SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Kultur und Wissen
Plädoyer für eine neue Aufklärung - Teil 3: Freiheit nach Corona?
Über einige Elemente und Ursachen demokratischen Vernunftzerfalls
Essay von Bernd Schoepe
Es erwartet Sie in diesem Essay von Bernd Schoepe ein zeitkritischer Parcours in zwei Durchgängen. Der hier folgende erste behandelt: "Umgekehrter Totalitarismus: das Resultat des modernen Neoliberalismus?", "Die kritische Masse und die neuen aktiven Lebensformen der Demokratie" sowie "Die Folgen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz im Dienst eines kapitalgetriebenen Globalismus".
Vom „Rasenden Stillstand“ zur „Rasenden Regression“
Der „Rasende Stillstand“ (117), über den der französische Philosoph Paul Virilio (1932-2018) am Ende der 1980er Jahren als Erkennungszeichen einer Kultur nachdachte, die den eigenen Niedergang durch negative Spiraleffekte einer immer aggressiver die Lebenspraxis (118) vereinnahmenden Übertechnisierung und Mediatisierung schon vor Augen geführt bekam, dieser rasende Stillstand hat sich mittlerweile auf nahezu allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens in „Rasende Regression“ verwandelt.
Längst befinden wir uns in medialer Dauerschleife auf der alle Sinne und geistigen Orientierungsmarken durcheinanderwirbelnden und betäubenden schock-und katastrophenkapitalistischen Achterbahn. In immer schnellerem Tempo und mit immer ruckartigeren, disruptiven Bewegungen, grundstürzenden Loopings, kamikazeartigen Kapriolen, schwindelmachenden Um- und Überdrehungen, droht sie uns vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Denn der Katastrophenkapitalismus, wie er in Naomi Kleins grundlegender und umfassender Studie „Die Schock-Strategie“ (119) über die neoliberale Globalisierungsagenda eine deren Abgründe genau sezierende Deutung erfahren hat, braucht die Katastrophen und das Katastrophische wie der anämische Vampir das jungfräuliche Blut. Nur so – mittels systematischer Angsterzeugung – kann er sich sein schattenhaftes und parasitäres Dasein erhalten.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben, dessen Denken u.a. stark von Hannah Arendts „Philosophy of Totalitarianism“ beeinflusst wurde und in dessen Werk die auf den französischen Philosophen Michel Foucault zurückgehende Biopolitik eine unabgeschlossene Deutung (120) erfahren hat, bemerkte schon einige Jahre vor dem Pandemieereignis in einem Interview:
„Heute ist die Krise zum Herrschaftsinstrument geworden. Sie dient dazu, politische und ökonomische Entscheidungen zu legitimieren, die faktisch die Bürger enteignen und ihnen jede Entscheidungsmöglichkeit nehmen. […] Die europäischen Bürger müssen sich klarmachen, dass diese unendliche Krise – genau wie der Ausnahmezustand – mit der Demokratie inkompatibel ist.“ (121)
Nach Auffassung des Schriftstellers und Journalisten Jan David Zimmermann hat Corona gezeigt,
„dass alle sozialen Ausdifferenzierungen, die wir in den letzten 50 bis 70 Jahren erlebt haben und die eine Zunahme an Ordnung, eine Zunahme an Toleranz und höheren Werten, ja, vielleicht eine Zunahme an Zivilisiertheit und Achtsamkeit suggerieren sollen; dass all diese Errungenschaften und gesellschaftlichen ‚Fortschritte‘ mit einem mal auseinanderstieben, brüchig und fragil erschienen. (…) Recht wurde zu Unrecht, Gut zu Böse, Widerstand zum Querulantentum und Denunziation zur Tugend.“ (122)
Der von Zimmermann beschriebene Zusammenbruch, der sich durch die erfolgte Umwertung aller Werte im Kontext, aber mehr noch im Subtext des Pandemiemanagements ereignete, ist in Wirklichkeit jedoch keineswegs so unversehens-abrupt über uns gekommen, wie es der jäh einsetzende SARS-CoV-2-Virus-Alarm suggerierte: Vielmehr weist er eine lange Vorgeschichte auf und geht auf Übungen in Feldern zurück, die von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge weit entfernt liegen. Mit „Übungen“ sind also nicht in erster Linie die Pandemie-Planspiele im Rahmen der Global Governance-Aktivitäten von „Dark Winter“ im Jahr 2001 bis „Event 201“ im Oktober 2019 gemeint, auch wenn diese für die spezielle Preparedness des hier in Rede stehenden „Events“ fraglos eine wichtige Rolle spielten (123).
Schon in den 1980er und 90er Jahren nahmen die Prozesse der Aushöhlung und Entkernung der Demokratie – bekannt geworden und seither unter dem Stichwort der „Postdemokratie“ erörtert (124) – das Wort ist wohl eine Schöpfung des englischen Politikwissenschaftlers Colin Crouch – Fahrt auf, wurden als Bedingungen für einen sich ausformenden „umgekehrten Totalitarismus“ (Sheldon Wolin) diskutiert. (125)
Aus Sicht des französischen Anthropologen und Historikers Emmanuel Todd stellt sich heute die Lage so dar, dass „der Gedanke der westlichen Demokratie in ihrer finalen Krise nichts Exzentrisches oder Marginales mehr an sich hat.“ Der Gedanke, „dass wir in einer Postdemokratie leben“ sei inzwischen „banal und wird, wenn auch mit Abstrichen, von einem guten Teil der Intellektuellen und Politiker geteilt“, kurz: „(...) er ist zum Allgemeinplatz geworden.“ So äußert sich Todd in seiner lesenswerten, ebenso provokanten wie vergnüglichen Ketzerschrift „Der Westen im Niedergang“. (126)
Er ergänzt, dass der nihilistische Nullpunkt dieser Entwicklung allerdings erst kürzlich erreicht worden sei, und zwar dadurch, dass der Westen als Grund für seinen Krieg gegen Russland wegen der Ukraine vorgebe, „eine Demokratie zu verteidigen, die es nicht mehr gibt.“ Folglich sieht er in diesem Krieg dann auch die „liberale Oligarchie“ der USA und ihrer Satelliten die „autoritäre Demokratie“ Russlands bekämpfen.
Die von Crouch („Post-democracy“, 2003), Wolin („Inverted totalitarianism“), Todd („Après la dèmocratie“, beide 2008) u.a. herausgearbeiteten Funktionsänderungen und Bedeutungsverschiebungen innerhalb der Kräfteverhältnisse und in Bezug auf die Interdependenzen zwischen der Ökonomie, den politischen Institutionen sowie der Kultur- und Moralentwicklung, führten dazu, dass der demokratische Souverän zunehmend „auf sanftem Weg“, d.h. meist heimlich, still und leise, seiner Einflussmöglichkeiten und Rechte beraubt und entmündigt wurde.
Der eigentliche postdemokratische Zaubertrick bestand darin, dass die weit überwiegende Mehrheit der Subjekte, die dem hegemonialen Einfluss neoliberaler Ideologie zu Opfer fielen und weiter fallen, sich dieses Programm zu eigen macht(e)n, es scheinbar widerstandslos, geschmeidig fast, internalisier(t)en. Das heißt, sie begannen selbst daran zu glauben, nahmen es als etwas Positives auf und verwandelten sich diesem an. Nunmehr wachen sie selbst streng über die Einhaltung eines Dispositivs, das sie effizienter und umfänglicher als alle früheren Instrumente und Strategien des Kapitals zusammengenommen, ausgerechnet durch Verführung (Nudging), auszubeuten vermag.
Denn die neoliberalen Selbsttechniken waren und sind darauf angelegt, aus Fremdzwang Selbstzwang zu machen. Die Pointe dieser Umwandlung besteht darin, dass die Subjekte paradoxerweise aufhören, die verinnerlichten Zwänge noch als solche zu empfinden. Vielmehr halten sie sie im Neoliberalismus fatalerweise für den Ausdruck von Freiheit.
Daher erscheint es nur logisch, dass die neoliberale Herrschaftsmoral am besten durch Paradoxien auf einen Nenner gebracht werden kann, von denen die Paradoxie „Freiheit als Unterwerfung“ – so der Titel eines Buches von Patrick Schreiner über das „Leben im Neoliberalismus“ (127) – eine besonders treffende sein dürfte. Heute lässt sich sagen, dass die psychische Konversion des Fremdzwangs in Selbstzwang, die die neoliberale Menschenregierungstechnik als systemstabilisierende und systemerweiternde Aufgabe verfolgt und die als „Change Management“ in Verwaltungen, Schulen, Universitäten, Unternehmen, Kirchen, Verbänden heute ihr Unwesen treibt (bei Konversionen solcher Ausmaße muss immer etwas nachgeholfen werden), am Ausgangspunkt der Matrix steht, durch die sich unsere Gesellschaft immer weiter von der Vernunft als dem (schon früher unter anderen Vorzeichen fragwürdigen) Fundament bzw. der regulativen Idee unseres Zusammenlebens entfernt hat.
Vier maßgebliche Aspekte heutiger Herrschaft
Diese Matrix wird seit geraumer Zeit von mindestens vier Aspekten bestimmt, durch die die disruptive Transformation im Inneren der Gesellschaft vorangetrieben wird:
Erstens der an Orwells “1984” gemahnende Neusprech (128): „War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength“. Er wird für die Neukodierung der Gehirne benutzt. Schockartige Ereignisse sollen helfen, neue Wahrnehmungsweisen und Adaptionsleistungen hervorzubringen, die dem Krisen- und Katastrophenmodus besser angepasst sind. Wiederholungen und Auslassungen, die zu fragmentierter Wahrnehmung führen, gehören dabei zu den wichtigsten Techniken dieser Art von „schöpferischer“ Wirklichkeitszertrümmerung.
Zweitens die kognitive Kriegsführung (cognitive warfare) als fortschrittlichste Form der Manipulation für verhaltensändernde Dispositive. Sie speist sich aus Erkenntnissen der Psychologie, Soziologie, der Medien- und Neurowissenschaften sowie des Marketings und nimmt in übergriffiger, mit der Demokratie nicht vereinbarer Weise – Demokratie beruht auf einem egalitären und machtsymmetrischen Ordnungsgedanken und ist für ihr Funktionieren auf mündige Bürger angewiesen, die sich unabhängig von Manipulationsmethoden ihr eigenes Urteil bilden können müssen – das Denken, Fühlen und Verhalten ins Visier, um den Menschen besser beherrschbar zu machen.
Drittens das sog. New Normal, das die Zerstörung des geschichtlichen Bewusstseins impliziert (129). Vorbild liefert hier das Orwellsche „Ministerium der Wahrheit“, in dem fleißige Bienenarbeiter unablässig damit beschäftigt sind, Geschichte so umzuschreiben, dass sie möglichst bruchlos an die volatilen politischen Opportunitäten und Ziele der Gegenwart angepasst werden können. Denn, wie es in 1984 heißt: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Viertens der mit den drei anderen Aspekten in Beziehung stehende Wokismus und die Cancel Culture, die zusammen Oberhand über die Kommunikation (und damit das Denken) in der Gesellschaft gewinnen wollen. Beide Phänomene führen zu einer Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit und engen die Debattenräume stark ein. Darüber hinaus wird eine Neudefinition des Sagbaren angestrebt. Anhänger und Apologeten des Wokismus und der Cancel Culture sind Überzeugungstäter, sie fühlen sich den anderen moralisch überlegen und daher dazu autorisiert, die Gesellschaft sprachpolizeilich zu überwachen. Beide produzieren fortwährend Diskurs-Verelendungen und demokratische Widersinnigkeiten am laufenden Band und richten das rar gewordene und daher hart umkämpfte Gut gesellschaftlicher Aufmerksamkeit auf identitätspolitische Scheindebatten, die von gesellschaftlichen Minderheiten (die selbst dafür instrumentalisiert werden, diese Instrumentalisierung und Korrumpierung ihrer Ziele aber aufgrund ihres Bedarfs nach Anerkennung und ihrer postmodernistischen Prägung nicht durchschauen) der Mehrheit aufgedrückt werden sollen. Fatale Folge: Der politische Streit und der freie Austausch der Argumente wird ins Moral-Gefängnis (Michael Andrick) weggesperrt (130).
In allen vier Punkten geht eine Psychologie zu Werk, die ich als die Psychologie der Auslöschung und des Überschreibens bezeichnen möchte. Man trifft sie im Herzen des schon erwähnten Change-Managements an, ihr Wirken wird in der Regel aber kaum wahrgenommen und, wenn es wahrgenommen wird, dann meist verkannt. Dass das nicht zufällig geschieht, habe ich an anderer Stelle am Beispiel der Schulen näher ausgeführt. (131)
Für unseren Zusammenhang genügt der Hinweis, dass diese Psychologie beim Subjekt stets am Punkt heftig erlebter Krisen ansetzt, die real oder aber real empfunden, also auch simuliert sein können. Durch den Stress, den eine Krise hervorruft, wird im Subjekt eine kognitive Blockade, ein Nicht-weiter-Wissen bei gleichzeitig vorliegendem gesteigerten Handlungsdruck erzeugt. Die bisherigen eingefahrenen, routinisierten Überzeugungen drohen dabei über Bord zu gehen. Das ist deshalb als dramatisch anzusehen, weil diese Überzeugungen identitätsverbürgend sind. Im Change-Management geht es vor allem darum diese existentielle Unsicherheit auszunutzen, um alle alten Werte und Bindungen auslöschen zu können. Nun sind es bei den öffentlichen Angelegenheiten oft gerade die Werte der Aufklärung, die besonders stark ins Visier dieser Auslöschungspsychologie genommen werden. Es ist die Eigenart von aufklärerischen Werten, für jeden argumentativen Widerspruch das intellektuelle Rüstzeug zu liefern. Aus Widersprüchen, sofern sie artikuliert werden können, kann sich dialektisch etwas Neues entwickeln. Jedoch sind Widersprüche im neoliberalen Setting gar nicht gefragt, weil die Krise, und das ist die eigentliche Pointe der ganzen Geschichte, nur dafür dienen soll, die fertigen Konzepte, die schon vorher in den Schubläden der neoliberalen Auftraggeber bzw. ihrer Change-Agenten lagen, herauszuziehen, und erfolgreich, möglichst eins zu eins umzusetzen.
Die armen, gebeutelten, um jeden Halt und jede Orientierung gebrachten Versuchspersonen greifen – so das Kalkül der Change-Manager – schon begierig nach dem Rettungsanker, den man für sie auswirft. Hält eine solche Blockierung nämlich (zu) lange an, geht sie schnell ans Eingemachte im Welt-und Selbstverhältnis des Subjekts. So kann die Phase des Überschreibens beginnen. Die durch die Change-Management-Mangel gedrehte Person macht sich ¬– gewissermaßen neu formatiert – die vorgefertigten Konzepte zur Krisenbeseitigung zu eigen, auch wenn sie wenig mit dem zu tun haben sollten, was sie glaubte, bevor sie so verunsichert und durch Change-Agenten weichgeklopft wurde.
Wenn diese Soft-Power-Methodik nun aber versagt, weil die Person von ihren Überzeugungen „auf die weiche Tour“ nicht Abschied nehmen kann oder will, muss zu härteren, sie disziplinierenden Mitteln gegriffen werden. Das nimmt dann ganz schnell Formen des Mobbings an und wie Mobbing-Geschichten dann in der Regel weitergehen und enden, ist ja allgemein bekannt.
Dass solche Methoden nichts mit Autonomie, Meinungs- und Entscheidungsfreiheit, mit Reflexion, Urteilsvermögen oder der Kraft des (besseren) Arguments zu tun haben, dürfte auf der Hand liegen. „Gegenargumentieren“ gilt in den behördlichen Unterweisungen zum Change-Management als Aggression. – Was besagt das?
Das besagt, dass mit den Change-Management-Methoden sämtliche Errungenschaften der Aufklärung torpediert werden (sollen). Rationalistische Normen und Werte und aufklärerisches Gedankengut werden nicht mehr offen auf der Ebene divergierender Interessen und Weltanschauungen zum Streitgegenstand gemacht und der Konflikt explizit als solcher behandelt. Stattdessen – und das ist das Neue daran – wird schon der Versuch ihrer Inanspruchnahme für einen streitbaren Diskurs systematisch hintertrieben, verhindert bzw. im Keim erstickt, weil der ganze Change-Prozess, vom Anfang bis zum Ende, jenseits aller bewussten Formen sachbezogener, argumentativer Auseinandersetzung abläuft. Man verweigert den (idealtypisch) herrschaftsfreien Diskurs nicht nur, der Diskurs als solcher löst sich quasi in Luft auf. Das Zynisch-Paradoxe dabei ist, dass sich das ganze Rationalitätsverhinderungs-Unternehmen terminologisch auch noch mit allerlei Versatzstücken aus dem Inventar der Aufklärung tarnt ¬– ein Blick auf Wortwahl und Rhetorik des Change-Managements genügt, um dies festzustellen. In Wahrheit sind diese ganzen Konzepte aber knallhart der Gegenaufklärung verpflichtet, ohne sich freilich auch nur andeutungsweise dazu zu bekennen. Das Change-Management – dessen Anwendungsbereich erstreckt sich, aufgrund der multiplen Krisen und der endemisch gewordenen Unsicherheitsgefühle, inzwischen auf die gesamte Bevölkerung – will Zustimmung also nicht auf einem rationalen, diskursiven und demokratischen Weg gewinnen, sondern verdeckt und manipulativ-gelenkt, „sanft“, d.h. möglichst unmerklich als unbedingte Affirmation erzwingen.
Zusammengefasst sind es, neben der gestiegenen ökonomischen Unsicherheit, gerade diese Wirkungsweisen aus dem Ensemble der vier, seit Beginn der Corona-Krise auffallend verstärkt in Erscheinung tretenden Elemente, die für den Eindruck verantwortlich sind, den gegenwärtige Politik massiv erzeugt: Den Eindruck einer gefährlich-abschüssigen Achterbahnfahrt, mit der wir, anscheinend ungebremst, in die tiefen Täler und Abgründe zeitgenössischer zivilisatorischer Regression hinunterrauschen. Mit voller Wucht rast der vollbesetzte Zug auf das Ziel der Zerstörung der Vernunft zu, jener Vernunft, die doch von den westlichen Demokratien stets voller Stolz – und stets auf einem Auge blind dabei! – für sich reklamiert worden ist.
Werfen wir im Folgenden nun einen Blick zurück auf einige Etappen, die uns auf diesen Zug gesetzt und dem demokratischen Vernunftzerfall näher und näher gebracht haben.
Mediatisierung und Entpolitisierung – Der Nährboden für einen umgekehrten Totalitarismus
Soziokulturell war für die Entpolitisierung der Gesellschaft, die mit Etablierung des kommerziellen Privatfernsehens verstärkt einsetzende und später durch den Aufstieg des Internets zum populärsten neuen Massenmedium zu beobachtende pseudo-individualistische, hedonistische Konsum- und Spaßkultur verantwortlich. Sie führte zu einer Infantilisierung der Individuen bei gleichzeitiger Verschärfung der (Über-)Lebensbedingungen durch mehr ökonomische Unsicherheit und Steigerung des Konkurrenz- und Leistungsdrucks. Dies war direkte Folge der Einführung des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zu Beginn der 1980er Jahre. Auf der Rückseite, als Effekt jener „Tyrannei der Intimität“, in deren Namen die privaten Kommerzsender die Hoheit über das eroberten, was die Republik bewegte, begann der „Verfall der Öffentlichkeit“ (Richard Sennett) seine Wirkung zu tun.
Wenn unter Kultur der Kanon dessen verstanden wird, was Menschen für wichtig halten (und dementsprechend kollektiv libidinös besetzen) dürfte klar sein, dass wir seit Beginn der Tutti-Frutti- und Trash-Talk-Sendeformate, die – um mehr Werbeeinnahmen zu generieren – das Privateste im Brutalismo-Stil in die Öffentlichkeit zerrten und einem voyeuristisch getriggerten Publikum zum Fraß vorwarfen, geradewegs in Richtung Unkultur gesegelt sind. Der massenmedial gehypte hedonistischen Konsumismus sowie die daraus entstandenen Kulte außengeleiteter, den Gesetzen der Warenästhetik gehorchender Individualisierung und Neotribalisierung, prägten einen neuen sozialen, postmodernen Konformismus aus, der unser Land faktisch im Rückwärtsgang veränderte. Seine Formen verdichteten sich mit der Zeit zum neoliberalen Sozialcharakter. Dem neoliberalen Sozialcharakter ist politische Apathie inhärent. So konnte es kaum verwundern, welch große Verbreitung und Akzeptanz die Entpolitisierung nach erfolgter Deregulierung der Medien und der weitgehenden Aufgabe ihres Bildungs- und Informationsauftrags in der Bevölkerung fand (die im Übrigen pars pro toto für die Deregulierungen im finanzgetriebenen Spätkapitalismus insgesamt steht).
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass das in jener Zeit, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch die Propagandisten des Westens, insbesondere aus den Reihen der US-amerikanischen Neocons (Neo-Konservativen) ausgerufene „Ende der Geschichte“, sozialpsychologisch gesehen auf fruchtbaren Boden fiel. Der angebliche „Triumph des Westens“ über die kommunistische (realsozialistische) UdSSR 1989/90 schien bestens dazu geeignet, die Leute einzulullen, indem man ihnen glaubhaft suggerieren konnte, dass mit dem Sieg des kapitalistischen Systems welthistorisch dessen Alternativlosigkeit besiegelt, vor allem aber auch dessen moralische Überlegenheit ein für alle Mal bewiesen war. Man sollte daher Neil Postmans „Wir amüsieren uns zu Tode“ von 1985 am besten auf der Folie von Francis Fukuyamas „Das Ende der Geschichte“ von 1989 (in Buchform 1992) lesen, um zu verstehen, wie der Abstieg des „freien“ Westens verlief.
Bald bestand Konsens darüber, Politik „uncool“ und „doof“ und politische Debatten „langweilig“, „unpassend“, „nervend“ und „unnütz“ zu finden. Dieser Konsens fand seinen Grund nicht zuletzt eben darin, dass ein von Mediatisierung, Digitalisierung und neoliberaler Vereinzelung geprägter, narzisstischer Sozialcharakter sich „stilbildend“ durchsetzte, der uns heute überall im Alltag und in der durch Social-Media dominierten Kultur und Öffentlichkeit begegnet. (132)
Entwicklung zur Post-Demokratie am Beispiel der Schule
Um an diese Stimmungslage und ihre Folgen mit einer persönlichen Bemerkung zu erinnern, möchte ich ein Beispiel geben, was zeigt, wie große Politik sich bisweilen im Mikrokosmos der eigenen beruflich-biographischen Erfahrungen spiegeln kann. Allerdings war es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht möglich, die erlebten Vorgänge vollständig und objektiv richtig zu deuten und sie im zeithistorischen Kontext entsprechend zu verorten, da man noch nicht über die dafür notwendigen Begrifflichkeiten zur Interpretation der Phänomene in einem dafür zunächst einmal historisch zu rekonstruierenden Bedeutungshorizont verfügen konnte. Spürbar wurde für mich die Entpolitisierung durch die zunächst unmerklich schleichend vor sich gehende Erosion der Diskussionsbereitschaft und Debattenkultur in den Lehrerkonferenzen. Sie setzte um 2005 ein und führte, nachdem nur wenige Jahre danach der Kipppunkt erreicht war, zu einem völligen Wegbrechen der politischen Diskurse an den Schulen – eine Situation, an der sich bis heute nichts geändert hat und dort im Übrigen auch aktuell die Aufarbeitung des Corona-Unrechts verhindert. Diese Prozesse spielten sich wohlgemerkt innerhalb von nicht einmal zehn Jahren ab. Länger sollte es nicht dauern, bis es gelungen war, die Kollegien (denen vorher noch Mitbestimmungs- und Vetorechte zugestanden wurden) vollständig zu entmachten und politische Debatten innerhalb der Lehrerschaft und ihrer schulischen Gremien und Foren zum Schweigen zu bringen.
Damit war an den Schulen der Paradigmenwechsel vollzogen, mit dem die Logik der Verbetriebswirtschaftlichung und des Marketings sowie der Glaube an die (sowohl individuelle als auch auf die einzelne Schule als angeblich „selbstverwaltete“ Entität ausgerichtete) Selbstoptimierung Einzug in die Schulen und Hochschulen hielt und das Regiment über alles Pädagogische bzw. Wissenschaftliche übernahm. Seitdem haben Pseudo-Wettbewerbe und künstliche Märkte das Fundament eigengesetzlicher Professionslogik und Professionsethik so stark ausgehöhlt, dass eine sachgemäße Bearbeitung pädagogischer oder wissenschaftlicher Probleme innerhalb der Institutionen nicht mehr oder nur noch in den Formen einer (karriereschädlichen) Verweigerung, Subversion oder als mehr oder minder offener Widerstandsakt ablaufen. Damit stößt man allerdings schnell an seine Grenzen bzw. wird ständig auf sich selbst zurückgeworfen. Dieses Agieren wird meist von den Betroffenen als sehr zermürbend empfunden, weil die berufsethische Reflexion über das Wesen, die Struktur und die Ziele von Bildung, öffentlicher Erziehung bzw. Wissenschaft und Forschung zugleich allgemein gestundet wurde.
Zwar sind die Ergebnisse dieser Rationalitäts-Zurückweisung- und Realitätsverleugnung bekannt (sie lassen sich kaum noch alle unter den Teppich kehren), werden aber ignoriert, schöngeredet, achselzuckend hingenommen oder mit Placebos scheintherapiert. Das verschärft die Krisen natürlich weiter. So wird die fehlgeleitete Praxis in einen Teufelskreis getrieben.
Enttäuschte Internet-Hoffnungen und die Zäsur durch die Pandemie-Erzählung
Die kleine persönliche Reminiszenz an die Lehrerkonferenzen habe ich hier mit einfließen lassen, weil meines Erachtens damit Sheldon Wolins Beurteilung des Verhältnisses zwischen Fernsehkultur und Postdemokratie und seine Sicht auf das, was aus diesem Verhältnis für das Politische resultiert, gut illustriert werden kann:
„(D)er umgekehrte Totalitarismus (...) gedeiht (...) auf einer politisch demobilisierten Gesellschaft, das heißt einer Gesellschaft, deren Bürger – weit davon entfernt, von den Funktionären des Regines in einen ständigen Rausch“ (wie beim klassischen Totalitarismus des 20. Jahrhunderts, Anm. B.S.) „gepeitscht zu werden – politisch lethargisch sind (...). In den USA gehen ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel aller Wahlberechtigten nicht zur Wahl, was die Kontrolle der ‚aktiven’ Wählerschaft sehr viel einfacher macht. Jeder apathische Bürger ist ein stiller Rekrut für die Sache des umgekehrten Totalitarismus. Doch ist Apathie nicht einfach nur das Ergebnis einer Fernsehkultur. Auf ihre spezifische Weise ist sie auch eine politische Antwort. Die einfachen Bürger sind Opfer einer Konterrevolution geworden (...). (133)
Das Internet hat diese Apathie einerseits verschärft, andererseits aber auch neue Möglichkeiten zu ihrer Überwindung geliefert. Denn das Internet hat die Gate-Keeper-Funktion aus dem Zeitalter der klassisch-modernen Medien – welche da hieß: wenige „autorisierte“ Sender, viele Empfänger – aufgehoben und schuf mit der Multiplizierung der Sender (dadurch, dass strukturell gesehen, jeder Empfänger selbst auch zum Sender werden kann) ein Modell multipler, pluralistischer und (basis-)demokratischer Teilhabe und Mitgestaltung (an) der postmodernen „Informationsgesellschaft“ – virtuell zumindest.
Digitalität und radikale Demokratie schließen sich nicht unbedingt aus, wohl aber unter vermachteten Strukturen im neoliberalen Spätkapitalismus. Nimmt man die Meinungsfreiheit als Lackmustest für das Vorhandensein lebendiger demokratischer Strukturen und Gewohnheiten, kam die horizontale Informations-, Meinungs- und Diskurspluralisierung im Internet ¬– allerdings nur bis zu dessen Privatisierung durch das große Kapital, das schon bald viel Geld in die Plattformökonomien zu investieren begann – tatsächlich einem, wenn auch nur vorübergehenden, Demokratisierungsschub gleich.
Darüber hinaus offenbarten sich in den Ereignisreihen, die im Zeichen der Covid-19-Infektionskrankheit die letzten vier Jahre bestimmten, tiefe und einschneidend wirkende Imprägnierungen. (Mit Imprägnierung ist hier die mehr oder weniger verdeckt operierende, autoritär-manipulative Behandlung der Bevölkerung nach dem Top-down-Prinzip gemeint). Diese fordern dazu auf, eine Vielzahl an Hypothesen und heuristischen Interpretationen zu entwickeln und zu überprüfen, um nachträglich ein kohärentes Gesamtbild von der Pandemiezeit zu erhalten. Der Mainstream jedoch will von den diesbezüglichen Deutungen, Recherche und Erklär-Ansätzen nichts wissen. Er hängt immer noch an den Bildern, die uns vorgegaukelt wurden: Die Szenerie erinnert an Platons Höhlengleichnis, in dem am Kopf und den Händen gefesselte Höhlenbewohner im Halbdunkel einem illusionären Schattentheater folgen müssen.
Und das, obwohl mit Beginn der Ausrufung des Pandemie-Notstandes das ganze Leben in eine neue Zeitrechnung „vor“ und „nach Corona“ zerfallen ist und diese „Zeitenwende“ nichts Geringeres als eine neue Weltordnung im Gepäck hatte. Ihr zufolge hat die „alte Normalität“ ausgedient und muss daher von einer sog. „neuen Normalität“ abgelöst werden (134). Anscheinend ficht es einen Teil der Bevölkerung nicht an, dass diese Zäsuren, erst die Corona-, jetzt die Ukraine-Zeitenwende (und auch bei der Klima-Krise wird schon danach gerufen...) von den politischen Hauptakteuren proklamiert, also quasi par ordre du mufti erlassen werden, während echte Zeitenwenden doch immer erst nachträglich durch die Arbeit der Historiker rekonstruiert, ermittelt und festgestellt werden können. Doch solange konnte und kann nicht gewartet werden, will man (nach Annalena Baerbock) einen Politikwechsel um „360 Grad“ bewerkstelligen.
Mit der Steuerung der Bürger, die von den Regierungen gezielt und konzertiert während der Corona-Zeit in eindeutig manipulativer, sie täuschender Absicht, wie wir heute wissen, unternommen wurde, wurde zugleich eine neue soziale Demarkationslinie gezogen und zur harten gesellschaftlichen Wirklichkeit gemacht. Natürlich ist staatliche Propaganda als Mittel der Politik nichts Neues, wohl neu war im Fall der Covid-19-„Pandemie“ aber das Ausmaß, die Reichweite und der Grad an koordiniertem Vorgehen. Es setzte einen transnational organisierten und arbeitenden persuasiven Apparat und eine ebensolche Logistik voraus, damit sie überhaupt für annähernd die ganze Welt Realität werden konnte. Das geschah tatsächlich auch, wenn man an die Lockdowns in zahlreichen Ländern denkt. Von den westlichen Industrieländern scherte bekanntlich nur Schweden aus, das ganz auf strengere Maßnahmen verzichtete, aber eine insgesamt bessere Corona-Bilanz als z.B. Deutschland vorzuweisen hat. Schweden blieb auch der einzige Staat, der seinen ab März 2020 seinen nationalen Pandemieplan tatsächlich befolgen sollte, während alle anderen Länder sich über ihre eigenen Katastrophen- und Notfallpläne hinwegsetzten.
Die geschaffene Demarkationslinie trennt nunmehr zwei Seinsweisen klar voneinander ab: die des republikanisch-mündigen Bürgers (Citoyen) versus des durch Angsterzeugung und Nudging willfährig gemachten Objekts technokratischer (szientistischer) Steuerung. Der Bürger, der erfolgreich zum Objekt optimierter propagandistischer Beeinflussung gemacht werden kann, steht noch unterhalb der Rationalität, die, Rousseaus klassischer Definition gemäß, der Bourgeois für sein zweckrationales Handeln beanspruchen darf, während der republikanische Citoyen sich am Gemeinwohl, der volontè gènèrale orientiert.
Wenn dies als das neue Modell implementiert wird, nach dem die Individuen „krisenresilient“ gemacht werden, muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass aufklärerisches Denken und Handeln bzw. deren noch auffindbare Restbestände innerhalb herrschender gesellschaftlicher Praxis damit ganz in das finale Stadium ihrer Obsoleszenz eintreten werden.
Die Bürger wurden im sog. Gesundheitsnotstand mit Hilfe der Medien zu Untertanen eines hygienepolitischen Regimes degradiert. Dessen Regeln und Anordnungen dürften „nie hinterfragt“ werden, so der damalige RKI-Präsident Wieler (135). Das volkserzieherische Gebot des Tierarztes sitzt bis heute offenbar tief in der klischeehaft (?) typisch deutschen Untertanen-Seele.
Belobigungen und Vorteile gab es nur für die Gehorsamen. Denen, die sich „impfen“ ließen, spendierte man Bratwürste. Darüber kamen die „Geimpften“ in den Genuss von allerlei Vorrechten, die bis dahin Selbstverständlichkeiten waren, die für alle galten. So durften die Geimpften z.B. die eingezäunten, streng kontrollierten und bewachten Weihnachtsmärkte besuchen, die „Ungeimpften“, nach der 2 G plus-Regel, nicht. Ergebnis dieser spalterischen Politik: Die Regierungen haben per Erlass und Verordnungen, also auf dem Verwaltungsweg, letztlich allen, „Geimpften“ und „Ungeimpften“, ihr Bürger-Sein abgesprochen. Denn sie hebelten die Grundrechte aus und pervertierten sie zu einem Privileg, das der Staat dem einen gewähren und dem anderen nehmen darf. Damit reduzierten sie die Politik und die vormaligen Bürger in ihrer dem Grundgesetz nach doch „unantastbaren“ Würde, getreu der Losung: „Not kennt kein Gebot!“, auf das nackte Überleben (-Wollen).
All das geschah evidenzlos, d.h. ohne Gründe, die einer strengen wissenschaftlichen Prüfung standhalten, was wir nicht erst seit den veröffentlichten Protokollen des Robert-Koch-Instituts wissen (können). Dieses Wissen war bereits im Frühjahr 2020 verfügbar bzw. lag spätestens im Anschluss an den ersten Lockdown im Frühsommer 2020 vor. Das hinderte die Entscheidungsträger nicht daran, alle Gegenargumente, Einsprüche und Warnungen einfach zur Seite zu wischen bzw. sich vorsätzlich über sie hinwegzusetzen.
Generell sollte angemerkt werden: Was den Wesensgehalt und die Struktur der Dynamik dieser Zeitenwende anbelangt, so lassen sich die Imprägnierungen der Lebens-und Denkprozesse der Subjekte (Imprägnierung hier verstanden als ihre mehr oder weniger verdeckt autoritär-manipulierende Behandlung nach dem Top-down-Prinzip) wirklich gehaltvoll allerdings nur dann aufschließen und analysieren, wenn man die ihnen zugrunde liegenden Prozesse als dialektische und hochambivalente dechiffriert.
Tatsächlich spielt die Negation in Gestalt des Bösen, darauf hat eindrücklich die Aktions-Künstlerin und Mitbegründerin der Fluxus-Bewegung Mary Bauermeister (1934-2032) in einem Interview kurz vor ihrem Tod hingewiesen, für Erkenntnisvorgänge eine sehr wichtige Rolle. Um uns über den speziellen Part des Bösen im Erkenntnisakt Klarheit zu verschaffen, müssen wir kurz das Reich der Metaphysik betreten – oder es zumindest streifen. Aber auch dem Nicht-Philosophen wird das „faustische Prinzip“ etwas sagen, und diese Kenntnisse reichen schon aus, um Bauermeisters Gedanken verstehen zu können:
„Ohne das Böse kann gar kein freier Wille entstehen (...) Ich spreche hier von den negierenden Kräften. Denn wie heißt es im Faust so schön: ‚Ich bin ein Teil von dieser Kraft, die stets das Böse will und stets das Böse schafft.‘ Das ist auch die Erkenntnis der Wichtigkeit des Bösen: Letztlich, so habe ich zumindest das Gefühl, wird dieses vom Guten immer wieder eingemeindet und umarmt. (…) Das Böse ist da, damit wir erwachen.“
(136)
Ein kollektives Aufwachen und das „Gesetz der kritischen Masse“
Zur Dualität oder besser Doppelgesichtigkeit der sozialen Dinge (137) gehört, dass sich glücklicherweise nicht erst seit unserer Ankunft im Post-Corona-Interregnum – diesem merkwürdig-schwebenden, transitorischen Raum zwischen Vergangenheit und Zukunft, in dem wir uns orientierungslos, eines festen, angestammten Ortes beraubt, seit der Beendigung der Panik-Pandemie wiederfinden – auch gegenläufige Entwicklungen beobachten lassen, die alle eins gemeinsam haben: Sie reagieren aktiv auf den von Crouchs, Wolin, Todd u.a. festgestellten Schwund an demokratischer Substanz, der durch Corona definitiv aus seiner Latenzphase getreten ist.
Es ist es bemerkenswert zu sehen, wie viele Zeitgenossen durch die Covid-Panikmache schon aufgewacht sind. Ungleich der 2010er Jahre, wo in der bundesrepublikanischen Gesellschaft Stagnation aufgrund einer sehr weit verbreiteten Politik-Abstinenz herrschte, kann die große Menge an politischer Beteiligung von unten, seien es Versammlungen/Demonstrationen, wiederkehrende Aktionen, Veranstaltungen, öffentliche Diskussionen, Anhörungen, Symposien etc. einschließlich ihres ganzen publizistischen Begleitorchesters, geradezu freudiges Erstaunen hervorrufen. Des Weiteren die Menge an Organisations- und Vereinsgründungen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements, insbesondere für die gesellschaftsrelevanten Themen, die seitens der etablierten Politik von einem Bannstrahl betroffen sind und in den Leitmedien immer noch tabuisiert werden. All dies lässt Rückschlüsse auf Bewusstseinsprozesse zu, die bei zahlreichen Individuen zur Politisierung führ(t)en.
Auch die Anzahl oppositioneller politischer Gruppen deutet darauf hin. Sie bieten und verbreiten analog und auf den Kanälen der Sozialen Medien Informationen sowie Angebote zum Mitmachen und Sich-Vernetzen und tragen so zu einer freien, möglichst ungehinderten und kontroversen Meinungsbildung bei, ähnlich wie es die alternativen Medien auf ihre Weise tun. Letztere werden zunehmend als die überzeugende und bessere Alternative zum Mainstream-Medienangebot wahrgenommen und können durch investigativen Journalismus punkten, der aus dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in ihre Redaktionen ausgewandert zu sein scheint (Multipolar-Magazin, TichysEinblick, NachDenkSeiten z.B.). Diese Bewusstwerdung zieht schweren Steinen gleich, die ins Wasser geworfen werden, weite Kreise. Zudem tauchen nicht selten dank dieser Prozesse individuelle Zeugnisse von lebensgeschichtlich spannenden Wandlungen, Brüchen, Kehren und Neuanfängen an der Oberfläche auf, die menschlich anrührend sind und anderen Menschen Mut geben, die sich auch auf diesen Weg gemacht haben.
Aus dem Bild ragen neben diesen persönlichen Geschichten, die hoffentlich demnächst einmal von Soziologen und Psychologen unvoreingenommen erforscht werden, die Beobachtungen zur demographisch breiten Streuung des Protestes heraus. Unterschiedliche Menschen aus z.T. sehr heterogenen sozialen Milieus haben in dieser Bewegung zusammengefunden und gehen mutig neue Wege vom (isolierten) Ich zum (noch dissidenten) Wir. Inzwischen bestätigen soziologische Untersuchungen zur Bewegung der Corona-Maßnahmen-Kritiker, wie wenig das Framing der angeblich „rechtsextremen Corona-Leugner“ mit der Realität zu tun hatte:
„Die Leute, die damals auf der Straße agierten, wurden in einer Studie der Basler Universität zur „Politischen Soziologie der Corona-Proteste“ als politische Normalos identifiziert: ‚Aus der Mittelschicht, eher älter und akademisch gebildet’, seien sie, belegte die Studie.“ (138)
Der Soziologe Nachtwey, der u.a. die Studie durchgeführt hat, hielt als ein überraschendes Ergebnis fest, dass der Protest gegen die Maßnahmen eher „eine Bewegung von links“ (139) sei. Dazu kann ich nur sagen Gewiss jeder, der als teilnehmender Beobachter einmal einigermaßen vorurteilsfrei bei den maßnahmenkritischen Demonstrationen mitgelaufen wäre, wäre von diesen Studienergebnissen weit weniger „überrascht“ gewesen wäre.
Auch wo die Leute sehr verschiedenen sozio-biographischen Hintergründen entstammen, treffen sie sich seit Anbeginn der Proteste gemeinsam auf den Straßen und Plätzen der Republik, treten gemeinsam für Recht und Rechtsstaatlichkeit und seit dem Ukraine-und Gaza-Konflikt natürlich besonders auch vereint für Frieden und Diplomatie ein, zeigen immer wieder Präsenz und ergreifen das Wort für Freiheit und Selbstbestimmung. Sie engagieren sich in Graswurzel-Initiativen und Selbsthilfe-Gruppen, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Bürger mischen sich verstärkt so aufs Neue in die Politik ein. Sie handeln und definieren sich selbst wieder als Zoon politicon, als politische Wesen – sehr zum Verdruss der Politiker in ihrer Repräsentationsblase. Diese erklären den neuen demokratischen Populismus, vor allem aus Angst vor dem Verlust ihrer Pfründe, sogleich zum Feind und beleidigen und bedrohen den Souverän, den Wähler, durch ständiges Schwingen der Nazi- und/oder Putin-Keulen.
Die Aufgewachten – auch das zählt zur Ambivalenz der Phänomene – stehen dabei in einer lockeren, durch den Neoliberalismus teils aber verschütteten, teils mutwillig unkenntlich gemachten Traditionslinie und Kontinuität zu den Protestkulturen und Graswurzelbewegungen der 1960er bis 1980er Jahre. Diese brachten mehr als nur einmal die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen. Diese inneren Verwandtschaften werden jedoch sichtbar, sofern man sich der Mühe unterzieht, den Ähnlichkeiten hinter dem ideologischen Schleier nachzuspüren und sich dabei durch Denkverbote nicht beirren zu lassen.
Mit der Renaissance des Politischen, wächst auch die Zuversicht, dass eine Wiederbelebung der Aufklärung durch eine Neubesinnung auf ihre Werte und Ziele gelingen mag. Nach vielen Jahre der Apathie und Gleichgültigkeit keimt ebenfalls neue Hoffnung auf, dass sich Politik in Zukunft – sofern die Weichen dahingehend in nächster Zeit gestellt werden können – in ihren Handlungen und Entscheidungen wieder stärker von der Vernunft leiten lässt. Auch der sehnliche Wunsch, dass Politiker sich mit mehr Augenmaß um einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen, im Gemeinwesen existierenden Interessen, bemühen sollten, würde dann nicht länger ungehört bleiben.
Apropos „vernünftiges politisches Augenmaß“ und „gerechter Ausgleich“:
Damit sind, neben den fehlenden Möglichkeiten demokratisch zu partizipieren, jene Aspekte angesprochen, die die Bürger heute wohl am schmerzlichsten vermissen, wenn sie über die Abgehobenheit der Politiker sprechen und sie kritisieren.
Der Schriftsteller Thomas Eisinger hat darauf hingewiesen, dass
„zum ersten Mal in der Geschichte so viele Menschen Bescheid wissen über Propaganda, zum ersten Mal sich Menschen selbstbestimmt informieren können“.
Dies führt er darauf zurück, dass
„die großen (...) Medien ihre Gate-Keeper-Funktion verloren haben. (140)
Zur Frage des Agens, der Dynamik, die hinter diesem Mobilisierungsprozess steht, durch die von der Erkenntnis über ein vernetztes und tieferes Wissen ein großer Bogen bis hin zum aufgeklärten und autonomen Handeln beschritten wird, äußert Eisinger sich so:
„Immer ist es eine Minderheit, die vorangeht. Die Pioniere, Abenteurer, Entdecker, die heute keine Kontinente mehr bereisen, sondern neue Formen des Zusammenlebens- und -arbeitens. Dahin fährt der Zug, ein paar sitzen ganz klar vorne, ein paar sorgen für Treibstoff und die Versorgung und viele fahren neugierig mit.“ (141)
Viele Indizien deuten darauf hin, dass die Protestbewegung gegen die Covid-19-Diktatur den Rubikon zur kritischen Masse (142) überschritten hat. Der Jurist und Journalist Milosz Matuschek führt dazu unter dem Begriff der „dezentralen Revolution“ aus:
„Der Bürger hat die Möglichkeit, transparente dezentrale alternative Strukturen und Systeme zu stärken, in dem er den alten die Gefolgschaft entzieht. (...) Es gibt, (...) was die Frage der Selbstermächtigung angeht, (...) so etwas wie eine Pyramide des Engagements, gegliedert nach Energieaufwand vom höchsten Engagement der Tat zum niedrigsten Engagement der Verweigerung von Gefolgschaft. Jede Veränderung beginnt mit der Aufkündigung von Gefolgschaft gegenüber einer falschen Autorität. Das ist das Mindeste, was jeder leisten muss und oft auch kann, der sich nicht als Schaf verstehen will. Danach gilt es, alternative Strukturen zu fördern und andere zu animieren, es ebenso zu tun. Die Königsdisziplin ist dann schließlich, selbst neue Projekte zu entwickeln, und sich zu einem neuen Ökosystem zusammenzuschließen. (...) Strukturen zu verändern ist die Königsdisziplin des Engagements. Die Zeit, in der wir leben, ist die Phase der Prüfung, ob uns das gelingt. Für diese Veränderung braucht es keine Mehrheit, sondern nur eine kritische Masse.“ (143)
Auf die kritische Masse und auf die Einschätzung ihrer Möglichkeiten und ihrer Macht bezogen, die Dinge in oben skizzierter Weise in Bewegung zu bringen und andere zu animieren, daran mitzuwirken, gilt, was Mary Bauermeister in dem o.g. Gespräch bemerkt hat. Bauermeisters Diktum könnte man auch als das „Gesetz der kritischen Masse“ apostrophieren:
„Es brauchen nur zehn Prozent aufzuwachen, das genügt. Du kannst nicht erwarten, dass alle gleichzeitig aufwachen.“ (144)
Entscheidend für eine Demokratisierung der Gesellschaft dürfte die Frage sein, ob und wie gut es diesen Protestformen gelingen wird, Wege aus der digitalen Filterblase zu finden, um noch mehr Menschen zum Miteinander-Handeln zu mobilisieren und für die „Königsdisziplin des Engagements, für Strukturveränderungen“ zu gewinnen, wie es bei Matuschek heißt. Zu denken ist dabei an die vielen Selbsthilfegruppen- und bürgerschaftlichen Organisationen und die noch zahlreicheren, lockeren, informellen Zusammenschlüsse, wie sie in Folge des Widerstands und des Aufbegehrens gegen das Corona-Regime landauf landab entstanden sind. Diese freien Assoziationen kann man in ihrem idealistisch-beharrlichen, teilweise wirklich aufopfernden ehrenamtlichen Einsatz und in ihrem konsequenten Einstehen für die Grund-und Freiheitsrechte trotz weltanschaulich-politischer Differenzen, die im Einzelnen in und zwischen diesen Gruppen natürlich bestehen, in großer Einmütigkeit hinter den Forderungen nach einer fairen, seriösen und wahrhaftigen Neubegründung des Verhältnisses zwischen Politik und Bürgern versammelt sehen. Indem die Querdenker das Kunststück vollführt haben, die vielen Unzufriedenen, an die politischen Diskursränder Gedrängten, Empörten und Aufgewachten zu integrieren ohne sie dadurch ideologisch, politisch-dokrinär gleichzuschalten, konnte diese buntschillernde Bewegung zur treibenden Kraft im Kampf um Aufklärung und Aufarbeitung des vielgestaltigen Corona-Unrechts werden.
Auch wenn der Weg zur Veränderung der Mehrheitsgesellschaft für die kritische Masse steinig und beschwerlich ist und es daher oft auf diesem Weg kaum merklich voranzugehen scheint und sich sicher auch nicht sagen lässt, wann die Blase wirklich platzt, ist eines doch ganz sicher:
Die ganzen Bemühungen zur Aufklärung und Aufarbeitung werden nicht wieder abreißen! Sie stehen nicht einmal in der Gefahr zu erlahmen. Im Gegenteil: Tag für Tag kommen neue Impulse, Ideen und neues Engagement ¬– und auf der anderen Seite neue Mut machende Zeichen und motivierende Erkenntnisse – hinzu, so dass man davon ausgehen kann, dass das einmal in Gang gekommene Rad sich nicht nur weiterdrehen, sondern sein Tempo sich auch noch weiter erhöhen wird.
Es setzt sich nämlich nicht nur immer stärker die Einsicht durch, „dass die entschlossene politische, journalistische und juristische Aufarbeitung des Handelns aller drei Staatsgewalten und der Medien in der Corona-Krise ein dringlicher Auftrag von Verfassungsrang ist“, wie der Rechtsanwalt Sebastian Lucenti in „Der verlorene Kompass in der Corona-Krise“ (145) schreibt. Es wird auch immer stärker danach gehandelt! Man sieht auch, dass der durch solche Analysen festgestellte Bedarf an „einer Vielzahl von überfälligen (...) Reformen“ sich immer weiter herumspricht. Viele Gruppen diskutieren konkrete Verbesserungs- und Lösungsvorschläge und schleifen diese zu Konzepten und konkreten Handlungsentwürfen fein, damit sie politische Wirkung entfalten können. Thematisch geht es dabei z.B. um „die Festigung der Gewaltenteilung, (…) die Neutralität und Breite von wissenschaftlicher Politikberatung, ein Einflussnahmeverbot der Politik auf die öffentliche Meinungsbildung (…) und Mindestqualitätsanforderungen für die politischen Entscheidungsformen“ (146).
Außerdem stehen die Forderungen nach überparteilichen, staatsfernen und bürgernahen Medien und einem evidenzbasierten, transparenten und politisch unabhängigen behördlichen Handeln (nehmen wir nur das Robert-Koch und Paul-Ehrlich-Institut, wo in der Corona-Zeit die wissenschaftliche Expertise unterdrückt und durch wissenschaftlich evidenzlose Weisungen der Exekutive ersetzt wurde) ganz oben auf dieser radikaldemokratischen Agenda. Für diese setzen sich die Initiativen als Konsequenz aus dem multiplen Organversagen der Institutionen einschließlich der Medien, das flächendeckend während der Corona-Zeit stattgefunden hat, nachdrücklich ein.
In dem Zusammenhang möchten wir betonen, dass wir gut daran täten, das schöpferische, gemeinschaftsbildende Vermögen, wie es sich als Gegenwehr zu einem übergriffig gewordenen Staat herausgebildet hat, als ein optimistisches Geschichtszeichen dieser Umbruchzeit aufzufassen. Ein Geschichtszeichen, das uns Anlass gibt nicht zu verzagen und uns durch die Geschehnisse nicht entmutigen zu lassen. Was das Ziel einer Humanisierung der Gesellschaft angeht, so ist ein vorsichtiger und unverdrossener Optimismus, dass wir diesem Ziel bald wichtige Schritte näher gekommen sein werden, aus meiner Sicht nicht nur angeraten, sondern der Sachlage nach durchaus berechtigt! Eine Bedingung für die Nachhaltigkeit dieser Humanisierungs-Fortschritte wäre, dass es uns gelingt, die bisherigen „Erfolge“ neoliberaler Schockbehandlung in Zukunft zu erschweren und soweit wie möglich zu durchkreuzen: Wenn wir uns so leicht keine Angst mehr einjagen lassen und besonnen bleiben, um unsere Kraft zum Selber-Denken, Selber-Urteilen und Selber-Wirksam-Werden nicht zu verlieren und uns mit Gleichgesinnten zusammentun und gegenseitig stärken, dann ziehen wir der Katastrophenpolitik und ihren angstmachenden Erzählungen den Boden unter den Füßen weg!
Waren es im Frühjahr 2020 zunächst nur einige versprengte Non-Konformisten und wenige, ihrem unbestechlichen Urteil und ihrer Professionsethik (trotz starker Anfeindungen) treu bleibende Wissenschaftler, wuchs mit der Zeit die Zahl der Zweifler und Kritiker der überstürzt panisch agierenden Politik immer mehr an. Erinnert sei hier nur an die große Demonstration der Querdenken-Bewegung am 26. August 2020 in Berlin mit mehr als hunderttausend Teilnehmern und die gegen die Lockdown-Politik wissenschaftlich Position beziehende Great Barrington-Erklärung vom Oktober 2020, die von über 940.000 Menschen unterzeichnet wurde und von zahlreichen international renommierten Wissenschaftlern und Ärzten unterstützt wurde.
Halten wir fest: Die Intentionen, die sich im Protest gegen das Corona-Regime herausbildeten und weiter als ihr gesamtgesellschaftlich (bislang) ausbleibendes Reflexivum noch herausbilden werden, sind auf die Verwirklichung einer emanzipatorischen Praxis gerichtet, in der sich das Individuum von den vormundschaftlichen Machtstrukturen und Beeinflussungsmechanismen befreit, die sich in vielen Bereichen der Gesellschaft verselbständigt haben und außer Kontrolle geraten sind. Es lässt sich nicht länger am Gängelband politischer Fremdbestimmung und Fernsteuerung führen – denn diese Gängelung kann mit dem Menschenbild des Grundgesetzes auch nicht in Einklang gebracht werden. Der Prozess knüpft zweifelsfrei in seinen Intentionen sowohl an die Traditionen der Aufklärung als auch an die marxistische (Befreiungs-)Philosophie an. Zudem wird das zugrundeliegende Verständnis von Praxis vom Geist der Geschwisterlichkeit – „Wir alle sind eine Menschheitsfamilie“ – inspiriert und von einer eng an diesen Geist angelehnten Gerechtigkeitsvorstellung geleitet.
Zudem hat der Geist dieser Proteste, wenn man so sagen kann, von Anfang an durch seine friedfertige Haltung für sich einnehmen können. Dieser Haltung ist die Bewegung stets treu geblieben, trotz schlimmer Erfahrungen mit staatlicher Repression und brutaler Polizeigewalt, durch die viele Bürger das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat verloren haben. Die z.T. völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsätze gegen Corona-Maßnahmen-Demonstranten, die in der Regel nur (fragwürdige) Ordnungswidrigkeiten begingen und dessen Zeuge ich selbst mehr als einmal wurde, rief selbst den UN-Beauftragten für Folter, Nils Melzer, auf den Plan. Die staatliche Verfolgung von Ärzten, Richtern, Lehrern, Wissenschaftlern, die die evidenzlosen Maßnahmen kritisierten und sich schützend vor ihre Patienten, Schüler, Studenten, die Wissenschaft, das Grundgesetz, die Gesundheit, persönliche Integrität und Menschenwürde stellten, geht durch Skandalprozesse der Justiz und aktuelle Fehl-Urteile der Richterschaft weiter. Erschreckenderweise hat die Praxis der Ausgrenzung und Kriminalisierung dieser mutigen Personen immer noch kein Ende gefunden. Zuletzt war das an einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) zu sehen: Der BGH bestätigte die vorinstanzliche Verurteilung des Weimarer Familien-Richters Christian Dettmar wegen Rechtsbeugung. Dettmar, der nach der Klage einer Mutter wegen Kindeswohlgefährdung den Maskenzwang für die Kinder an zwei Schulen der Stadt Weimar auf Grundlage von mehreren wissenschaftlichen Gutachten, die dies zum Schutz des Kindeswohls anrieten, aufhob, wollte wirklich Recht sprechen statt „im Namen des Volkes“ ohne jede Beweisaufnahme – wie es während der Pandemie leider an den Gerichten Usus war – offenkundig verfassungswidrige Gesetze nur anzuwenden. Nach abgewiesener BGH-Revision ist er nun rechtsgültig vorbestraft, wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt und verliert seine Pensionsansprüche.
Noch einmal zurück zu den Corona- und Post-Corona-Protestformen, durch die die Umrisse neuer politischer Lebensformen sichtbar werden, die es nun weiter auszugestalten und zu verstetigen gilt. Man kann sie sich am besten als ein offenes Set herrschaftsfreier und friedliebender Praktiken vorstellen, mit denen kritisch-mündiger, selbstbewusster Bürgersinn in neu zu schaffenden bzw. neu auszutarierenden Formen von Gemeinschaftlichkeit und gelebter Demokratie auf die geschichtliche Bühne zurückdrängt – ein Bürgersinn, der wie gesagt tief in den Traditionen der geistesgeschichtlichen Bewegung der Aufklärung wurzelt. In diesen neuen Demokratieformen von unten, und das macht eine ihrer großen Stärken aus, kommt die Biophilie, die Liebe zu allem Lebendigen zum Ausdruck. Das Streben des biophilen Menschen beschreibt der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm (1900-1980) – er hat diesen Begriff populär gemacht – wie folgt:
„Er möchte formen und durch Liebe, Vernunft und Beispiel seinen Einfluß geltend machen – nicht durch Gewalt und dadurch, dass er auf bürokratische Weise die Menschen behandelt, als ob es sich um tote Gegenstände handelt.“ (147)
Dieses Biophilie-Konzept muss heute mehr denn je als ein Aufruf zur Demokratisierung verstanden werden: Die aus diesem humanistischen Denkansatz sich organisch entwickelnden Praxisformen sollten als der Gegenentwurf zur technokratischen Governance, des kapitalgetriebenen Globalismus (GloboCap) verstanden und stark gemacht werden. Denn der Globalismus (aner-)kennt letztlich nur die Macht des Stärksten. Gegenüber den biophil-formenden Werten der Liebe, der Vernunft und des eigenen guten Beispiels verhält sich Globocap im günstigsten Fall – d.h. nur solange sie ihm nicht gefährlich werden – indifferent. Sein modernistisch getarnter Sozialdarwinismus und der ihm inhärente Todestrieb (der Todestrieb kommt darin zum Ausdruck, dass er die Menschen bürokratisch-objekthaft verdinglichen und wie tote Gegenstände behandeln muss, er ist aber auch das heimliche Movens, das ihn nicht nur zum Herrscher, sondern zum Überbieter der Natur machen will, denn auch die Natur verdinglicht er) muss, wenn es morgen noch eine menschenwürdige Perspektive geben soll bzw. wenn diese Perspektive überhaupt als reale Denkmöglichkeit für die Menschheit erhalten bleiben soll, verworfen und überwunden werden. Daher gilt es, kompromisslos die Forderung nach einem menschenwürdigen Leben für die ganze „Menschheitsfamilie“ (Daniele Ganser) gegen die Anmaßungen der plutokratischen Elite und ihrer im Grunde nekrophilen Agenda zu verteidigen.
Dafür muss man wissen, dass die Erde genug natürliche Ressourcen und Nahrungsmittel bietet, um jetzt und in der Zukunft allen Menschen ein auskömmliches, würdiges Leben zu ermöglichen. Nahrungsmittel und Ressourcen müssten nur gerecht verteilt werden:
„Die heutige Landwirtschaft könnte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren – also fast das doppelte der aktuellen Weltbevölkerung (...) Es gibt keinen objektiven Mangel an Nahrungsmitteln auf der Welt mehr. Das Problem ist nicht die fehlende Produktion, sondern der fehlende Zugang und die fehlende Kaufkraft.“ (148)
Wenn heute auf der Welt also noch gehungert und am Hunger gestorben wird, sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass dies kein Akt höherer Gewalt, sondern eine politische Entscheidung ist!
Der stärker denn je global heute hörbare Ruf, nach dem die 99% der Bevölkerung ihr gemeinsames Schicksal, selbstbewusst und selbstbestimmt, in die eigenen Hände nehmen wollen, verbindet den ruhelos-rebellischen Geist des Corona-Interregnums mit den im 18. Jahrhundert aufkommenden und schnell populär werdenden philosophischen Diskursen. Denn schon die (Früh-) Aufklärer forderten genau das.
Ihr Denken und ihre Ideen rückten die Kraft der Vernunft und die großartigen beeindruckenden Schöpfungen, die aus eigener Verstandestätigkeit erwachsen, in den Mittelpunkt ¬– sowie die Macht des freien Willens, der bekanntlich sogar Berge versetzen kann. Das bedeutete, dass der freie Wille in Gestalt der Volkssouveränität sich auch politisch seinen Weg als einzig rationale Grundlage für die Legitimation von Herrschaft bahnte. Durch den republikanischen Dreiklang der französischen Revolution aus Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, verschaffte sich sein Prinzip im erfolgreichen Kampf gegen Absolutismus und Feudalismus Geltung.
Die Rolle des aufklärerischen Erbes gewinnt ihre spezifische, gegenwärtige Relevanz im Hinblick auf das, was der deutsch-koreanische Philosoph Byung-Chul Han zum Charakter der Macht als herausragendes menschliches Vermögen und visionäres Medium der Veränderung und Veränderbarkeit gesagt hat:
„Die Macht ist (…) nicht identisch mit Gewalt, Herrschaft oder Vorteilsnahme (…) Vielmehr ist sie in vielen Fällen produktiv. Sie bringt einen Freiraum zur politischen Gestaltung hervor. Die Macht ist ein Medium, von dem man Gebrauch macht, um zum Beispiel eine politische Vision zu verwirklichen, ja die Zukunft aktiv zu gestalten und zu verändern. Eine politische Führung dieser im emphatischen Sinne ist allein auf der Grundlage dieses Mediums möglich.“ (149)
Die Diskurse aufklärerischer Kritik und Macht – jener Macht, die der individuellen Selbst-Ermächtigung historisch eine Schneise geschlagen hat, mit der der Ausgang aus feudalistischer Abhängigkeit gelang – waren nur deshalb so nachhaltig erfolgreich, weil durch sie die Ratio als „die Schnittstelle zwischen Ontologie und Freiheit“ (Elena Louisa Lange) im öffentlichen Bewusstsein verankert werden konnte. Es geschah vor über 250 Jahren schon, dass die Aufklärung auf ingeniöse, bis heute vorbildliche Weise, den Menschen den Keim des Glaubens an Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen und Selbstermächtigung einpflanzen konnte. Sie tat das, indem sie den Menschen das Vertrauen gab, autonom, d.h. ohne Vormünder und, wie man heute sagen würde, ohne Experten seiner Vernunft gemäß handeln zu können, da sie ihn als das Wesen definierte, welches zur Selbstgesetzgebung fähig ist. Und mehr noch: Nur durch das Streben nach Autonomie erlangt das Subjekt den höchsten moralischen Status im Rahmen der den Menschen praktisch möglichen Vernunfttätigkeit. Denn die „Autonomie des Willens“, wie Kant schreibt, „ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze und der ihnen gemäßen Pflichten.“ (150)
An die Stelle von Demokratie tritt ein digitaler und KI-gestützter Techno-Feudalismus
Der Abstieg der westlichen Demokratien und die zunehmende gesellschaftliche Dysfunktionalität, die auf das Konto des Syndroms geht, das den geistigen und moralischen Niedergang zu verantworten hat und aus einer Mixtur ausufernden Bürokratismus, zunehmender Ämterpatronage, grassierender Parteibuch- und Klientelwirtschaft, kurz: institutionalisierter Korruption besteht, die sich in öffentlichen Verwaltungen, den Ministerien, Verbänden, Standesvertretungen genauso wie innerhalb der Gewerkschaften sowie den (Pseudo-) Nicht-Regierungs-Organisationen finden lässt, korreliert auffällig mit dem Aufstieg der Information Technology zum zentralen gesellschaftlichen Steuerungsfaktor. Die Digitalisierung hat nur sehr kurze Zeit benötigt, um von einer Kommunikations- und Unterhaltungstechnologie zur Mega-Macht in der von Großkonzernen dominierten, postdemokratischen Herrschaftsmatrix zu avancieren.
In diesem Technopol verbinden und verknoten sich die ökonomischen und politischen Machtstränge korporatistisch. Korporatismus bedeutet die Verschmelzung des Großkapitals und seiner Interessen mit denen des Staates. Die Interessen konvergieren u.a. in dem Ziel, das Sammeln und Übertragen von Daten durch Zwangsdigitalisierung in allen möglichen Bereichen von einer Technologie auf Distanz zum Internet of Things (IoT) und dem Internet of Bodies (IoB) so fortzuentwickeln, dass eine auf eine sehr kleine, elitäre Gruppen beschränkte, immens starke Verfügungsgewalt in der kybernetisch immer enger vernetzten Welt entsteht: Wer Herr über die Daten ist, beherrscht den Menschen nicht einfach bloß, sondern hat Zugriff auf seine Psyche und sein geheimstes Innenleben und ist imstande, alle seine Lebensäußerungen überwachen.
Die ID 2020 zur Schaffung einer transnationalen digitalen Identität für die ganze Menschheit, geht als Projekt auf eine korporatistische Allianz aus Konzernen, Stiftungen, staatsnahen NGOs und Regierungen mit ihren Behörden zurück. Es ist immer noch viel zu wenig bekannt, dass die EU schon Jahre vor Corona Pläne zur Implementierung einer europäischen digitalen Identität für jeden Bürger verfolgt hat. Diese Pläne standen von Anfang an im Zusammenhang mit dem Bestreben zur Implementierung einer weltweiten digitalen ID, von der Gates- und Rockefeller-Stiftung, der GAVI-Impfallianz, Big Data, der US-Regierung und eben auch der EU-Kommission betrieben. Es handelt sich dabei um eine digitale Identität, die auf der sog. Blockchain-Technologie basiert. Diese Blockchain-Technologie muss man sich als „eine Art digitales Kontobuch“ vorstellen,
„das Daten auf zahllosen Servern weltweit verschlüsselt abspeichert. Wenn dann Impfungen zur Voraussetzung von grenzüberschreitenden Reisen gemacht werden, wofür sich Bill Gates ausspricht, wird das Machtgefälle einer jeden elektronischen Identitätsprüfung totalitäre Ausmaße annehmen, als ID-Inhaber hat man dann nur noch die Möglichkeit die Bedingungen der Informationsfreigabe auch persönlichster Daten zu erfüllen – oder man wird sanktioniert.“ (151)
Auf diesem Weg wollen die transnationalen Big-Player des kapitalistischen Endspiels durch digitale Impfpässe und digitale ID zur Weltpassbehörde werden. Die Projekte zeigen, wie das Großkapital und die staatlichen Intermediären danach trachten, in einer lückenlos kybernetisch vernetzten Welt Kontrolle über sämtliche Lebensbereiche durch systematisches Abschöpfen und Verwerten aller fein verzweigten Datenströme zu erlangen. Datenströme, die zugleich als Detektoren und Pulsatoren genutzt, tief in das Innere des Menschen eindringen, um ihn roboterartiger zu machen. Die rasanten Fortschritte in der Entwicklung der Invasiv-und Speicher-Technologien machen es möglich, diese Datenströme vollständig zu zentralisieren und den Menschen zu inkorporieren. Als nächste Schritte auf dieser Agenda, könnten der Iris-Scan, das Auge als Ausweis und die Implantierung von Elektroden zur Verhaltenssteuerung und zum Gedankenlesen folgen. (152)
Auf der Ebene der Individuen muss man sich diese Kontrolle wie eine passgenaue, zweite, undurchdringliche Haut vorstellen, die nahtlos am Ende alle menschlichen Lebensäußerungen und Lebensvollzüge in einer für uns nicht sichtbaren und nicht nachzuverfolgenden Weise mit einer digital codierten Surveillance-Realität überzieht. Nichts mehr kann mit dem 360-Grad-Überblick dieses Sicherheits- und Kontroll-Regimes übersehen werden und niemand wird mehr in der Lage sein, dieser Realität auch nur für einen Augenblick zu entgehen oder gar aus ihm entfliehen zu können.
Das bedeutet, dass dieses Zukunftsregime jede spontane menschliche Regung als einen möglichen Impuls von Freiheit in Zukunft im Keim zu ersticken vermag, wobei mit „Zukunftsregime“ Experten zufolge eine nahe Zukunft gemeint ist, konkret der Zeitraum von etwa sechs bis fünfzehn Jahren bis zur vollen Realisierbarkeit.
Was liegt näher an dieser Stelle, als Verbindungen zur dystopischen Romanliteratur herzustellen? Im Science-Fiction-Genre denkt man sich phantasievolle, aber technisch die Zukunft doch plausibel vorwegnehmende Geschichten aus. Sie kreisen um das Verhältnis von menschlicher Welt und Maschinenwelt, von Technologie, automatisierter Ordnung und Determination, algorithmischer Computer-Macht auf der einen und Freiheit, Spontaneität, Gefühl, Liebe, Poesie und Anarchie auf der anderen Seite. Die daraus entstehenden Konflikte werden variantenreich und je konkret als spannender plot erzählt. Verbindungslinien zieht auch Norbert Häring, und zwar dort, wo es um die Gefahrenabschätzung geht:
Was droht uns von Seiten der Künstlichen Intelligenz, und zwar bereits jetzt so wie in der absehbar nächsten Zeit oder mittelfristig? Was kann sich schnell von einer Noch-Fiktion zu einem realen Element des Bedrohungsszenarios im Hinblick auf die bereits im Aufbau befindlichen, z.T. schon weiter fortgeschrittenen Überwachungstechniken und Überwachungsarchitekturen entwickeln? Die in den letzten Jahren stark forcierten Aktivitäten zur Umsetzung der transhumanistischen Agenda durch Big Tech im Rahmen der Global Governance mit ihren „Building Back Better-“ bzw. „Great Reset“- Plänen zur „Neuerfindung des Kapitalismus“, etwas bekannter geworden unter dem Namen Agenda 2030, und das dahinter liegende Ziel der Errichtung einer sog. New World Order (NWO), drängen einen Vergleich mit der Science-Fiction-Literatur geradezu auf. Vor diesem Hintergrund leuchtet Norbert Häring die strategischen Absichten und Motive, die diesen hoch ambitionierten, kritisch gewendet: vor Hybris strotzenden Plänen und Zielen globaler Governance zugrunde liegen, näher aus:
„Wenn irgendwann das meiste Vermögen und alle Macht bei wenigen Konzernen und ihren Besitzern konzentriert sind“, so der Wirtschaftsjournalist
„lautet die Aufgabe für diejenigen an der Spitze, ihre hochprivilegierte Position irgendwie zu bewahren. Mit den bewährten Mitteln von Marktwirtschaft und Kapitalismus ist das nicht mehr möglich. (...) Revolution wird zur realen Gefahr. Die Gefahr der Revolution ist eines der Hauptthemen in Klaus Schwabs Buch ‚Covid-19: Der große Umbruch’.“
Aber:
„Zum Glück für die Elite gibt es seit Langem Blaupausen für eine unterwürfige, kontrollierte Gesellschaft, wie sie diese nun anstrebt. Die bekannteste ist die ‚Schöne neue Welt’ von Aldous Huxley, ein Zukunftsroman aus dem Jahr 1932. Darin herrschen Stabilität, Frieden und Freiheit. Eine technokratische Weltregierung hat die Weltgesellschaft in Kasten eingeteilt, von Alpha Plus bis Epsilon minus. Deren Mitglieder werden durch vorgeburtliche Manipulation und frühkindliche Indoktrination auf ihre Aufgaben und Rollen konditioniert. Permanente Befriedigung durch Konsum, Sex und die stimmungsaufhellende Droge Soma sorgen für Frieden und dafür, dass niedere Kasten das eigene Denken unterlassen.
Weniger bekannt, aber auch bemerkenswert prognostisch ist der Zukunftsroman ‚Sonne auf Kredit’ von Michel Grimaud (Pseudonym) aus dem Jahr 1975. In der dort beschriebenen Gesellschaft gibt es keine uniformierte Polizei, nur Geheimdienstinformanten, und die Gefängnisse haben keine Mauern. Denn man braucht eine elektronische Karte, um seine Lebensmittel und um irgendwo Zutritt zu erhalten, sowie an vielfältigen Kontrollstellen unterwegs. Wird diese Karte abgeschaltet, ist man nicht mehr überlebensfähig und muss sich freiwillig bei den Autoritäten melden. (...)
Das alles lässt sich zentral vom Computer aus steuern. Es kostet wenig, wenn die digitale Infrastruktur einmal steht, und man kann die Straftäter oder Gedankenverbrecher gleichzeitig noch in Heimarbeit arbeiten lassen (...)
Science-Fiction? Nein. Das wird gerade in verschiedenen Projekten entwickelt und getestet.“ (153)
Worin sind Digitalisierung und Künstliche Intelligenz demnach singulär? Doch wohl darin, dass mit ihnen Machtmittel verfügbar werden, die in ihrer Effizienz und ihrem Potenzial zur Kontrolle der Bevölkerung so gewaltig groß und umfassend sind, wie es das vorher noch nie in der Geschichte für Herrschende, und zwar nicht einmal ansatzweise, gegeben hat. Und die Gesellschaft scheint nicht einmal wirklich Anstoß daran zu nehmen, wie diese zentrale computerisierte Macht sich immer weiter unter dem Radar einer dafür (nicht ausreichend funktionsfähigen) demokratischen Öffentlichkeit ausbreitet und in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen ohne ausdrückliche Zustimmung des Souveräns ausgetestet wird.
Es ist daher alles andere als beruhigend, wenn man feststellen muss, dass in den westlichen Gesellschaften kaum sachlich über dieses Potenzial und die fortlaufenden Unternehmungen und Entwicklungen zur Steigerung des Outputs auf den entsprechenden Forschungs- und Innovationsfeldern berichtet wird. Aufklärung über KI und die konkreten, im Test befindlichen digitalen Lösungen ist in den Medien in der Form von Diskursen nüchtern-distanzierter Technikfolgenabschätzung rar gesät. Und das obwohl es sich dabei um Innovationen und Projekte handelt, die ohne informierte Zustimmung und entsprechende Aufklärung des Souveräns bestens dazu geeignet sind, das große disruptiven Potenzial, das in diesen Unternehmungen steckt, in einem für die Bevölkerung dystopischen Sinn zu realisieren. (154)
Der transhumanistisch-globale Korporatismus und das Ende des Politischen
Schaut man sich genauer an, welch geballte Macht hinter den Aktivitäten und Akteuren im Dunstkreis des Transhumanismus steht, erscheint dieses Aufklärungsdefizit noch problematischer. Der Betrachter bekommt erst dann genauere Kenntnis von der Materie, wenn er erkennt, dass alle wichtigen Akteure und ihre Interessen auf der global-korporatistischen Ebene zu verorten sind. Diese kommt in den Mainstream-Medien aber fast gar nicht vor, und wenn überhaupt einmal von ihr die Rede ist, wird sie nicht als eine gegebene, wenngleich für den normalen Mediennutzer sehr abstrakte Realität behandelt, sondern als verschwörungstheoretisches Gerücht und als Anlass zur Mythenbildung geframt. In Philipp von Becker Essay „Transhumanismus als Abschied vom Individuum“ finden wir verdienstvollerweise dagegen den Versuch, die innere Struktur dieses Techno-Korporatismus auszuleuchten. Becker führt aus, wie der „gemeinsame ideologische Kern“ dieses machtvollen Aggregats einen extrem negativen Einfluss auf (demokratische) Politik ausübt, der so negativ ist, dass durch ihn nicht nur das Individuum, sondern auch das Politische selbst in seiner Existenz bedroht wird. Dieser Sachverhalt könnte ein wichtiger Hinweis dafür sein, warum diese Realität medial nicht vorkommt.
„Transhumanismus, Neoliberalismus und Silicon-Valley-Kapitalismus“
bilden für von Becker
eine ‚unheilige Allianz‘ mit einem gemeinsamen ideologischen Kern (…).
Im Neoliberalismus werden Krankheit und Armut als individuell zu verantwortende materielle Probleme eines atomistisch gedachten Individuums verstanden, das für seinen Erfolg oder sein Leid jeweils selbst verantwortlich ist. Im Transhumanismus folgt aus der Fiktion des Menschen als programmierbarer Maschine der Glaube, dass die Ursachen von Krankheit und Ungleichheit (nur) technisch behoben werden können. In beiden Fällen ist der Einzelne auf sich zurückgeworfen, wobei die (psycho-)sozialen, politischen und ökonomischen Ursachen von Krankheit und Ungleichheit einfach ausgeklammert oder negiert werden. Funktion und Folge beider Fiktionen ist die Festigung und Verschleierung von Herrschaftszusammenhängen und Entmachtung von (demokratischer) Politik. Wenn nur der Einzelne für Krankheit und Ungleichheit verantwortlich ist und diese nur technisch gelöst werden können, gibt es keine Gesellschaft und keine widerstreitenden Interessen mehr. Politik wird in dieser Vorstellung so obsolet wie der mangelhafte Mensch: Es genügen Wissenschaft und Technik, um den Menschen von allem Leid zu befreien.“ (155)
Das Zitat Beckers beschreibt einerseits den Verlust gesellschaftlicher Rationalität, andererseits thematisiert es die gewollte Schließung des seit der Aufklärung bestehenden Möglichkeitsraums selbstbestimmten Denkens und Handelns. Man kann die Motive des Versuchs, diese Schließung zu betreiben, kaum anders als totalitär bezeichnen. Denn in jeder Denkbewegung, in der das Humane auf das Maschinen- und Rechenhafte (das Berechenbar-Machende) reduziert wird, drückt sich nolens volens die absolute Negation der Willensfreiheit aus.
Gesetzt den Fall, dass die Entwicklung den transhumanistischen Vorstellungen zur Programmierbarkeit des Menschen ohne große Brüche weiter voran geht, bedenkt von Becker den damit de facto beschlossenen Tod der Willensfreiheit mit folgenden Sätzen:
„Wenn (...) die gottgleiche, allwissende KI erreicht sei, solle diese laut Prophezeiung der Sozialingenieure des Silicon Valley nicht nur die effizientesten, von allen Irrungen bereinigten und den tatsächlichen Präferenzen des Individuums entsprechenden, sondern (...) gar die moralisch richtigen und (...) besten Entscheidungen treffen.
Philosophisch geht es hierbei im Kern zunächst um die Frage der Willensfreiheit. Der transhumane Tech-Utopismus und Teile der Biowissenschaften sprechen dem Menschen eine solche ab: Unser Ich und unser Glaube an einen freien Willen und Selbstbestimmung seien Fiktionen und lediglich das Resultat biochemischer und physikalischer Prozesse. (...)
Unsere von ‚Genen’ und ‚Umweltzwängen’ beeinflussten Entscheidungen seien ‚entweder deterministisch oder zufällig, niemals aber frei’, so Yuval Noah Harari. Und weil wir Algorithmen seien, so Harari weiter, könnte ein (mich schon pränatal begleitender) Algorithmus, genau wissen, wer ich bin, wie ich mich fühle und was ich will. Einmal entwickelt, könnte ein solcher Algorithmus den Wähler, den Konsumenten und den Betrachter ersetzen’.“ (156)
Mit den katastrophenpolitischen Narrativen, die für die multiplen Krisen ausschließlich technologisch designte Lösungen vorsehen, werden die Subjekte einem Regime unterworfen, das gar nicht anders kann als voraufklärerische Formen betreuten Denkens auf ganzer Linie etablieren zu müssen. Zwar befinden wir uns in dem Programm jetzt noch in der Phase des Mind-Control-Settings. In Zukunft aber soll – dank der gewaltigen Fortschritte in den invasiven Technologien, in Mikrobiologie, Gentechnik, Mikroelektronik und den Nanowissenschaften – der Algorithmus für den Menschen ganz das Denken übernehmen. Und am Ende dieser Entwicklung soll jedes Individuum – davon ausgenommen wird wohlweislich nur jener kleine Kreis von Individuen sein, die über die Programmierschlüssel verfügen – selbst zum Algorithmus geworden sein: Embodied technical progress.
Becker ventiliert in der Transhumanismus-Streitschrift einen Gedanken, der sich eigentlich jedem unvoreingenommenen Betrachter beim Anblick der digitaltechnischen „Dingfrömmigkeit“ (Günther Anders), d.h. den leicht beobachtbaren, typischen Erscheinungsformen des zeitgenössischen Verfallen-Seins an die Gadgets und Gimmicks des digitalen Apparatekosmos, aufdrängen müsste:
„Liegt (...) nicht der Schluss nahe, selbst zum Apparat werden zu wollen? Die Phantasien des Transhumanismus können als eine (unbewusste) Reaktion auf die (…) Paradoxien und Pathologien des auf Steigerungszwang und Wettbewerb basierenden gesellschaftlichen Reproduktionsmodell der technisch-kapitalistischen Moderne verstanden werden. (…) Die Unvereinbarkeit von Realisierung aller Optionen und begrenzter Lebenszeit scheint (…) aufgehoben: Der transhumane Supermensch wird nicht mehr über Optionen grübeln und eine ‚falsche‘ Wahl treffen, da er von allem ‚falschen Wollen‘, allen ‚negativen‘ Affekten und Emotionen, körperlichen Leiden, kognitiven Verzerrungen und mangelhaften genetischen Dispositionen befreit, nur noch das wollen und wählen wird, was gut und richtig für ihn ist. Und da sein körperlich-geistiges Fassungsvermögen radikal erweitert und seine Lebenszeit bis zur Unsterblichkeit ausgedehnt wird, wird es auch keine verpassten Chancen und Alternativen mehr geben.“ (157)
Schon vor einer Reihe von Jahren hat der französische Medienwissenschaftler Bernard Stiegler folgende Warnung ausgesprochen:
„Das Leben in Algorithmen führt in ein Klima der Denkfeindlichkeit, das parallel zur ökologischen Katastrophe in ein intellektuelles Desaster führt.“ (158)
Mit diesem Szenario wird durch Digitalisierung und KI die Wirkmächtigkeit der propagandistischen Techniken und Mittel zur Verbreitung, Absicherung und Befestigung der katastrophenkapitalistischen Narrative, mit denen die Individuen ganz in die Umklammerung durch Technologien getrieben werden sollen, stark erhöht. Der Bildungsphilosoph Matthias Burchardt betont in diesem Zusammenhang:
„In dem Moment, wo der Mensch nur von der virtuellen Realität abhängig ist, wird er steuerbar durch Propaganda und hat kein Korrektiv mehr für seine Wahrnehmung.“ (159)
So lassen Angst und Schrecken sich heute global und in Echtzeit synchronisiert verbreiten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, war die Corona-Inszenierung nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Generalprobe aufs panikpolitische Exempel.
Die sozioökonomischen Folgen der Digitalisierung und der Finanzkrise von 2008/09 und ihre Rolle für den Erosionsprozess der Vernunft
Digitalisierung hebt, sofern politisch nicht eingehegt, in puncto Überwachung das Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten (Shoshana Zuboff, Überwachungskapitalismus, 2019) auf eine völlig neue Ebene. Sie setzt nicht nur die durch Akkumulation und Zentralisierung der Datenströme mit Hilfe von Soft Skills und Soft Power verschleierten Formen autoritärer bzw. totalitärer Gouvernementalität durch, sondern sie verschlechtert für den Großteil der Bevölkerung auch die ökonomische und soziale Lage.
Denn Digitalisierung und Automatisierung fallen immer mehr Berufe zum Opfer. Und bei den schlecht bezahlten Dienstleister-Jobs auf IT-Plattformen läuft eine immer schnellere Transnationalisierung ab, durch die viele Jobs in den teuren Industriestaaten an die Peripherie ausgesourct werden, wo Konzerne auf ein Überangebot an billigen Arbeitskräften zurückgreifen können. Die Bedeutung dieser Wandlungsprozesse unserer Arbeitswelt nimmt zu, da die digitalen Plattform-Ökonomien „bereits 2017 rund 70 Prozent des gesamten Bruttoweltprodukts ausmachten“. Berücksichtigt werden muss dabei, dass das World Economic Forum (WEF) bis 2030 damit rechnet, „dass 83 Prozent der Arbeitskräfte von zu Hause ausarbeiten und 40 Prozent aller Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen digitalisiert sein werden, so dass sie aus der Ferne organisiert werden können“. Nach Einschätzung des niederländischen Politikwissenschaftlers Kees van der Pijl wird
„(d)adurch die soziale Dimension dieser Tätigkeiten (Arbeit und Bildung) weitgehend beseitigt, was zur Folge hat, dass die große Mehrheit der Menschen tatsächlich isoliert ist und sich zu Hause einschließt. Zwischen 13 und 28 Prozent der Weltbevölkerung werden vorübergehend oder dauerhaft überflüssig, d.h. 1 bis 2 Milliarden Menschen, die keine Rolle mehr im Prozess der sozialen und wirtschaftlichen Reproduktion spielen.“ (160)
Der Wegfall der sozialen Dimension von Arbeit und Bildung, zeitigt aber van der Pijl zufolge auch in weiterer Hinsicht bemerkenswerte Effekte:
„Die Menschen, die im digitalen Kapitalismus entlassen werden, bleiben nicht passiv oder warten ab, was als nächstes passiert. Sie reagieren aktiv, durch alle Arten von Widerstand und durch Migration aus den armen Teilen der Welt in die reicheren, vom Land in die Städte. Seit den 1980ern lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten, und auch dort sind Unruhen endemisch geworden. (…) Auch die Grenzen zwischen Streiks, Demonstrationen und Straßenunruhen mit Brandstiftung und Plünderung sind fließend geworden. Ein Bericht der RAND-Corporation von 1997 spricht von einer „Urbanisierung der Aufstände. (…)
Die Finanzkrise hat den sozialen Kampf auf globaler Ebene nur beschleunigt. Gleich im Jahr 2008 kam es in mehr als 20 Ländern zu schweren Unruhen, weil die Menschen ihre täglichen Einkäufe nicht mehr bezahlen konnten. (…)
In den folgenden Jahren zeigten alle Indikatoren für soziale Unruhen weltweit einen Aufwärtstrend. Ein Vergleich der Zahlen in der Cross National Time Series (CNTS) zeigt, dass alle Rekorde für soziale Unruhen im Zeitraum ab 2008 gebrochen wurden. Nach 2011 gab es einen starken Anstieg der Streiks, als sich die Zahl nach Jahren des Rückgangs in einem Jahr verdreifachte, (…) die Zahl der Unruhen stieg nicht minder spektakulär an (…) und brach 2013 den Rekord von 1968/69. Das Vertrauen in die Regierung und noch mehr in „offizielle“ Informationen nahm in allen Ländern ab.“ (161)
Eine Schlüsselbedeutung für den Schwund, ja den Absturz politischer Rationalität, hatte die Finanzkrise 2007/08. Das Vertrauen in die grundsätzliche Lernfähigkeit und Reparierbarkeit des kapitalistischen Systems wurde in diesen und den darauffolgenden Jahren schwer erschüttert. Die Noten, die der Wähler den Problemlösungsfähigkeiten der Politik gab, fielen sehr schlecht aus, da der ganze Aktivismus, den die Regierungen angesichts der realen Gefahr des Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems an den Tag legten, nicht auf die Beendigung des völlig aus dem Ruder gelaufenen Casino-Kapitalismus gerichtet war, sondern Bankern und Finanzinvestoren stattdessen ein nur leicht verklausuliertes Signal zum „Weiter so!“ gegeben wurde. Dazu schrieb der Journalist Arno Luik einen Kommentar, den die TAZ bezeichnenderweise damals schon nicht mehr abdruckte. Was Luik seinerzeit schrieb, ist trotz früher TAZ-Zensur zum Glück überliefert geblieben. Hier ein Auszug:
„Es ist abenteuerlich (…). Wer an der Weisheit des Marktes zweifelte, wurde zum Außenseiter abgestempelt, der nicht ernst zu nehmen ist. (…) Die Macht des Marktes (…) die Deregulierung der Kapitalmärkte (…) – das war die neue Staatsreligion! Und die Herren des Geldes – befreit von politischen Fesseln durften schalten und walten, tobten sich aus. Und was ist dabei herausgekommen?? (…) Zutiefst verunsicherte Bürger, eine Gesellschaft so zerrissen wie noch nie, Millionengehälter für eine Kaste von Managern, Armut für Millionen, eine Gesellschaft am Abgrund.
(…) Die Finanzkrise ist nicht nur eine Krise der Banken (…) Es ist auch eine Krise der sogenannten Eliten. Da fährt weltweit ein Wirtschaftssystem an die Wand – sodass Milliarden Menschen darunter leiden werden. Aber all die Experten, die Wirtschafts- und Politikführer tun so, als ob sie von dem Finanzcrash überrascht worden seien. Doch die Pleitewelle ist kein Tsunami, sie ist von Menschen gemacht – richtigerweise sprach Finanzminister Steinbrück von ‚Brandstiftern‘. Ein paar Tage später entsorgt er seine Erkenntnis – und lädt die Brandstifter zum Löschen in sein Haus. Es ist der Irrsinn. Es ist, als ob die Gangster der Polizei erklärten, wo es langgeht, was rechtens ist.
Zum Beispiel Josef Ackermann. Der Chef der Deutschen Bank war in dem ‚Komitee zur Rettung der deutschen Banken‘, er zog die Fäden für den 480-Milliarden-Euro-Rettungsplan.
Brandstifter werden normalerweise verhaftet, aber wir erleben nun, dass der Brandstifter zum Feuerwehrkommandanten ernannt wird. Es ist absurd, und so wächst der Zweifel, das aus der Krise etwas Gutes entsteht.
Mit 480 Milliarden Euro bürgt der Staat (also der Bürger) für die Banken (…) das ist die größte Umverteilung des Vermögens in der Geschichte des Landes. Der größte Diebstahl (…) Wir erleben ein Regieren im Ausnahmezustand. Die Rhetorik der Not herrscht – politisches Denken ist durch Notstandsdenken ersetzt. (…)
Anders ausgedrückt: Es herrscht nun, verblüffend offen, die Diktatur des Kapitals.“ (162)
Und als ob man mit der finanzkapitalistischen Faust den Bevölkerungen nicht schon heftig genug ins Gesicht geschlagen hätte, wurde dem Souverän, der bei der größten aller Vermögensumverteilungs-Aktionen – der größten, bevor Corona kommen sollte! – bloß fassungslos vom Spielfeldrand zuschauen konnte, dazu noch eine Lüge von epischem Ausmaß untergejubelt. Ich meine jenen Fake, welcher simsalabim aus der Bankenkrise eine „Staatsschuldenkrise“ machte, um dank des dreisten Etikettenschwindels der Bevölkerung in Form rigider Sparmaßnahmen weitere Opfer abzupressen. So wurde der Abbau sozialer Sicherheiten weiter vorangetrieben und noch mehr Prekarität (und Abstiegsängste) geschaffen. Dadurch, dass mit Hilfe dieses Wordings die Krisen-Kausalitäten auf den Kopf gestellt und dem Banken- und Spekulations-Crash ein dem neoliberalen Dogma in den ideologischen Kram passendes Label namens „Verschuldungskrise der öffentlichen Haushalte“ aufgedrückt wurde, konnte getreu der Devise „ Frech kommt weiter!“ das Austeritäts-, d.h. Verarmungsprogramm, das von den neoliberalen Eliten gegen die unteren und mittleren Schichten seit nunmehr rund vierzig Jahren gefahren wird, nicht einfach nur fortgesetzt werden – nein, die Frequenz, mit der man Kurs auf die damit billigend in Kauf genommene Implosion des Systems (oder, ebenfalls billigend, Richtung Kriegsvorbereitungen als der einzigen von oben „erlaubten“ Alternative zur Implosion) genommen hat, erhöhte sich dadurch sogar noch.
Spätestens nachdem die Eliten den Wahlvölkern Brief und Siegel darauf gegeben hatten, dass keine Lehren aus der Weltfinanzkrise gezogen werden, das Casino also nicht geschlossen wird und die Zocker nicht zur Entgiftung in die Suchttherapie geschickt werden , sondern die Politik stattdessen weiter dem Sirenengesang der leistungslosen Geldvermehrung auf Kosten von 99 Prozent der Bevölkerung folgt, musste zur Jagd auf alle politischen Unruhestifter geblasen werden, die sich diesem Sirenengesang partout nicht ergeben wollen und ihn weiter beim Namen nannten. So wurde der Popanz „Populismus“ als die ultimative Demokratie-Gefahr erschaffen, um von den eigentlichen Gefahren abzulenken, denen die Demokratie durch den neoliberalen Entgrenzungsfuror schutzlos ausgeliefert ist.
Diese Herleitung legt uns den Schlüssel zum Verständnis des heute von den Eliten künstlich-überlebensgroß aufgeblasenen und monstranzartig vor sich hergetragenen Feindbildes Populismus in die Hände.
„Heutzutage wird praktisch jedes politische Problem dem Populismus zugeschrieben“,
so der ungarisch-britische Soziologe Frank Furedi. Furedi benennt auch die wahren Gründe für die antipopulistische Hysterie:
„Die Eliten wissen, dass sie den Kontakt zu den Erwartungen der Öffentlichkeit verloren haben und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie von einer populistischen Bewegung ernsthaft herausgefordert werden.“ (163)
Das mag in Deutschland die Eile erklären, mit dem die AfD, die gute Chancen hat, nach der nächsten Bundestagswahl zweitstärkste Partei und stärkste Oppositionskraft im Bundestag zu werden – verboten werden soll (164) und die Vehemenz, mit dem das BSW als „Putin-Partei“ und ihre Vorsitzende Wagenknecht z.B. als „menschgewordener Hitler-Stalin-Pakt“ dämonisiert wird (165).
Die gesteigerte Nervosität, die sich u.a. in der übertriebenen und teils doch sehr verrohten Rhetorik gegenüber beiden Parteien manifestiert, speist sich aus Befürchtungen, AfD und BSW könnten ein Bündnis eingehen. Diese Option wäre tatsächlich dazu angetan, das Parteienkartell der „extremisierten Mitte“ parlamentarisch in eine missliche Lage zu bringen, weil sie dieser populistischen „Querfront“ dann strukturell womöglich unterlegen wären.
Uns lehrt das, dass wir der schwierigen Aufgabe, bei der Rekonstruktion des demokratischen Vernunftzerfalls der richtigen Spur lange genug zu folgen und sie ansprechend mit einer dem leider dem sehr abstrakten Thema doch mühsam abgerungenen – ohne dass dies hoffentlich auffällt! – eleganten Nonchalance zu erzählen, nur dann gerecht werden können, wenn wir der Versuchung, ihre Geschichte zu verkürzen, nicht nachgeben. Die Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die in der Zerfallshistorie erst einmal identifiziert werden müssen, gilt es gleichermaßen zu berücksichtigen, um beide Pole ins richtige Verhältnis zueinander zu setzen und sie in ihrem Eigenrecht sozusagen jeweils zu Wort kommen zu lassen.
Einerseits ist der neoliberale Zug keineswegs bis zu Pandemiebeginn stets auf demselben Gleis, ohne Störungen oder störungsbedingte Umleitungen und Ausfälle, streng nach Fahrplan unterwegs gewesen. Tatsächlich blieb zwischenzeitlich nicht einmal der Antriebswagen der gleiche. Andererseits steht hinter dem, was zwischenzeitlich geschehen ist (im übertragenen Sinne) immer noch dieselbe Company, auch wenn sie mit der Zeit einige Liftings und Updates erhielt. Unter dem Strich läuft das Ganze aber immer noch nach einer im Kern unveränderten Unternehmensphilosophie, dem gleichen Geschäftsmodell ab. Es wurde nur von ein paar Schlacken befreit, was es resilienter machen, seine Effizienz weiter steigern und auf einen noch expansiveren Kurs bringen soll. Insgesamt folgt es weiter der immanenten Bewegungsgesetzlichkeit des Kapitalismus, der, was den inzwischen erreichten Stand der Kapitalkonzentration angeht, in sein Endstadium eingetreten sein dürfte. On Top haben wir es mit einer winzigen Gruppe von Investoren zu tun, die sich in den Schattenbanken tummeln und eine exorbitant wachsende Kapitalmenge und dementsprechend die Investitionen kontrollieren. Über diese Investitionskontrolle üben sie immer mehr Einfluss auf Wirtschaft, Politik und Staat aus.
Doch wie muss man sich diese Neuerungen, die Liftings und Updates, genauer vorstellen? Und warum ist der Neoliberalismus, obwohl man den Kurs beibehielt, nach Auswechslung der Lokomotive vermutlich in das finale Stadium eingetreten?
Die entgrenzte Kommodifizierung – oder: Neoliberalismus im Endstadium?
In die Zeit zwischen 2008 und 2020 fällt der rasante Aufstieg der Schattenbanken BlackRock, Vanguard, State Street zum Investoren-Mega-Macht-Konglomerat der Shareholder. Die Schattenbanken werden nach der Finanzkrise zum neuen Hauptakteur und lösen die Großbanken in dieser Rolle ab. Dies beweist, dass entgegen den Beteuerungen aus der Politik keine besseren Regulierungen durchgesetzt wurden. Vielmehr setzte sich das Gegenteil davon durch. Um den Unterschied zwischen den Großbanken einerseits und den großen Kapitalorganisationen BlackRock & Co. andererseits zu verstehen, welche „die Finanzkrise ebenfalls mitverursacht hatten“, nach 2008 aber „Eigentümer der alten Banken und Börsen und vor allem die Eigentümer der wichtigsten Unternehmen“ geworden sind (166), ist der Hinweis wichtig, dass
„BlackRock&Co. (...) nicht nur die bestehende industrielle und finanzielle Substanz (...) verwerten. Sie wollen möglichst viele menschliche Bedürfnisse zur monopolistisch und privat handelbaren Ware machen.“ (167)
In dem Zusammenhang sei auch Fabio Vighis Analyse der ökonomischen Ursachen der Corona-Pandemieerzählung erwähnt. Vighi sieht als gegeben an
„dass es dem Kapital infolge des eskalierenden technologischen Fortschritts immer weniger gelinge, aus der Arbeitskraft Mehrwert zu schöpfen. (…) um zu überleben, sei das System bereit, seinen demokratischen Rahmen zu opfern und ein Regime zu übernehmen, das (…) von Katastrophen-Narrativen unterstützt wird.“ (168)
Der Prozess, der nach 2008 durch die Bankenkrise, die das Weltfinanzsystem fast in den Abgrund gerissen hätte, erst richtig Fahrt aufnahm, kann als erweiterte oder entgrenzte Kommodifizierung bezeichnet werden. Unter Kommodifizierung versteht man jene unter Marktgesichtspunkten vereinheitlichten ökonomischen und politischen Operationen, die getätigt werden, um möglichst viele menschliche Bedürfnisse und soziale Tatbestände zur Ware zu machen. Das schließt selbstverständlich die Privatisierung und Monetarisierung vormals öffentlicher Räume mit ein.
Die Entgrenzung der Kommodifizierung kann als wichtigstes Ziel der neoliberalen Revolution angesehen werden. Bei ihr geht es darum, eine Welt zu schaffen, in der alles dem Profit und der Akkumulation des Kapitals untergeordnet ist. „Darauf genau läuft der neoliberale ‚Masterplan’ hinaus“, hebt Michael Wengraf hervor. „Der Mensch mutiert darin zum bloßen Mittel für den Zweck einer schmalen Gruppe von Kapitaleignern.“ (169)
Im Fall des Corona-Narrativs sollten z.B. durch „die Massenimpfprogramme und Gesundheitspässe als Säulen eines neo-feudalen Regimes der weiteren kapitalistischen Akkumulation installiert werden.“ (170, Bauer ebd.)
Ergänzend mit Blick auf die technologischen Voraussetzungen dafür, lesen wir bei Philipp von Becker:
„Die Kommodifizierung aller Lebensbereiche ist durch die computerisierte Vernetzung bereits fast ins äußerste Extrem getrieben worden. Im ‚Überwachungskapitalismus‘ sind sämtliche Handlungen, Prozesse und Weltbeziehungen zu einer Ware geworden – oder sollen es noch werden. In Anlehnung an Jürgen Habermas kann von der (endgültigen) Kolonialisierung der Lebenswelt gesprochen werden.“ (171)
Unter den Bedingungen der entgrenzten Kommodifizierung nahm die vom Weltwirtschafts-Forum nach dem Motto „Ihr werdet nichts besitzen, aber glücklich sein“ vielleicht nicht ganz so geschickt beworbene Agenda erst ihre Gestalt an. Neben den Impfprogrammen und der dafür vorgesehenen Ausweitung der mRNA-Injektionen müssen auch der derzeit verhandelte WHO-Pandemievertrag und die anstehende Neufassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften in diesem Kontext betrachtet werden. Heute ist fast der gesamte Public-Health-Sektor der Logik der entgrenzten Kommodifizierung unterstellt und soll so dem privatkapitalistischen Renditemaximierungsstreben („Gesundheit als Ware“ statt „wahre Gesundheit“) restlos ausgeliefert werden; eine aus humanistischer Perspektive kranke und krankmachende Entwicklung, die systemimmanent doch nur logisch und konsequent erscheint: Denn mit gesunden Menschen lässt sich nicht so gut so viel Geld verdienen wie mit kranken!
Dies bedeutet, wie Yanis Varoufakis es formulierte, „dass ein Ende des heimlichen, aber rücksichtslosen Kriegs gegen Würde und Wahrheit“ (172) auf den die Bevölkerungen hoff(t)en, weder geplant war noch ist; dieser Krieg aber zwischenzeitlich gleichwohl auf eine neue, von den Eliten als sicherer und noch profitabler erachtete Grundlage gestellt wurde.
Schließlich spricht in der Empörung darüber, dass man den Brandstifter in der Finanzkrise zum Feuerwehrhauptmann ernannt hat, Luik in dem oben angeführten Zitat, exakt den wunden Punkt an. Besonders, wenn man diesen Skandal vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung der Vor-Corona-Jahre betrachtet, angefangen bei der Rolle, die darin die großen Investmentgesellschaften und Kapitalsammelstellen für die Elite namens BlackRock, Vanguard und State Street einnahmen. Sie beherrschen heute die größten Unternehmen der Welt.
Die von Luik zum Ausdruck gebrachte Wut über den „Irrsinn“ des Systems lässt es berechtigt erscheinen, im Hinblick auf diesen „rücksichtslosen Krieg gegen Würde und Wahrheit“ die Lage und die sie auslösende Gestimmtheit in den davon heimgesuchten Gesellschaften wenigstens einmal mit den dafür durchaus angemessenen pathetischen Worten zu beschreiben:
Wahrhaftig dürsten die Völker heute mehr denn je – der Politikwissenschaftler van der Pijl hat es empirisch anhand der Zunahme sozialer Proteste, Streiks und Unruhen auf der ganzen Welt belegt – nach einer grundlegenden Umwälzung der politischen Verhältnisse. Diese Verhältnisse werden besonders aufgrund der Ungerechtigkeiten, der Ungleichheit und der Entfremdung der Politik von den echten Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung, die diese fast überall zu „Exilanten in ihren eigenen Ländern“ (Agamben) gemacht hat, als versteinert wahrgenommen – und dies trotz oder vielleicht gerade wegen der immer fluideren, durchlässiger und subtiler wirkenden Macht- und Beeinflussungs-Techniken, die eingesetzt werden, um sie zu stabilisieren.
Der US-amerikanische Songwriter Oliver Anthony, der im August 2023 mit seiner Working-Class-Hero-Ballade „Rich Men North of Richmond“ über Nacht berühmt wurde, hat es in einem Statement, das nach dem überraschenden Mega-Erfolg des Songs auf allen Social-Media-Kanälen verbreitet wurde, so auf den Punkt gebracht:
„Die Menschen haben es so verdammt satt, vernachlässigt, geteilt und manipuliert zu werden.“ (173)
Die größten Opfer der Pandemie-Politik und neueste Enthüllungen zur „Operation Covid-19“
Das Versprechen der Demokratie, allen Bürgern Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, die individuelles Wachstum und Kreativität fördert, so dass sich die individuelle Persönlichkeit möglichst frei entfalten kann und so auf einem sozial organischen Weg dafür gesorgt wird, dass durch Mündigkeit, individuelle Kraft und Stärke und inneren Reichtum adäquate gesellschaftliche Räume geschaffen werden können, die an Vernunft, Ausgleich der Interessen und herrschaftsfreier Verständigung orientiert sind (und da, wo bereits solche Handlungsräume bestehen, diese – als das Ziel von Politik – konsolidiert, vertieft und vergrößert werden können), dieses Versprechen hat sich als eine Fiktion herausgestellt. Sie wird nur aufrechterhalten, weil und solange sie für die Eliten noch von Nutzen zu sein scheint. Sie ist aber bereits auf eine Weise entzaubert worden, die uns an das Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“ denken lässt. Primär wird das Versprechen der Demokratie nur deshalb nach außen hin (noch) aufrechterhalten, weil es zur Absicherung der himmelschreiend ungerechten Eigentumsverhältnisse (noch)nötig erscheint und der Absicherung der Elitenherrschaft in ökonomisch wie ökologisch stürmischer werdenden Zeiten (noch) Vorteile beschert. Die Anrufung der Demokratie verschafft den Eliten (noch) einen – allerdings immer geringer zu veranschlagenden – Distinktionsgewinn (bzw. man erhofft sich vom deklamatorischen Festhalten an der „Demokratie“ zumindest diesen Effekt). Die Demokratie hat aufs Ganze gesehen einen Großteil ihrer Aura und ihrer Anziehungskraft für die Menschen verloren. Die geeignetste Form, in der man von ihr noch sprechen kann, ist die der Elegie, fürs Drama reichen weder Kraft noch Vitalität noch aus. Faktisch werden die Gehalte, Ideen und Ideale der Demokratie, komplementär zu denen der Aufklärung, auf der die neuzeitliche Demokratie ja fußt, – selbstverständlich im eigenen, „demokratischen“ Namen, der dafür aber strikt antisouveränistisch und antipopulistisch umgelabelt wird – abgewickelt.
Parallel dazu beschleunigt sich der über die Köpfe der Menschen hinwegrauschende Prozess in Richtung eines konzerngesteuerten Technofeudalismus (Yanis Varoufakis, 167), der den Nationalstaaten als den letzten verbliebenen Counterparts global verabredeter Entwicklungen und Agenden die verbliebenen Bewegungsspielräume und Rechte auch noch wegnehmen will. Und das, obwohl die Global Governance und ihre Auguren selbst kein Jota demokratisch legitimiert sind. Doch angesichts einer sich immer noch weiter verschärfenden Kluft zwischen Globalisierungs-Gewinnern und -Verlierern, nimmt eine wachsende Anzahl von Menschen dies nicht mehr einfach so hin. Immer mehr Bürger gehen dazu über, das technokratische Gefängnis, in das wir alle gesperrt werden sollen, mit den Mitteln der außerparlamentarischen Opposition und des zivilen Ungehorsam zu bekämpfen.
Es sind jene Verhältnisse, die für das weltweit schockierende Ausmaß an Ungleichheit – einer Art Turbokrebs der Verarmung, sozialen Deprivation und Enteignung, der sich in immer breitere Schichten der Bevölkerung hineinfrisst und eine Art Kernschmelze des Mittelstandes ausgelöst hat – verantwortlich sind. Mit der Abschaffung des Bargeldes und der Einführung der digitalen Zentralbank-Währungen sollen die Bevölkerungen ganz ans Gängelband der Eliten gelegt werden. Derweil wächst und wächst die soziale Ungleichheit und bricht in immer kürzerer Zeit alle Rekorde: 1,2 % der Weltbevölkerung besaßen Ende 2020 47,8 % des globalen Vermögens, die Covid-19-Krise wirkte hier mit Abstand als der bislang stärkste Katalysator für die Akkumulation von Reichtum. (174)
Die Milliardärs-Elite verdoppelte ihr Vermögen während der Pandemie-Jahre 2020 und 2021. So berichtet Oxfam in seinem Bericht zur sozialen Ungleichheit 2022, dass das
„kumulierte Vermögen aller Milliardär*innen (…) seit Beginn der Pandemie nach Berechnungen von Forbes um beispiellose fünf Billionen US-Dollar gestiegen sei. Das ist ein größerer Zuwachs als in den 14 Jahren vor der Pandemie zusammen. Gleichzeitig lebte bereits 2019 fast die Hälfte der Menschheit – 3,2 Milliarden Menschen – unterhalb der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 5,50 Dollar pro Tag. Heute sind es 163 Millionen Menschen mehr als vor der Pandemie angenommen.“ (175)
Passend gewählt erscheint da die Überschrift des Oxfam-Berichts, mit der diese Zahlen gleichsam auf den Punkt gebracht werden:
„Die einen verdienen, die anderen sterben: Wie die Covid-19-Pandemie die Ungleichheit befeuert.“
Doch während der Altersmedian der an und mit Corona Verstorbenen in den westlichen Industrieländern leicht über der durchschnittlichen Lebenserwartung (2020 in Deutschland bei Frauen 83,4, bei Männern 78,5) lag und 2022 4,9% aller Todesursachen auf die Corona-Infektion (176) zurückgeführt wurden, sind in den armen Ländern alle Altersgruppen von einer erhöhten Sterblichkeit durch die Folgen der weltweit wirkenden Corona-Maßnahmen wie Lockdowns und den Unterbrechungen internationaler Lieferketten betroffen gewesen. Sie – die Armen der Welt – waren und sind die wahren Opfer der „Operation Covid-19“.
Was diese und deren nähere Umstände angeht: Seit 2023 ist alles das, was auf einen militärischen Hintergrund des Pandemiemanagements hinweist – und somit zum einen im Kontext der erweiterten NATO-Kriegsführung im Operationsfeld des cognitive warfare, des Kampfes um die Köpfe und die Psyche der Menschen (siehe S.4), zum anderen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der gain-of-function- Biowaffenforschung steht, immer stärker in den Fokus der Untersuchungen geraten. Die Faktenlage kann mittlerweile dank verschiedener hochkarätiger Analysen und Studien (die bis in den regierungsamtlichen Bereich reichen) immer genauer rekonstruiert werden, was auch in der Öffentlichkeit immer mehr Zweifel am offiziellen Pandemienarrativ nährt. Während man darüber in Deutschland noch relativ wenig hört, läuft in den USA dazu seit längerem schon ein Aufarbeitungsprozess, der sowohl die Herkunft des Virus als auch die Produktion des Impfstoffs aus Laboren und Einrichtungen für die biologische Kriegsführung als gesichertes Wissen annimmt. Dieser Aufarbeitungsprozess hat bereits politisch-juristische Teilerfolge verbuchen können. So sind mittlerweile in mehreren US-Bundesstaaten Gesetzesinitiativen gestartet worden, um die mRNA-Injektionen als Biowaffen strafrechtlich zu verfolgen. Hintergrund sind Recherchen nach denen es sich bei der Entwicklung, Produktion und Verbreitung der „Impfstoffe“ um eine als military countermeasures (militärischen Gegenmaßnahmen) klassifizierte Militäroperation unter Befehl der USA/BARDA (Biological Advance Research and Development Authority) gehandelt hat. (177)
Die Nominierung des erfolgreichen Verbraucherschutzanwaltes, Bürgerrechtlers, Big Pharma- und Big Data-Kritikers Robert F. Kennedy jr. (178) zum neuen US-Gesundheitsminister wird Untersuchungen zu den Zusammenhängen der Covid-Pandemieinszenierung mit den Aktivitäten des militärisch-biopharmazeutischen Komplexes sicher neuen Auftrieb geben. Das Handelsblatt titelte dazu: „Kennedys Einfluss auf Trump beunruhigt die Pharma-Branche.“ (179)
Kein Wunder, stellen er und seine populäre „Make America healthy again“-Bewegung doch eine Kampfansage an Big Pharma dar.
Mit der Berufung von Prof. Dr. Jay Bhattacharya, einem der Initiatoren der Great-Barrington-Erklärung von Oktober 2020, zum neuen Direktor des National Institute of Health (NIH) am 26. November 2024, der in der „Pandemie“ bei uns geschmäht, geblockt und diffamiert wurde, geht Trump noch einen Schritt weiter. (180)
In Kürze wird man also vermutlich noch mehr Puzzleteile der sog. Pandemie zu einem Gesamtbild zusammenfügen können. Dieses Bild wird wohl sehr weit vom offiziellen Narrativ entfernt liegen, d.h. ihm inhaltlich diametral entgegenstehen. Es dürfte Schockwellen und ein großes Beben im Big Business und dem politischen und medialen Establishment auslösen. Es ist zu erwarten, dass ein solches Beben nicht auf die USA beschränkt bleiben wird. Für diesen Fall sagen wir eine hochbrisante Situation für die in das Pandemie-Narrativ besonders tief verstrickten und darin stark gefangen gehaltenen Ländern wie Deutschland voraus.
Ob ein Gesundheitsminister Kennedy mit der Unterstützung eines NIH-Direktors Bhattacharya der Korruption und den kriminellen Machenschaften des pharmazeutisch-militärischen Komplexes Einhalt gebieten kann, die in der Corona-Zeit ihren Höhepunkt erreicht haben, weil sie der in diesem Artikel näher beschriebenen Logik und Dynamik der entgrenzten Kommodifizierung ja gerade Folge leisteten, bleibt derzeit freilich ebenso offen wie der Ausgang der neuesten Enthüllungen über den militärischen Charakter der Pandemieinszenierung. Der Ausgang dieser unter Aufarbeitungsgesichtspunkten erst einmal sehr positiven Entwicklungen, ist aber schwer vorauszusagen – und das nicht nur aus dem Grund, weil für alle Beteiligten äußerst viel dabei auf dem Spiel stehen dürfte.
Fußnoten:
117 Paul Virilio, Rasender Stillstand, Frankfurt/M. 1992.
118 Die Lebenspraxis verstehe ich als den Ort der materialen Rationalität bzw. ihrer Genese ¬– vorgängig zu allen gesellschaftlichen Institutionen, die nach Formen geronnener, formaler Rationalität funktionieren. Aus der Lebenspraxis, ihrer vita activa – dieser Gedanke ist auch von Hannah Arendt betont worden – stammen originär die Möglichkeiten, eine Gesellschaft zu verändern, weil nur die Lebenspraxen die Fähigkeiten eines Neuanfangen-Könnens besitzen – da nur Menschen, so Arendt, über die „Mitgift des Neuanfangs“ verfügen. Alle Institutionen würden sich, wenn es diese Mitgift des Menschen, etwas Neues zu beginnen, nicht gäbe, ad infinitum ¬im Kern nur selbst reproduzieren, weil sie ihrem Aufbau und ihrer inneren Funktionsweise nach der Logik der Selbsterhaltung folgen und dieser auch nur gehorchen können. Wichtig in dem Zusammenhang ist noch der Hinweis, dass konstitutionslogisch also die Transformation vor der Reproduktion kommt (sonst wäre der Mensch schon mit einer fertigen Identität auf die Welt gekommen), institutionalisierte Gesellschaft dieses Verhältnis aber tendenziell immer schon umdreht, da der größere und mächtigere Teil der Gesellschaft sich immer von der Reproduktion nährt und folglich auch von ihr bzw. von ihrer Logik beherrscht wird. Deshalb kommen Revolutionen in der Geschichte auch relativ selten vor. Wenn der Problemdruck und der Veränderungswille in einer Gesellschaft sehr stark geworden sind, die Institutionen sich aber weiter dagegen abschotten ohne selber substanziell noch etwas zur Problemlösung beitragen zu können, kommt es in der Regel zu revolutionären Ausbrüchen. Doch die Dynamik der Lebenspraxis, so lautet meine These, wird heute durch die Hyper-Technisierung und - Mediatisierung gelähmt, wenn sie nicht gar stillgestellt werden soll: Technologie und Technokratie sorgen dafür, dass die Institutionen gegenüber den vitalen Impulsen zu ihrer Veränderung, die sich stets dieser lebenspraktischen Dynamik verdanken, immer mehr abgedichtet werden. Wenn Evolution auf diese Weise verunmöglicht wird und auch der Weg zur Revolution verbarrikadiert ist, führt der anhaltende Überdruck aus den hoch akkumulierten Problemlagen einerseits und die unterdrückte, ins Pathogenetische gedrängte Veränderungsenergie andererseits, schnell in einen neuen Faschismus.
119 Naomi Klein, Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Frankfurt/M. 2007. – Systematische Angsterzeugung steht in einem unauflösbaren Widerspruch zur demokratischen Verfasstheit von Gesellschaft. Dieser Widerspruch wird z.B. von Rainer Mausfeld thematisiert: „In welchem Ausmaß demokratische Rhetorik und gesellschaftliche Realität auseinanderklaffen, lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, inwieweit die Machtausübenden darauf verzichten, gesellschaftliche Ängste – sei es über physische Gewalt, strukturelle Gewalt oder eine Manipulation der öffentlichen Meinung – systematisch zu schüren. Ein systematisches Erzeugen von gesellschaftlicher Angst entzieht der Demokratie die Grundlage, weil Angst eine angemessene gesellschaftliche Urteilsbildung blockiert und die Entschluss-und Handlungsbereitschaft lähmt. Freiheit von gesellschaftlicher Angst gehört unabdingbar zum Fundament von Demokratie.“ Rainer Mausfeld, Angst und Macht. Herrschaftstechniken der Angsterzeugung in kapitalistischen Demokratien, S. 15 f.
120 Das Desiderat einer philosophischen Deutung der Biopolitik als Fortschreibung und Weiterentwicklung des von Foucault unternommenen Versuchs ihrer Bestimmung als der neuen Form von Gouvernementalität, stellt sich durch Corona heute noch einmal in gesteigerter, dringlicherer Weise dar. Denn Corona hat neue Fragen und Probleme für das Philosophieren aufgeworfen. Philosophieren und Philosophie wird dabei, den Begriffen Hannah Arendts und Giorgio Agambens folgend, als ein emphatisches Denken der Zeitgenossen- und Zeitzeugenschaft verstanden – ein Denken, das sich angesichts dieses Geschichtszeichen aufs Neue bewähren muss.
121 http://web.archive.org/web/20130526110442/https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-und-zeiten/giorgio-agamben-im-gespraech-die-endlose-krise-ist-ein-machtinstrument-12193816.html, 24.5.2023. – Unter dem Begriff der Biopolitik werden grundsätzlich die veränderten Machttechniken und Regierungsweisen in den Blick genommen, die im Kontext der rasant beschleunigten technologischen Entwicklung entstanden bzw. im Entstehen begriffen sind. Mit ihnen hat sich die Tendenz, für alle gesellschaftlichen Probleme ausschließlich technische Lösung vorzusehen und zu propagieren, so stark ausgeprägt, dass sie als „Solutionismus“ die heutige neoliberale Politik (an-)leitet. Der Solutionismus führt die westliche Zivilisation, die sich längst über den ganzen Globus gelegt hat, in einen vitiösen Zirkel: Stark negative Folgeprobleme der Technisierung werden mit mehr und besserer Technik „gelöst“, was wiederum zu weiteren neuen und in der Regel nicht antizipierten Technikfolgeproblemen führt, die wiederum durch noch mehr und noch bessere Technik als bloße „Fehler“ behoben werden sollen. Zugleich richtet sich die Technisierung mehr und mehr auf die Veränderung des leiblichen Menschen selbst, nicht mehr nur auf seine Umwelt und seine Lebensbedingungen. Dies stellt das eigentliche Eingangstor für die Biopolitik und die Bedingungen dar, die Biopolitik für ihre paradigmatisch gewordene Bedeutung im Kontext von Gouvernementalität (verstanden als das Denk-und Glaubenssystem, das in Bezug auf die Art und Weise des Regierens vorherrschend ist) einnimmt. Im Transhumanismus, dem Ziel neoliberaler Biopolitik, soll der menschliche Körper erst technologisch optimiert, dann ganz durch Technologie ersetzt werden. Die Biopolitik ist als das Set an Instrumentarien, Strategien, Präskripten und Konzeptualisierungen auf dem Weg hin zu dieser Substitution zu betrachten. Biopolitik terminiert paradoxerweise also ausgerechnet in der Entmenschlichung: der Mensch passt sich immer mehr der Maschine und den Vorgaben einer maschinisierten Wissenschaft an. Bezogen auf das politische Koordinatensystem bedeutet dies zwar nicht, dass das Links-Rechts-Schema ganz obsolet geworden ist, wie heute gerne behauptet wird. Tatsächlich hat es aber viel von seiner Aussagekraft verloren. Das liegt daran, dass man heute eine technokratische Linke und eine technokratische Rechte von einer nicht-bzw. anti-technokratischen Linken und einer anti-technokratischen Rechten unterscheiden muss. Die anti-technokratische Linke berührt sich mit der anti-technokratischen Rechten, nicht aber mit ihrem technokratischen Pendant, wann und wo immer die Politik linker (sozialdemokratischer, sozialistischer, kommunistischer) und rechter (konservativer, liberaler und oder nationalistischer Gesinnungen) die Resistenz von Lebenspraxis im Kampf gegen übermächtig gewordene Institutionen, Strukturen und systemische Sachzwang-Logiken unterstützt und aktiv verteidigt. So trennt Biopolitik nicht links und rechts, sondern tatsächlich unten (Resistenz von Lebenspraxis) von oben (Technologie als Mittel zur gesellschaftlichen Steuerung, „Reform“ oder Beglückung). Der undifferenzierte, dichotomische Gebrauch der Begriffe Links und Rechts wird mehr oder minder bewusst zur Abwehr einer Politik benutzt und von dem Parteienkartell der extremisierten Mitte (aus technokratischer Linken und technokratischer Rechten) aufrechterhalten, die ernsthafte Konsequenzen aus der Erkenntnis zieht, dass der Kampf zwischen technokratischer Steuerung und autonomer Lebenspraxis heute als ein Hauptwiderspruch des neoliberalen Kapitalismus im Endstadium gelten muss (neben der Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln und der immer wichtiger gewordenen Frage, wer und vor allem in welchen Strukturen die milliardenschweren Investitionen des privaten Finanz-und Unternehmenskapitals autorisiert werden und wie strukturell darüber entschieden wird.)
122 Jan David Zimmermann, Lethe. Vom Vergessen des Totalitären, Oberhofen 2023, S.28.
123 Siehe Paul Schreyer, Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte. Frankfurt/M. 2020.Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008.
124 Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008.
125 Sheldon Wolin, Umgekehrter Totalitarismus, Frankfurt/M. 2022.
126 Emmanuel Todd, Der Westen im Niedergang. Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall, Frankfurt/M. 2024, S.128 f.
127 Patrick Schreiner, Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus, Köln 2015.
128 https://www.achgut.com/artikel/neusprech_deutsch_ein_woerterbuch, 3.1.2023. – Nach Ansicht Orwells ist „das wirklich beängstigende am Totalitarismus (...) nicht, dass er Massaker, sondern dass er das Konzept der objektiven Wahrheit angreift: er gibt vor, die Vergangenheit wie die Zukunft zu kontrollieren“, siehe auch Herrschaftsaspekt Nr. 3: Das sog. New Normal.
129 Todd erklärt sowohl die Absenkung des Bildungsniveaus im Westen als auch die eindrückliche Reihe von außenpolitischen Fehlentscheidungen der USA und der EU mit dem fehlenden Geschichtsbewusstsein ihrer Oligarchien. Deren „Vorstellung der globalen Kraftverhältnisse – militärisch, wirtschaftlich und ideologisch – und die ihrer eigenen Entwicklung“ sei „phantasmatisch“. Mit dem Eintritt des Westens in den Ukraine-Krieg sei der „Tiefpunkt der westlichen Akteure“ in Sachen Geschichtsbewusstsein erreicht worden: „Die Verschmelzung der beiden Nihilismen, des amerikanischen und des ukrainischen“ werde, resümiert Todd, „zu einem Scheitern, zum Niedergang führen – die ultimative Rache der geschichtlichen Vernunft.“ Todd, a.a.O., S.291 – 318, Zitate S. 294.
130 Michael Andrick, Im Moral-Gefängnis. Spaltung verstehen und überwinden. Frankfurt/M. 2024.
131 Bernd Schoepe, Cancel Culture macht Schule. Wie der neoliberale Schulumbau eine institutionalisierte Form von Cancel Culture hervorbringt, die Demokratie und Bildung gleichermaßen abzuwickeln droht, https://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2021/12/NVBSCancel-Culture-macht-Schule-Endfassung-B.S.-%E2%80%93-08.12.2021.pdf
132 „Generation Selfie“ – Warum wir süchtig nach Anerkennung sind?“ https://www.stern.de/neon/wilde-welt/gesellschaft/generation-selfie--warum-wir-suechtig-nach-anerkennung-sind-7906862.html, 20.3.2018. – Schon im Jahr 2000 hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu die Folgen der „chronischen Instabilität“ in Zeiten neoliberaler Ökonomie und Gesellschaft so beschrieben, dass es die Subjekte „strukturell dem Risiko ausliefert, und das nicht allein, weil, gleich einem Damoklesschwert die (mit den Seifenblasen der Spekulation im Zusammenhang stehende) Krise beständig über ihm schwebt. Jene Strukturen“ würden sich als „solche des Erkennens, den Köpfen der Menschen einprägen. Die strukturelle Unsicherheit“ so Bourdieu, trage dazu bei, „dass ein neuer Mensch produziert wird, ein in jeder Hinsicht berechnender Mensch, der in der Politik (und nicht nur dort) zum Zyniker tendiert oder zur Unverlässlichkeit und auch zum Individualismus, um nicht zu sagen zum Egoismus, der durch die Zersetzung der Person und die Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (…) noch befördert wird.“ Pierre Bourdieu, Neoliberalismus und neue Formen der Herrschaft (2000), https://www.socialtrans.de/index.php/st/article/view/9, Vol.1 No.1., 2016.
133 Wolin, a.a.O., S.143.
134 Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu sehen, dass auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung im April 2023, die ohne jede Relativierung auskommende Aussage steht (auch im nachfolgenden Text kommt keine Relativierung vor): „Der Kampf gegen die Corona-Pandemie stellt die Welt vor gewaltige Aufgaben und macht den Ausnahme- zum Normalzustand“, und das ausgerechnet in der Einleitung zu einer „sicherheitspolitischen Presseschau“ (sic!). https://www.bpb.de/themen/gesundheit/coronavirus/306919/die-corona-krise-und-ihre-folgen/, 23.4.2023.
135 Prof. Dr. Lothar Wieler am 28.7.2020 in der Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts. Siehe dazu: Marcus Klöckner, Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Eine Berichterstattung, die dem „Vorlesen von Regierungspamphleten gleicht“, https://www.nachdenkseiten.de/?p=113733, 12.4.2024.
136 Mary Bauermeister im Gespräch mit der Schweizer Zeitschrift „Die Freien“ , republiziert in: Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/widerstand-als-weg-des-spirituellen, Interview mit Mary Bauermeister, 19.8.2023.
137 Unter fait social – soziales Ding – wird in der Soziologie jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns bezeichnet, die die Fähigkeit besitzt, auf den Handelnden einen äußeren Zwang auszuüben.
138 Uli Gellermann, https://www.rationalgalerie.de/home/sucharit-bhakdi, 8.10.2023. Der Soziologe Nachtwey, der u.a. die Studie durchgeführt hat, hält als ein überraschendes Ergebnis fest, dass der Protest gegen die Maßnahmen eher „eine Bewegung von links“ sei.
139 https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/carolin-amlinger-und-oliver-nachtwey-eine-bewegung-von-links-mit-drift-nach-rechts-91886714.html#google_vignette, 31.10.2022. Anders als bei Nachtwey erklärt die „Drift nach rechts“ sich natürlich aus dem Versagen der Linken, die der autoritären Versuchung nicht widerstanden und ihre aufklärerischen Wurzeln damit – je nach Lesart – vergessen, verleugnet oder verraten haben.
140 https://www.thomas-eisinger.de/zum-ersten-mal-in-der-geschichte/, mit einer Ergänzung, 10.10.2023.
141 Ebd.
142 „Für eine Revolution braucht es eine kritische Masse und eine organisierte Opposition“, so der FAZ-Korrespondent Rainer Herrmann in einem Interview mit der Konrad-Adenauer-Stiftung Herrmann bezieht das natürlich nicht auf den „Werte-Westen“, sondern auf den Iran. Seine Aussage halte ich aber für allgemein richtig, wobei ich die kritische Masse für wichtiger erachte als die organisierte Opposition und gerne auch das Vermögen zur Selbstorganisation dieser kritischen Masse als wichtigen Revolutionsfaktor zu bedenken geben möchte. Tatsächlich bedarf es für größere, strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft keiner nummerischen Mehrheit. Nachhaltige Veränderungen können – laut verschiedener extrapolierter Daten aus der Revolutionsforschung – durch etwa drei bis fünf Prozent aktiver Bürger in der Bevölkerung erreicht werden. Zu den Chancen zivilen Ungehorsams https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die-loesung-fuer-alles/gene-sharp-protest-ziviler-ungehorsam-88891, 12.6.2020.
143 Mathias Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/dezentralerevolution, 7.2.2021.
144 Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/widerstand-als-weg-des-spirituellen, Interview mit Mary Bauermeister, 19.8.2023.
145 Sebastian Lucenti, Der verlorene Kompass in der Corona-Krise, https://www.cicero.de/innenpolitik/der-verlorene-kompass-in-der-corona-krise, 13.8.2023.
146 Ebd.
147 Erich Fromm, https://fromm-online.org/wp-content/uploads/glossar/019-162.pdf . Hier werden noch weitere wichtige Merkmale der Biophilie beschrieben.
148 Jean Ziegler über den Hunger in Afrika: „Es gibt genügend Nahrungsmittel“, TAZ vom 19.4.2017.
149 Byung Chul Han, Im Reich der namenlos Nackten, Der Tagesspiegel, 29.4.2012.
150 https://www.textlog.de/eisler/kant-lexikon/autonomie
151 Häring, Endspiel des Kapitalismus, a.a.O., S.248.
152 Zum Gedankenlesen, das laut Schwab bald durch die Weiterentwicklung der Invasiv-Technologien ermöglicht wird, siehe Klaus Schwabs Gespräch mit Sergey Brin auf dem WEF-Gipfel, Davos 2017
https://www.youtube.com/watch?v=ffvu6Mr1SVc
153 Häring, a.a.O., S. 242 f. – In dem Zusammenhang sei der Hinweis gegeben, dass nicht nur die großen, kanonischen Werke des dystopischen Romans, sondern das gesamte Genre der (etwas) anspruchsvolleren Science-Fiction-Literatur als ein Produkt der Aufklärung anzusehen ist: Aldous Huxley (1894-1963), Schöpfer der Brave New World, gab ein schon damals aus der Zeit gefallenes, verspätetes Beispiel eines Uomo universalis aus der Renaissance oder Frühaufklärung ab. Huxley war ein äußerst vielseitig begabter, wissenschaftlich, philosophisch und künstlerisch gebildeter Autor. George Orwell (1903-1950) war ein undogmatischer, freiheitlicher Sozialist, der für seine Überzeugungen im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte und visionär in „1984“ seine Erfahrungen mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, Nazismus und Stalinismus, verarbeitete. Jevgenij Samjatin (1884-1937), dessen dystopischer Roman „Wir“ (1920) ein literarisches Vorbild sowohl für Huxley als auch für Orwell lieferte, war ein Schiffsbauingenieur und enttäuschter Bolschewist, der selber aktiv an der Oktoberrevolution beteiligt war, sich später aber vom Kommunismus wegen „der Gewalt (...) und der Leugnung des seelischen Lebens“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Jewgeni_Iwanowitsch_Samjatin) abwandte. Stanislaw Lem (1921-2006) schließlich, der seine Schriftstellerlaufbahn 1948 mit einer antistalinistischen Satire begann, war ausgebildeter Mediziner und Forschungsassistent in angewandter Psychologie. Besonders Lem und Huxley verdanken wir satirisch-hintergründige Schöpfungen, in denen die Technikgläubigkeit und der wissenschaftliche Hunger nach Erfindungen als Produkte menschlicher Hybris entlarvt werden. Beide Topoi des dystopischen Romans – die große Faszination, mit der die Technik genau wahrgenommen und rezipiert wird (die Bewunderung, was der technowissenschaftliche Komplex an Demiurgischem zu vollbringen in der Lage ist) und die Kritik an der Technik als Ausfluss der Hybris einer menschlichen Wissbegierde, die durch den Machttrieb überwölbt wird – vor allem also die Entdeckung der engen psychologischen Verwandtschaft von Wissbegierde mit dem, was bei Nietzsche „der Wille zur Macht“ heißt – gehen auf die Aufklärung zurück. Wie die Eigengesetzlichkeit und Eigendynamik technischer Naturaneignung und Weltbeherrschung und die Verführbarkeit der Wissenschaften „bösen Mächten“ zu dienen, in unfreie und inhumane Gesellschaften führen, sofern nicht wirk- und heilsame Korrektive genug an Widerstandskraft dagegen mobilisieren können, erscheint in der dystopischen Literatur als ein ihre Stoffe weithin beherrschendes Thema. Das wird in spannenden, phantasievollen, technisch versierten und oft glaubwürdig geschilderten Plots von Mal zu Mal variierend erzählt. Zumindest implizit kommt es dabei regelmäßig zur Thematisierung der Gegenaufklärung. Einer Gegenaufklärung, die sich der Mittel der technischen Zivilisation immer perfekter zu bedienen und sich hinter dem Faszinosum der Technik und dem Menschheitstraum des technischen Fortschritts zugleich immer besser zu verstecken weiß. Bemerkenswerterweise trifft die ungebrochene Attraktivität der Science-Fiction-Bücher und Filme, da wo die Fiktion immer mehr zur Realität wird, zunehmend auf ein Paradox, das als ein Produkt gespaltener Wahrnehmung angesehen und analysiert werden müsste. Die beiden Entitäten, d.h. einerseits die nach transhumanistischen Gesichtspunkten neu modellierte Realität und andererseits die Welt der Science-Fiction, in der diese Entwicklungen wieder und wieder Gegenstand meist düsterer, den Leser stark affizierender Prophezeiungen werden, entkoppeln sich im Bewusstsein umso stärker voneinander, desto größer de facto ihre Schnittmenge wird. Meiner Einschätzung nach handelt es sich dabei um eine höchst merkwürdige kognitive Dissonanz, die eigentlich einen langen Rattenschwanz sozialpsychologischer Hypothesen und lebhafte Diskussionen derselben nach sich ziehen müsste.
154 Dieses lack of information gibt es, obwohl alle Informationen über die einschlägigen Pläne und Zukunftsprojektionen bei den zuständigen bzw. sich zuständig erklärenden Stellen zugänglich sind und nachgelesen werden können. Das Wissen über diese Unternehmungen, Projekte und der dahinterstehenden Agenda, einschließlich ihrer ökonomischen Grundlagen und Verflechtungen, ist keineswegs verschwörerisch geheim. Es wird auch nicht geheim gehalten. Was die Recherche aber kostet, ist: viel Zeit, Energie, auch eine gewisse Hartnäckigkeit und natürlich Vorwissen.
155 Sorgner, von Becker, Transhumanismus, a.a.O., S.69.
156 Ebd., S. 86 f.
157 Ebd., S.78.
158 Stiegler, https://www.tagesspiegel.de/kultur/denken-heisst-heilen-4188055.html, 10.8.2020.
159 Matthias Burchardt, https://1bis19.de/gesellschaft/der-homo-hygienicus-ward-geboren-aber-lasset-uns-nicht-frohlocken/, Gespräch mit Daniel Kaiser, 13.12.2021.
160 Kees van der Pijl. Die belagerte Welt. Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können, Ratzert 2021, S.36
161 Ebd. , S.36 ff.
162 Arno Luik, Rauhnächte, Frankfurt/M. 2023, S.37 und S.39 f.
163 https://www.novo-argumente.com/artikel/der_charme_des_schlangenoels, 23.10.2024.
164 https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1029764, 14.11.2024.
165 https://www.br.de/nachrichten/bayern/csuler-contra-wagenknecht-menschgewordener-hitler-stalin-pakt,UNJxBpV, 4.9.2024.
166 Werner Rügemer, Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure, Köln 2018, S.7.
167 Ebd., S. 31.
168 Rudolph Bauer, Fabio Vighi: Einer, der nicht in den Corona-Chor eingestimmt hat, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29321, 19.11.2024
169 Wengraf, Die rechte Revolution. Veränderte ein Masterplan die Welt ? Kassel 2020, S. 216 f.
170 Bauer, a.a.O.
171 Sorgner, von Becker, a.a.O., S.83.
172 Yanis Varoufakis, Die ganze Geschichte. Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment, München 2017, S.123.
173 https://tkp.at/2023/08/19/neuer-us-working-class-hero-der-usa-lasst-euch-die-freiheit-nicht-wegnehmen/
174 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/384680/umfrage/verteilung-des-reichtums-auf-der-welt/
175 https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2022-01-17-reichsten-verdoppeln-vermoegen-waehrend-160-millionen
176 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/11/PD23_441_23211.html
177 Die neue niederländische Gesundheitsministerin Fleur Agema hat bestätigt, dass für das staatenübergreifend-synchrone Eingreifen nach Auftauchen des SARS-CoV-2-Virus in Europa und Nord-Amerika eine unter NATO-Kommando stehende Operation verantwortlich gewesen ist. Diese Operation wurde im Rahmen von sog. military countermeasures durchgeführt. Demnach hatten die nationalen Regierungen NATO-Befehle auszuführen, d.h. es waren auch die beteiligten Ministerien dem NATO-Kommando unterstellt. So wurde in jedem Gesundheitsministerium der Mitgliedsstaaten die Koordination und Oberaufsicht für das Pandemiemanagement an einen hohen Militär der NATO übertragen, in Deutschland war das Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm, u.a. Leiter des ressortübergreifenden „Gemeinsamen Krisenstabs BMI – BMG – Covid 19“. https://transition-news.org/militarische-operation-niederlandische-gesundheitsministerin-deckt-nato, 17.11.2024.
178 Robert F. Kennedy jr., Das wahre Gesicht des Dr. Fauci, ders.: Die Wuhan-Verschwörung und das erschreckende Wettrüsten mit Biowaffen, Rothenburg a.N. 2022 bzw. 2024.
179 Interessanterweise wurde der Handelsblatt-Artikel redaktionell am selben Tag überarbeitet, u.a. verschwand diese Schlagzeile. Nun heißt es sachlich: „Trump will Robert F. Kennedy zum Gesundheitsminister machen“. Der Tenor des Artikels ist vergleichsweise zurückhaltend, kommt aber auch nicht ohne das Framing „Impfgegner“ aus, das sich stereotyp in allen deutschen Mainstream-Artikeln zu dieser Personalie wiederholt. Kennedy selbst hat vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen dazu erklärt, dass er „niemandem seine Impfungen wegnehmen“ will. „Ich möchte nur sicherstellen, dass jeder Amerikaner das Sicherheitsprofil, das Risikoprofil und die Wirksamkeit des Impfstoffs kennt. Das ist alles.“ https://x.com/RobertKennedyJr/status/1845995741833011374
Bei der immer wieder benutzten Kennzeichnung Kennedys als „Impfgegner“ handelt es sich also um Desinformation.
180 https://med.stanford.edu/news/all-news/2024/12/jay-battacharya-nih.html, https://www.bbc.com/news/articles/cvg4yxmmg1zo, 27.11.2024.
Über den Autor: Bernd Schoepe (Jahrgang 1965), freier Autor, ist langjähriges aktives GEW-Betriebsgruppen-Mitglied, ehem. Vertrauensmann und Mitglied der Hamburger Lehrerkammer. Hauptberuflich arbeitet er als Deutsch-, Politik-und Philosophielehrer an einer Stadtteilschule und ist seit 2003 im Hamburger Schuldienst. Zusammen mit dem Rechtsanwalt und Autor Sebastian Lucenti, den Pädagogen Stefanie Raysz und Alexander Wittenstein und dem Professor für Kinderpolitik Dr. Michael Klundt, gehört er zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerkes für die pädagogische Aufarbeitung der Corona-Zeit.
Nähere Informationen zum Netzwerk sind abrufbar auf der Seite:
https://padlet.com/netzwerkaufarbeitung/netzwerk-p-dagogische-aufarbeitung-der-corona-zeit-kow5p1819im4so0l
Siehe auch:
Plädoyer für eine neue Aufklärung – Teil 1:
Die Wissenschaft nach Corona: Eine – wegbrechende? – Säule der Moderne
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29211
Plädoyer für eine neue Aufklärung - Teil 2:
Freiheit, Gerechtigkeit und Wagemut – Der Kampf für Wissen und Wahrheit und die Lust am Denken - Oder: Woran die Aufklärung uns erinnern sollte
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29215
Online-Flyer Nr. 840 vom 14.12.2024
Druckversion
Kultur und Wissen
Plädoyer für eine neue Aufklärung - Teil 3: Freiheit nach Corona?
Über einige Elemente und Ursachen demokratischen Vernunftzerfalls
Essay von Bernd Schoepe
Es erwartet Sie in diesem Essay von Bernd Schoepe ein zeitkritischer Parcours in zwei Durchgängen. Der hier folgende erste behandelt: "Umgekehrter Totalitarismus: das Resultat des modernen Neoliberalismus?", "Die kritische Masse und die neuen aktiven Lebensformen der Demokratie" sowie "Die Folgen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz im Dienst eines kapitalgetriebenen Globalismus".
- „Der Exilant steht sowohl innerhalb als auch außerhalb der Ordnung. (…) Für jeden, der Augen hat, ist es in der Tat offensichtlich, dass die Staaten, in denen wir leben, in eine Situation der Krise und des fortschreitenden, unaufhaltsamen Zerfalls aller Institutionen geraten sind. In einer solchen Situation, in der die Politik verschwindet und der Wirtschaft und Technologie Platz macht, ist es fatal, dass die Bürger de facto zu Exilanten in ihrem eigenen Land werden. Es ist dieses innere Exil, das heute zurückgewonnen werden muss, indem es von einem passiv ertragenen Zustand in eine gewählte und aktiv betriebene Lebensform verwandelt wird. Wo die Bürger sogar die Erinnerung an die Politik verloren haben, können nur diejenigen Politik machen, die sich in ihrer eigenen Stadt im Exil befinden. Und nur in dieser Gemeinschaft der Exilanten, verstreut in der formlosen Masse der Bürger, kann so etwas wie eine neue politische Erfahrung hier und jetzt möglich werden.“ (Giorgio Agamben, aus: „Das Exil und der Bürger“, 2024)
„Der Sieg über autoritäre Systeme aller Art wird nur möglich sein, wenn die Demokratie nicht den Rückzug antritt, sondern die Offensive ergreift und das in die Wirklichkeit umsetzt, was all jene im Sinn hatten, die in den vergangenen Jahrhunderten für die Freiheit gekämpft haben. Sie wird nur dann über die Kräfte des Nihilismus triumphieren, wenn sie die Menschen mit dem stärksten Glauben erfüllen kann, zu dem der menschliche Geist fähig ist: mit dem Glauben an das Leben und an die Wahrheit und an die Freiheit als der aktiven und spontanen Verwirklichung des individuellen Selbst.“ Erich Fromm, aus: „Die Furcht vor der Freiheit“, 1941)
Vom „Rasenden Stillstand“ zur „Rasenden Regression“
Der „Rasende Stillstand“ (117), über den der französische Philosoph Paul Virilio (1932-2018) am Ende der 1980er Jahren als Erkennungszeichen einer Kultur nachdachte, die den eigenen Niedergang durch negative Spiraleffekte einer immer aggressiver die Lebenspraxis (118) vereinnahmenden Übertechnisierung und Mediatisierung schon vor Augen geführt bekam, dieser rasende Stillstand hat sich mittlerweile auf nahezu allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens in „Rasende Regression“ verwandelt.
Längst befinden wir uns in medialer Dauerschleife auf der alle Sinne und geistigen Orientierungsmarken durcheinanderwirbelnden und betäubenden schock-und katastrophenkapitalistischen Achterbahn. In immer schnellerem Tempo und mit immer ruckartigeren, disruptiven Bewegungen, grundstürzenden Loopings, kamikazeartigen Kapriolen, schwindelmachenden Um- und Überdrehungen, droht sie uns vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Denn der Katastrophenkapitalismus, wie er in Naomi Kleins grundlegender und umfassender Studie „Die Schock-Strategie“ (119) über die neoliberale Globalisierungsagenda eine deren Abgründe genau sezierende Deutung erfahren hat, braucht die Katastrophen und das Katastrophische wie der anämische Vampir das jungfräuliche Blut. Nur so – mittels systematischer Angsterzeugung – kann er sich sein schattenhaftes und parasitäres Dasein erhalten.
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben, dessen Denken u.a. stark von Hannah Arendts „Philosophy of Totalitarianism“ beeinflusst wurde und in dessen Werk die auf den französischen Philosophen Michel Foucault zurückgehende Biopolitik eine unabgeschlossene Deutung (120) erfahren hat, bemerkte schon einige Jahre vor dem Pandemieereignis in einem Interview:
„Heute ist die Krise zum Herrschaftsinstrument geworden. Sie dient dazu, politische und ökonomische Entscheidungen zu legitimieren, die faktisch die Bürger enteignen und ihnen jede Entscheidungsmöglichkeit nehmen. […] Die europäischen Bürger müssen sich klarmachen, dass diese unendliche Krise – genau wie der Ausnahmezustand – mit der Demokratie inkompatibel ist.“ (121)
Nach Auffassung des Schriftstellers und Journalisten Jan David Zimmermann hat Corona gezeigt,
„dass alle sozialen Ausdifferenzierungen, die wir in den letzten 50 bis 70 Jahren erlebt haben und die eine Zunahme an Ordnung, eine Zunahme an Toleranz und höheren Werten, ja, vielleicht eine Zunahme an Zivilisiertheit und Achtsamkeit suggerieren sollen; dass all diese Errungenschaften und gesellschaftlichen ‚Fortschritte‘ mit einem mal auseinanderstieben, brüchig und fragil erschienen. (…) Recht wurde zu Unrecht, Gut zu Böse, Widerstand zum Querulantentum und Denunziation zur Tugend.“ (122)
Der von Zimmermann beschriebene Zusammenbruch, der sich durch die erfolgte Umwertung aller Werte im Kontext, aber mehr noch im Subtext des Pandemiemanagements ereignete, ist in Wirklichkeit jedoch keineswegs so unversehens-abrupt über uns gekommen, wie es der jäh einsetzende SARS-CoV-2-Virus-Alarm suggerierte: Vielmehr weist er eine lange Vorgeschichte auf und geht auf Übungen in Feldern zurück, die von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge weit entfernt liegen. Mit „Übungen“ sind also nicht in erster Linie die Pandemie-Planspiele im Rahmen der Global Governance-Aktivitäten von „Dark Winter“ im Jahr 2001 bis „Event 201“ im Oktober 2019 gemeint, auch wenn diese für die spezielle Preparedness des hier in Rede stehenden „Events“ fraglos eine wichtige Rolle spielten (123).
Schon in den 1980er und 90er Jahren nahmen die Prozesse der Aushöhlung und Entkernung der Demokratie – bekannt geworden und seither unter dem Stichwort der „Postdemokratie“ erörtert (124) – das Wort ist wohl eine Schöpfung des englischen Politikwissenschaftlers Colin Crouch – Fahrt auf, wurden als Bedingungen für einen sich ausformenden „umgekehrten Totalitarismus“ (Sheldon Wolin) diskutiert. (125)
Aus Sicht des französischen Anthropologen und Historikers Emmanuel Todd stellt sich heute die Lage so dar, dass „der Gedanke der westlichen Demokratie in ihrer finalen Krise nichts Exzentrisches oder Marginales mehr an sich hat.“ Der Gedanke, „dass wir in einer Postdemokratie leben“ sei inzwischen „banal und wird, wenn auch mit Abstrichen, von einem guten Teil der Intellektuellen und Politiker geteilt“, kurz: „(...) er ist zum Allgemeinplatz geworden.“ So äußert sich Todd in seiner lesenswerten, ebenso provokanten wie vergnüglichen Ketzerschrift „Der Westen im Niedergang“. (126)
Er ergänzt, dass der nihilistische Nullpunkt dieser Entwicklung allerdings erst kürzlich erreicht worden sei, und zwar dadurch, dass der Westen als Grund für seinen Krieg gegen Russland wegen der Ukraine vorgebe, „eine Demokratie zu verteidigen, die es nicht mehr gibt.“ Folglich sieht er in diesem Krieg dann auch die „liberale Oligarchie“ der USA und ihrer Satelliten die „autoritäre Demokratie“ Russlands bekämpfen.
Die von Crouch („Post-democracy“, 2003), Wolin („Inverted totalitarianism“), Todd („Après la dèmocratie“, beide 2008) u.a. herausgearbeiteten Funktionsänderungen und Bedeutungsverschiebungen innerhalb der Kräfteverhältnisse und in Bezug auf die Interdependenzen zwischen der Ökonomie, den politischen Institutionen sowie der Kultur- und Moralentwicklung, führten dazu, dass der demokratische Souverän zunehmend „auf sanftem Weg“, d.h. meist heimlich, still und leise, seiner Einflussmöglichkeiten und Rechte beraubt und entmündigt wurde.
Der eigentliche postdemokratische Zaubertrick bestand darin, dass die weit überwiegende Mehrheit der Subjekte, die dem hegemonialen Einfluss neoliberaler Ideologie zu Opfer fielen und weiter fallen, sich dieses Programm zu eigen macht(e)n, es scheinbar widerstandslos, geschmeidig fast, internalisier(t)en. Das heißt, sie begannen selbst daran zu glauben, nahmen es als etwas Positives auf und verwandelten sich diesem an. Nunmehr wachen sie selbst streng über die Einhaltung eines Dispositivs, das sie effizienter und umfänglicher als alle früheren Instrumente und Strategien des Kapitals zusammengenommen, ausgerechnet durch Verführung (Nudging), auszubeuten vermag.
Denn die neoliberalen Selbsttechniken waren und sind darauf angelegt, aus Fremdzwang Selbstzwang zu machen. Die Pointe dieser Umwandlung besteht darin, dass die Subjekte paradoxerweise aufhören, die verinnerlichten Zwänge noch als solche zu empfinden. Vielmehr halten sie sie im Neoliberalismus fatalerweise für den Ausdruck von Freiheit.
Daher erscheint es nur logisch, dass die neoliberale Herrschaftsmoral am besten durch Paradoxien auf einen Nenner gebracht werden kann, von denen die Paradoxie „Freiheit als Unterwerfung“ – so der Titel eines Buches von Patrick Schreiner über das „Leben im Neoliberalismus“ (127) – eine besonders treffende sein dürfte. Heute lässt sich sagen, dass die psychische Konversion des Fremdzwangs in Selbstzwang, die die neoliberale Menschenregierungstechnik als systemstabilisierende und systemerweiternde Aufgabe verfolgt und die als „Change Management“ in Verwaltungen, Schulen, Universitäten, Unternehmen, Kirchen, Verbänden heute ihr Unwesen treibt (bei Konversionen solcher Ausmaße muss immer etwas nachgeholfen werden), am Ausgangspunkt der Matrix steht, durch die sich unsere Gesellschaft immer weiter von der Vernunft als dem (schon früher unter anderen Vorzeichen fragwürdigen) Fundament bzw. der regulativen Idee unseres Zusammenlebens entfernt hat.
Vier maßgebliche Aspekte heutiger Herrschaft
Diese Matrix wird seit geraumer Zeit von mindestens vier Aspekten bestimmt, durch die die disruptive Transformation im Inneren der Gesellschaft vorangetrieben wird:
Erstens der an Orwells “1984” gemahnende Neusprech (128): „War is peace. Freedom is slavery. Ignorance is strength“. Er wird für die Neukodierung der Gehirne benutzt. Schockartige Ereignisse sollen helfen, neue Wahrnehmungsweisen und Adaptionsleistungen hervorzubringen, die dem Krisen- und Katastrophenmodus besser angepasst sind. Wiederholungen und Auslassungen, die zu fragmentierter Wahrnehmung führen, gehören dabei zu den wichtigsten Techniken dieser Art von „schöpferischer“ Wirklichkeitszertrümmerung.
Zweitens die kognitive Kriegsführung (cognitive warfare) als fortschrittlichste Form der Manipulation für verhaltensändernde Dispositive. Sie speist sich aus Erkenntnissen der Psychologie, Soziologie, der Medien- und Neurowissenschaften sowie des Marketings und nimmt in übergriffiger, mit der Demokratie nicht vereinbarer Weise – Demokratie beruht auf einem egalitären und machtsymmetrischen Ordnungsgedanken und ist für ihr Funktionieren auf mündige Bürger angewiesen, die sich unabhängig von Manipulationsmethoden ihr eigenes Urteil bilden können müssen – das Denken, Fühlen und Verhalten ins Visier, um den Menschen besser beherrschbar zu machen.
Drittens das sog. New Normal, das die Zerstörung des geschichtlichen Bewusstseins impliziert (129). Vorbild liefert hier das Orwellsche „Ministerium der Wahrheit“, in dem fleißige Bienenarbeiter unablässig damit beschäftigt sind, Geschichte so umzuschreiben, dass sie möglichst bruchlos an die volatilen politischen Opportunitäten und Ziele der Gegenwart angepasst werden können. Denn, wie es in 1984 heißt: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Viertens der mit den drei anderen Aspekten in Beziehung stehende Wokismus und die Cancel Culture, die zusammen Oberhand über die Kommunikation (und damit das Denken) in der Gesellschaft gewinnen wollen. Beide Phänomene führen zu einer Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit und engen die Debattenräume stark ein. Darüber hinaus wird eine Neudefinition des Sagbaren angestrebt. Anhänger und Apologeten des Wokismus und der Cancel Culture sind Überzeugungstäter, sie fühlen sich den anderen moralisch überlegen und daher dazu autorisiert, die Gesellschaft sprachpolizeilich zu überwachen. Beide produzieren fortwährend Diskurs-Verelendungen und demokratische Widersinnigkeiten am laufenden Band und richten das rar gewordene und daher hart umkämpfte Gut gesellschaftlicher Aufmerksamkeit auf identitätspolitische Scheindebatten, die von gesellschaftlichen Minderheiten (die selbst dafür instrumentalisiert werden, diese Instrumentalisierung und Korrumpierung ihrer Ziele aber aufgrund ihres Bedarfs nach Anerkennung und ihrer postmodernistischen Prägung nicht durchschauen) der Mehrheit aufgedrückt werden sollen. Fatale Folge: Der politische Streit und der freie Austausch der Argumente wird ins Moral-Gefängnis (Michael Andrick) weggesperrt (130).
In allen vier Punkten geht eine Psychologie zu Werk, die ich als die Psychologie der Auslöschung und des Überschreibens bezeichnen möchte. Man trifft sie im Herzen des schon erwähnten Change-Managements an, ihr Wirken wird in der Regel aber kaum wahrgenommen und, wenn es wahrgenommen wird, dann meist verkannt. Dass das nicht zufällig geschieht, habe ich an anderer Stelle am Beispiel der Schulen näher ausgeführt. (131)
Für unseren Zusammenhang genügt der Hinweis, dass diese Psychologie beim Subjekt stets am Punkt heftig erlebter Krisen ansetzt, die real oder aber real empfunden, also auch simuliert sein können. Durch den Stress, den eine Krise hervorruft, wird im Subjekt eine kognitive Blockade, ein Nicht-weiter-Wissen bei gleichzeitig vorliegendem gesteigerten Handlungsdruck erzeugt. Die bisherigen eingefahrenen, routinisierten Überzeugungen drohen dabei über Bord zu gehen. Das ist deshalb als dramatisch anzusehen, weil diese Überzeugungen identitätsverbürgend sind. Im Change-Management geht es vor allem darum diese existentielle Unsicherheit auszunutzen, um alle alten Werte und Bindungen auslöschen zu können. Nun sind es bei den öffentlichen Angelegenheiten oft gerade die Werte der Aufklärung, die besonders stark ins Visier dieser Auslöschungspsychologie genommen werden. Es ist die Eigenart von aufklärerischen Werten, für jeden argumentativen Widerspruch das intellektuelle Rüstzeug zu liefern. Aus Widersprüchen, sofern sie artikuliert werden können, kann sich dialektisch etwas Neues entwickeln. Jedoch sind Widersprüche im neoliberalen Setting gar nicht gefragt, weil die Krise, und das ist die eigentliche Pointe der ganzen Geschichte, nur dafür dienen soll, die fertigen Konzepte, die schon vorher in den Schubläden der neoliberalen Auftraggeber bzw. ihrer Change-Agenten lagen, herauszuziehen, und erfolgreich, möglichst eins zu eins umzusetzen.
Die armen, gebeutelten, um jeden Halt und jede Orientierung gebrachten Versuchspersonen greifen – so das Kalkül der Change-Manager – schon begierig nach dem Rettungsanker, den man für sie auswirft. Hält eine solche Blockierung nämlich (zu) lange an, geht sie schnell ans Eingemachte im Welt-und Selbstverhältnis des Subjekts. So kann die Phase des Überschreibens beginnen. Die durch die Change-Management-Mangel gedrehte Person macht sich ¬– gewissermaßen neu formatiert – die vorgefertigten Konzepte zur Krisenbeseitigung zu eigen, auch wenn sie wenig mit dem zu tun haben sollten, was sie glaubte, bevor sie so verunsichert und durch Change-Agenten weichgeklopft wurde.
Wenn diese Soft-Power-Methodik nun aber versagt, weil die Person von ihren Überzeugungen „auf die weiche Tour“ nicht Abschied nehmen kann oder will, muss zu härteren, sie disziplinierenden Mitteln gegriffen werden. Das nimmt dann ganz schnell Formen des Mobbings an und wie Mobbing-Geschichten dann in der Regel weitergehen und enden, ist ja allgemein bekannt.
Dass solche Methoden nichts mit Autonomie, Meinungs- und Entscheidungsfreiheit, mit Reflexion, Urteilsvermögen oder der Kraft des (besseren) Arguments zu tun haben, dürfte auf der Hand liegen. „Gegenargumentieren“ gilt in den behördlichen Unterweisungen zum Change-Management als Aggression. – Was besagt das?
Das besagt, dass mit den Change-Management-Methoden sämtliche Errungenschaften der Aufklärung torpediert werden (sollen). Rationalistische Normen und Werte und aufklärerisches Gedankengut werden nicht mehr offen auf der Ebene divergierender Interessen und Weltanschauungen zum Streitgegenstand gemacht und der Konflikt explizit als solcher behandelt. Stattdessen – und das ist das Neue daran – wird schon der Versuch ihrer Inanspruchnahme für einen streitbaren Diskurs systematisch hintertrieben, verhindert bzw. im Keim erstickt, weil der ganze Change-Prozess, vom Anfang bis zum Ende, jenseits aller bewussten Formen sachbezogener, argumentativer Auseinandersetzung abläuft. Man verweigert den (idealtypisch) herrschaftsfreien Diskurs nicht nur, der Diskurs als solcher löst sich quasi in Luft auf. Das Zynisch-Paradoxe dabei ist, dass sich das ganze Rationalitätsverhinderungs-Unternehmen terminologisch auch noch mit allerlei Versatzstücken aus dem Inventar der Aufklärung tarnt ¬– ein Blick auf Wortwahl und Rhetorik des Change-Managements genügt, um dies festzustellen. In Wahrheit sind diese ganzen Konzepte aber knallhart der Gegenaufklärung verpflichtet, ohne sich freilich auch nur andeutungsweise dazu zu bekennen. Das Change-Management – dessen Anwendungsbereich erstreckt sich, aufgrund der multiplen Krisen und der endemisch gewordenen Unsicherheitsgefühle, inzwischen auf die gesamte Bevölkerung – will Zustimmung also nicht auf einem rationalen, diskursiven und demokratischen Weg gewinnen, sondern verdeckt und manipulativ-gelenkt, „sanft“, d.h. möglichst unmerklich als unbedingte Affirmation erzwingen.
Zusammengefasst sind es, neben der gestiegenen ökonomischen Unsicherheit, gerade diese Wirkungsweisen aus dem Ensemble der vier, seit Beginn der Corona-Krise auffallend verstärkt in Erscheinung tretenden Elemente, die für den Eindruck verantwortlich sind, den gegenwärtige Politik massiv erzeugt: Den Eindruck einer gefährlich-abschüssigen Achterbahnfahrt, mit der wir, anscheinend ungebremst, in die tiefen Täler und Abgründe zeitgenössischer zivilisatorischer Regression hinunterrauschen. Mit voller Wucht rast der vollbesetzte Zug auf das Ziel der Zerstörung der Vernunft zu, jener Vernunft, die doch von den westlichen Demokratien stets voller Stolz – und stets auf einem Auge blind dabei! – für sich reklamiert worden ist.
Werfen wir im Folgenden nun einen Blick zurück auf einige Etappen, die uns auf diesen Zug gesetzt und dem demokratischen Vernunftzerfall näher und näher gebracht haben.
Mediatisierung und Entpolitisierung – Der Nährboden für einen umgekehrten Totalitarismus
Soziokulturell war für die Entpolitisierung der Gesellschaft, die mit Etablierung des kommerziellen Privatfernsehens verstärkt einsetzende und später durch den Aufstieg des Internets zum populärsten neuen Massenmedium zu beobachtende pseudo-individualistische, hedonistische Konsum- und Spaßkultur verantwortlich. Sie führte zu einer Infantilisierung der Individuen bei gleichzeitiger Verschärfung der (Über-)Lebensbedingungen durch mehr ökonomische Unsicherheit und Steigerung des Konkurrenz- und Leistungsdrucks. Dies war direkte Folge der Einführung des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zu Beginn der 1980er Jahre. Auf der Rückseite, als Effekt jener „Tyrannei der Intimität“, in deren Namen die privaten Kommerzsender die Hoheit über das eroberten, was die Republik bewegte, begann der „Verfall der Öffentlichkeit“ (Richard Sennett) seine Wirkung zu tun.
Wenn unter Kultur der Kanon dessen verstanden wird, was Menschen für wichtig halten (und dementsprechend kollektiv libidinös besetzen) dürfte klar sein, dass wir seit Beginn der Tutti-Frutti- und Trash-Talk-Sendeformate, die – um mehr Werbeeinnahmen zu generieren – das Privateste im Brutalismo-Stil in die Öffentlichkeit zerrten und einem voyeuristisch getriggerten Publikum zum Fraß vorwarfen, geradewegs in Richtung Unkultur gesegelt sind. Der massenmedial gehypte hedonistischen Konsumismus sowie die daraus entstandenen Kulte außengeleiteter, den Gesetzen der Warenästhetik gehorchender Individualisierung und Neotribalisierung, prägten einen neuen sozialen, postmodernen Konformismus aus, der unser Land faktisch im Rückwärtsgang veränderte. Seine Formen verdichteten sich mit der Zeit zum neoliberalen Sozialcharakter. Dem neoliberalen Sozialcharakter ist politische Apathie inhärent. So konnte es kaum verwundern, welch große Verbreitung und Akzeptanz die Entpolitisierung nach erfolgter Deregulierung der Medien und der weitgehenden Aufgabe ihres Bildungs- und Informationsauftrags in der Bevölkerung fand (die im Übrigen pars pro toto für die Deregulierungen im finanzgetriebenen Spätkapitalismus insgesamt steht).
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass das in jener Zeit, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch die Propagandisten des Westens, insbesondere aus den Reihen der US-amerikanischen Neocons (Neo-Konservativen) ausgerufene „Ende der Geschichte“, sozialpsychologisch gesehen auf fruchtbaren Boden fiel. Der angebliche „Triumph des Westens“ über die kommunistische (realsozialistische) UdSSR 1989/90 schien bestens dazu geeignet, die Leute einzulullen, indem man ihnen glaubhaft suggerieren konnte, dass mit dem Sieg des kapitalistischen Systems welthistorisch dessen Alternativlosigkeit besiegelt, vor allem aber auch dessen moralische Überlegenheit ein für alle Mal bewiesen war. Man sollte daher Neil Postmans „Wir amüsieren uns zu Tode“ von 1985 am besten auf der Folie von Francis Fukuyamas „Das Ende der Geschichte“ von 1989 (in Buchform 1992) lesen, um zu verstehen, wie der Abstieg des „freien“ Westens verlief.
Bald bestand Konsens darüber, Politik „uncool“ und „doof“ und politische Debatten „langweilig“, „unpassend“, „nervend“ und „unnütz“ zu finden. Dieser Konsens fand seinen Grund nicht zuletzt eben darin, dass ein von Mediatisierung, Digitalisierung und neoliberaler Vereinzelung geprägter, narzisstischer Sozialcharakter sich „stilbildend“ durchsetzte, der uns heute überall im Alltag und in der durch Social-Media dominierten Kultur und Öffentlichkeit begegnet. (132)
Entwicklung zur Post-Demokratie am Beispiel der Schule
Um an diese Stimmungslage und ihre Folgen mit einer persönlichen Bemerkung zu erinnern, möchte ich ein Beispiel geben, was zeigt, wie große Politik sich bisweilen im Mikrokosmos der eigenen beruflich-biographischen Erfahrungen spiegeln kann. Allerdings war es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht möglich, die erlebten Vorgänge vollständig und objektiv richtig zu deuten und sie im zeithistorischen Kontext entsprechend zu verorten, da man noch nicht über die dafür notwendigen Begrifflichkeiten zur Interpretation der Phänomene in einem dafür zunächst einmal historisch zu rekonstruierenden Bedeutungshorizont verfügen konnte. Spürbar wurde für mich die Entpolitisierung durch die zunächst unmerklich schleichend vor sich gehende Erosion der Diskussionsbereitschaft und Debattenkultur in den Lehrerkonferenzen. Sie setzte um 2005 ein und führte, nachdem nur wenige Jahre danach der Kipppunkt erreicht war, zu einem völligen Wegbrechen der politischen Diskurse an den Schulen – eine Situation, an der sich bis heute nichts geändert hat und dort im Übrigen auch aktuell die Aufarbeitung des Corona-Unrechts verhindert. Diese Prozesse spielten sich wohlgemerkt innerhalb von nicht einmal zehn Jahren ab. Länger sollte es nicht dauern, bis es gelungen war, die Kollegien (denen vorher noch Mitbestimmungs- und Vetorechte zugestanden wurden) vollständig zu entmachten und politische Debatten innerhalb der Lehrerschaft und ihrer schulischen Gremien und Foren zum Schweigen zu bringen.
Damit war an den Schulen der Paradigmenwechsel vollzogen, mit dem die Logik der Verbetriebswirtschaftlichung und des Marketings sowie der Glaube an die (sowohl individuelle als auch auf die einzelne Schule als angeblich „selbstverwaltete“ Entität ausgerichtete) Selbstoptimierung Einzug in die Schulen und Hochschulen hielt und das Regiment über alles Pädagogische bzw. Wissenschaftliche übernahm. Seitdem haben Pseudo-Wettbewerbe und künstliche Märkte das Fundament eigengesetzlicher Professionslogik und Professionsethik so stark ausgehöhlt, dass eine sachgemäße Bearbeitung pädagogischer oder wissenschaftlicher Probleme innerhalb der Institutionen nicht mehr oder nur noch in den Formen einer (karriereschädlichen) Verweigerung, Subversion oder als mehr oder minder offener Widerstandsakt ablaufen. Damit stößt man allerdings schnell an seine Grenzen bzw. wird ständig auf sich selbst zurückgeworfen. Dieses Agieren wird meist von den Betroffenen als sehr zermürbend empfunden, weil die berufsethische Reflexion über das Wesen, die Struktur und die Ziele von Bildung, öffentlicher Erziehung bzw. Wissenschaft und Forschung zugleich allgemein gestundet wurde.
Zwar sind die Ergebnisse dieser Rationalitäts-Zurückweisung- und Realitätsverleugnung bekannt (sie lassen sich kaum noch alle unter den Teppich kehren), werden aber ignoriert, schöngeredet, achselzuckend hingenommen oder mit Placebos scheintherapiert. Das verschärft die Krisen natürlich weiter. So wird die fehlgeleitete Praxis in einen Teufelskreis getrieben.
Enttäuschte Internet-Hoffnungen und die Zäsur durch die Pandemie-Erzählung
Die kleine persönliche Reminiszenz an die Lehrerkonferenzen habe ich hier mit einfließen lassen, weil meines Erachtens damit Sheldon Wolins Beurteilung des Verhältnisses zwischen Fernsehkultur und Postdemokratie und seine Sicht auf das, was aus diesem Verhältnis für das Politische resultiert, gut illustriert werden kann:
„(D)er umgekehrte Totalitarismus (...) gedeiht (...) auf einer politisch demobilisierten Gesellschaft, das heißt einer Gesellschaft, deren Bürger – weit davon entfernt, von den Funktionären des Regines in einen ständigen Rausch“ (wie beim klassischen Totalitarismus des 20. Jahrhunderts, Anm. B.S.) „gepeitscht zu werden – politisch lethargisch sind (...). In den USA gehen ungefähr die Hälfte bis zwei Drittel aller Wahlberechtigten nicht zur Wahl, was die Kontrolle der ‚aktiven’ Wählerschaft sehr viel einfacher macht. Jeder apathische Bürger ist ein stiller Rekrut für die Sache des umgekehrten Totalitarismus. Doch ist Apathie nicht einfach nur das Ergebnis einer Fernsehkultur. Auf ihre spezifische Weise ist sie auch eine politische Antwort. Die einfachen Bürger sind Opfer einer Konterrevolution geworden (...). (133)
Das Internet hat diese Apathie einerseits verschärft, andererseits aber auch neue Möglichkeiten zu ihrer Überwindung geliefert. Denn das Internet hat die Gate-Keeper-Funktion aus dem Zeitalter der klassisch-modernen Medien – welche da hieß: wenige „autorisierte“ Sender, viele Empfänger – aufgehoben und schuf mit der Multiplizierung der Sender (dadurch, dass strukturell gesehen, jeder Empfänger selbst auch zum Sender werden kann) ein Modell multipler, pluralistischer und (basis-)demokratischer Teilhabe und Mitgestaltung (an) der postmodernen „Informationsgesellschaft“ – virtuell zumindest.
Digitalität und radikale Demokratie schließen sich nicht unbedingt aus, wohl aber unter vermachteten Strukturen im neoliberalen Spätkapitalismus. Nimmt man die Meinungsfreiheit als Lackmustest für das Vorhandensein lebendiger demokratischer Strukturen und Gewohnheiten, kam die horizontale Informations-, Meinungs- und Diskurspluralisierung im Internet ¬– allerdings nur bis zu dessen Privatisierung durch das große Kapital, das schon bald viel Geld in die Plattformökonomien zu investieren begann – tatsächlich einem, wenn auch nur vorübergehenden, Demokratisierungsschub gleich.
Darüber hinaus offenbarten sich in den Ereignisreihen, die im Zeichen der Covid-19-Infektionskrankheit die letzten vier Jahre bestimmten, tiefe und einschneidend wirkende Imprägnierungen. (Mit Imprägnierung ist hier die mehr oder weniger verdeckt operierende, autoritär-manipulative Behandlung der Bevölkerung nach dem Top-down-Prinzip gemeint). Diese fordern dazu auf, eine Vielzahl an Hypothesen und heuristischen Interpretationen zu entwickeln und zu überprüfen, um nachträglich ein kohärentes Gesamtbild von der Pandemiezeit zu erhalten. Der Mainstream jedoch will von den diesbezüglichen Deutungen, Recherche und Erklär-Ansätzen nichts wissen. Er hängt immer noch an den Bildern, die uns vorgegaukelt wurden: Die Szenerie erinnert an Platons Höhlengleichnis, in dem am Kopf und den Händen gefesselte Höhlenbewohner im Halbdunkel einem illusionären Schattentheater folgen müssen.
Und das, obwohl mit Beginn der Ausrufung des Pandemie-Notstandes das ganze Leben in eine neue Zeitrechnung „vor“ und „nach Corona“ zerfallen ist und diese „Zeitenwende“ nichts Geringeres als eine neue Weltordnung im Gepäck hatte. Ihr zufolge hat die „alte Normalität“ ausgedient und muss daher von einer sog. „neuen Normalität“ abgelöst werden (134). Anscheinend ficht es einen Teil der Bevölkerung nicht an, dass diese Zäsuren, erst die Corona-, jetzt die Ukraine-Zeitenwende (und auch bei der Klima-Krise wird schon danach gerufen...) von den politischen Hauptakteuren proklamiert, also quasi par ordre du mufti erlassen werden, während echte Zeitenwenden doch immer erst nachträglich durch die Arbeit der Historiker rekonstruiert, ermittelt und festgestellt werden können. Doch solange konnte und kann nicht gewartet werden, will man (nach Annalena Baerbock) einen Politikwechsel um „360 Grad“ bewerkstelligen.
Mit der Steuerung der Bürger, die von den Regierungen gezielt und konzertiert während der Corona-Zeit in eindeutig manipulativer, sie täuschender Absicht, wie wir heute wissen, unternommen wurde, wurde zugleich eine neue soziale Demarkationslinie gezogen und zur harten gesellschaftlichen Wirklichkeit gemacht. Natürlich ist staatliche Propaganda als Mittel der Politik nichts Neues, wohl neu war im Fall der Covid-19-„Pandemie“ aber das Ausmaß, die Reichweite und der Grad an koordiniertem Vorgehen. Es setzte einen transnational organisierten und arbeitenden persuasiven Apparat und eine ebensolche Logistik voraus, damit sie überhaupt für annähernd die ganze Welt Realität werden konnte. Das geschah tatsächlich auch, wenn man an die Lockdowns in zahlreichen Ländern denkt. Von den westlichen Industrieländern scherte bekanntlich nur Schweden aus, das ganz auf strengere Maßnahmen verzichtete, aber eine insgesamt bessere Corona-Bilanz als z.B. Deutschland vorzuweisen hat. Schweden blieb auch der einzige Staat, der seinen ab März 2020 seinen nationalen Pandemieplan tatsächlich befolgen sollte, während alle anderen Länder sich über ihre eigenen Katastrophen- und Notfallpläne hinwegsetzten.
Die geschaffene Demarkationslinie trennt nunmehr zwei Seinsweisen klar voneinander ab: die des republikanisch-mündigen Bürgers (Citoyen) versus des durch Angsterzeugung und Nudging willfährig gemachten Objekts technokratischer (szientistischer) Steuerung. Der Bürger, der erfolgreich zum Objekt optimierter propagandistischer Beeinflussung gemacht werden kann, steht noch unterhalb der Rationalität, die, Rousseaus klassischer Definition gemäß, der Bourgeois für sein zweckrationales Handeln beanspruchen darf, während der republikanische Citoyen sich am Gemeinwohl, der volontè gènèrale orientiert.
Wenn dies als das neue Modell implementiert wird, nach dem die Individuen „krisenresilient“ gemacht werden, muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass aufklärerisches Denken und Handeln bzw. deren noch auffindbare Restbestände innerhalb herrschender gesellschaftlicher Praxis damit ganz in das finale Stadium ihrer Obsoleszenz eintreten werden.
Die Bürger wurden im sog. Gesundheitsnotstand mit Hilfe der Medien zu Untertanen eines hygienepolitischen Regimes degradiert. Dessen Regeln und Anordnungen dürften „nie hinterfragt“ werden, so der damalige RKI-Präsident Wieler (135). Das volkserzieherische Gebot des Tierarztes sitzt bis heute offenbar tief in der klischeehaft (?) typisch deutschen Untertanen-Seele.
Belobigungen und Vorteile gab es nur für die Gehorsamen. Denen, die sich „impfen“ ließen, spendierte man Bratwürste. Darüber kamen die „Geimpften“ in den Genuss von allerlei Vorrechten, die bis dahin Selbstverständlichkeiten waren, die für alle galten. So durften die Geimpften z.B. die eingezäunten, streng kontrollierten und bewachten Weihnachtsmärkte besuchen, die „Ungeimpften“, nach der 2 G plus-Regel, nicht. Ergebnis dieser spalterischen Politik: Die Regierungen haben per Erlass und Verordnungen, also auf dem Verwaltungsweg, letztlich allen, „Geimpften“ und „Ungeimpften“, ihr Bürger-Sein abgesprochen. Denn sie hebelten die Grundrechte aus und pervertierten sie zu einem Privileg, das der Staat dem einen gewähren und dem anderen nehmen darf. Damit reduzierten sie die Politik und die vormaligen Bürger in ihrer dem Grundgesetz nach doch „unantastbaren“ Würde, getreu der Losung: „Not kennt kein Gebot!“, auf das nackte Überleben (-Wollen).
All das geschah evidenzlos, d.h. ohne Gründe, die einer strengen wissenschaftlichen Prüfung standhalten, was wir nicht erst seit den veröffentlichten Protokollen des Robert-Koch-Instituts wissen (können). Dieses Wissen war bereits im Frühjahr 2020 verfügbar bzw. lag spätestens im Anschluss an den ersten Lockdown im Frühsommer 2020 vor. Das hinderte die Entscheidungsträger nicht daran, alle Gegenargumente, Einsprüche und Warnungen einfach zur Seite zu wischen bzw. sich vorsätzlich über sie hinwegzusetzen.
Generell sollte angemerkt werden: Was den Wesensgehalt und die Struktur der Dynamik dieser Zeitenwende anbelangt, so lassen sich die Imprägnierungen der Lebens-und Denkprozesse der Subjekte (Imprägnierung hier verstanden als ihre mehr oder weniger verdeckt autoritär-manipulierende Behandlung nach dem Top-down-Prinzip) wirklich gehaltvoll allerdings nur dann aufschließen und analysieren, wenn man die ihnen zugrunde liegenden Prozesse als dialektische und hochambivalente dechiffriert.
Tatsächlich spielt die Negation in Gestalt des Bösen, darauf hat eindrücklich die Aktions-Künstlerin und Mitbegründerin der Fluxus-Bewegung Mary Bauermeister (1934-2032) in einem Interview kurz vor ihrem Tod hingewiesen, für Erkenntnisvorgänge eine sehr wichtige Rolle. Um uns über den speziellen Part des Bösen im Erkenntnisakt Klarheit zu verschaffen, müssen wir kurz das Reich der Metaphysik betreten – oder es zumindest streifen. Aber auch dem Nicht-Philosophen wird das „faustische Prinzip“ etwas sagen, und diese Kenntnisse reichen schon aus, um Bauermeisters Gedanken verstehen zu können:
„Ohne das Böse kann gar kein freier Wille entstehen (...) Ich spreche hier von den negierenden Kräften. Denn wie heißt es im Faust so schön: ‚Ich bin ein Teil von dieser Kraft, die stets das Böse will und stets das Böse schafft.‘ Das ist auch die Erkenntnis der Wichtigkeit des Bösen: Letztlich, so habe ich zumindest das Gefühl, wird dieses vom Guten immer wieder eingemeindet und umarmt. (…) Das Böse ist da, damit wir erwachen.“
(136)
Ein kollektives Aufwachen und das „Gesetz der kritischen Masse“
Zur Dualität oder besser Doppelgesichtigkeit der sozialen Dinge (137) gehört, dass sich glücklicherweise nicht erst seit unserer Ankunft im Post-Corona-Interregnum – diesem merkwürdig-schwebenden, transitorischen Raum zwischen Vergangenheit und Zukunft, in dem wir uns orientierungslos, eines festen, angestammten Ortes beraubt, seit der Beendigung der Panik-Pandemie wiederfinden – auch gegenläufige Entwicklungen beobachten lassen, die alle eins gemeinsam haben: Sie reagieren aktiv auf den von Crouchs, Wolin, Todd u.a. festgestellten Schwund an demokratischer Substanz, der durch Corona definitiv aus seiner Latenzphase getreten ist.
Es ist es bemerkenswert zu sehen, wie viele Zeitgenossen durch die Covid-Panikmache schon aufgewacht sind. Ungleich der 2010er Jahre, wo in der bundesrepublikanischen Gesellschaft Stagnation aufgrund einer sehr weit verbreiteten Politik-Abstinenz herrschte, kann die große Menge an politischer Beteiligung von unten, seien es Versammlungen/Demonstrationen, wiederkehrende Aktionen, Veranstaltungen, öffentliche Diskussionen, Anhörungen, Symposien etc. einschließlich ihres ganzen publizistischen Begleitorchesters, geradezu freudiges Erstaunen hervorrufen. Des Weiteren die Menge an Organisations- und Vereinsgründungen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements, insbesondere für die gesellschaftsrelevanten Themen, die seitens der etablierten Politik von einem Bannstrahl betroffen sind und in den Leitmedien immer noch tabuisiert werden. All dies lässt Rückschlüsse auf Bewusstseinsprozesse zu, die bei zahlreichen Individuen zur Politisierung führ(t)en.
Auch die Anzahl oppositioneller politischer Gruppen deutet darauf hin. Sie bieten und verbreiten analog und auf den Kanälen der Sozialen Medien Informationen sowie Angebote zum Mitmachen und Sich-Vernetzen und tragen so zu einer freien, möglichst ungehinderten und kontroversen Meinungsbildung bei, ähnlich wie es die alternativen Medien auf ihre Weise tun. Letztere werden zunehmend als die überzeugende und bessere Alternative zum Mainstream-Medienangebot wahrgenommen und können durch investigativen Journalismus punkten, der aus dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in ihre Redaktionen ausgewandert zu sein scheint (Multipolar-Magazin, TichysEinblick, NachDenkSeiten z.B.). Diese Bewusstwerdung zieht schweren Steinen gleich, die ins Wasser geworfen werden, weite Kreise. Zudem tauchen nicht selten dank dieser Prozesse individuelle Zeugnisse von lebensgeschichtlich spannenden Wandlungen, Brüchen, Kehren und Neuanfängen an der Oberfläche auf, die menschlich anrührend sind und anderen Menschen Mut geben, die sich auch auf diesen Weg gemacht haben.
Aus dem Bild ragen neben diesen persönlichen Geschichten, die hoffentlich demnächst einmal von Soziologen und Psychologen unvoreingenommen erforscht werden, die Beobachtungen zur demographisch breiten Streuung des Protestes heraus. Unterschiedliche Menschen aus z.T. sehr heterogenen sozialen Milieus haben in dieser Bewegung zusammengefunden und gehen mutig neue Wege vom (isolierten) Ich zum (noch dissidenten) Wir. Inzwischen bestätigen soziologische Untersuchungen zur Bewegung der Corona-Maßnahmen-Kritiker, wie wenig das Framing der angeblich „rechtsextremen Corona-Leugner“ mit der Realität zu tun hatte:
„Die Leute, die damals auf der Straße agierten, wurden in einer Studie der Basler Universität zur „Politischen Soziologie der Corona-Proteste“ als politische Normalos identifiziert: ‚Aus der Mittelschicht, eher älter und akademisch gebildet’, seien sie, belegte die Studie.“ (138)
Der Soziologe Nachtwey, der u.a. die Studie durchgeführt hat, hielt als ein überraschendes Ergebnis fest, dass der Protest gegen die Maßnahmen eher „eine Bewegung von links“ (139) sei. Dazu kann ich nur sagen Gewiss jeder, der als teilnehmender Beobachter einmal einigermaßen vorurteilsfrei bei den maßnahmenkritischen Demonstrationen mitgelaufen wäre, wäre von diesen Studienergebnissen weit weniger „überrascht“ gewesen wäre.
Auch wo die Leute sehr verschiedenen sozio-biographischen Hintergründen entstammen, treffen sie sich seit Anbeginn der Proteste gemeinsam auf den Straßen und Plätzen der Republik, treten gemeinsam für Recht und Rechtsstaatlichkeit und seit dem Ukraine-und Gaza-Konflikt natürlich besonders auch vereint für Frieden und Diplomatie ein, zeigen immer wieder Präsenz und ergreifen das Wort für Freiheit und Selbstbestimmung. Sie engagieren sich in Graswurzel-Initiativen und Selbsthilfe-Gruppen, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Bürger mischen sich verstärkt so aufs Neue in die Politik ein. Sie handeln und definieren sich selbst wieder als Zoon politicon, als politische Wesen – sehr zum Verdruss der Politiker in ihrer Repräsentationsblase. Diese erklären den neuen demokratischen Populismus, vor allem aus Angst vor dem Verlust ihrer Pfründe, sogleich zum Feind und beleidigen und bedrohen den Souverän, den Wähler, durch ständiges Schwingen der Nazi- und/oder Putin-Keulen.
Die Aufgewachten – auch das zählt zur Ambivalenz der Phänomene – stehen dabei in einer lockeren, durch den Neoliberalismus teils aber verschütteten, teils mutwillig unkenntlich gemachten Traditionslinie und Kontinuität zu den Protestkulturen und Graswurzelbewegungen der 1960er bis 1980er Jahre. Diese brachten mehr als nur einmal die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Tanzen. Diese inneren Verwandtschaften werden jedoch sichtbar, sofern man sich der Mühe unterzieht, den Ähnlichkeiten hinter dem ideologischen Schleier nachzuspüren und sich dabei durch Denkverbote nicht beirren zu lassen.
Mit der Renaissance des Politischen, wächst auch die Zuversicht, dass eine Wiederbelebung der Aufklärung durch eine Neubesinnung auf ihre Werte und Ziele gelingen mag. Nach vielen Jahre der Apathie und Gleichgültigkeit keimt ebenfalls neue Hoffnung auf, dass sich Politik in Zukunft – sofern die Weichen dahingehend in nächster Zeit gestellt werden können – in ihren Handlungen und Entscheidungen wieder stärker von der Vernunft leiten lässt. Auch der sehnliche Wunsch, dass Politiker sich mit mehr Augenmaß um einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen, im Gemeinwesen existierenden Interessen, bemühen sollten, würde dann nicht länger ungehört bleiben.
Apropos „vernünftiges politisches Augenmaß“ und „gerechter Ausgleich“:
Damit sind, neben den fehlenden Möglichkeiten demokratisch zu partizipieren, jene Aspekte angesprochen, die die Bürger heute wohl am schmerzlichsten vermissen, wenn sie über die Abgehobenheit der Politiker sprechen und sie kritisieren.
Der Schriftsteller Thomas Eisinger hat darauf hingewiesen, dass
„zum ersten Mal in der Geschichte so viele Menschen Bescheid wissen über Propaganda, zum ersten Mal sich Menschen selbstbestimmt informieren können“.
Dies führt er darauf zurück, dass
„die großen (...) Medien ihre Gate-Keeper-Funktion verloren haben. (140)
Zur Frage des Agens, der Dynamik, die hinter diesem Mobilisierungsprozess steht, durch die von der Erkenntnis über ein vernetztes und tieferes Wissen ein großer Bogen bis hin zum aufgeklärten und autonomen Handeln beschritten wird, äußert Eisinger sich so:
„Immer ist es eine Minderheit, die vorangeht. Die Pioniere, Abenteurer, Entdecker, die heute keine Kontinente mehr bereisen, sondern neue Formen des Zusammenlebens- und -arbeitens. Dahin fährt der Zug, ein paar sitzen ganz klar vorne, ein paar sorgen für Treibstoff und die Versorgung und viele fahren neugierig mit.“ (141)
Viele Indizien deuten darauf hin, dass die Protestbewegung gegen die Covid-19-Diktatur den Rubikon zur kritischen Masse (142) überschritten hat. Der Jurist und Journalist Milosz Matuschek führt dazu unter dem Begriff der „dezentralen Revolution“ aus:
„Der Bürger hat die Möglichkeit, transparente dezentrale alternative Strukturen und Systeme zu stärken, in dem er den alten die Gefolgschaft entzieht. (...) Es gibt, (...) was die Frage der Selbstermächtigung angeht, (...) so etwas wie eine Pyramide des Engagements, gegliedert nach Energieaufwand vom höchsten Engagement der Tat zum niedrigsten Engagement der Verweigerung von Gefolgschaft. Jede Veränderung beginnt mit der Aufkündigung von Gefolgschaft gegenüber einer falschen Autorität. Das ist das Mindeste, was jeder leisten muss und oft auch kann, der sich nicht als Schaf verstehen will. Danach gilt es, alternative Strukturen zu fördern und andere zu animieren, es ebenso zu tun. Die Königsdisziplin ist dann schließlich, selbst neue Projekte zu entwickeln, und sich zu einem neuen Ökosystem zusammenzuschließen. (...) Strukturen zu verändern ist die Königsdisziplin des Engagements. Die Zeit, in der wir leben, ist die Phase der Prüfung, ob uns das gelingt. Für diese Veränderung braucht es keine Mehrheit, sondern nur eine kritische Masse.“ (143)
Auf die kritische Masse und auf die Einschätzung ihrer Möglichkeiten und ihrer Macht bezogen, die Dinge in oben skizzierter Weise in Bewegung zu bringen und andere zu animieren, daran mitzuwirken, gilt, was Mary Bauermeister in dem o.g. Gespräch bemerkt hat. Bauermeisters Diktum könnte man auch als das „Gesetz der kritischen Masse“ apostrophieren:
„Es brauchen nur zehn Prozent aufzuwachen, das genügt. Du kannst nicht erwarten, dass alle gleichzeitig aufwachen.“ (144)
Entscheidend für eine Demokratisierung der Gesellschaft dürfte die Frage sein, ob und wie gut es diesen Protestformen gelingen wird, Wege aus der digitalen Filterblase zu finden, um noch mehr Menschen zum Miteinander-Handeln zu mobilisieren und für die „Königsdisziplin des Engagements, für Strukturveränderungen“ zu gewinnen, wie es bei Matuschek heißt. Zu denken ist dabei an die vielen Selbsthilfegruppen- und bürgerschaftlichen Organisationen und die noch zahlreicheren, lockeren, informellen Zusammenschlüsse, wie sie in Folge des Widerstands und des Aufbegehrens gegen das Corona-Regime landauf landab entstanden sind. Diese freien Assoziationen kann man in ihrem idealistisch-beharrlichen, teilweise wirklich aufopfernden ehrenamtlichen Einsatz und in ihrem konsequenten Einstehen für die Grund-und Freiheitsrechte trotz weltanschaulich-politischer Differenzen, die im Einzelnen in und zwischen diesen Gruppen natürlich bestehen, in großer Einmütigkeit hinter den Forderungen nach einer fairen, seriösen und wahrhaftigen Neubegründung des Verhältnisses zwischen Politik und Bürgern versammelt sehen. Indem die Querdenker das Kunststück vollführt haben, die vielen Unzufriedenen, an die politischen Diskursränder Gedrängten, Empörten und Aufgewachten zu integrieren ohne sie dadurch ideologisch, politisch-dokrinär gleichzuschalten, konnte diese buntschillernde Bewegung zur treibenden Kraft im Kampf um Aufklärung und Aufarbeitung des vielgestaltigen Corona-Unrechts werden.
Auch wenn der Weg zur Veränderung der Mehrheitsgesellschaft für die kritische Masse steinig und beschwerlich ist und es daher oft auf diesem Weg kaum merklich voranzugehen scheint und sich sicher auch nicht sagen lässt, wann die Blase wirklich platzt, ist eines doch ganz sicher:
Die ganzen Bemühungen zur Aufklärung und Aufarbeitung werden nicht wieder abreißen! Sie stehen nicht einmal in der Gefahr zu erlahmen. Im Gegenteil: Tag für Tag kommen neue Impulse, Ideen und neues Engagement ¬– und auf der anderen Seite neue Mut machende Zeichen und motivierende Erkenntnisse – hinzu, so dass man davon ausgehen kann, dass das einmal in Gang gekommene Rad sich nicht nur weiterdrehen, sondern sein Tempo sich auch noch weiter erhöhen wird.
Es setzt sich nämlich nicht nur immer stärker die Einsicht durch, „dass die entschlossene politische, journalistische und juristische Aufarbeitung des Handelns aller drei Staatsgewalten und der Medien in der Corona-Krise ein dringlicher Auftrag von Verfassungsrang ist“, wie der Rechtsanwalt Sebastian Lucenti in „Der verlorene Kompass in der Corona-Krise“ (145) schreibt. Es wird auch immer stärker danach gehandelt! Man sieht auch, dass der durch solche Analysen festgestellte Bedarf an „einer Vielzahl von überfälligen (...) Reformen“ sich immer weiter herumspricht. Viele Gruppen diskutieren konkrete Verbesserungs- und Lösungsvorschläge und schleifen diese zu Konzepten und konkreten Handlungsentwürfen fein, damit sie politische Wirkung entfalten können. Thematisch geht es dabei z.B. um „die Festigung der Gewaltenteilung, (…) die Neutralität und Breite von wissenschaftlicher Politikberatung, ein Einflussnahmeverbot der Politik auf die öffentliche Meinungsbildung (…) und Mindestqualitätsanforderungen für die politischen Entscheidungsformen“ (146).
Außerdem stehen die Forderungen nach überparteilichen, staatsfernen und bürgernahen Medien und einem evidenzbasierten, transparenten und politisch unabhängigen behördlichen Handeln (nehmen wir nur das Robert-Koch und Paul-Ehrlich-Institut, wo in der Corona-Zeit die wissenschaftliche Expertise unterdrückt und durch wissenschaftlich evidenzlose Weisungen der Exekutive ersetzt wurde) ganz oben auf dieser radikaldemokratischen Agenda. Für diese setzen sich die Initiativen als Konsequenz aus dem multiplen Organversagen der Institutionen einschließlich der Medien, das flächendeckend während der Corona-Zeit stattgefunden hat, nachdrücklich ein.
In dem Zusammenhang möchten wir betonen, dass wir gut daran täten, das schöpferische, gemeinschaftsbildende Vermögen, wie es sich als Gegenwehr zu einem übergriffig gewordenen Staat herausgebildet hat, als ein optimistisches Geschichtszeichen dieser Umbruchzeit aufzufassen. Ein Geschichtszeichen, das uns Anlass gibt nicht zu verzagen und uns durch die Geschehnisse nicht entmutigen zu lassen. Was das Ziel einer Humanisierung der Gesellschaft angeht, so ist ein vorsichtiger und unverdrossener Optimismus, dass wir diesem Ziel bald wichtige Schritte näher gekommen sein werden, aus meiner Sicht nicht nur angeraten, sondern der Sachlage nach durchaus berechtigt! Eine Bedingung für die Nachhaltigkeit dieser Humanisierungs-Fortschritte wäre, dass es uns gelingt, die bisherigen „Erfolge“ neoliberaler Schockbehandlung in Zukunft zu erschweren und soweit wie möglich zu durchkreuzen: Wenn wir uns so leicht keine Angst mehr einjagen lassen und besonnen bleiben, um unsere Kraft zum Selber-Denken, Selber-Urteilen und Selber-Wirksam-Werden nicht zu verlieren und uns mit Gleichgesinnten zusammentun und gegenseitig stärken, dann ziehen wir der Katastrophenpolitik und ihren angstmachenden Erzählungen den Boden unter den Füßen weg!
Waren es im Frühjahr 2020 zunächst nur einige versprengte Non-Konformisten und wenige, ihrem unbestechlichen Urteil und ihrer Professionsethik (trotz starker Anfeindungen) treu bleibende Wissenschaftler, wuchs mit der Zeit die Zahl der Zweifler und Kritiker der überstürzt panisch agierenden Politik immer mehr an. Erinnert sei hier nur an die große Demonstration der Querdenken-Bewegung am 26. August 2020 in Berlin mit mehr als hunderttausend Teilnehmern und die gegen die Lockdown-Politik wissenschaftlich Position beziehende Great Barrington-Erklärung vom Oktober 2020, die von über 940.000 Menschen unterzeichnet wurde und von zahlreichen international renommierten Wissenschaftlern und Ärzten unterstützt wurde.
Halten wir fest: Die Intentionen, die sich im Protest gegen das Corona-Regime herausbildeten und weiter als ihr gesamtgesellschaftlich (bislang) ausbleibendes Reflexivum noch herausbilden werden, sind auf die Verwirklichung einer emanzipatorischen Praxis gerichtet, in der sich das Individuum von den vormundschaftlichen Machtstrukturen und Beeinflussungsmechanismen befreit, die sich in vielen Bereichen der Gesellschaft verselbständigt haben und außer Kontrolle geraten sind. Es lässt sich nicht länger am Gängelband politischer Fremdbestimmung und Fernsteuerung führen – denn diese Gängelung kann mit dem Menschenbild des Grundgesetzes auch nicht in Einklang gebracht werden. Der Prozess knüpft zweifelsfrei in seinen Intentionen sowohl an die Traditionen der Aufklärung als auch an die marxistische (Befreiungs-)Philosophie an. Zudem wird das zugrundeliegende Verständnis von Praxis vom Geist der Geschwisterlichkeit – „Wir alle sind eine Menschheitsfamilie“ – inspiriert und von einer eng an diesen Geist angelehnten Gerechtigkeitsvorstellung geleitet.
Zudem hat der Geist dieser Proteste, wenn man so sagen kann, von Anfang an durch seine friedfertige Haltung für sich einnehmen können. Dieser Haltung ist die Bewegung stets treu geblieben, trotz schlimmer Erfahrungen mit staatlicher Repression und brutaler Polizeigewalt, durch die viele Bürger das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat verloren haben. Die z.T. völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsätze gegen Corona-Maßnahmen-Demonstranten, die in der Regel nur (fragwürdige) Ordnungswidrigkeiten begingen und dessen Zeuge ich selbst mehr als einmal wurde, rief selbst den UN-Beauftragten für Folter, Nils Melzer, auf den Plan. Die staatliche Verfolgung von Ärzten, Richtern, Lehrern, Wissenschaftlern, die die evidenzlosen Maßnahmen kritisierten und sich schützend vor ihre Patienten, Schüler, Studenten, die Wissenschaft, das Grundgesetz, die Gesundheit, persönliche Integrität und Menschenwürde stellten, geht durch Skandalprozesse der Justiz und aktuelle Fehl-Urteile der Richterschaft weiter. Erschreckenderweise hat die Praxis der Ausgrenzung und Kriminalisierung dieser mutigen Personen immer noch kein Ende gefunden. Zuletzt war das an einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) zu sehen: Der BGH bestätigte die vorinstanzliche Verurteilung des Weimarer Familien-Richters Christian Dettmar wegen Rechtsbeugung. Dettmar, der nach der Klage einer Mutter wegen Kindeswohlgefährdung den Maskenzwang für die Kinder an zwei Schulen der Stadt Weimar auf Grundlage von mehreren wissenschaftlichen Gutachten, die dies zum Schutz des Kindeswohls anrieten, aufhob, wollte wirklich Recht sprechen statt „im Namen des Volkes“ ohne jede Beweisaufnahme – wie es während der Pandemie leider an den Gerichten Usus war – offenkundig verfassungswidrige Gesetze nur anzuwenden. Nach abgewiesener BGH-Revision ist er nun rechtsgültig vorbestraft, wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt und verliert seine Pensionsansprüche.
Noch einmal zurück zu den Corona- und Post-Corona-Protestformen, durch die die Umrisse neuer politischer Lebensformen sichtbar werden, die es nun weiter auszugestalten und zu verstetigen gilt. Man kann sie sich am besten als ein offenes Set herrschaftsfreier und friedliebender Praktiken vorstellen, mit denen kritisch-mündiger, selbstbewusster Bürgersinn in neu zu schaffenden bzw. neu auszutarierenden Formen von Gemeinschaftlichkeit und gelebter Demokratie auf die geschichtliche Bühne zurückdrängt – ein Bürgersinn, der wie gesagt tief in den Traditionen der geistesgeschichtlichen Bewegung der Aufklärung wurzelt. In diesen neuen Demokratieformen von unten, und das macht eine ihrer großen Stärken aus, kommt die Biophilie, die Liebe zu allem Lebendigen zum Ausdruck. Das Streben des biophilen Menschen beschreibt der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm (1900-1980) – er hat diesen Begriff populär gemacht – wie folgt:
„Er möchte formen und durch Liebe, Vernunft und Beispiel seinen Einfluß geltend machen – nicht durch Gewalt und dadurch, dass er auf bürokratische Weise die Menschen behandelt, als ob es sich um tote Gegenstände handelt.“ (147)
Dieses Biophilie-Konzept muss heute mehr denn je als ein Aufruf zur Demokratisierung verstanden werden: Die aus diesem humanistischen Denkansatz sich organisch entwickelnden Praxisformen sollten als der Gegenentwurf zur technokratischen Governance, des kapitalgetriebenen Globalismus (GloboCap) verstanden und stark gemacht werden. Denn der Globalismus (aner-)kennt letztlich nur die Macht des Stärksten. Gegenüber den biophil-formenden Werten der Liebe, der Vernunft und des eigenen guten Beispiels verhält sich Globocap im günstigsten Fall – d.h. nur solange sie ihm nicht gefährlich werden – indifferent. Sein modernistisch getarnter Sozialdarwinismus und der ihm inhärente Todestrieb (der Todestrieb kommt darin zum Ausdruck, dass er die Menschen bürokratisch-objekthaft verdinglichen und wie tote Gegenstände behandeln muss, er ist aber auch das heimliche Movens, das ihn nicht nur zum Herrscher, sondern zum Überbieter der Natur machen will, denn auch die Natur verdinglicht er) muss, wenn es morgen noch eine menschenwürdige Perspektive geben soll bzw. wenn diese Perspektive überhaupt als reale Denkmöglichkeit für die Menschheit erhalten bleiben soll, verworfen und überwunden werden. Daher gilt es, kompromisslos die Forderung nach einem menschenwürdigen Leben für die ganze „Menschheitsfamilie“ (Daniele Ganser) gegen die Anmaßungen der plutokratischen Elite und ihrer im Grunde nekrophilen Agenda zu verteidigen.
Dafür muss man wissen, dass die Erde genug natürliche Ressourcen und Nahrungsmittel bietet, um jetzt und in der Zukunft allen Menschen ein auskömmliches, würdiges Leben zu ermöglichen. Nahrungsmittel und Ressourcen müssten nur gerecht verteilt werden:
„Die heutige Landwirtschaft könnte problemlos zwölf Milliarden Menschen ernähren – also fast das doppelte der aktuellen Weltbevölkerung (...) Es gibt keinen objektiven Mangel an Nahrungsmitteln auf der Welt mehr. Das Problem ist nicht die fehlende Produktion, sondern der fehlende Zugang und die fehlende Kaufkraft.“ (148)
Wenn heute auf der Welt also noch gehungert und am Hunger gestorben wird, sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass dies kein Akt höherer Gewalt, sondern eine politische Entscheidung ist!
Der stärker denn je global heute hörbare Ruf, nach dem die 99% der Bevölkerung ihr gemeinsames Schicksal, selbstbewusst und selbstbestimmt, in die eigenen Hände nehmen wollen, verbindet den ruhelos-rebellischen Geist des Corona-Interregnums mit den im 18. Jahrhundert aufkommenden und schnell populär werdenden philosophischen Diskursen. Denn schon die (Früh-) Aufklärer forderten genau das.
Ihr Denken und ihre Ideen rückten die Kraft der Vernunft und die großartigen beeindruckenden Schöpfungen, die aus eigener Verstandestätigkeit erwachsen, in den Mittelpunkt ¬– sowie die Macht des freien Willens, der bekanntlich sogar Berge versetzen kann. Das bedeutete, dass der freie Wille in Gestalt der Volkssouveränität sich auch politisch seinen Weg als einzig rationale Grundlage für die Legitimation von Herrschaft bahnte. Durch den republikanischen Dreiklang der französischen Revolution aus Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, verschaffte sich sein Prinzip im erfolgreichen Kampf gegen Absolutismus und Feudalismus Geltung.
Die Rolle des aufklärerischen Erbes gewinnt ihre spezifische, gegenwärtige Relevanz im Hinblick auf das, was der deutsch-koreanische Philosoph Byung-Chul Han zum Charakter der Macht als herausragendes menschliches Vermögen und visionäres Medium der Veränderung und Veränderbarkeit gesagt hat:
„Die Macht ist (…) nicht identisch mit Gewalt, Herrschaft oder Vorteilsnahme (…) Vielmehr ist sie in vielen Fällen produktiv. Sie bringt einen Freiraum zur politischen Gestaltung hervor. Die Macht ist ein Medium, von dem man Gebrauch macht, um zum Beispiel eine politische Vision zu verwirklichen, ja die Zukunft aktiv zu gestalten und zu verändern. Eine politische Führung dieser im emphatischen Sinne ist allein auf der Grundlage dieses Mediums möglich.“ (149)
Die Diskurse aufklärerischer Kritik und Macht – jener Macht, die der individuellen Selbst-Ermächtigung historisch eine Schneise geschlagen hat, mit der der Ausgang aus feudalistischer Abhängigkeit gelang – waren nur deshalb so nachhaltig erfolgreich, weil durch sie die Ratio als „die Schnittstelle zwischen Ontologie und Freiheit“ (Elena Louisa Lange) im öffentlichen Bewusstsein verankert werden konnte. Es geschah vor über 250 Jahren schon, dass die Aufklärung auf ingeniöse, bis heute vorbildliche Weise, den Menschen den Keim des Glaubens an Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen und Selbstermächtigung einpflanzen konnte. Sie tat das, indem sie den Menschen das Vertrauen gab, autonom, d.h. ohne Vormünder und, wie man heute sagen würde, ohne Experten seiner Vernunft gemäß handeln zu können, da sie ihn als das Wesen definierte, welches zur Selbstgesetzgebung fähig ist. Und mehr noch: Nur durch das Streben nach Autonomie erlangt das Subjekt den höchsten moralischen Status im Rahmen der den Menschen praktisch möglichen Vernunfttätigkeit. Denn die „Autonomie des Willens“, wie Kant schreibt, „ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze und der ihnen gemäßen Pflichten.“ (150)
An die Stelle von Demokratie tritt ein digitaler und KI-gestützter Techno-Feudalismus
Der Abstieg der westlichen Demokratien und die zunehmende gesellschaftliche Dysfunktionalität, die auf das Konto des Syndroms geht, das den geistigen und moralischen Niedergang zu verantworten hat und aus einer Mixtur ausufernden Bürokratismus, zunehmender Ämterpatronage, grassierender Parteibuch- und Klientelwirtschaft, kurz: institutionalisierter Korruption besteht, die sich in öffentlichen Verwaltungen, den Ministerien, Verbänden, Standesvertretungen genauso wie innerhalb der Gewerkschaften sowie den (Pseudo-) Nicht-Regierungs-Organisationen finden lässt, korreliert auffällig mit dem Aufstieg der Information Technology zum zentralen gesellschaftlichen Steuerungsfaktor. Die Digitalisierung hat nur sehr kurze Zeit benötigt, um von einer Kommunikations- und Unterhaltungstechnologie zur Mega-Macht in der von Großkonzernen dominierten, postdemokratischen Herrschaftsmatrix zu avancieren.
In diesem Technopol verbinden und verknoten sich die ökonomischen und politischen Machtstränge korporatistisch. Korporatismus bedeutet die Verschmelzung des Großkapitals und seiner Interessen mit denen des Staates. Die Interessen konvergieren u.a. in dem Ziel, das Sammeln und Übertragen von Daten durch Zwangsdigitalisierung in allen möglichen Bereichen von einer Technologie auf Distanz zum Internet of Things (IoT) und dem Internet of Bodies (IoB) so fortzuentwickeln, dass eine auf eine sehr kleine, elitäre Gruppen beschränkte, immens starke Verfügungsgewalt in der kybernetisch immer enger vernetzten Welt entsteht: Wer Herr über die Daten ist, beherrscht den Menschen nicht einfach bloß, sondern hat Zugriff auf seine Psyche und sein geheimstes Innenleben und ist imstande, alle seine Lebensäußerungen überwachen.
Die ID 2020 zur Schaffung einer transnationalen digitalen Identität für die ganze Menschheit, geht als Projekt auf eine korporatistische Allianz aus Konzernen, Stiftungen, staatsnahen NGOs und Regierungen mit ihren Behörden zurück. Es ist immer noch viel zu wenig bekannt, dass die EU schon Jahre vor Corona Pläne zur Implementierung einer europäischen digitalen Identität für jeden Bürger verfolgt hat. Diese Pläne standen von Anfang an im Zusammenhang mit dem Bestreben zur Implementierung einer weltweiten digitalen ID, von der Gates- und Rockefeller-Stiftung, der GAVI-Impfallianz, Big Data, der US-Regierung und eben auch der EU-Kommission betrieben. Es handelt sich dabei um eine digitale Identität, die auf der sog. Blockchain-Technologie basiert. Diese Blockchain-Technologie muss man sich als „eine Art digitales Kontobuch“ vorstellen,
„das Daten auf zahllosen Servern weltweit verschlüsselt abspeichert. Wenn dann Impfungen zur Voraussetzung von grenzüberschreitenden Reisen gemacht werden, wofür sich Bill Gates ausspricht, wird das Machtgefälle einer jeden elektronischen Identitätsprüfung totalitäre Ausmaße annehmen, als ID-Inhaber hat man dann nur noch die Möglichkeit die Bedingungen der Informationsfreigabe auch persönlichster Daten zu erfüllen – oder man wird sanktioniert.“ (151)
Auf diesem Weg wollen die transnationalen Big-Player des kapitalistischen Endspiels durch digitale Impfpässe und digitale ID zur Weltpassbehörde werden. Die Projekte zeigen, wie das Großkapital und die staatlichen Intermediären danach trachten, in einer lückenlos kybernetisch vernetzten Welt Kontrolle über sämtliche Lebensbereiche durch systematisches Abschöpfen und Verwerten aller fein verzweigten Datenströme zu erlangen. Datenströme, die zugleich als Detektoren und Pulsatoren genutzt, tief in das Innere des Menschen eindringen, um ihn roboterartiger zu machen. Die rasanten Fortschritte in der Entwicklung der Invasiv-und Speicher-Technologien machen es möglich, diese Datenströme vollständig zu zentralisieren und den Menschen zu inkorporieren. Als nächste Schritte auf dieser Agenda, könnten der Iris-Scan, das Auge als Ausweis und die Implantierung von Elektroden zur Verhaltenssteuerung und zum Gedankenlesen folgen. (152)
Auf der Ebene der Individuen muss man sich diese Kontrolle wie eine passgenaue, zweite, undurchdringliche Haut vorstellen, die nahtlos am Ende alle menschlichen Lebensäußerungen und Lebensvollzüge in einer für uns nicht sichtbaren und nicht nachzuverfolgenden Weise mit einer digital codierten Surveillance-Realität überzieht. Nichts mehr kann mit dem 360-Grad-Überblick dieses Sicherheits- und Kontroll-Regimes übersehen werden und niemand wird mehr in der Lage sein, dieser Realität auch nur für einen Augenblick zu entgehen oder gar aus ihm entfliehen zu können.
Das bedeutet, dass dieses Zukunftsregime jede spontane menschliche Regung als einen möglichen Impuls von Freiheit in Zukunft im Keim zu ersticken vermag, wobei mit „Zukunftsregime“ Experten zufolge eine nahe Zukunft gemeint ist, konkret der Zeitraum von etwa sechs bis fünfzehn Jahren bis zur vollen Realisierbarkeit.
Was liegt näher an dieser Stelle, als Verbindungen zur dystopischen Romanliteratur herzustellen? Im Science-Fiction-Genre denkt man sich phantasievolle, aber technisch die Zukunft doch plausibel vorwegnehmende Geschichten aus. Sie kreisen um das Verhältnis von menschlicher Welt und Maschinenwelt, von Technologie, automatisierter Ordnung und Determination, algorithmischer Computer-Macht auf der einen und Freiheit, Spontaneität, Gefühl, Liebe, Poesie und Anarchie auf der anderen Seite. Die daraus entstehenden Konflikte werden variantenreich und je konkret als spannender plot erzählt. Verbindungslinien zieht auch Norbert Häring, und zwar dort, wo es um die Gefahrenabschätzung geht:
Was droht uns von Seiten der Künstlichen Intelligenz, und zwar bereits jetzt so wie in der absehbar nächsten Zeit oder mittelfristig? Was kann sich schnell von einer Noch-Fiktion zu einem realen Element des Bedrohungsszenarios im Hinblick auf die bereits im Aufbau befindlichen, z.T. schon weiter fortgeschrittenen Überwachungstechniken und Überwachungsarchitekturen entwickeln? Die in den letzten Jahren stark forcierten Aktivitäten zur Umsetzung der transhumanistischen Agenda durch Big Tech im Rahmen der Global Governance mit ihren „Building Back Better-“ bzw. „Great Reset“- Plänen zur „Neuerfindung des Kapitalismus“, etwas bekannter geworden unter dem Namen Agenda 2030, und das dahinter liegende Ziel der Errichtung einer sog. New World Order (NWO), drängen einen Vergleich mit der Science-Fiction-Literatur geradezu auf. Vor diesem Hintergrund leuchtet Norbert Häring die strategischen Absichten und Motive, die diesen hoch ambitionierten, kritisch gewendet: vor Hybris strotzenden Plänen und Zielen globaler Governance zugrunde liegen, näher aus:
„Wenn irgendwann das meiste Vermögen und alle Macht bei wenigen Konzernen und ihren Besitzern konzentriert sind“, so der Wirtschaftsjournalist
„lautet die Aufgabe für diejenigen an der Spitze, ihre hochprivilegierte Position irgendwie zu bewahren. Mit den bewährten Mitteln von Marktwirtschaft und Kapitalismus ist das nicht mehr möglich. (...) Revolution wird zur realen Gefahr. Die Gefahr der Revolution ist eines der Hauptthemen in Klaus Schwabs Buch ‚Covid-19: Der große Umbruch’.“
Aber:
„Zum Glück für die Elite gibt es seit Langem Blaupausen für eine unterwürfige, kontrollierte Gesellschaft, wie sie diese nun anstrebt. Die bekannteste ist die ‚Schöne neue Welt’ von Aldous Huxley, ein Zukunftsroman aus dem Jahr 1932. Darin herrschen Stabilität, Frieden und Freiheit. Eine technokratische Weltregierung hat die Weltgesellschaft in Kasten eingeteilt, von Alpha Plus bis Epsilon minus. Deren Mitglieder werden durch vorgeburtliche Manipulation und frühkindliche Indoktrination auf ihre Aufgaben und Rollen konditioniert. Permanente Befriedigung durch Konsum, Sex und die stimmungsaufhellende Droge Soma sorgen für Frieden und dafür, dass niedere Kasten das eigene Denken unterlassen.
Weniger bekannt, aber auch bemerkenswert prognostisch ist der Zukunftsroman ‚Sonne auf Kredit’ von Michel Grimaud (Pseudonym) aus dem Jahr 1975. In der dort beschriebenen Gesellschaft gibt es keine uniformierte Polizei, nur Geheimdienstinformanten, und die Gefängnisse haben keine Mauern. Denn man braucht eine elektronische Karte, um seine Lebensmittel und um irgendwo Zutritt zu erhalten, sowie an vielfältigen Kontrollstellen unterwegs. Wird diese Karte abgeschaltet, ist man nicht mehr überlebensfähig und muss sich freiwillig bei den Autoritäten melden. (...)
Das alles lässt sich zentral vom Computer aus steuern. Es kostet wenig, wenn die digitale Infrastruktur einmal steht, und man kann die Straftäter oder Gedankenverbrecher gleichzeitig noch in Heimarbeit arbeiten lassen (...)
Science-Fiction? Nein. Das wird gerade in verschiedenen Projekten entwickelt und getestet.“ (153)
Worin sind Digitalisierung und Künstliche Intelligenz demnach singulär? Doch wohl darin, dass mit ihnen Machtmittel verfügbar werden, die in ihrer Effizienz und ihrem Potenzial zur Kontrolle der Bevölkerung so gewaltig groß und umfassend sind, wie es das vorher noch nie in der Geschichte für Herrschende, und zwar nicht einmal ansatzweise, gegeben hat. Und die Gesellschaft scheint nicht einmal wirklich Anstoß daran zu nehmen, wie diese zentrale computerisierte Macht sich immer weiter unter dem Radar einer dafür (nicht ausreichend funktionsfähigen) demokratischen Öffentlichkeit ausbreitet und in immer mehr gesellschaftlichen Bereichen ohne ausdrückliche Zustimmung des Souveräns ausgetestet wird.
Es ist daher alles andere als beruhigend, wenn man feststellen muss, dass in den westlichen Gesellschaften kaum sachlich über dieses Potenzial und die fortlaufenden Unternehmungen und Entwicklungen zur Steigerung des Outputs auf den entsprechenden Forschungs- und Innovationsfeldern berichtet wird. Aufklärung über KI und die konkreten, im Test befindlichen digitalen Lösungen ist in den Medien in der Form von Diskursen nüchtern-distanzierter Technikfolgenabschätzung rar gesät. Und das obwohl es sich dabei um Innovationen und Projekte handelt, die ohne informierte Zustimmung und entsprechende Aufklärung des Souveräns bestens dazu geeignet sind, das große disruptiven Potenzial, das in diesen Unternehmungen steckt, in einem für die Bevölkerung dystopischen Sinn zu realisieren. (154)
Der transhumanistisch-globale Korporatismus und das Ende des Politischen
Schaut man sich genauer an, welch geballte Macht hinter den Aktivitäten und Akteuren im Dunstkreis des Transhumanismus steht, erscheint dieses Aufklärungsdefizit noch problematischer. Der Betrachter bekommt erst dann genauere Kenntnis von der Materie, wenn er erkennt, dass alle wichtigen Akteure und ihre Interessen auf der global-korporatistischen Ebene zu verorten sind. Diese kommt in den Mainstream-Medien aber fast gar nicht vor, und wenn überhaupt einmal von ihr die Rede ist, wird sie nicht als eine gegebene, wenngleich für den normalen Mediennutzer sehr abstrakte Realität behandelt, sondern als verschwörungstheoretisches Gerücht und als Anlass zur Mythenbildung geframt. In Philipp von Becker Essay „Transhumanismus als Abschied vom Individuum“ finden wir verdienstvollerweise dagegen den Versuch, die innere Struktur dieses Techno-Korporatismus auszuleuchten. Becker führt aus, wie der „gemeinsame ideologische Kern“ dieses machtvollen Aggregats einen extrem negativen Einfluss auf (demokratische) Politik ausübt, der so negativ ist, dass durch ihn nicht nur das Individuum, sondern auch das Politische selbst in seiner Existenz bedroht wird. Dieser Sachverhalt könnte ein wichtiger Hinweis dafür sein, warum diese Realität medial nicht vorkommt.
„Transhumanismus, Neoliberalismus und Silicon-Valley-Kapitalismus“
bilden für von Becker
eine ‚unheilige Allianz‘ mit einem gemeinsamen ideologischen Kern (…).
Im Neoliberalismus werden Krankheit und Armut als individuell zu verantwortende materielle Probleme eines atomistisch gedachten Individuums verstanden, das für seinen Erfolg oder sein Leid jeweils selbst verantwortlich ist. Im Transhumanismus folgt aus der Fiktion des Menschen als programmierbarer Maschine der Glaube, dass die Ursachen von Krankheit und Ungleichheit (nur) technisch behoben werden können. In beiden Fällen ist der Einzelne auf sich zurückgeworfen, wobei die (psycho-)sozialen, politischen und ökonomischen Ursachen von Krankheit und Ungleichheit einfach ausgeklammert oder negiert werden. Funktion und Folge beider Fiktionen ist die Festigung und Verschleierung von Herrschaftszusammenhängen und Entmachtung von (demokratischer) Politik. Wenn nur der Einzelne für Krankheit und Ungleichheit verantwortlich ist und diese nur technisch gelöst werden können, gibt es keine Gesellschaft und keine widerstreitenden Interessen mehr. Politik wird in dieser Vorstellung so obsolet wie der mangelhafte Mensch: Es genügen Wissenschaft und Technik, um den Menschen von allem Leid zu befreien.“ (155)
Das Zitat Beckers beschreibt einerseits den Verlust gesellschaftlicher Rationalität, andererseits thematisiert es die gewollte Schließung des seit der Aufklärung bestehenden Möglichkeitsraums selbstbestimmten Denkens und Handelns. Man kann die Motive des Versuchs, diese Schließung zu betreiben, kaum anders als totalitär bezeichnen. Denn in jeder Denkbewegung, in der das Humane auf das Maschinen- und Rechenhafte (das Berechenbar-Machende) reduziert wird, drückt sich nolens volens die absolute Negation der Willensfreiheit aus.
Gesetzt den Fall, dass die Entwicklung den transhumanistischen Vorstellungen zur Programmierbarkeit des Menschen ohne große Brüche weiter voran geht, bedenkt von Becker den damit de facto beschlossenen Tod der Willensfreiheit mit folgenden Sätzen:
„Wenn (...) die gottgleiche, allwissende KI erreicht sei, solle diese laut Prophezeiung der Sozialingenieure des Silicon Valley nicht nur die effizientesten, von allen Irrungen bereinigten und den tatsächlichen Präferenzen des Individuums entsprechenden, sondern (...) gar die moralisch richtigen und (...) besten Entscheidungen treffen.
Philosophisch geht es hierbei im Kern zunächst um die Frage der Willensfreiheit. Der transhumane Tech-Utopismus und Teile der Biowissenschaften sprechen dem Menschen eine solche ab: Unser Ich und unser Glaube an einen freien Willen und Selbstbestimmung seien Fiktionen und lediglich das Resultat biochemischer und physikalischer Prozesse. (...)
Unsere von ‚Genen’ und ‚Umweltzwängen’ beeinflussten Entscheidungen seien ‚entweder deterministisch oder zufällig, niemals aber frei’, so Yuval Noah Harari. Und weil wir Algorithmen seien, so Harari weiter, könnte ein (mich schon pränatal begleitender) Algorithmus, genau wissen, wer ich bin, wie ich mich fühle und was ich will. Einmal entwickelt, könnte ein solcher Algorithmus den Wähler, den Konsumenten und den Betrachter ersetzen’.“ (156)
Mit den katastrophenpolitischen Narrativen, die für die multiplen Krisen ausschließlich technologisch designte Lösungen vorsehen, werden die Subjekte einem Regime unterworfen, das gar nicht anders kann als voraufklärerische Formen betreuten Denkens auf ganzer Linie etablieren zu müssen. Zwar befinden wir uns in dem Programm jetzt noch in der Phase des Mind-Control-Settings. In Zukunft aber soll – dank der gewaltigen Fortschritte in den invasiven Technologien, in Mikrobiologie, Gentechnik, Mikroelektronik und den Nanowissenschaften – der Algorithmus für den Menschen ganz das Denken übernehmen. Und am Ende dieser Entwicklung soll jedes Individuum – davon ausgenommen wird wohlweislich nur jener kleine Kreis von Individuen sein, die über die Programmierschlüssel verfügen – selbst zum Algorithmus geworden sein: Embodied technical progress.
Becker ventiliert in der Transhumanismus-Streitschrift einen Gedanken, der sich eigentlich jedem unvoreingenommenen Betrachter beim Anblick der digitaltechnischen „Dingfrömmigkeit“ (Günther Anders), d.h. den leicht beobachtbaren, typischen Erscheinungsformen des zeitgenössischen Verfallen-Seins an die Gadgets und Gimmicks des digitalen Apparatekosmos, aufdrängen müsste:
„Liegt (...) nicht der Schluss nahe, selbst zum Apparat werden zu wollen? Die Phantasien des Transhumanismus können als eine (unbewusste) Reaktion auf die (…) Paradoxien und Pathologien des auf Steigerungszwang und Wettbewerb basierenden gesellschaftlichen Reproduktionsmodell der technisch-kapitalistischen Moderne verstanden werden. (…) Die Unvereinbarkeit von Realisierung aller Optionen und begrenzter Lebenszeit scheint (…) aufgehoben: Der transhumane Supermensch wird nicht mehr über Optionen grübeln und eine ‚falsche‘ Wahl treffen, da er von allem ‚falschen Wollen‘, allen ‚negativen‘ Affekten und Emotionen, körperlichen Leiden, kognitiven Verzerrungen und mangelhaften genetischen Dispositionen befreit, nur noch das wollen und wählen wird, was gut und richtig für ihn ist. Und da sein körperlich-geistiges Fassungsvermögen radikal erweitert und seine Lebenszeit bis zur Unsterblichkeit ausgedehnt wird, wird es auch keine verpassten Chancen und Alternativen mehr geben.“ (157)
Schon vor einer Reihe von Jahren hat der französische Medienwissenschaftler Bernard Stiegler folgende Warnung ausgesprochen:
„Das Leben in Algorithmen führt in ein Klima der Denkfeindlichkeit, das parallel zur ökologischen Katastrophe in ein intellektuelles Desaster führt.“ (158)
Mit diesem Szenario wird durch Digitalisierung und KI die Wirkmächtigkeit der propagandistischen Techniken und Mittel zur Verbreitung, Absicherung und Befestigung der katastrophenkapitalistischen Narrative, mit denen die Individuen ganz in die Umklammerung durch Technologien getrieben werden sollen, stark erhöht. Der Bildungsphilosoph Matthias Burchardt betont in diesem Zusammenhang:
„In dem Moment, wo der Mensch nur von der virtuellen Realität abhängig ist, wird er steuerbar durch Propaganda und hat kein Korrektiv mehr für seine Wahrnehmung.“ (159)
So lassen Angst und Schrecken sich heute global und in Echtzeit synchronisiert verbreiten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, war die Corona-Inszenierung nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Generalprobe aufs panikpolitische Exempel.
Die sozioökonomischen Folgen der Digitalisierung und der Finanzkrise von 2008/09 und ihre Rolle für den Erosionsprozess der Vernunft
Digitalisierung hebt, sofern politisch nicht eingehegt, in puncto Überwachung das Verhältnis zwischen Regierenden und Regierten (Shoshana Zuboff, Überwachungskapitalismus, 2019) auf eine völlig neue Ebene. Sie setzt nicht nur die durch Akkumulation und Zentralisierung der Datenströme mit Hilfe von Soft Skills und Soft Power verschleierten Formen autoritärer bzw. totalitärer Gouvernementalität durch, sondern sie verschlechtert für den Großteil der Bevölkerung auch die ökonomische und soziale Lage.
Denn Digitalisierung und Automatisierung fallen immer mehr Berufe zum Opfer. Und bei den schlecht bezahlten Dienstleister-Jobs auf IT-Plattformen läuft eine immer schnellere Transnationalisierung ab, durch die viele Jobs in den teuren Industriestaaten an die Peripherie ausgesourct werden, wo Konzerne auf ein Überangebot an billigen Arbeitskräften zurückgreifen können. Die Bedeutung dieser Wandlungsprozesse unserer Arbeitswelt nimmt zu, da die digitalen Plattform-Ökonomien „bereits 2017 rund 70 Prozent des gesamten Bruttoweltprodukts ausmachten“. Berücksichtigt werden muss dabei, dass das World Economic Forum (WEF) bis 2030 damit rechnet, „dass 83 Prozent der Arbeitskräfte von zu Hause ausarbeiten und 40 Prozent aller Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen digitalisiert sein werden, so dass sie aus der Ferne organisiert werden können“. Nach Einschätzung des niederländischen Politikwissenschaftlers Kees van der Pijl wird
„(d)adurch die soziale Dimension dieser Tätigkeiten (Arbeit und Bildung) weitgehend beseitigt, was zur Folge hat, dass die große Mehrheit der Menschen tatsächlich isoliert ist und sich zu Hause einschließt. Zwischen 13 und 28 Prozent der Weltbevölkerung werden vorübergehend oder dauerhaft überflüssig, d.h. 1 bis 2 Milliarden Menschen, die keine Rolle mehr im Prozess der sozialen und wirtschaftlichen Reproduktion spielen.“ (160)
Der Wegfall der sozialen Dimension von Arbeit und Bildung, zeitigt aber van der Pijl zufolge auch in weiterer Hinsicht bemerkenswerte Effekte:
„Die Menschen, die im digitalen Kapitalismus entlassen werden, bleiben nicht passiv oder warten ab, was als nächstes passiert. Sie reagieren aktiv, durch alle Arten von Widerstand und durch Migration aus den armen Teilen der Welt in die reicheren, vom Land in die Städte. Seit den 1980ern lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten, und auch dort sind Unruhen endemisch geworden. (…) Auch die Grenzen zwischen Streiks, Demonstrationen und Straßenunruhen mit Brandstiftung und Plünderung sind fließend geworden. Ein Bericht der RAND-Corporation von 1997 spricht von einer „Urbanisierung der Aufstände. (…)
Die Finanzkrise hat den sozialen Kampf auf globaler Ebene nur beschleunigt. Gleich im Jahr 2008 kam es in mehr als 20 Ländern zu schweren Unruhen, weil die Menschen ihre täglichen Einkäufe nicht mehr bezahlen konnten. (…)
In den folgenden Jahren zeigten alle Indikatoren für soziale Unruhen weltweit einen Aufwärtstrend. Ein Vergleich der Zahlen in der Cross National Time Series (CNTS) zeigt, dass alle Rekorde für soziale Unruhen im Zeitraum ab 2008 gebrochen wurden. Nach 2011 gab es einen starken Anstieg der Streiks, als sich die Zahl nach Jahren des Rückgangs in einem Jahr verdreifachte, (…) die Zahl der Unruhen stieg nicht minder spektakulär an (…) und brach 2013 den Rekord von 1968/69. Das Vertrauen in die Regierung und noch mehr in „offizielle“ Informationen nahm in allen Ländern ab.“ (161)
Eine Schlüsselbedeutung für den Schwund, ja den Absturz politischer Rationalität, hatte die Finanzkrise 2007/08. Das Vertrauen in die grundsätzliche Lernfähigkeit und Reparierbarkeit des kapitalistischen Systems wurde in diesen und den darauffolgenden Jahren schwer erschüttert. Die Noten, die der Wähler den Problemlösungsfähigkeiten der Politik gab, fielen sehr schlecht aus, da der ganze Aktivismus, den die Regierungen angesichts der realen Gefahr des Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems an den Tag legten, nicht auf die Beendigung des völlig aus dem Ruder gelaufenen Casino-Kapitalismus gerichtet war, sondern Bankern und Finanzinvestoren stattdessen ein nur leicht verklausuliertes Signal zum „Weiter so!“ gegeben wurde. Dazu schrieb der Journalist Arno Luik einen Kommentar, den die TAZ bezeichnenderweise damals schon nicht mehr abdruckte. Was Luik seinerzeit schrieb, ist trotz früher TAZ-Zensur zum Glück überliefert geblieben. Hier ein Auszug:
„Es ist abenteuerlich (…). Wer an der Weisheit des Marktes zweifelte, wurde zum Außenseiter abgestempelt, der nicht ernst zu nehmen ist. (…) Die Macht des Marktes (…) die Deregulierung der Kapitalmärkte (…) – das war die neue Staatsreligion! Und die Herren des Geldes – befreit von politischen Fesseln durften schalten und walten, tobten sich aus. Und was ist dabei herausgekommen?? (…) Zutiefst verunsicherte Bürger, eine Gesellschaft so zerrissen wie noch nie, Millionengehälter für eine Kaste von Managern, Armut für Millionen, eine Gesellschaft am Abgrund.
(…) Die Finanzkrise ist nicht nur eine Krise der Banken (…) Es ist auch eine Krise der sogenannten Eliten. Da fährt weltweit ein Wirtschaftssystem an die Wand – sodass Milliarden Menschen darunter leiden werden. Aber all die Experten, die Wirtschafts- und Politikführer tun so, als ob sie von dem Finanzcrash überrascht worden seien. Doch die Pleitewelle ist kein Tsunami, sie ist von Menschen gemacht – richtigerweise sprach Finanzminister Steinbrück von ‚Brandstiftern‘. Ein paar Tage später entsorgt er seine Erkenntnis – und lädt die Brandstifter zum Löschen in sein Haus. Es ist der Irrsinn. Es ist, als ob die Gangster der Polizei erklärten, wo es langgeht, was rechtens ist.
Zum Beispiel Josef Ackermann. Der Chef der Deutschen Bank war in dem ‚Komitee zur Rettung der deutschen Banken‘, er zog die Fäden für den 480-Milliarden-Euro-Rettungsplan.
Brandstifter werden normalerweise verhaftet, aber wir erleben nun, dass der Brandstifter zum Feuerwehrkommandanten ernannt wird. Es ist absurd, und so wächst der Zweifel, das aus der Krise etwas Gutes entsteht.
Mit 480 Milliarden Euro bürgt der Staat (also der Bürger) für die Banken (…) das ist die größte Umverteilung des Vermögens in der Geschichte des Landes. Der größte Diebstahl (…) Wir erleben ein Regieren im Ausnahmezustand. Die Rhetorik der Not herrscht – politisches Denken ist durch Notstandsdenken ersetzt. (…)
Anders ausgedrückt: Es herrscht nun, verblüffend offen, die Diktatur des Kapitals.“ (162)
Und als ob man mit der finanzkapitalistischen Faust den Bevölkerungen nicht schon heftig genug ins Gesicht geschlagen hätte, wurde dem Souverän, der bei der größten aller Vermögensumverteilungs-Aktionen – der größten, bevor Corona kommen sollte! – bloß fassungslos vom Spielfeldrand zuschauen konnte, dazu noch eine Lüge von epischem Ausmaß untergejubelt. Ich meine jenen Fake, welcher simsalabim aus der Bankenkrise eine „Staatsschuldenkrise“ machte, um dank des dreisten Etikettenschwindels der Bevölkerung in Form rigider Sparmaßnahmen weitere Opfer abzupressen. So wurde der Abbau sozialer Sicherheiten weiter vorangetrieben und noch mehr Prekarität (und Abstiegsängste) geschaffen. Dadurch, dass mit Hilfe dieses Wordings die Krisen-Kausalitäten auf den Kopf gestellt und dem Banken- und Spekulations-Crash ein dem neoliberalen Dogma in den ideologischen Kram passendes Label namens „Verschuldungskrise der öffentlichen Haushalte“ aufgedrückt wurde, konnte getreu der Devise „ Frech kommt weiter!“ das Austeritäts-, d.h. Verarmungsprogramm, das von den neoliberalen Eliten gegen die unteren und mittleren Schichten seit nunmehr rund vierzig Jahren gefahren wird, nicht einfach nur fortgesetzt werden – nein, die Frequenz, mit der man Kurs auf die damit billigend in Kauf genommene Implosion des Systems (oder, ebenfalls billigend, Richtung Kriegsvorbereitungen als der einzigen von oben „erlaubten“ Alternative zur Implosion) genommen hat, erhöhte sich dadurch sogar noch.
Spätestens nachdem die Eliten den Wahlvölkern Brief und Siegel darauf gegeben hatten, dass keine Lehren aus der Weltfinanzkrise gezogen werden, das Casino also nicht geschlossen wird und die Zocker nicht zur Entgiftung in die Suchttherapie geschickt werden , sondern die Politik stattdessen weiter dem Sirenengesang der leistungslosen Geldvermehrung auf Kosten von 99 Prozent der Bevölkerung folgt, musste zur Jagd auf alle politischen Unruhestifter geblasen werden, die sich diesem Sirenengesang partout nicht ergeben wollen und ihn weiter beim Namen nannten. So wurde der Popanz „Populismus“ als die ultimative Demokratie-Gefahr erschaffen, um von den eigentlichen Gefahren abzulenken, denen die Demokratie durch den neoliberalen Entgrenzungsfuror schutzlos ausgeliefert ist.
Diese Herleitung legt uns den Schlüssel zum Verständnis des heute von den Eliten künstlich-überlebensgroß aufgeblasenen und monstranzartig vor sich hergetragenen Feindbildes Populismus in die Hände.
„Heutzutage wird praktisch jedes politische Problem dem Populismus zugeschrieben“,
so der ungarisch-britische Soziologe Frank Furedi. Furedi benennt auch die wahren Gründe für die antipopulistische Hysterie:
„Die Eliten wissen, dass sie den Kontakt zu den Erwartungen der Öffentlichkeit verloren haben und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie von einer populistischen Bewegung ernsthaft herausgefordert werden.“ (163)
Das mag in Deutschland die Eile erklären, mit dem die AfD, die gute Chancen hat, nach der nächsten Bundestagswahl zweitstärkste Partei und stärkste Oppositionskraft im Bundestag zu werden – verboten werden soll (164) und die Vehemenz, mit dem das BSW als „Putin-Partei“ und ihre Vorsitzende Wagenknecht z.B. als „menschgewordener Hitler-Stalin-Pakt“ dämonisiert wird (165).
Die gesteigerte Nervosität, die sich u.a. in der übertriebenen und teils doch sehr verrohten Rhetorik gegenüber beiden Parteien manifestiert, speist sich aus Befürchtungen, AfD und BSW könnten ein Bündnis eingehen. Diese Option wäre tatsächlich dazu angetan, das Parteienkartell der „extremisierten Mitte“ parlamentarisch in eine missliche Lage zu bringen, weil sie dieser populistischen „Querfront“ dann strukturell womöglich unterlegen wären.
Uns lehrt das, dass wir der schwierigen Aufgabe, bei der Rekonstruktion des demokratischen Vernunftzerfalls der richtigen Spur lange genug zu folgen und sie ansprechend mit einer dem leider dem sehr abstrakten Thema doch mühsam abgerungenen – ohne dass dies hoffentlich auffällt! – eleganten Nonchalance zu erzählen, nur dann gerecht werden können, wenn wir der Versuchung, ihre Geschichte zu verkürzen, nicht nachgeben. Die Kontinuitäten und Diskontinuitäten, die in der Zerfallshistorie erst einmal identifiziert werden müssen, gilt es gleichermaßen zu berücksichtigen, um beide Pole ins richtige Verhältnis zueinander zu setzen und sie in ihrem Eigenrecht sozusagen jeweils zu Wort kommen zu lassen.
Einerseits ist der neoliberale Zug keineswegs bis zu Pandemiebeginn stets auf demselben Gleis, ohne Störungen oder störungsbedingte Umleitungen und Ausfälle, streng nach Fahrplan unterwegs gewesen. Tatsächlich blieb zwischenzeitlich nicht einmal der Antriebswagen der gleiche. Andererseits steht hinter dem, was zwischenzeitlich geschehen ist (im übertragenen Sinne) immer noch dieselbe Company, auch wenn sie mit der Zeit einige Liftings und Updates erhielt. Unter dem Strich läuft das Ganze aber immer noch nach einer im Kern unveränderten Unternehmensphilosophie, dem gleichen Geschäftsmodell ab. Es wurde nur von ein paar Schlacken befreit, was es resilienter machen, seine Effizienz weiter steigern und auf einen noch expansiveren Kurs bringen soll. Insgesamt folgt es weiter der immanenten Bewegungsgesetzlichkeit des Kapitalismus, der, was den inzwischen erreichten Stand der Kapitalkonzentration angeht, in sein Endstadium eingetreten sein dürfte. On Top haben wir es mit einer winzigen Gruppe von Investoren zu tun, die sich in den Schattenbanken tummeln und eine exorbitant wachsende Kapitalmenge und dementsprechend die Investitionen kontrollieren. Über diese Investitionskontrolle üben sie immer mehr Einfluss auf Wirtschaft, Politik und Staat aus.
Doch wie muss man sich diese Neuerungen, die Liftings und Updates, genauer vorstellen? Und warum ist der Neoliberalismus, obwohl man den Kurs beibehielt, nach Auswechslung der Lokomotive vermutlich in das finale Stadium eingetreten?
Die entgrenzte Kommodifizierung – oder: Neoliberalismus im Endstadium?
In die Zeit zwischen 2008 und 2020 fällt der rasante Aufstieg der Schattenbanken BlackRock, Vanguard, State Street zum Investoren-Mega-Macht-Konglomerat der Shareholder. Die Schattenbanken werden nach der Finanzkrise zum neuen Hauptakteur und lösen die Großbanken in dieser Rolle ab. Dies beweist, dass entgegen den Beteuerungen aus der Politik keine besseren Regulierungen durchgesetzt wurden. Vielmehr setzte sich das Gegenteil davon durch. Um den Unterschied zwischen den Großbanken einerseits und den großen Kapitalorganisationen BlackRock & Co. andererseits zu verstehen, welche „die Finanzkrise ebenfalls mitverursacht hatten“, nach 2008 aber „Eigentümer der alten Banken und Börsen und vor allem die Eigentümer der wichtigsten Unternehmen“ geworden sind (166), ist der Hinweis wichtig, dass
„BlackRock&Co. (...) nicht nur die bestehende industrielle und finanzielle Substanz (...) verwerten. Sie wollen möglichst viele menschliche Bedürfnisse zur monopolistisch und privat handelbaren Ware machen.“ (167)
In dem Zusammenhang sei auch Fabio Vighis Analyse der ökonomischen Ursachen der Corona-Pandemieerzählung erwähnt. Vighi sieht als gegeben an
„dass es dem Kapital infolge des eskalierenden technologischen Fortschritts immer weniger gelinge, aus der Arbeitskraft Mehrwert zu schöpfen. (…) um zu überleben, sei das System bereit, seinen demokratischen Rahmen zu opfern und ein Regime zu übernehmen, das (…) von Katastrophen-Narrativen unterstützt wird.“ (168)
Der Prozess, der nach 2008 durch die Bankenkrise, die das Weltfinanzsystem fast in den Abgrund gerissen hätte, erst richtig Fahrt aufnahm, kann als erweiterte oder entgrenzte Kommodifizierung bezeichnet werden. Unter Kommodifizierung versteht man jene unter Marktgesichtspunkten vereinheitlichten ökonomischen und politischen Operationen, die getätigt werden, um möglichst viele menschliche Bedürfnisse und soziale Tatbestände zur Ware zu machen. Das schließt selbstverständlich die Privatisierung und Monetarisierung vormals öffentlicher Räume mit ein.
Die Entgrenzung der Kommodifizierung kann als wichtigstes Ziel der neoliberalen Revolution angesehen werden. Bei ihr geht es darum, eine Welt zu schaffen, in der alles dem Profit und der Akkumulation des Kapitals untergeordnet ist. „Darauf genau läuft der neoliberale ‚Masterplan’ hinaus“, hebt Michael Wengraf hervor. „Der Mensch mutiert darin zum bloßen Mittel für den Zweck einer schmalen Gruppe von Kapitaleignern.“ (169)
Im Fall des Corona-Narrativs sollten z.B. durch „die Massenimpfprogramme und Gesundheitspässe als Säulen eines neo-feudalen Regimes der weiteren kapitalistischen Akkumulation installiert werden.“ (170, Bauer ebd.)
Ergänzend mit Blick auf die technologischen Voraussetzungen dafür, lesen wir bei Philipp von Becker:
„Die Kommodifizierung aller Lebensbereiche ist durch die computerisierte Vernetzung bereits fast ins äußerste Extrem getrieben worden. Im ‚Überwachungskapitalismus‘ sind sämtliche Handlungen, Prozesse und Weltbeziehungen zu einer Ware geworden – oder sollen es noch werden. In Anlehnung an Jürgen Habermas kann von der (endgültigen) Kolonialisierung der Lebenswelt gesprochen werden.“ (171)
Unter den Bedingungen der entgrenzten Kommodifizierung nahm die vom Weltwirtschafts-Forum nach dem Motto „Ihr werdet nichts besitzen, aber glücklich sein“ vielleicht nicht ganz so geschickt beworbene Agenda erst ihre Gestalt an. Neben den Impfprogrammen und der dafür vorgesehenen Ausweitung der mRNA-Injektionen müssen auch der derzeit verhandelte WHO-Pandemievertrag und die anstehende Neufassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften in diesem Kontext betrachtet werden. Heute ist fast der gesamte Public-Health-Sektor der Logik der entgrenzten Kommodifizierung unterstellt und soll so dem privatkapitalistischen Renditemaximierungsstreben („Gesundheit als Ware“ statt „wahre Gesundheit“) restlos ausgeliefert werden; eine aus humanistischer Perspektive kranke und krankmachende Entwicklung, die systemimmanent doch nur logisch und konsequent erscheint: Denn mit gesunden Menschen lässt sich nicht so gut so viel Geld verdienen wie mit kranken!
Dies bedeutet, wie Yanis Varoufakis es formulierte, „dass ein Ende des heimlichen, aber rücksichtslosen Kriegs gegen Würde und Wahrheit“ (172) auf den die Bevölkerungen hoff(t)en, weder geplant war noch ist; dieser Krieg aber zwischenzeitlich gleichwohl auf eine neue, von den Eliten als sicherer und noch profitabler erachtete Grundlage gestellt wurde.
Schließlich spricht in der Empörung darüber, dass man den Brandstifter in der Finanzkrise zum Feuerwehrhauptmann ernannt hat, Luik in dem oben angeführten Zitat, exakt den wunden Punkt an. Besonders, wenn man diesen Skandal vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung der Vor-Corona-Jahre betrachtet, angefangen bei der Rolle, die darin die großen Investmentgesellschaften und Kapitalsammelstellen für die Elite namens BlackRock, Vanguard und State Street einnahmen. Sie beherrschen heute die größten Unternehmen der Welt.
Die von Luik zum Ausdruck gebrachte Wut über den „Irrsinn“ des Systems lässt es berechtigt erscheinen, im Hinblick auf diesen „rücksichtslosen Krieg gegen Würde und Wahrheit“ die Lage und die sie auslösende Gestimmtheit in den davon heimgesuchten Gesellschaften wenigstens einmal mit den dafür durchaus angemessenen pathetischen Worten zu beschreiben:
Wahrhaftig dürsten die Völker heute mehr denn je – der Politikwissenschaftler van der Pijl hat es empirisch anhand der Zunahme sozialer Proteste, Streiks und Unruhen auf der ganzen Welt belegt – nach einer grundlegenden Umwälzung der politischen Verhältnisse. Diese Verhältnisse werden besonders aufgrund der Ungerechtigkeiten, der Ungleichheit und der Entfremdung der Politik von den echten Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung, die diese fast überall zu „Exilanten in ihren eigenen Ländern“ (Agamben) gemacht hat, als versteinert wahrgenommen – und dies trotz oder vielleicht gerade wegen der immer fluideren, durchlässiger und subtiler wirkenden Macht- und Beeinflussungs-Techniken, die eingesetzt werden, um sie zu stabilisieren.
Der US-amerikanische Songwriter Oliver Anthony, der im August 2023 mit seiner Working-Class-Hero-Ballade „Rich Men North of Richmond“ über Nacht berühmt wurde, hat es in einem Statement, das nach dem überraschenden Mega-Erfolg des Songs auf allen Social-Media-Kanälen verbreitet wurde, so auf den Punkt gebracht:
„Die Menschen haben es so verdammt satt, vernachlässigt, geteilt und manipuliert zu werden.“ (173)
Die größten Opfer der Pandemie-Politik und neueste Enthüllungen zur „Operation Covid-19“
Das Versprechen der Demokratie, allen Bürgern Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, die individuelles Wachstum und Kreativität fördert, so dass sich die individuelle Persönlichkeit möglichst frei entfalten kann und so auf einem sozial organischen Weg dafür gesorgt wird, dass durch Mündigkeit, individuelle Kraft und Stärke und inneren Reichtum adäquate gesellschaftliche Räume geschaffen werden können, die an Vernunft, Ausgleich der Interessen und herrschaftsfreier Verständigung orientiert sind (und da, wo bereits solche Handlungsräume bestehen, diese – als das Ziel von Politik – konsolidiert, vertieft und vergrößert werden können), dieses Versprechen hat sich als eine Fiktion herausgestellt. Sie wird nur aufrechterhalten, weil und solange sie für die Eliten noch von Nutzen zu sein scheint. Sie ist aber bereits auf eine Weise entzaubert worden, die uns an das Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“ denken lässt. Primär wird das Versprechen der Demokratie nur deshalb nach außen hin (noch) aufrechterhalten, weil es zur Absicherung der himmelschreiend ungerechten Eigentumsverhältnisse (noch)nötig erscheint und der Absicherung der Elitenherrschaft in ökonomisch wie ökologisch stürmischer werdenden Zeiten (noch) Vorteile beschert. Die Anrufung der Demokratie verschafft den Eliten (noch) einen – allerdings immer geringer zu veranschlagenden – Distinktionsgewinn (bzw. man erhofft sich vom deklamatorischen Festhalten an der „Demokratie“ zumindest diesen Effekt). Die Demokratie hat aufs Ganze gesehen einen Großteil ihrer Aura und ihrer Anziehungskraft für die Menschen verloren. Die geeignetste Form, in der man von ihr noch sprechen kann, ist die der Elegie, fürs Drama reichen weder Kraft noch Vitalität noch aus. Faktisch werden die Gehalte, Ideen und Ideale der Demokratie, komplementär zu denen der Aufklärung, auf der die neuzeitliche Demokratie ja fußt, – selbstverständlich im eigenen, „demokratischen“ Namen, der dafür aber strikt antisouveränistisch und antipopulistisch umgelabelt wird – abgewickelt.
Parallel dazu beschleunigt sich der über die Köpfe der Menschen hinwegrauschende Prozess in Richtung eines konzerngesteuerten Technofeudalismus (Yanis Varoufakis, 167), der den Nationalstaaten als den letzten verbliebenen Counterparts global verabredeter Entwicklungen und Agenden die verbliebenen Bewegungsspielräume und Rechte auch noch wegnehmen will. Und das, obwohl die Global Governance und ihre Auguren selbst kein Jota demokratisch legitimiert sind. Doch angesichts einer sich immer noch weiter verschärfenden Kluft zwischen Globalisierungs-Gewinnern und -Verlierern, nimmt eine wachsende Anzahl von Menschen dies nicht mehr einfach so hin. Immer mehr Bürger gehen dazu über, das technokratische Gefängnis, in das wir alle gesperrt werden sollen, mit den Mitteln der außerparlamentarischen Opposition und des zivilen Ungehorsam zu bekämpfen.
Es sind jene Verhältnisse, die für das weltweit schockierende Ausmaß an Ungleichheit – einer Art Turbokrebs der Verarmung, sozialen Deprivation und Enteignung, der sich in immer breitere Schichten der Bevölkerung hineinfrisst und eine Art Kernschmelze des Mittelstandes ausgelöst hat – verantwortlich sind. Mit der Abschaffung des Bargeldes und der Einführung der digitalen Zentralbank-Währungen sollen die Bevölkerungen ganz ans Gängelband der Eliten gelegt werden. Derweil wächst und wächst die soziale Ungleichheit und bricht in immer kürzerer Zeit alle Rekorde: 1,2 % der Weltbevölkerung besaßen Ende 2020 47,8 % des globalen Vermögens, die Covid-19-Krise wirkte hier mit Abstand als der bislang stärkste Katalysator für die Akkumulation von Reichtum. (174)
Die Milliardärs-Elite verdoppelte ihr Vermögen während der Pandemie-Jahre 2020 und 2021. So berichtet Oxfam in seinem Bericht zur sozialen Ungleichheit 2022, dass das
„kumulierte Vermögen aller Milliardär*innen (…) seit Beginn der Pandemie nach Berechnungen von Forbes um beispiellose fünf Billionen US-Dollar gestiegen sei. Das ist ein größerer Zuwachs als in den 14 Jahren vor der Pandemie zusammen. Gleichzeitig lebte bereits 2019 fast die Hälfte der Menschheit – 3,2 Milliarden Menschen – unterhalb der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 5,50 Dollar pro Tag. Heute sind es 163 Millionen Menschen mehr als vor der Pandemie angenommen.“ (175)
Passend gewählt erscheint da die Überschrift des Oxfam-Berichts, mit der diese Zahlen gleichsam auf den Punkt gebracht werden:
„Die einen verdienen, die anderen sterben: Wie die Covid-19-Pandemie die Ungleichheit befeuert.“
Doch während der Altersmedian der an und mit Corona Verstorbenen in den westlichen Industrieländern leicht über der durchschnittlichen Lebenserwartung (2020 in Deutschland bei Frauen 83,4, bei Männern 78,5) lag und 2022 4,9% aller Todesursachen auf die Corona-Infektion (176) zurückgeführt wurden, sind in den armen Ländern alle Altersgruppen von einer erhöhten Sterblichkeit durch die Folgen der weltweit wirkenden Corona-Maßnahmen wie Lockdowns und den Unterbrechungen internationaler Lieferketten betroffen gewesen. Sie – die Armen der Welt – waren und sind die wahren Opfer der „Operation Covid-19“.
Was diese und deren nähere Umstände angeht: Seit 2023 ist alles das, was auf einen militärischen Hintergrund des Pandemiemanagements hinweist – und somit zum einen im Kontext der erweiterten NATO-Kriegsführung im Operationsfeld des cognitive warfare, des Kampfes um die Köpfe und die Psyche der Menschen (siehe S.4), zum anderen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der gain-of-function- Biowaffenforschung steht, immer stärker in den Fokus der Untersuchungen geraten. Die Faktenlage kann mittlerweile dank verschiedener hochkarätiger Analysen und Studien (die bis in den regierungsamtlichen Bereich reichen) immer genauer rekonstruiert werden, was auch in der Öffentlichkeit immer mehr Zweifel am offiziellen Pandemienarrativ nährt. Während man darüber in Deutschland noch relativ wenig hört, läuft in den USA dazu seit längerem schon ein Aufarbeitungsprozess, der sowohl die Herkunft des Virus als auch die Produktion des Impfstoffs aus Laboren und Einrichtungen für die biologische Kriegsführung als gesichertes Wissen annimmt. Dieser Aufarbeitungsprozess hat bereits politisch-juristische Teilerfolge verbuchen können. So sind mittlerweile in mehreren US-Bundesstaaten Gesetzesinitiativen gestartet worden, um die mRNA-Injektionen als Biowaffen strafrechtlich zu verfolgen. Hintergrund sind Recherchen nach denen es sich bei der Entwicklung, Produktion und Verbreitung der „Impfstoffe“ um eine als military countermeasures (militärischen Gegenmaßnahmen) klassifizierte Militäroperation unter Befehl der USA/BARDA (Biological Advance Research and Development Authority) gehandelt hat. (177)
Die Nominierung des erfolgreichen Verbraucherschutzanwaltes, Bürgerrechtlers, Big Pharma- und Big Data-Kritikers Robert F. Kennedy jr. (178) zum neuen US-Gesundheitsminister wird Untersuchungen zu den Zusammenhängen der Covid-Pandemieinszenierung mit den Aktivitäten des militärisch-biopharmazeutischen Komplexes sicher neuen Auftrieb geben. Das Handelsblatt titelte dazu: „Kennedys Einfluss auf Trump beunruhigt die Pharma-Branche.“ (179)
Kein Wunder, stellen er und seine populäre „Make America healthy again“-Bewegung doch eine Kampfansage an Big Pharma dar.
Mit der Berufung von Prof. Dr. Jay Bhattacharya, einem der Initiatoren der Great-Barrington-Erklärung von Oktober 2020, zum neuen Direktor des National Institute of Health (NIH) am 26. November 2024, der in der „Pandemie“ bei uns geschmäht, geblockt und diffamiert wurde, geht Trump noch einen Schritt weiter. (180)
In Kürze wird man also vermutlich noch mehr Puzzleteile der sog. Pandemie zu einem Gesamtbild zusammenfügen können. Dieses Bild wird wohl sehr weit vom offiziellen Narrativ entfernt liegen, d.h. ihm inhaltlich diametral entgegenstehen. Es dürfte Schockwellen und ein großes Beben im Big Business und dem politischen und medialen Establishment auslösen. Es ist zu erwarten, dass ein solches Beben nicht auf die USA beschränkt bleiben wird. Für diesen Fall sagen wir eine hochbrisante Situation für die in das Pandemie-Narrativ besonders tief verstrickten und darin stark gefangen gehaltenen Ländern wie Deutschland voraus.
Ob ein Gesundheitsminister Kennedy mit der Unterstützung eines NIH-Direktors Bhattacharya der Korruption und den kriminellen Machenschaften des pharmazeutisch-militärischen Komplexes Einhalt gebieten kann, die in der Corona-Zeit ihren Höhepunkt erreicht haben, weil sie der in diesem Artikel näher beschriebenen Logik und Dynamik der entgrenzten Kommodifizierung ja gerade Folge leisteten, bleibt derzeit freilich ebenso offen wie der Ausgang der neuesten Enthüllungen über den militärischen Charakter der Pandemieinszenierung. Der Ausgang dieser unter Aufarbeitungsgesichtspunkten erst einmal sehr positiven Entwicklungen, ist aber schwer vorauszusagen – und das nicht nur aus dem Grund, weil für alle Beteiligten äußerst viel dabei auf dem Spiel stehen dürfte.
Fußnoten:
117 Paul Virilio, Rasender Stillstand, Frankfurt/M. 1992.
118 Die Lebenspraxis verstehe ich als den Ort der materialen Rationalität bzw. ihrer Genese ¬– vorgängig zu allen gesellschaftlichen Institutionen, die nach Formen geronnener, formaler Rationalität funktionieren. Aus der Lebenspraxis, ihrer vita activa – dieser Gedanke ist auch von Hannah Arendt betont worden – stammen originär die Möglichkeiten, eine Gesellschaft zu verändern, weil nur die Lebenspraxen die Fähigkeiten eines Neuanfangen-Könnens besitzen – da nur Menschen, so Arendt, über die „Mitgift des Neuanfangs“ verfügen. Alle Institutionen würden sich, wenn es diese Mitgift des Menschen, etwas Neues zu beginnen, nicht gäbe, ad infinitum ¬im Kern nur selbst reproduzieren, weil sie ihrem Aufbau und ihrer inneren Funktionsweise nach der Logik der Selbsterhaltung folgen und dieser auch nur gehorchen können. Wichtig in dem Zusammenhang ist noch der Hinweis, dass konstitutionslogisch also die Transformation vor der Reproduktion kommt (sonst wäre der Mensch schon mit einer fertigen Identität auf die Welt gekommen), institutionalisierte Gesellschaft dieses Verhältnis aber tendenziell immer schon umdreht, da der größere und mächtigere Teil der Gesellschaft sich immer von der Reproduktion nährt und folglich auch von ihr bzw. von ihrer Logik beherrscht wird. Deshalb kommen Revolutionen in der Geschichte auch relativ selten vor. Wenn der Problemdruck und der Veränderungswille in einer Gesellschaft sehr stark geworden sind, die Institutionen sich aber weiter dagegen abschotten ohne selber substanziell noch etwas zur Problemlösung beitragen zu können, kommt es in der Regel zu revolutionären Ausbrüchen. Doch die Dynamik der Lebenspraxis, so lautet meine These, wird heute durch die Hyper-Technisierung und - Mediatisierung gelähmt, wenn sie nicht gar stillgestellt werden soll: Technologie und Technokratie sorgen dafür, dass die Institutionen gegenüber den vitalen Impulsen zu ihrer Veränderung, die sich stets dieser lebenspraktischen Dynamik verdanken, immer mehr abgedichtet werden. Wenn Evolution auf diese Weise verunmöglicht wird und auch der Weg zur Revolution verbarrikadiert ist, führt der anhaltende Überdruck aus den hoch akkumulierten Problemlagen einerseits und die unterdrückte, ins Pathogenetische gedrängte Veränderungsenergie andererseits, schnell in einen neuen Faschismus.
119 Naomi Klein, Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Frankfurt/M. 2007. – Systematische Angsterzeugung steht in einem unauflösbaren Widerspruch zur demokratischen Verfasstheit von Gesellschaft. Dieser Widerspruch wird z.B. von Rainer Mausfeld thematisiert: „In welchem Ausmaß demokratische Rhetorik und gesellschaftliche Realität auseinanderklaffen, lässt sich nicht zuletzt daran ermessen, inwieweit die Machtausübenden darauf verzichten, gesellschaftliche Ängste – sei es über physische Gewalt, strukturelle Gewalt oder eine Manipulation der öffentlichen Meinung – systematisch zu schüren. Ein systematisches Erzeugen von gesellschaftlicher Angst entzieht der Demokratie die Grundlage, weil Angst eine angemessene gesellschaftliche Urteilsbildung blockiert und die Entschluss-und Handlungsbereitschaft lähmt. Freiheit von gesellschaftlicher Angst gehört unabdingbar zum Fundament von Demokratie.“ Rainer Mausfeld, Angst und Macht. Herrschaftstechniken der Angsterzeugung in kapitalistischen Demokratien, S. 15 f.
120 Das Desiderat einer philosophischen Deutung der Biopolitik als Fortschreibung und Weiterentwicklung des von Foucault unternommenen Versuchs ihrer Bestimmung als der neuen Form von Gouvernementalität, stellt sich durch Corona heute noch einmal in gesteigerter, dringlicherer Weise dar. Denn Corona hat neue Fragen und Probleme für das Philosophieren aufgeworfen. Philosophieren und Philosophie wird dabei, den Begriffen Hannah Arendts und Giorgio Agambens folgend, als ein emphatisches Denken der Zeitgenossen- und Zeitzeugenschaft verstanden – ein Denken, das sich angesichts dieses Geschichtszeichen aufs Neue bewähren muss.
121 http://web.archive.org/web/20130526110442/https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-und-zeiten/giorgio-agamben-im-gespraech-die-endlose-krise-ist-ein-machtinstrument-12193816.html, 24.5.2023. – Unter dem Begriff der Biopolitik werden grundsätzlich die veränderten Machttechniken und Regierungsweisen in den Blick genommen, die im Kontext der rasant beschleunigten technologischen Entwicklung entstanden bzw. im Entstehen begriffen sind. Mit ihnen hat sich die Tendenz, für alle gesellschaftlichen Probleme ausschließlich technische Lösung vorzusehen und zu propagieren, so stark ausgeprägt, dass sie als „Solutionismus“ die heutige neoliberale Politik (an-)leitet. Der Solutionismus führt die westliche Zivilisation, die sich längst über den ganzen Globus gelegt hat, in einen vitiösen Zirkel: Stark negative Folgeprobleme der Technisierung werden mit mehr und besserer Technik „gelöst“, was wiederum zu weiteren neuen und in der Regel nicht antizipierten Technikfolgeproblemen führt, die wiederum durch noch mehr und noch bessere Technik als bloße „Fehler“ behoben werden sollen. Zugleich richtet sich die Technisierung mehr und mehr auf die Veränderung des leiblichen Menschen selbst, nicht mehr nur auf seine Umwelt und seine Lebensbedingungen. Dies stellt das eigentliche Eingangstor für die Biopolitik und die Bedingungen dar, die Biopolitik für ihre paradigmatisch gewordene Bedeutung im Kontext von Gouvernementalität (verstanden als das Denk-und Glaubenssystem, das in Bezug auf die Art und Weise des Regierens vorherrschend ist) einnimmt. Im Transhumanismus, dem Ziel neoliberaler Biopolitik, soll der menschliche Körper erst technologisch optimiert, dann ganz durch Technologie ersetzt werden. Die Biopolitik ist als das Set an Instrumentarien, Strategien, Präskripten und Konzeptualisierungen auf dem Weg hin zu dieser Substitution zu betrachten. Biopolitik terminiert paradoxerweise also ausgerechnet in der Entmenschlichung: der Mensch passt sich immer mehr der Maschine und den Vorgaben einer maschinisierten Wissenschaft an. Bezogen auf das politische Koordinatensystem bedeutet dies zwar nicht, dass das Links-Rechts-Schema ganz obsolet geworden ist, wie heute gerne behauptet wird. Tatsächlich hat es aber viel von seiner Aussagekraft verloren. Das liegt daran, dass man heute eine technokratische Linke und eine technokratische Rechte von einer nicht-bzw. anti-technokratischen Linken und einer anti-technokratischen Rechten unterscheiden muss. Die anti-technokratische Linke berührt sich mit der anti-technokratischen Rechten, nicht aber mit ihrem technokratischen Pendant, wann und wo immer die Politik linker (sozialdemokratischer, sozialistischer, kommunistischer) und rechter (konservativer, liberaler und oder nationalistischer Gesinnungen) die Resistenz von Lebenspraxis im Kampf gegen übermächtig gewordene Institutionen, Strukturen und systemische Sachzwang-Logiken unterstützt und aktiv verteidigt. So trennt Biopolitik nicht links und rechts, sondern tatsächlich unten (Resistenz von Lebenspraxis) von oben (Technologie als Mittel zur gesellschaftlichen Steuerung, „Reform“ oder Beglückung). Der undifferenzierte, dichotomische Gebrauch der Begriffe Links und Rechts wird mehr oder minder bewusst zur Abwehr einer Politik benutzt und von dem Parteienkartell der extremisierten Mitte (aus technokratischer Linken und technokratischer Rechten) aufrechterhalten, die ernsthafte Konsequenzen aus der Erkenntnis zieht, dass der Kampf zwischen technokratischer Steuerung und autonomer Lebenspraxis heute als ein Hauptwiderspruch des neoliberalen Kapitalismus im Endstadium gelten muss (neben der Eigentumsfrage an den Produktionsmitteln und der immer wichtiger gewordenen Frage, wer und vor allem in welchen Strukturen die milliardenschweren Investitionen des privaten Finanz-und Unternehmenskapitals autorisiert werden und wie strukturell darüber entschieden wird.)
122 Jan David Zimmermann, Lethe. Vom Vergessen des Totalitären, Oberhofen 2023, S.28.
123 Siehe Paul Schreyer, Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte. Frankfurt/M. 2020.Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008.
124 Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/M. 2008.
125 Sheldon Wolin, Umgekehrter Totalitarismus, Frankfurt/M. 2022.
126 Emmanuel Todd, Der Westen im Niedergang. Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall, Frankfurt/M. 2024, S.128 f.
127 Patrick Schreiner, Unterwerfung als Freiheit. Leben im Neoliberalismus, Köln 2015.
128 https://www.achgut.com/artikel/neusprech_deutsch_ein_woerterbuch, 3.1.2023. – Nach Ansicht Orwells ist „das wirklich beängstigende am Totalitarismus (...) nicht, dass er Massaker, sondern dass er das Konzept der objektiven Wahrheit angreift: er gibt vor, die Vergangenheit wie die Zukunft zu kontrollieren“, siehe auch Herrschaftsaspekt Nr. 3: Das sog. New Normal.
129 Todd erklärt sowohl die Absenkung des Bildungsniveaus im Westen als auch die eindrückliche Reihe von außenpolitischen Fehlentscheidungen der USA und der EU mit dem fehlenden Geschichtsbewusstsein ihrer Oligarchien. Deren „Vorstellung der globalen Kraftverhältnisse – militärisch, wirtschaftlich und ideologisch – und die ihrer eigenen Entwicklung“ sei „phantasmatisch“. Mit dem Eintritt des Westens in den Ukraine-Krieg sei der „Tiefpunkt der westlichen Akteure“ in Sachen Geschichtsbewusstsein erreicht worden: „Die Verschmelzung der beiden Nihilismen, des amerikanischen und des ukrainischen“ werde, resümiert Todd, „zu einem Scheitern, zum Niedergang führen – die ultimative Rache der geschichtlichen Vernunft.“ Todd, a.a.O., S.291 – 318, Zitate S. 294.
130 Michael Andrick, Im Moral-Gefängnis. Spaltung verstehen und überwinden. Frankfurt/M. 2024.
131 Bernd Schoepe, Cancel Culture macht Schule. Wie der neoliberale Schulumbau eine institutionalisierte Form von Cancel Culture hervorbringt, die Demokratie und Bildung gleichermaßen abzuwickeln droht, https://bildung-wissen.eu/wp-content/uploads/2021/12/NVBSCancel-Culture-macht-Schule-Endfassung-B.S.-%E2%80%93-08.12.2021.pdf
132 „Generation Selfie“ – Warum wir süchtig nach Anerkennung sind?“ https://www.stern.de/neon/wilde-welt/gesellschaft/generation-selfie--warum-wir-suechtig-nach-anerkennung-sind-7906862.html, 20.3.2018. – Schon im Jahr 2000 hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu die Folgen der „chronischen Instabilität“ in Zeiten neoliberaler Ökonomie und Gesellschaft so beschrieben, dass es die Subjekte „strukturell dem Risiko ausliefert, und das nicht allein, weil, gleich einem Damoklesschwert die (mit den Seifenblasen der Spekulation im Zusammenhang stehende) Krise beständig über ihm schwebt. Jene Strukturen“ würden sich als „solche des Erkennens, den Köpfen der Menschen einprägen. Die strukturelle Unsicherheit“ so Bourdieu, trage dazu bei, „dass ein neuer Mensch produziert wird, ein in jeder Hinsicht berechnender Mensch, der in der Politik (und nicht nur dort) zum Zyniker tendiert oder zur Unverlässlichkeit und auch zum Individualismus, um nicht zu sagen zum Egoismus, der durch die Zersetzung der Person und die Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (…) noch befördert wird.“ Pierre Bourdieu, Neoliberalismus und neue Formen der Herrschaft (2000), https://www.socialtrans.de/index.php/st/article/view/9, Vol.1 No.1., 2016.
133 Wolin, a.a.O., S.143.
134 Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu sehen, dass auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung im April 2023, die ohne jede Relativierung auskommende Aussage steht (auch im nachfolgenden Text kommt keine Relativierung vor): „Der Kampf gegen die Corona-Pandemie stellt die Welt vor gewaltige Aufgaben und macht den Ausnahme- zum Normalzustand“, und das ausgerechnet in der Einleitung zu einer „sicherheitspolitischen Presseschau“ (sic!). https://www.bpb.de/themen/gesundheit/coronavirus/306919/die-corona-krise-und-ihre-folgen/, 23.4.2023.
135 Prof. Dr. Lothar Wieler am 28.7.2020 in der Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts. Siehe dazu: Marcus Klöckner, Zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Eine Berichterstattung, die dem „Vorlesen von Regierungspamphleten gleicht“, https://www.nachdenkseiten.de/?p=113733, 12.4.2024.
136 Mary Bauermeister im Gespräch mit der Schweizer Zeitschrift „Die Freien“ , republiziert in: Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/widerstand-als-weg-des-spirituellen, Interview mit Mary Bauermeister, 19.8.2023.
137 Unter fait social – soziales Ding – wird in der Soziologie jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns bezeichnet, die die Fähigkeit besitzt, auf den Handelnden einen äußeren Zwang auszuüben.
138 Uli Gellermann, https://www.rationalgalerie.de/home/sucharit-bhakdi, 8.10.2023. Der Soziologe Nachtwey, der u.a. die Studie durchgeführt hat, hält als ein überraschendes Ergebnis fest, dass der Protest gegen die Maßnahmen eher „eine Bewegung von links“ sei.
139 https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/carolin-amlinger-und-oliver-nachtwey-eine-bewegung-von-links-mit-drift-nach-rechts-91886714.html#google_vignette, 31.10.2022. Anders als bei Nachtwey erklärt die „Drift nach rechts“ sich natürlich aus dem Versagen der Linken, die der autoritären Versuchung nicht widerstanden und ihre aufklärerischen Wurzeln damit – je nach Lesart – vergessen, verleugnet oder verraten haben.
140 https://www.thomas-eisinger.de/zum-ersten-mal-in-der-geschichte/, mit einer Ergänzung, 10.10.2023.
141 Ebd.
142 „Für eine Revolution braucht es eine kritische Masse und eine organisierte Opposition“, so der FAZ-Korrespondent Rainer Herrmann in einem Interview mit der Konrad-Adenauer-Stiftung Herrmann bezieht das natürlich nicht auf den „Werte-Westen“, sondern auf den Iran. Seine Aussage halte ich aber für allgemein richtig, wobei ich die kritische Masse für wichtiger erachte als die organisierte Opposition und gerne auch das Vermögen zur Selbstorganisation dieser kritischen Masse als wichtigen Revolutionsfaktor zu bedenken geben möchte. Tatsächlich bedarf es für größere, strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft keiner nummerischen Mehrheit. Nachhaltige Veränderungen können – laut verschiedener extrapolierter Daten aus der Revolutionsforschung – durch etwa drei bis fünf Prozent aktiver Bürger in der Bevölkerung erreicht werden. Zu den Chancen zivilen Ungehorsams https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die-loesung-fuer-alles/gene-sharp-protest-ziviler-ungehorsam-88891, 12.6.2020.
143 Mathias Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/dezentralerevolution, 7.2.2021.
144 Matuschek, https://www.freischwebende-intelligenz.org/p/widerstand-als-weg-des-spirituellen, Interview mit Mary Bauermeister, 19.8.2023.
145 Sebastian Lucenti, Der verlorene Kompass in der Corona-Krise, https://www.cicero.de/innenpolitik/der-verlorene-kompass-in-der-corona-krise, 13.8.2023.
146 Ebd.
147 Erich Fromm, https://fromm-online.org/wp-content/uploads/glossar/019-162.pdf . Hier werden noch weitere wichtige Merkmale der Biophilie beschrieben.
148 Jean Ziegler über den Hunger in Afrika: „Es gibt genügend Nahrungsmittel“, TAZ vom 19.4.2017.
149 Byung Chul Han, Im Reich der namenlos Nackten, Der Tagesspiegel, 29.4.2012.
150 https://www.textlog.de/eisler/kant-lexikon/autonomie
151 Häring, Endspiel des Kapitalismus, a.a.O., S.248.
152 Zum Gedankenlesen, das laut Schwab bald durch die Weiterentwicklung der Invasiv-Technologien ermöglicht wird, siehe Klaus Schwabs Gespräch mit Sergey Brin auf dem WEF-Gipfel, Davos 2017
https://www.youtube.com/watch?v=ffvu6Mr1SVc
153 Häring, a.a.O., S. 242 f. – In dem Zusammenhang sei der Hinweis gegeben, dass nicht nur die großen, kanonischen Werke des dystopischen Romans, sondern das gesamte Genre der (etwas) anspruchsvolleren Science-Fiction-Literatur als ein Produkt der Aufklärung anzusehen ist: Aldous Huxley (1894-1963), Schöpfer der Brave New World, gab ein schon damals aus der Zeit gefallenes, verspätetes Beispiel eines Uomo universalis aus der Renaissance oder Frühaufklärung ab. Huxley war ein äußerst vielseitig begabter, wissenschaftlich, philosophisch und künstlerisch gebildeter Autor. George Orwell (1903-1950) war ein undogmatischer, freiheitlicher Sozialist, der für seine Überzeugungen im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte und visionär in „1984“ seine Erfahrungen mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, Nazismus und Stalinismus, verarbeitete. Jevgenij Samjatin (1884-1937), dessen dystopischer Roman „Wir“ (1920) ein literarisches Vorbild sowohl für Huxley als auch für Orwell lieferte, war ein Schiffsbauingenieur und enttäuschter Bolschewist, der selber aktiv an der Oktoberrevolution beteiligt war, sich später aber vom Kommunismus wegen „der Gewalt (...) und der Leugnung des seelischen Lebens“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Jewgeni_Iwanowitsch_Samjatin) abwandte. Stanislaw Lem (1921-2006) schließlich, der seine Schriftstellerlaufbahn 1948 mit einer antistalinistischen Satire begann, war ausgebildeter Mediziner und Forschungsassistent in angewandter Psychologie. Besonders Lem und Huxley verdanken wir satirisch-hintergründige Schöpfungen, in denen die Technikgläubigkeit und der wissenschaftliche Hunger nach Erfindungen als Produkte menschlicher Hybris entlarvt werden. Beide Topoi des dystopischen Romans – die große Faszination, mit der die Technik genau wahrgenommen und rezipiert wird (die Bewunderung, was der technowissenschaftliche Komplex an Demiurgischem zu vollbringen in der Lage ist) und die Kritik an der Technik als Ausfluss der Hybris einer menschlichen Wissbegierde, die durch den Machttrieb überwölbt wird – vor allem also die Entdeckung der engen psychologischen Verwandtschaft von Wissbegierde mit dem, was bei Nietzsche „der Wille zur Macht“ heißt – gehen auf die Aufklärung zurück. Wie die Eigengesetzlichkeit und Eigendynamik technischer Naturaneignung und Weltbeherrschung und die Verführbarkeit der Wissenschaften „bösen Mächten“ zu dienen, in unfreie und inhumane Gesellschaften führen, sofern nicht wirk- und heilsame Korrektive genug an Widerstandskraft dagegen mobilisieren können, erscheint in der dystopischen Literatur als ein ihre Stoffe weithin beherrschendes Thema. Das wird in spannenden, phantasievollen, technisch versierten und oft glaubwürdig geschilderten Plots von Mal zu Mal variierend erzählt. Zumindest implizit kommt es dabei regelmäßig zur Thematisierung der Gegenaufklärung. Einer Gegenaufklärung, die sich der Mittel der technischen Zivilisation immer perfekter zu bedienen und sich hinter dem Faszinosum der Technik und dem Menschheitstraum des technischen Fortschritts zugleich immer besser zu verstecken weiß. Bemerkenswerterweise trifft die ungebrochene Attraktivität der Science-Fiction-Bücher und Filme, da wo die Fiktion immer mehr zur Realität wird, zunehmend auf ein Paradox, das als ein Produkt gespaltener Wahrnehmung angesehen und analysiert werden müsste. Die beiden Entitäten, d.h. einerseits die nach transhumanistischen Gesichtspunkten neu modellierte Realität und andererseits die Welt der Science-Fiction, in der diese Entwicklungen wieder und wieder Gegenstand meist düsterer, den Leser stark affizierender Prophezeiungen werden, entkoppeln sich im Bewusstsein umso stärker voneinander, desto größer de facto ihre Schnittmenge wird. Meiner Einschätzung nach handelt es sich dabei um eine höchst merkwürdige kognitive Dissonanz, die eigentlich einen langen Rattenschwanz sozialpsychologischer Hypothesen und lebhafte Diskussionen derselben nach sich ziehen müsste.
154 Dieses lack of information gibt es, obwohl alle Informationen über die einschlägigen Pläne und Zukunftsprojektionen bei den zuständigen bzw. sich zuständig erklärenden Stellen zugänglich sind und nachgelesen werden können. Das Wissen über diese Unternehmungen, Projekte und der dahinterstehenden Agenda, einschließlich ihrer ökonomischen Grundlagen und Verflechtungen, ist keineswegs verschwörerisch geheim. Es wird auch nicht geheim gehalten. Was die Recherche aber kostet, ist: viel Zeit, Energie, auch eine gewisse Hartnäckigkeit und natürlich Vorwissen.
155 Sorgner, von Becker, Transhumanismus, a.a.O., S.69.
156 Ebd., S. 86 f.
157 Ebd., S.78.
158 Stiegler, https://www.tagesspiegel.de/kultur/denken-heisst-heilen-4188055.html, 10.8.2020.
159 Matthias Burchardt, https://1bis19.de/gesellschaft/der-homo-hygienicus-ward-geboren-aber-lasset-uns-nicht-frohlocken/, Gespräch mit Daniel Kaiser, 13.12.2021.
160 Kees van der Pijl. Die belagerte Welt. Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können, Ratzert 2021, S.36
161 Ebd. , S.36 ff.
162 Arno Luik, Rauhnächte, Frankfurt/M. 2023, S.37 und S.39 f.
163 https://www.novo-argumente.com/artikel/der_charme_des_schlangenoels, 23.10.2024.
164 https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1029764, 14.11.2024.
165 https://www.br.de/nachrichten/bayern/csuler-contra-wagenknecht-menschgewordener-hitler-stalin-pakt,UNJxBpV, 4.9.2024.
166 Werner Rügemer, Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zum Aufstieg der neuen Finanzakteure, Köln 2018, S.7.
167 Ebd., S. 31.
168 Rudolph Bauer, Fabio Vighi: Einer, der nicht in den Corona-Chor eingestimmt hat, http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29321, 19.11.2024
169 Wengraf, Die rechte Revolution. Veränderte ein Masterplan die Welt ? Kassel 2020, S. 216 f.
170 Bauer, a.a.O.
171 Sorgner, von Becker, a.a.O., S.83.
172 Yanis Varoufakis, Die ganze Geschichte. Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment, München 2017, S.123.
173 https://tkp.at/2023/08/19/neuer-us-working-class-hero-der-usa-lasst-euch-die-freiheit-nicht-wegnehmen/
174 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/384680/umfrage/verteilung-des-reichtums-auf-der-welt/
175 https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2022-01-17-reichsten-verdoppeln-vermoegen-waehrend-160-millionen
176 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/11/PD23_441_23211.html
177 Die neue niederländische Gesundheitsministerin Fleur Agema hat bestätigt, dass für das staatenübergreifend-synchrone Eingreifen nach Auftauchen des SARS-CoV-2-Virus in Europa und Nord-Amerika eine unter NATO-Kommando stehende Operation verantwortlich gewesen ist. Diese Operation wurde im Rahmen von sog. military countermeasures durchgeführt. Demnach hatten die nationalen Regierungen NATO-Befehle auszuführen, d.h. es waren auch die beteiligten Ministerien dem NATO-Kommando unterstellt. So wurde in jedem Gesundheitsministerium der Mitgliedsstaaten die Koordination und Oberaufsicht für das Pandemiemanagement an einen hohen Militär der NATO übertragen, in Deutschland war das Generalstabsarzt Hans-Ulrich Holtherm, u.a. Leiter des ressortübergreifenden „Gemeinsamen Krisenstabs BMI – BMG – Covid 19“. https://transition-news.org/militarische-operation-niederlandische-gesundheitsministerin-deckt-nato, 17.11.2024.
178 Robert F. Kennedy jr., Das wahre Gesicht des Dr. Fauci, ders.: Die Wuhan-Verschwörung und das erschreckende Wettrüsten mit Biowaffen, Rothenburg a.N. 2022 bzw. 2024.
179 Interessanterweise wurde der Handelsblatt-Artikel redaktionell am selben Tag überarbeitet, u.a. verschwand diese Schlagzeile. Nun heißt es sachlich: „Trump will Robert F. Kennedy zum Gesundheitsminister machen“. Der Tenor des Artikels ist vergleichsweise zurückhaltend, kommt aber auch nicht ohne das Framing „Impfgegner“ aus, das sich stereotyp in allen deutschen Mainstream-Artikeln zu dieser Personalie wiederholt. Kennedy selbst hat vor den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen dazu erklärt, dass er „niemandem seine Impfungen wegnehmen“ will. „Ich möchte nur sicherstellen, dass jeder Amerikaner das Sicherheitsprofil, das Risikoprofil und die Wirksamkeit des Impfstoffs kennt. Das ist alles.“ https://x.com/RobertKennedyJr/status/1845995741833011374
Bei der immer wieder benutzten Kennzeichnung Kennedys als „Impfgegner“ handelt es sich also um Desinformation.
180 https://med.stanford.edu/news/all-news/2024/12/jay-battacharya-nih.html, https://www.bbc.com/news/articles/cvg4yxmmg1zo, 27.11.2024.
Über den Autor: Bernd Schoepe (Jahrgang 1965), freier Autor, ist langjähriges aktives GEW-Betriebsgruppen-Mitglied, ehem. Vertrauensmann und Mitglied der Hamburger Lehrerkammer. Hauptberuflich arbeitet er als Deutsch-, Politik-und Philosophielehrer an einer Stadtteilschule und ist seit 2003 im Hamburger Schuldienst. Zusammen mit dem Rechtsanwalt und Autor Sebastian Lucenti, den Pädagogen Stefanie Raysz und Alexander Wittenstein und dem Professor für Kinderpolitik Dr. Michael Klundt, gehört er zu den Gründungsmitgliedern des Netzwerkes für die pädagogische Aufarbeitung der Corona-Zeit.
Nähere Informationen zum Netzwerk sind abrufbar auf der Seite:
https://padlet.com/netzwerkaufarbeitung/netzwerk-p-dagogische-aufarbeitung-der-corona-zeit-kow5p1819im4so0l
Siehe auch:
Plädoyer für eine neue Aufklärung – Teil 1:
Die Wissenschaft nach Corona: Eine – wegbrechende? – Säule der Moderne
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29211
Plädoyer für eine neue Aufklärung - Teil 2:
Freiheit, Gerechtigkeit und Wagemut – Der Kampf für Wissen und Wahrheit und die Lust am Denken - Oder: Woran die Aufklärung uns erinnern sollte
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29215
Online-Flyer Nr. 840 vom 14.12.2024
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FOTOGALERIE