkeit, aber auch nach Privatheit, nach körperlicher Unversehrtheit, nach psychischer Gesundheit, um nicht zu sagen nach Freiheit und Selbstbestimmung, nicht mehr Bestandteil der Gesellschaft sind, auf die wir zusteuern.“ (21)

Das Besondere, was sich damit, wenn auch negativ, mit den Definitionen Postmans von Aufklärung und Fortschritt als „Erweiterungen unseres Verständnisses von Humanität“ verbindet, ist die Tatsache, dass im Kontext dieser Transformation von Gesellschaft der Fortschrittsbegriff selbst eine radikale Umdeutung bzw. Umpolung erfahren hat. Das lässt sich Lange zufolge daran erkennen, dass die menschlichen Bedürfnisse

„immer mehr zu einem Hindernis für die neuen Formen des ‚Fortschritts’ werden, die nicht mehr als menschlich bezeichnet werden können“ (22).

Damit nimmt die Philosophin auf den Transhumanismus Bezug, der in den letzten 30 Jahren zur Leitideologie der globalen Elite und in diesem Rahmen auch zum wichtigen Ideengeber der Pandemiepolitik geworden ist (23). Der Transhumanismus bildet zugleich die Grundlage wie den Überbau der technokratischen Global-Governance-Architektur- und Agenda. Er zielt auf die Maschinisierung des Menschen („Singularität“) und auf dessen vollständige Kontrolle durch Künstliche Intelligenz und Digitalisierung ab. (24)

Aus dieser Perspektive betrachtet, hinterließ die Covid19-Panik-Pandemie mit ihren schnell und fast widerstandslos eingeführten und implementierten Kontroll-und Überwachungsritualen (Corona-Tests, 3G, 2G, Corona-Warn-App, digitaler Impfnachweis) den Eindruck, man habe die Vernunft selbst in Quarantäne genommen. „Vernunft in Quarantäne“, so lautet dann auch treffend der Titel der gesammelten Aufsätze des Bremer Sozialwissenschaftlers Rudolph Bauer zum „Lockdown als Zivilisationsbruch und Politikversagen.“ (25)

Für die Beschreibung unserer Gegenwart als „Ära der Gegenaufklärung“ spricht besonders der Beitrag, den die Wissenschaften während der Pandemie zur technokratischen Steuerung der Bevölkerung leisteten. Es vollzog sich ein Bruch mit dem modernen Wissenschaftsverständnis, wie es sich auf der Grundlage des Rationalismus, ausgehend von den Prämissen und Prinzipien der Aufklärung und ihres emanzipatorischen Geistes entwickelt hat, eines Geistes, der sich im Denken und Handeln auch ethisch davon leiten ließ.

Wie konnte es geschehen, dass sich Teile der Wissenschaften der Gegenaufklärung andienten?

Für die Außerkraftsetzung von Grundrechten durch Verordnungen im Rahmen von Notstandsgesetzgebungen des sog. „Bevölkerungsschutzgesetzes“ in den verschiedenen Fassungen, die zwischen 2020 bis 2023 Gültigkeit hatten, wurden die Wissenschaften von der Politik instrumentalisiert. Denn erst die Wissenschaften konnten der Politik eine Legitimation für das beispiellos übergriffige Handeln des Staates – der Arzt Gunter Frank spricht in diesem Zusammenhang von einem „Staatsverbrechen“ – verschaffen. Und sie sollten ihr diese Legitimation liefern. Was jedoch dafür vorgebracht wurde, war Form und Inhalt nach per se etwas antiwissenschaftliches, sogar wissenschaftsfeindliches, weil dem wissenschaftlichen Streit par ordre du mufti Enthobenes. Diese paradox anmutende Wissenschaftsfeindlichkeit im Inneren der Wissenschaft, die sich in der Corona-Zeit deutlich herausbilden und zeigen sollte, wird die Gesellschaft noch eingehender beschäftigen müssen. Zumindest dann, wenn man nicht in einem digital überwachten „Nanny-Staat“, der die Bürger durch wissenschaftliche Expertokratie in allen Lebensbereichen bevormundet, kontrolliert und steuert, leben möchte. Die totalitären Züge eines solchen Nanny-Staates zeichnen sich nicht nur bei der Pandemie-Politik, sondern auch bei anderen Themen wie der Klima-Politik immer deutlicher ab.

Mit dieser missbräuchlichen Indienstnahme der Wissenschaften durch die Politik fielen beide Systeme, das politische und das wissenschaftliche, hinter die Aufklärung zurück.

Und die Pädagogik? Sie hat das böse Spiel einfach mitgespielt. Die wahrheitswidrige Darstellung der Wissenschaft als quasi monolithischer Block, der sich in der politischen Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus (abgesehen von einigen „irregeleiteten Renegaten“, mit deren Ausgrenzung und Diffamierung dann auch sofort in den Hauptmedien begonnen wurde) einig weiß – wurde von oben zentralisiert auf die Ebene von Schulen, Hochschulen, Unterricht und Lehre, in die Hörsäle und Klassenräume der Republik durchgereicht. Sie hatte bestürzend absurde Folgen für die Lehre: Abweichendes Denken wurde unter Strafe gestellt, Häresie, Ketzertum, – mittelalterlich anmutende Dinge, die ausgestorben und begraben und dank der Aufklärung überwunden schienen – erlebten ein seltsames Revival. Der offene wissenschaftliche Diskurs wurde schwer beschädigt. Schlimmer noch: Bis zum heutigen Tag ist in der schulischen und in der universitären Lehrerschaft kein Reflexionsprozess in Gang gekommen, keine Besinnung eingekehrt. Noch immer ist den Lehrern kein Licht aufgegangen, wie folgenschwer ihr Versagen in der Corona-Krise war und wie welche Pathologien die wichtigsten Instanzen der so genannten „Wissensgesellschaft“ so stark befallen konnten.

Solange sich daran nichts ändert, solange muss beharrlich an diese pathologischen Prozesse und an das Versagen und seine schlimmen Folgen erinnert werden. Sonst besteht, ja wächst, mit zunehmendem Abstand zum Verdrängten, die Gefahr, dass sich wieder so etwas – oder vielleicht sogar noch etwas Schlimmeres – ereignen kann.

Der Politikwissenschaftler und Kindheitsforscher Michael Klundt, Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal, hat in einem Interview an einige Facetten des (nicht nur) pädagogischen Fehlverhaltens aus den letzten Jahren erinnert:

„‚Schwarze Pädagogik‘ (…) war leider allzuoft an der Tagesordnung, innerhalb und außerhalb der Schule. Dies nun weitgehend zu verdrängen oder nicht wahrhaben zu wollen und eine (selbst-)kritische Aufarbeitung zu verweigern, ist wirklich skandalös.

Massenhafte Berichte von Eltern, Lehrern und Kindern über Beschämungen und Bloßstellungen im Klassenraum, im Lehrerzimmer, auf dem Schulhof, dem Schulweg.

Unter der Maske an Atemnot leidende Schüler, die nicht einmal ans offene Fenster zum Durchatmen gelassen, sondern vor versammelter Klasse der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Entsetzliche Szenen auf Schulhöfen, wo den unter offenem Himmel in ihr Pausenbrot hineinbeißen wollenden Schülern befohlen wurde, sich dazu auf den Boden zu setzen. Ausgegrenzte nicht-getestete, vor der versammelten Klasse ekelhaft vorgeführte nicht-geimpfte Kinder. Ein Fanatismus nach dem Schema: ‚Ihr seid eine Gefahr für mich‘ und ‚Wenn ihr euch nicht testen lasst, seid ihr schuld, wenn die Oma eures Sitznachbarn stirbt‘. Die Kinder als angebliche Viren-Treiber. Böhmermanns Behauptung, die Kinder seien während Corona das, was die Ratten während der Pest gewesen seien, diese für mich volksverhetzende Kinder/Ratten-Analogie wirkte in alle Poren der Gesellschaft.“ (26)

Klundt, der als einziger deutscher Wissenschaftler eine Professur für Kinderpolitik inne hat, war schon im September 2020 als vor die Kinderkommission des Deutschen Bundestages geladener wissenschaftlicher Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen, dass im Corona-Krisenmanagement

„Kinderrechte weitgehend ignoriert wurden und Bund und Länder ihre Verpflichtung zu Schutz, Beteiligung und Fürsorge für 13 Millionen Kinder nicht nachgekommen“

seien.

„Kinder wurden von der Politik wie Objekte behandelt“, (27)

so Michael Klundt.

Klundts Gutachten führten zu keinerlei Veränderungen zum Besseren im Interesse der Kinder und Jugendlichen, da die Politik sich beratungsresistent zeigte. Seine Worte verhallten genauso folgenlos wie die aller anderen Mahner und Kritiker der Maßnahmenpolitik. Selbst die Great Barrington-Erklärung, die im Oktober 2020 in kürzester Zeit von über 30.000 Wissenschaftlern und Medizinern weltweit unterzeichnet wurde, und die sich in der Rückschau wie eine leider wahr gewordene Prophezeiung liest, wurde in den Altmedien wie ein rotes Tuch behandelt – man berichtete einfach nicht darüber. (28) Dabei wiesen führende Epidemiologen für Infektionskrankheiten und Wissenschaftler aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens nur auf Gefahren hin, die angesichts einer rigiden, die gesamte Bevölkerung durch Lockdowns und Grundrechteentzug massiv treffenden und in Mitleidenschaft ziehenden Pandemiepolitik doch recht nahe lagen. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen hätte spätestens nach dem ersten Lockdown, wahrscheinlich schon früher, für alle evident sein müssen. Denn schnell, nämlich schon im Frühjahr 2020, hatte es sich herausgestellt, dass diese Virus-Infektion nur für alte Menschen mit multiplen Vorerkrankungen wirklich bedrohlich war:

„Die derzeitige Lockdown-Politik hat kurz- und langfristig verheerende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Zu den Ergebnissen, um nur einige zu nennen, gehören niedrigere Impfraten bei Kindern, schlechtere Verläufe bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weniger Krebsvorsorgeuntersuchungen und eine Verschlechterung der psychischen Verfassung – was in den kommenden Jahren zu einer erhöhten Übersterblichkeit führen wird. Die Arbeiterklasse und die jüngeren Mitglieder der Gesellschaft werden dabei am schlimmsten betroffen sein. Schüler von der Schule fernzuhalten, ist eine schwerwiegende Ungerechtigkeit. Die Beibehaltung dieser Maßnahmen bis ein Impfstoff zur Verfügung steht, wird irreparablen Schaden verursachen, wobei die Unterprivilegierten unverhältnismäßig stark betroffen sind.“ (29)

Angsterzeugung überwältigte wissenschaftliches Denken und pädagogisches Ethos

Im Zusammenhang mit diesen und weiteren eingetroffenen Warnungen der Wissenschafts-„Renegaten“ und Wissenschafts-„Ketzern“ muss grundsätzlich die Rolle der Wissenschaften befragt und reflektiert werden. Dabei gilt zu bedenken, welche zentrale Bedeutung die Lehrer für den Wissens- und Wissenschaftsprozess haben. Denn auch in den Schulen wurden bei Corona rationale und wissenschaftlich-didaktische Prinzipien wie das Überwältigungsverbot und das Kontroversitätsgebot über Bord geworfen. Beim Überwältigungsverbot und dem Kontroversitätsgebot handelt es sich um Prinzipien und Maximen pädagogischen Handelns, auf die man sich als die Grundsätze politischer Bildungsarbeit im Unterricht verständigt hat. Alle Lehrerinnen und Lehrer sollten sich selbstverpflichtend daher eigentlich an sie halten.

Das Überwältigungsverbot lautet:

„Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbstständigen Urteils‘ zu hindern.“ (30)

Das Verbot wurde in der Corona-Krise fast durchgängig gebrochen, da mit den Mitteln der Angst und Angsterzeugung jeder rationale Diskurs über die tatsächliche Bedrohungslage durch das SARS-CoV-2-Virus im Keim erstickt und während der gesamten Zeit nicht zugelassen wurde. Die Kinder und Jugendlichen sind nicht nur (kontra-)faktisch von der „Pandemie“ überwältigt worden, sie sollten sogar ausdrücklich durch Angstmache und sog. Furchtappelle überwältigt und zur Impfung getrieben werden. Dass wissen wir aus ministeriellen Strategiepapieren und kürzlich zur Veröffentlichung frei geklagten Protokollen des Corona-Expertenrates (31). Da trotz allem aber mindestens ein Viertel der Bevölkerung vom offiziellen Pandemie-Narrativ nicht überzeugt werden konnte, blieb das Thema der Sache nach kontrovers und hätte im Unterricht auch so behandelt werden müssen. Denn das Kontroversitätsgebot besagt:

„Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten.“ (32)

Die Missachtung des Kontroversitätsgebots ging so weit, dass Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrem Unterricht den Corona-Alarmismus in Frage stellten und die Maßnahmenpolitik problematisierten, denunziert und mit disziplinarischen Maßnahmen bis hin zur Suspendierung verfolgt wurden. Das geschah, ohne dass ihre Kollegen sich schützend vor sie gestellt hätten. Im Gegenteil: Pauschal diffamierte die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Kritiker als „antisemitische Corona-Leugner“, „Volksverhetzer“ und „Verschwörungsideolog*Innen“. Bis heute hat keiner der GEW-Oberen sich für diese haltlosen Unterstellungen, Beschimpfungen und Beleidigungen entschuldigt.

So steht das Versagen der Lehrer in der Corona-Krise stellvertretend für den Komplettausfall des wissenschaftlichen Denkens insgesamt – und stellt zugleich einen besonders gravierenden Fall dafür dar, da Lehrer ihre Schüler doch gerade zum wissenschaftlichen Denken – das heißt vor allem zur methodischen und produktiven Skepsis befähigen sollen.

Damit hat die Corona-Krise zugleich eine tiefe Krise der Pädagogik offenbart. Eine Krise, die noch über Lehrermangel, die Migrationsproblematik in den Schulen, PISA-Hiobs-Testergebnisse, eine wissenschaftlich schwammige „Kompetenzorientierung“, die maßgeblichen Anteil am Bildungsabbau trägt und sogar über die für die Verdummung der jungen Generation verantwortlichen Folgen der Schul-Digitalisierung – die in Deutschland immer noch nicht erkannt werden – hinausgeht.

Der Aufarbeitung des Geschehens dieser letzten drei Jahre sollte man sich mit den wahrhaft humanen und biophilen, d.h. den nach Erich Fromm (33) lebensfreundlichen und - dienlichen Mitteln, Denk-Werkzeugen und Einsichten der Aufklärung und ihres befreienden Geistes (34) endlich stellen.


Dieser Text stellt die gekürzte und inhaltlich leicht veränderte Fassung des Einleitungskapitels eines längeren Essays dar, der zum Thema der Krise der Vernunft in Gesellschaft, Wissenschaft und Pädagogik und der Rolle, die die Corona-Krise dafür hat, in Kürze erscheinen wird.


Anmerkungen:

1 https://www.nachdenkseiten.de/?p=98044, 21.5.2023, https://norberthaering.de/news/schoepe-schwarze-paedagogik/, 12.6.2023.

2 https://www.gew-ansbach.de/2022/06/die-aufarbeitung-der-corona-vergangenheit-und-ihre-tabus/, 15.6.2022.

3 Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung ließ zuletzt erstaunlicherweise Ambitionen erkennen, sich, wenn auch spät, in Sachen „ausgewogene und distanziert-kritische Berichterstattung und Kommentierung der Corona-Politik“ vom Saulus zum Paulus zu wandeln. Unter der Überschrift „Corona: Schulen in Hessen müssen Pandemie-Zeit noch aufarbeiten“ erschien am 3. September 2023 ein Artikel der Rhein-Main-Redaktion der FAZ, in dem es u.a. heißt: „Auch die Lehrer-, Eltern-und Schülervertreter sollten die Pandemie-Zeit kritisch reflektieren. Zum Beispiel die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die den Infektionsschutz des Kollegiums so sehr im Blick hatte, dass sie den Bildungsanspruch der Schüler aus den Augen verlor.“ https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/corona-schulen-in-hessen-muessen-pandemie-zeit-noch-aufarbeiten-19145233.html, 3.9.2023.

4 https://www.tagesspiegel.de/wissen/erstmals-zeigt-eine-studie-wie-gross-die-corona-lernruckstande-wirklich-sind-8025991.html, 1.7. 2022. https://www.gew-ansbach.de/2023/01/deutsches-schulbarometer-2023/, 18.1.2023. https://www.sueddeutsche.de/wissen/corona-bildung-schule-1.5741797, 30.1.2023.

5 Das soll nicht heißen, dass alle Schülerinnen und Schüler gleich stark und ausschließlich negativ von den Schulschließungen betroffen waren. So hat es Gymnasiasten gegeben, die sich „prächtig“ gefühlt haben und beim Lernen auch gut vorangekommen sind. Ihre Voraussetzung war natürlich ein Elternhaus mit akademischer Bildung, das notfalls helfen kann, mit genügend Geld, um den Kindern die neueste Hard-und Software zu ermöglichen, einem eigenen Zimmer usw. Das wiederum bedeutet aber, dass die große Schere sozialer Ungleichheit durch die Corona-Jahre in Deutschland noch weiter auseinander gegangen ist, d.h. eine ohnehin schon sehr privilegierte Gruppe ist auf Kosten der unterprivilegierten Gruppen noch mehr privilegiert worden. Das bestätigen auch sämtliche Studien zu den schulischen und kognitiven Auswirkungen der Pandemiemaßnahmen.

6 „Und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen: Diese ‚Impfstoffe’ wirken nicht einmal mehr, sondern erhöhen die Chance von Infektion und Hospitalisierung mindestens seit Auftreten der Omikron-Variante.“ Peter F. Mayer, https://tkp.at/2022/01/04/erschreckende-bilanz-der-nebenwirkungen-und-todesfaelle-der-gentechnik-impfstoffe-in-2021/, 4.1.2022.

7 Bastian Barucker hat am 6. September auf seinem Blog unter der Überschrift „Corona-Expertenrat: Furchtappell gegen Kinder und Jugendliche“ die Geschichte der Schulschließungen nachgezeichnet. Zwei Dinge stechen hierbei besonders hervor: Das eine ist die Nicht-Beachtung des Völkerrechts und der Bundesgesetzgebung. Wie Barucker – und Jagow/Schoepe bereits im April 2021 (in „Kinder, Corona und der digitale Distanzunterricht“) – ausführen, hat seit dem Jahr 2010 die Kinderrechtskonvention in Deutschland den Rang eines Bundesgesetzes. Festgelegt ist demnach, dass „bei allen Maßnahmen die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, (…) das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt (ist), der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (Artikel 3, Absatz 1, Wohl des Kindes.) Zum anderen hat die Bundesregierung auf ministerieller Ebene schon im März 2020 an einer Kommunikationsstrategie gearbeitet, „die darauf abzielte in der Bevölkerung eine Schockwirkung zu erzielen“ (Barucker). In der als Panikpapier aus dem Bundesinnenministerium bekannt gewordenen Vorlage heißt es wörtlich: „Um die gewünschte Schockwirkung zu erzielen, müssen die konkreten Auswirkungen einer Durchseuchung auf die menschliche Gesellschaft verdeutlicht werden. (...) Kinder werden kaum unter der Epidemie leiden. Falsch. Kinder werden sich leicht anstecken, z.B. bei den Nachbarskindern. Wenn sie dann ihre Eltern anstecken, und einer davon qualvoll zu Hause stirbt und sie das Gefühl haben, Schuld daran zu haben, weil sie z.B. vergessen haben, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen, ist es das Schrecklichste, was ein Kind je erleben kann.“  https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/

8 https://www.bib.bund.de/DE/Aktuelles/2023/2023-02-01-Schulschliessungen-waehrend-Corona-Pandemie-Zunahme-von-Depressionen-bei-Kindern-und-Jugendlichen.html, 1.2.2023.

9 Andreas von Westphalen, https://www.telepolis.de/features/Deutschland-Land-mit-posttraumatischer-Belastungsstoerung-9330719.html, 11.10.2023.

10 https://www.welt.de/wissenschaft/plus247552522/Deutschlands-Jugend-Mehr-Depressionen-mehr-Uebergewicht-mehr-Essstoerungen.html, 21.09.2023.

11 https://www.uke.de/kliniken-institute/kliniken/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/forschung/arbeitsgruppen/child-public-health/forschung/copsy-studie.html
12 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/132970/Zweiter-COVID-19-Lockdown-Zahl-der-Suizidversuche-bei-Jugendlichen-in-Deutschland-nahm-zu, 22.3.2022.

13 https://schulpsychologie-mietz.com/2023/02/05/aufarbeitung-alles-konnte-wieder-so-geschehen-und-auch-schlimmer/
14 Ebd.

15 Hannah Arendt, zitiert nach Egon Flaig, Die Niederlage der politischen Vernunft, Springe 2017, S.9.

16 https://transition-news.org/neue-normalitat-mit-alten-zielen-und-mitteln, ein Bericht von Tilo Gräser, 24.11.2023.

17 Flaig, a.a.O.

18 Elena Louisa Lange, Der Schutz vulnerabler Gruppen als Krieg gegen alle – Staat, Autoritarismus und linke Machtergreifung, Vortrag Zürich, 9.12.2022, https://static1.squarespace.com/static/622f6ca52d7e151d48783a36/t/63bc1eb4a468b037932355a9/1673273102006/Vortrag+von+Elena+Lange+9.12.22.pdf.  – Eingehender habe ich mich in meinem ersten Text vom Juni 2022, in dem ich eine umfassende Corona-Aufarbeitung forderte, mit dem dreifachen Zivilisationsbruch durch die Corona-Politik beschäftigt, siehe Bernd Schoepe, Die Aufarbeitung der Corona-Vergangenheit und ihre Tabus, https://www.gew-ansbach.de/data/2022/06/Schoepe_Die Aufarbeitung_der_Corona-Vergangenheit.pdf, 15.6.2022.

19 Neil Postman, Die zweite Aufklärung, Frankfurt/M. 1999, S.47.

20 Womit wir schnell beim österreichischen Philosophen Robert Pfaller angelangt wären, der uns das gleichnamige Buch der Lebenskunst an die Hand gegeben hat. In dem Buch steht der wie aus Stein ( – nicht aus irgendeinem Stein, es dürfte Alabaster sein – ) gemeißelte Satz: „Ein Leben, welches das Leben nicht riskieren will, beginne unweigerlich, dem Tod zu gleichen.“ Robert Pfaller, Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie. Frankfurt/M. 2012.

21 Lange, a.a.O., S.2. – Wer die Rede von der „Abschaffung der bürgerlichen Subjektivität“ für übertrieben hält, der sei an die Aussage des einflussreichen Transhumanisten und Chefberaters des World Economic Forum (WEF), Yuval Noah Harari erinnert, dass der Mensch zum „hackable animal“ geworden sei. Damit meint Harari, dass es der Künstlichen Intelligenz nunmehr gelänge, sich in das „Betriebssystem“ des Menschen einzuschleusen und die KI kurz davor stünde, es (ihn) zu übernehmen. https://edition.cnn.com/videos/world/2019/11/26/yuval-noah-harari-interview-anderson-vpx.cnn, 26.11.2019.

22 Ebd.

23 Siehe dazu Bernd Schoepe, Pandemiepolitik, Transhumanismus und die große Transformation, https://norberthaering.de/macht-kontrolle/schoepe-transhumanismus/, 19.2.2022.

24 Alle Programme des Human Enhancement sind transhumanistischer Provenienz und umfassen unterschiedliche Bereiche wie die Cyberfizierung des Menschen, die Genmanipulation und Eugenik, die Nanotechnologie und die Verhaltensökonomie.

25 Rudolph Bauer, Vernunft in Quarantäne, Gesammelte Aufsätze zum Lockdown als Zivilisationsbruch und Politikversagen, Bergkamen 2021.

26 https://www.nachdenkseiten.de/?p=103641, 11.9.2023.

27 https://www.bitchute.com/video/kOJqX1GRK4fD/

28 https://www.nachdenkseiten.de/?p=65549, 7.10.2020.

29 Ebd.

30 https://profession-politischebildung.de/grundlagen/grundbegriffe/beutelsbacher-konsens/

31 Siehe auch Fußnote 7. – „Kürzlich freigegebene Protokolle des Corona-Expertenrats belegen, dass dieses Gremium Kindern und Jugendlichen gezielt Angst vor einer Corona-Infektion machen wollte. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern Angsterzeugung ein legitimes Werkzeug der Pandemiepolitik sein darf und wie weit dies mit dem rechtlich verankerten Schutz des Kindeswohls vereinbar ist.“ https://blog-bastian-barucker.de/corona-expertenrat-furchtappell, 6.9.2023.

32 https://profession-politischebildung.de/grundlagen/grundbegriffe/beutelsbacher-konsens/

33 „Die Biophilie ist die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen; sie ist der Wunsch das Wachstum zu fördern, ob es sich nun um einen Menschen, eine Pflanze, eine Idee oder eine soziale Gruppe handelt.“ Erich Fromm, Anatomie der menschlichen Destruktivität, Hamburg 2015, S.411 ff.

34 Ausführlich dazu: Neil Postman, Die zweite Aufklärung, a.a.O.


Über den Autor: Bernd Schoepe (geb. 1965), freier Autor, ist langjähriges aktives GEW-Betriebsgruppen-Mitglied, ehem. Vertrauensmann und Mitglied der Hamburger Lehrerkammer. Hauptberuflich arbeitet er als Deutsch-, Politik-und Philosophielehrer an einer Stadtteilschule und ist seit 2003 im Hamburger Schuldienst. Kontakt: berndschoepe(at)gmx.de

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