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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Kultur und Wissen
Verbesserung der Untersuchungshaft in Zürich und Bern in Aussicht
Strafrecht: Es wird mit verschiedenen Ellen gemessen
Von Heinrich Frei

Eine Untersuchungshaft soll Menschen nicht kaputt machen. Nach der Haft geht das Leben weiter und vielleicht zeigt die Strafuntersuchung, dass der in Haft genommene sogar unschuldig ist. Daher werden in Zürich und Bern nun neue Maßnahmen zur Verbesserung der U-Haft geprüft. Mittels Eintrittsgesprächen und anderen Maßnahmen soll die Situation für Verhaftete verbessert werden. Eine Untersuchungshaft kann sehr lange, Monate, dauern. (1) Bekannt ist schon lange: «Kurze Freiheitsstrafen» (auch die Untersuchungshaft) «sind sehr schädlich. Sie bedrohen die berufliche Existenz, wirken stigmatisierend, belasten die Beziehungen zu Angehörigen und Verwandten, ohne irgendwelche Impulse zur Wiedereingliederung geben zu können. Es bestehe die Gefahr, dass nach dem Aufenthalt in einem Gefängnis die kriminelle Karriere erst richtig beginnt, statt gestoppt wird», sagte schon vor Jahren der Basler Anwalt Urs Pfander. Suizide und psychische Erkrankungen in der Haft sind häufig.


Bezirksgefängnis in Dietikon, Kanton Zürich - In den schalldichten Zellen dieses Betonbunkers werden auch Untersuchungshäftlinge wochen- und monatelang eingesperrt (Foto: Heinrich Frei)

Ersatzfreiheitsstrafe: Statt Buße zahlen ins Gefängnis

Fast die Hälfte aller jährlichen Haftantritte in der Schweiz erfolgt, weil die Betroffenen ihre Bußen oder Geldstrafen nicht begleichen können. (2) Für eine Buße oder Geldstrafe von 100 Franken sitzt man dann einen Tag im Gefängnis oder kann in gewissen Fällen auch gemeinnützige Arbeit leisten. Ein Häftling kostet die Schweiz 390 Franken pro Tag….

Mein verstorbener Bekannter Hans Heinrich Zürrer bekam vor über 40 Jahren 20-mal eine Gefängnisstrafe aufgebrummt, weil er die Militärpflichtersatzsteuer als Kriegsdienstverweigerer nicht zahlte. Seine Ferien verbrachte er regelmäßig hinter Gittern.

Die Kriminellen mit den weißen Kragen sehen selten einen Knast, dort sitzen meist die armen Leute.


Ausschaffungsgefängnis neben der Piste des Flughafens Zürich-Kloten - Hier werden Flüchtlinge inhaftiert, die kein Delikt begangen haben. (Bild Heinrich Frei) (3)

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht das gleiche…

Verbrechen werden in unserer Gesellschaft mit verschiedenen Ellen gemessen. Für Mord sieht das Strafgesetzbuch in Deutschland die höchste Strafe vor, lebenslange Haft. Nach 15 Jahren kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Wenn jedoch ein Soldat auf Befehl des Staates als Feinde bezeichnete Menschen tötet, die er nicht kennt, ist dies erlaubt: die Ermordung eines Taliban in Afghanistan, eines Russen in der Ukraine oder anderswo ein Soldat einer fremden Macht oder ein Terrorist.

Kurt Tucholsky: Soldaten sind Mörder

Kurt Tucholsky schrieb 1931: «Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt, ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.»

Cyprian von Karthago: Straflosigkeit bei großen Verbrechen

Cyprian von Karthago schrieb um 200 nach unserer Zeitrechnung: «Der Mord ist ein Verbrechen, wenn ein einzelner ihn begeht; aber man ehrt ihn als Tugend und Tapferkeit, wenn ihn viele begehen! Also nicht mehr Unschuld sichert Straflosigkeit zu, sondern die Größe des Verbrechens!»

Bürgerkrieg in Nigeria: Flugzeuge des Roten Kreuzes werden beschossen

1968 wurde aufgedeckt, dass die Firma Bührle & Co zwischen 1963 und 1968 für insgesamt rund 90 Millionen Franken Embargostaaten mit gefälschten Ausfuhrzertifikaten Kriegsmaterial geliefert hatte – das waren rund 16% des Umsatzes aus Waffenverkäufen des Unternehmens Bührle.

Während dem nigerianischen Bürgerkrieg und der Hungerkatastrophe, wurden schweizerische Charterflugzeuge des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz mit schweizerischen Geschützen beschossen, von Bührle. (4)

Gefängnis für Kriegsdienstverweigerer, bedingt für Dieter Bührle


Im November 1970 wurde der Generaldirektor der Waffenfabrik, Dieter Bührle dann wegen Verstoßes gegen den Bundesratsbeschluss über das Kriegsmaterial zu 8 Monaten Gefängnis und einer Busse von 20‘000 Franken verurteilt – drei seiner Mitarbeiter wegen Urkundenfälschung zu 15 bis 18 Monaten Haft. Alle Strafen wurden bedingt verhängt. (Korrektur zu DODIS: Ein Direktor von Bührle musste die Strafe absitzen in der offenen Strafanstalt Saxerriet im Rheintal.) Der Bührle Direktor arbeitete ins Saxerriet während seiner Haft auf dem Büro, wie mein Bekannter Robert Widmer mir erzählte. Robert war damals wegen Kriegsdienstverweigerung in Saxeriet inhaftiert. Eine Konsequenz der Verurteilung von Dr. Dieter Bührle war auch, dass er als Oberst der Schweizer Armee den Generalstab verlassen musste.

1999 verkaufte der Bührle Konzern seine Kanonenproduktion, die Oerlikon Contraves Defence, an den deutschen Waffenhersteller Rheinmetall.

Waffen für Terroristen und Waffen für Kriege


Das Beispiel Bührle zeigt, dass in unserer Gesellschaft mit verschiedenen Ellen gemessen wird. Beihilfe zum Mord durch Waffenlieferungen ist fast ein Kavaliersdelikt, während Kriegsdienstverweigerung in der Schweiz bis 1996 sehr hart bestraft wurden. Auch heute werden Leute die einem Terroristen Waffen verkaufen hart bestraft aber Firmen die Staaten mit Kriegsmaterial beliefern die Kriege führen, Kriege die oft hunderttausende Tote verursacht haben, keine Konsequenzen zu befürchten haben. Die Waffenexporte erfolgen mit dem Segen des Bundesrates, von Bern. Auf dem Papier ist zwar seit 1973 festgeschrieben: Es werden keine Ausfuhrbewilligungen für Kriegsmaterial erteilt, «nach Gebieten, in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht, ein solcher auszubrechen droht oder sonst wie gefährliche Spannungen bestehen». Das «Schlupfloch», das es in den letzten Jahren angeblich der Schweiz legal erlaubte, kriegführenden Regimes Rüstungsgüter zu liefern, war die Aufrechterhaltung der industriellen Kapazität der einheimischen Rüstungsindustrie. Der Bundesrat bewilligte laufend Kriegsmaterialexporte an kriegführende Nato-Staaten, nach Saudi-Arabien, Pakistan, der Türkei usw.

Warum Gefängnisse niemandem nützen

Im Vordergrund des heutigen Strafrechts steht zwar nicht mehr der alttestamentlich geprägte Vergeltungs- und der Sühnegedanke, sondern die Prävention gegen das Verbrechen und der Resozialisierung des Missetäters, wie Peter Haffner in der Neuen Zürcher Zeitung am 2. Februar 2015 schrieb.

Können Kriminelle durch einen Gefängnisaufenthalt gebessert werden?

Grundsätzlich stellt sich aber die Frage zum Strafrecht und zum Apparat der Strafanstalten: Können Kriminelle durch einen Gefängnisaufenthalt gebessert werden? Der Direktor der Zürcher Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf Andreas Naegeli meinte, «Eigentlich ist unser System» (der Gefängnisse) «verrückt, aber es ist das einzige, dass wir haben.» In der Pöschwies versucht man Kriminelle zu resozialisieren. Laut des Aussagen des Direktors Nägeli auch mit gewissem Erfolg, «die große Mehrheit der Strafgefangenen in Regensdorf wird nicht rückfällig». (5)

Zu dem System Gefängnis gibt es Alternativen

Zu der Situation in den Gefängnissen in Deutschland verfasste der Jurist Thomas Galli das Buch «Weggesperrt, warum Gefängnisse niemandem nützen». Er stellte in seinem Buch die heute allgemein üblichen Gefängnisstrafen in Frage.



Er schildert in diesem Buch wie er im Studium die mathematischen Regeln des Strafrechts lernte: «Wenn A so handelt, ergibt dies den entsprechenden Strafbestand B und dann die Rechtsfolge C von x Monaten oder Jahren Haft.»

Seine erste Stelle hatte Galli als Abteilungsleiter in der bayerischen Justizvollzugsanstalt Amberg. Dort war er zuständig für 200 Inhaftierte. Bei Verstößen gab es dort Arrest. Wenn ein Häftling mit Heroin erwischt wurde, gab es bis zu vier Wochen Isolationshaft, mit Bett und Bibel.

Im Nachhinein wurde Galli bewusst, welche durch nichts zu rechtfertigende Behandlung einem Menschen durch einen solchen Arrest angetan wird, insbesondere einem Suchtkranken. Dass der Mensch so nicht zu bessern ist, spürte er schon früher.

Galli zeigte in seinem Buch, dass es zu dem System Gefängnis Alternativen gibt. Durch Alternativen zu Gefängnissen könnten wir alle sicherer leben und müssten weniger Angst vor Kriminalität haben, schreibt Galli.


Fußnoten:

(1) Zürich und Bern testen eine humanere U-Haft http://www.tagesanzeiger.ch/untersuchtungshaft-modellversuch-von-bern-und-zuerich-126598769347
(2) Ersatzfreiheitsstrafen: Es geht nicht ums Geld, Die Wochenzeitung (WOZ)
https://www.woz.ch/2219/ersatzfreiheitsstrafen/es-geht-nicht-ums-geld?utm_source=bing&utm_medium=Abos_SN_DSA&msclkid=cad6db2c8a4c1ccb40c1bdbdd4b3fef0
(3) Abgewiesene Flüchtlinge in der Schweiz, in einem reichen und glücklichen Land – IFOR Schweiz – MIR Suisse
https://ifor-mir.ch/abgewiesene-fluechtlinge-in-der-schweiz-in-einem-reichen-und-gluecklichen-land/
(4) http://dodis.ch/33501
http://dodis.ch/36188
(5) «Eigentlich ist unser System verrückt» von Isabel Heusser und Fabian Baumgartner, Neue Zürcher Zeitung, 13. März 2023

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