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Aktueller Online-Flyer vom 27. November 2024  

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Globales
Können sich die Ukraine und Israel auf Selbstverteidigung berufen?
Die Antwort lautet: NEIN!
Von Wolfgang Bittner

Sowohl die Ukraine als auch Israel haben bei ihren noch immer andauernden Konflikten Selbstverteidigung nach der Charta der Vereinten Nationen geltend gemacht. (1) Das ist nicht haltbar. Artikel 51 lautet: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“ (2)

Notwehr und Nothilfe nach Artikel 51 der UN-Charta

Der Artikel gewährt also im Falle eines bewaffneten Angriffs ein Recht zur Selbstverteidigung in Form von Notwehr und Nothilfe. Auf Nothilfe (kollektive Selbstverteidigung) berief sich Russland 2022 nach einer Großoffensive gegen Donezk und Luhansk beim Einmarsch in die Ukraine, die aufgerüstet wurde, um gegen die beiden Volksrepubliken sowie gegen die nach einem Referendum zur Russischen Föderation gehörende Krim militärisch vorzugehen. Der UN-Sicherheitsrat wurde dementsprechend informiert, wie es Artikel 51 der Charta verlangt. (3)

Des Weiteren konnte sich Russland bei seiner Intervention auf seine Schutzverantwortung (Responsibility to Protect, kurz RtoP) (4) für die russischsprachige Bevölkerung in der Ostukraine und auf der Krim berufen, ein völkerrechtlich allgemein anerkanntes Gebot zur Verhinderung schwerer Menschenrechtsverletzungen. (5) Nachdem die ukrainische Armee sowie Freiwilligenverbände und faschistische Truppen die Menschen in Donezk und Luhansk jahrelang beschossen und bombardiert hatten, wobei etwa 13.000 Menschen getötet wurden, wäre statt der überbordenden Polemik und Hetze zu prüfen gewesen, ob für Russland bei seinem Vorgehen gegen die Kiewer Ukraine nach internationalem Recht RtoP wie auch Artikel 51 der UN-Charta in Betracht kamen.

Kiew und Israel

Auch die Ukraine und Israel berufen sich bei ihren Kriegen auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta. (6) Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass in beiden Fällen der Tatbestand eines Genozids erfüllt ist. In Paragraph 6 des Völkerstrafgesetzbuches heißt es zum Völkermord: „Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, ein Mitglied der Gruppe tötet, einem Mitglied der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt, die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen … wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“ (7)

Die Kiewer Regierung versuchte nach dem Maidan-Putsch seit 2014 einen innerstaatlichen Konflikt mit militärischen Mitteln zu lösen, obwohl die Oblasten Donezk und Luhansk lediglich mehr Autonomie innerhalb der Ukraine forderten. Damit legte Kiew mit den USA im Rücken Feuer vor der Haustür Russlands, woraus sich der verheerende Stellvertreterkrieg entwickelte, (8) der nun schon ins dritte Jahr geht.

Und die israelische Regierung führt unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen mörderischen Ausrottungskrieg gegen die von ihnen besetzen palästinensischen Gebiete. (9) Der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 gibt Israel nicht das Recht, in völlig unverhältnismäßiger Weise gegen die palästinensische Bevölkerung vorzugehen, wobei es bereits zu zehntausenden von Toten und Verletzten gekommen ist.

Berücksichtigt man diese Umstände und Fakten, dann ist es sowohl der Ukraine als auch Israel nach internationalem Recht nicht möglich, sich bei ihren Kriegen auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen zu berufen. Politiker und Journalisten, die eine andere Meinung vertreten, sind aufgefordert, sich entsprechend zu informieren. Die Kriege in der Ukraine und in Gaza müssen von der internationalen Gemeinschaft unverzüglich gestoppt werden, um diese entsetzlichen Gräuel zu beenden.


Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Von ihm erschienen 2014 „Die Eroberung Europas durch die USA“, 2019 „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ sowie „Der neue West-Ost-Konflikt“ und 2021 „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.



Fußnoten:

(1) Siehe: www.stern.de/panorama/video-vereinte-nationen–selenskyj-spricht-vor-sicherheitsrat—gegen-den-widerspruch-russlands–33846692.html. Sowie: Gazastreifen: Benjamin Netanjahu nennt israelische Aktionen „Selbstverteidigung“ – WELT
(2) https://unric.org/de/charta/
(3) Dazu Wolfgang Bittner, „Ausnahmezustand“, Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2023, S. 97 ff.
(4) Dazu: Andreas von Arnauld: Völkerrecht. Heidelberg 2016, S. 134
(5) RtoP ist allerdings eine problematische Doktrin, die ursprünglich von den USA und der NATO ins Völkerrecht eingebracht wurde, um den Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu rechtfertigen.
(6) A.a.O.
(7) Völkerstrafgesetzbuch in der Fassung vom 26.6.2022; www.gesetze-im-internet.de/vstgb/VStGB.pdf
(8) Vgl. Wolfgang Bittner, „Der neue West-Ost-Konflikt“, Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2019, S.197-223[1] Israel hat – im Gegensatz zu 138 anderen Staaten – Palästina nicht als Staat anerkannt. Insofern ist das Vorgehen in Gaza für Israel kein Krieg gegen einen anderen Staat, aber aufgrund der Besetzung auch kein innerstaatlicher Konflikt.
(9) Israel hat – im Gegensatz zu 138 anderen Staaten – Palästina nicht als Staat anerkannt. Insofern ist das Vorgehen in Gaza für Israel kein Krieg gegen einen anderen Staat, aber aufgrund der Besetzung auch kein innerstaatlicher Konflikt.


Erstveröffentlichung am 22. Februar 2024 bei globalbridge.ch

Online-Flyer Nr. 827  vom 08.03.2024

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