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Unterwegs mit der fact finding commission der antiimperialistischen Karawane in Minsk, 12.-16. Mai 2025
Gegenbild zur Schwarzmalerei
Von Peter Betscher
An der fact finding mission der antiimperialistischen Karawane nahmen Genossen aus Irland, Serbien, Deutschland, Lettland, Griechenland, Türkei und Belarus teil. Veranstalter war die belarussische Sektion der antiimperialistischen Front mit Unterstützung aus anderen Ländern. Ziel der Mission war es, sich ein unabhängiges Bild von der Situation in Weißrussland zu machen, das in unseren Medien sehr schwarz gemalt wird. Es wurden unterschiedlichste Bereiche des gesellschaftlichen Lebens besucht und Gespräche mit Vertretern verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen geführt.

Fact finding commisson (Quelle: mlyn.by)
Jüngere Geschichte von Belarus
Als Teil der Sowjetunion erlebte Belarus eine ähnliche Umbruchsituation wie Russland in den Jahren 1991 bis 1994. Die Produktion des Landes war gelähmt und es herrschte Kriminalität und Demoralisierung. 1996 war der Höhepunkt der Krise. Das Land stand kurz vor einem Bürgerkrieg (1). Der jetzige Präsident Alexander Lukaschenko war zu Sowjetzeiten Leiter eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebes (Sowchos) und „startete seine Karriere als Vorsitzender zur Bekämpfung der Korruption“ (2). Im Juli 1994 wurde er zum ersten Präsidenten des unabhängigen Belarus gewählt. 1996 wurde ein Referendum über die neue Verfassung und die Wahl des Präsidenten abgehalten. 85 % der Wähler stimmten für die Verfassung und den Präsidenten, was aber von den USA und der EU nicht anerkannt wurde (1). Im Gegensatz zu Russland wurde die Übernahme des Volkseigentum durch Oligarchen unterbunden. Die Belorussische SSR war die Werkbank der Sowjetunion gewesen und ein beträchtlicher Teil der Industrieprodukte wurde dort hergestellt und Teile davon konnten im neuen Staatswesen weiter geführt werden.
Besuch im nationalen Kindertechnopark

Kindertechnopark
Bildung in Weissrussland ist kostenlos. Unser erster Besuch galt dem Kindertechnopark am Stadtrand von Minsk. Diese Einrichtung dient der Rekrutierung von Fachkräften. Die besten Schüler werden ausgewählt bzw. können sich selbst für dieser Einrichtung bewerben. Im Technopark gibt es die unterschiedlichsten Labore, die sich u.a. mit Raumfahrt, Energieproduktion, Umweltschutz, Robotik und virtueller Realität beschäftigen. Der Unterricht ist praxisnah gestaltet. Der Professor für Energiewirtschaft erzählte uns, dass man der Bevölkerung keinerlei Energieeinschänkungen auferlegen wollte, deshalb gäbe es keine Tabus in der Forschung an Energieträgern. Man versuche aus den vorhandenen Energieträgern einen möglichst kostengünstigen und umweltschonenden Mix zur Verfügung zu stellen. Im Bildungssystem gibt es keine Trennung in unterschiedliche Niveaus der Schüler, so dass man sich während der ganzen Schulzeit für eine Berufsausbildung oder für ein Studium entscheiden kann.
Besuch der Zentrale der Kommunistischen Partei Belarus

Zentrale der Kommunistischen Partei
Vorausgeschickt sei, dass die Kommunistische Partei Belarus die factfindung commission u.a. mit Tagungsräumen und Gesprächspartner unterstützte. Die KP Weißrussland hat ca. 6000 Mitglieder und erreichte 3,21 % bei den letzten Wahlen. Hier ist eine kurze Erläuterung des Wahlsystems von Belarus notwendig. Man kann zwar als Vertreter einer Partei antreten, aber man muss kein Parteimitglied sein, um bei den Wahlen antreten zu können. „Nachdem in den letzten 10 Jahren Wirtschaftskrise und sinkender Lebensstandard das Vertrauen in Parteien stark erschüttert hatten, konnten im Oktober 2000 auch nichtparteigebundene gesellschaftliche Vereinigungen, von denen es inzwischen viele gibt, zu den Parlamentswahlen antreten. (...) Nach dem neuen Wahlgesetz kann sich jeder bewerben, wenn er 1000 Unterschriften zur Unterstützung vorweisen kann. (...) Einerseits ist die Zivilgesellschaft jetzt direkter im Parlament vertreten, anderseits mischen sich Produktions-vereinigungen sowie Finanz- und Industriegruppen aktiv in die Politik ein. Die Regierung wiederum ist gezwungen, mit den 100 Organisationen in einen Dialog zu treten. Es entwickelt sich eine Schule der Demokratie (3). Darüber hinaus gibt es noch die Allbelarussische Volks-versammlung, wo periodisch strategische Fragen der künftigen Entwicklung von Belarus diskutiert werden. An diesem Forum nehmen Parlamentarier, Arbeitnehmer, Vertreter religiöser Organisationen, NGOs, Repräsentanten der Privatwirtschaft, Rentner und Studenten teil. 2021 war die Volksversammlung mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt, die zur öffentlichen Diskussion gestellt wird. (4)
Beim ersten Gespräch wies eine Teilnehmerin der Kommission darauf hin, dass in Europa Belarus als Diktatur bezeichnet würde. Worauf der Generalsekretär antwortete: „Ich muss sie leider enttäuschen. Wir sind eine Diktatur, eine Diktatur der Gerechtigkeit und für die Bevölkerung.“ Damit meinte er, dass die öffentliche Grundversorgung und sämtliche Ressourcen komplett in staatlicher Hand sind und nur alles darüber hinaus der Privatwirtschaft überlassen bleibt. Die kommunistische Partei unterstützt voll den Kurs von Lukatschenko. Was die Frage aufwarf, wozu überhaupt eine KP benötigt wird. Er antwortete, dass Belarus ein kleines Land ist und man bei der jetzigen Weltlage momentan keine Möglichkeit sähe sich weiter in Richtung einer gerechteren Gesellschaft zu entwickeln. Vielmehr gälte es in dem schwierigen Umfeld die übernommenen Strukturen der Sowjetunion zu verteidigen. Die Mietkosten mit Nebenkosten für Wohnungen betragen bei uns 50 € , während es in Polen 500 € sind. Die Lebensmittelpreise sind um 20 bis 50 % billiger als in der EU. Die Preise für den öffentlichen Nahverkehr sind sehr günstig. Das sollte man berücksichtigen, wenn man unser durchschnittliches Gehalt von 613 € bewertet. Beim Gini-Index ist Belarus unter den führenden Ländern. (5) Durch den verstärkten Außenhandel mit Russland wächst das belarussische BIP 2023 um 4,1 % und 2024 liegt es bei 4,0. Die Arbeitslosenquote ist von 2010 mit 6,0 % auf 3,4 % im Jahr 2024 zurückgegangen.(6)
„Wir sind keine Oppositionspartei, sondern unterstützen den Kurs von Präsident Lukaschenko voll. Wir hatten in Weissrussland schon 7 oder 8 Versuche von sogenannten Farbrevolutionen. In 2020 standen unsere gesellschaftlichen Errungenschaften auf der Kippe.“ „Hunderte Millionen Dollar und Euro wurden auch für die langjährige, systematische Tätigkeit zahlreicher NGOs in Belarus von den USA, der EU sowie ihrer Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt. Dazu gehören die rechtsliberale Stiftung "Liberale Moderne" der Grünen, andere amerikanische, deutsche und weitere ausländische Stiftungen (7) „Es gab terroristische Akte und Zerstörung von Infrastruktur und nicht nur Mitglieder der KP erhielten Morddrohungen. Vor der neuen Wahl erließ Lukatschenko eine Amnesie für die Verhafteten und richtete ein nationales Versöhnungskomitee ein, da damals auch viele Bürger Weißrussland verließen.
Gespräch mit dem Journalisten Grigori vom Nationalen Versöhnungskomittee

Gespräch mit Grigori, Nationales Versöhnungskomitee
„In 2020 hatten wir eine sehr gewalttätige Farbrevolution. Es gab Pläne aus den USA Lukatschenko zu töten, die vom russischen Geheimdienst abgehört wurden. Die potenziellen Attentäter wurden von der Polizei verhaftet. Ein weiterer prominenter Gefangener war der Chef der größten Bank von Belarus, der Geld unterschlagen hatte, um damit die Opposition zu sponsern. Das sind keine Fälle mit denen sich die Kommission befasst. Wir hatten Leute, die sich an Straßenblockaden und an Angriffen auf Polizisten beteiligten und wir haben viele Bürger in 2020 durch Ausreise verloren. Die Kommission setzt sich aus Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen zusammen. Ziel der Kommission ist es, Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern, wenn sie sich von ihrem staatsschädigendem Verhalten distanzieren und Ausgewanderten die Rückkehr zu ermöglichen. Im letzteren Fall muss ein Antrag auf Wiedereinbürgerung bei der Kommission gestellt werden. Die Klassenstruktur der Proteste setze sich aus der Mittelklasse, vornehmlich aus den Städten, Unternehmern, Kleingewerbetreibende und viele Jugendliche, die durch soziale Medien von westlicher Propaganda beeinflusst sind, zusammen. Es sei nicht so schwer Mitläufer von bezahlten Agenten und Überzeugungstätern zu unterscheiden.“ Zu Beginn der Amtszeit von Lukatschenko hatten wir ca. 14.000 Gefangene, aktuell sind es 20.000 (8). „Wir haben immer noch eine visumsfreie Einreise, während Polen und die Balten Repressionen von ihrer Regierung bekommen, wenn sie nach Belarus reisen.“
Gespräch über die militärische Situation in Belarus

Präsentation militärische Bedrohung
Über die militärische Bedrohung von Belarus berichtete ein Litauer, der politisches Asyl in Belarus bekam. Er war Oberst, von Beruf Lehrer und Mitglied der Kommunistischen Partei. Der Akademielehrer bereitete eine Präsentation vor, in der er betonte, dass die NATO die belarussischen Grenzen vollständig eingekreist hat und dass die Nachbarländer mit Ausnahme von Russland zu NATO-Stützpunkten geworden sind. Belarus bietet allen Staaten Zusammenarbeit an, die allerdings von der EU und der USA nicht angenommen wurde, vielmehr streben sie einen Regime-Change an und finanzieren diesen und schrecken selbst vor Attentaten nicht zurück. Er zählte 9 Sicherheitsgefahren für die Souveränität Belarus an (9):
Runder Tisch mit Vertretern der Belarussischen Frauenunion und der Union der Journalisten

Runder Tisch mit der Belarussischen Frauenunion und der Union der Journalisten
Die Opposition hat 2020 einen sogenannten Koordinationsrat mit dem „Ziel der Machtübergabe nach Ende der Ära Lukatschenko“ gegründet. Im Mai 2024 haben Wahlen mit einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung zum Koordinationsrat stattgefunden. „Auch in anderen Fragen können die demokratischen Kräfte im Exil nicht behaupten, die Mehrheit der Belarussen zu repräsentieren, sondern eher nur die aktive prowestliche Minderheit. Hierzu gehören die europäische Integration, der Ausstieg aus allen Bündnissen mit Russland, der Status des Belarussischen als einziger Amtssprache und schließlich die Ausweitung der Sanktionen gegen Belarus bis hin zu einem Handelsembargo – wohl die unbeliebteste aller hier aufgezählten Ideen. (10) Die Opposition hat eine Exilregierung, das United Transitional Cabinet of Belarus (UTC), gebildet, welche inzwischen sogar eigene Pässe heraus gibt. Im Gegenzug dazu wird seit dem gescheiterten Regime-Change 2020 ein vertiefter Bürgerdialog in Belarus gepflegt. Es hat sich eine zivile Bewegung auf Anregung der Frauen-Union gebildet – die Public Association Belarus. Man versucht den Anschuldigungen der Exilopposition die Errungenschaften des Staates vor allem auf sozialen Gebiet entgegen zu stellen.
Über die Medienlandschaft informierte der Vorsitzende der Journalisten-Union. Gegen Belarus wird ein hybrider Informationskrieg geführt. Belarussische Medien sind in Europa und den USA sanktioniert. Es gibt keine EU- bzw. US-Medien in Belarus und es werden auch keine belarussischen Medien aus dem Westen finanziert. Es gibt Regierungs- und Nichtregierungsmedien. Die privaten Medien gehören grösstenteils russischen Medienkonzernen. Ein Mediengesetz legt fest, was gesagt werden darf und was nicht. Bei einem Verstoss wird zuerst eine Warnung an den Journalisten ausgesprochen. Bei weiteren Verstössen kann der Journalist sanktioniert werden.
Ein Gespräch mit Gewerkschaftsvertretern fand nicht statt. Es wurde entschuldigt wegen der Vorbereitung eines Kongresses. Die Organisation der Gewerkschaften ist vergleichbar mit unserer in der BRD. 15 Spartengewerkschaften sind in einem Dachverband zusammengeschlossen und wie bei uns kann es in den Sparten mehrere Gewerkschaften geben. Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei ca. 200 €, während der Durchschnittslohn bei 613 € liegt. Die besten Löhne werden in staatlichen Betrieben bezahlt und darüber gibt es noch Extraleistungen.
Besuch der Minsker Traktorenwerke

Minsker Traktorenwerke
Auf dem Gelände der Traktorenfabrik wurden zu Sowjetzeiten Kampfflugzeuge hergestellt. Bei der Eroberung von Minsk fiel die Fabrik in die Hände der deutschen Wehrmacht. Nach der Befreiung von Minsk wurden zuerst Kampfflugzeuge gebaut, aber durch einen Beschluss von Stalin wurde die Waffenschmiede auf zivile Produktion umgestellt. Das Werk wurde 1946 mit der Beteiligung deutscher Kriegsgefangenen gebaut. Das Werk hat 15.000 Mitarbeiter und stellt den Angestellten eigene Wohnungen zur Verfügung. Es besitzt eigene Kantinen und Lebensmittelläden, betreibt ein Krankenhaus und ein Gesundheitszentrum und besitzt eigene Sportanlagen und Kultur-einrichtungen. Der einzige Unterschied zu Sowjetzeiten sei, sagte der Geschäftsführer, dass sie keine Kindergärten mehr hätten. Der Durchschnittslohn im Traktorenwerk beträgt 800 € im Monat und die Firma gibt ca. 25 Mio. Euro für Sozialleistungen im Jahr aus. Die Firma ist als offene Aktiengesellschaft organisiert, wobei der Staat Belarus die Mehrheitsbeteiligung hält. Das Traktorenwerk exportiert in 100 Länder der Welt und ist ebenfalls von Sanktionen betroffen. Es gab Kooperationen in der Vergangenheit mit deutschen Unternehmen. Im Moment würde man noch drei Handelshäuser in Europa betreiben und die Exporte gehen derzeit hauptsächlich nach Russland, Afrika und in den Mittleren Osten. Anschließend folgte eine Fabrikbesichtigung, wo man die Produktion der Traktoren von den Rohprodukten bis zum fertigen Traktor verfolgen konnte. Unter den Arbeitern waren auch etliche Schwarzafrikaner. Auf die Frage, ob sie Migranten seien, antwortete die Übersetzerin mit nein. In Ländern, wo man keine Wartungsmöglichkeiten anbietet, gibt man den Käufern die Möglichkeit hier in Minsk eigenes Personal in der Wartung zu schulen, damit sie ggfs. den Traktor selbst reparieren können.
Besuch im Kulmov-Klinikum

Kulmov-Klinikum
Wir besuchten das vermutlich älteste Krankenhaus von Minsk, das zu Ehren von Klumov, einem sowjetischen antifaschistischen Arzt, der von den Nazis getötet wurde, benannt ist. Ursprünglich war es ein jüdisches Krankenhaus, das nach der Oktoberrevolution weiter ausgebaut wurde. Nach der Besetzung durch die Faschisten betreute Klumov zwei Partisanenkrankenhäuser während des Großen Vaterländischen Krieg. Im ältesten Gebäude des Krankenhauses informiert ein Museum über die Geschichte des Krankenhauses. Im Hof des Krankenhauses steht eine Lenin-Statue. Es war ursprünglich nur eine Büste, die von Ärzten des Krankenhauses vor der Besetzung der Faschisten vergraben wurde. Nach der Befreiung wurde aus der Büste ein Standbild erstellt. Nach der Besichtigung des Museums informierten uns zwei Ärzte über das Gesundheitssystem in Belarus. Die medizinische Grundversorgung ist kostenlos. Es gibt Krankenhäuser, die staatlich und Kliniken, die privat organisiert sind und letztere bieten Leistungen über die Grundversorgung hinaus an, die bezahlt werden müssen. Es gibt in Belarus keine Krankenversicherung, d.h. die medizinische Grundversorgung wird aus Steuergeldern finanziert. Inzwischen gäbe es auch einen medizinischen Tourismus nicht nur aus Europa, da medizinische Dienstleistungen in Belarus günstig und qualitativ hochwertig wären. Belarus ging einen eigenen Weg während der Corona-Krise, indem es sich weigerte, eine Quarantäne über das ganze Land zu verhängen. Die Betriebe und Geschäfte, die Gastwirtschaften, Schulen, Universitäten und Kirchen wurden nicht geschlossen, sondern blieben geöffnet und arbeiteten weiter.
Pressekonferenz
Auf der abschießenden Pressekonferenz war der lettische Blogger Ramon zu Gast, der in Belarus politisches Asyl bekommen hat, weil er als Mitglied einer antifaschistischen Organisation in Lettland von Gefängnis bedroht war. Er führte aus, dass in Belarus die Mehrheit der Bevölkerung im Parlament vertreten ist. Als wichtigstes Ziel seiner Arbeit sähe er, dass wir nicht noch einmal einen Krieg hier sehen wollen. Als Problemfeld sah er die Beeinflussung von Jugendlichen durch die sozialen Medien. Dem müsse Bildung, Pressearbeit auch in den sozialen Medien entgegen gesetzt werden. Es selbst produziere Filme, richte Sommercamps aus, wo Kollektivität gelebt würde. Anschliessend wurden alle Mitglieder der Kommission nach ihrem Fazit befragt, was durchweg positiv ausfiel. Der einzige Kritikpunkt war, dass man zukünftig auch ländliche Gegenden besuchen solle, damit man ein komplettes Bild bekäme.
Mein persönliches Fazit

Minsk mit Träneninsel

Unterirdisches Einkaufzentrum
Das erste was einem auffällt, ist, dass in Minsk die Erinnerung an den Sieg über den Faschismus in der gesamten Stadt präsent ist. Minsk wurde im 2. Weltkrieg von den Faschisten nahezu komplett zerstört. Deshalb findet man so gut wie keine älteren Gebäude in der Stadt. Der Wiederaufbau der Stadt wurde sehr weitläufig gestaltet, deshalb führen durch Minsk breite Straßen gesäumt von großzügigen Grünanlagen. Die Stadt ist sehr sauber und die Grünanlagen sind gepflegt. Ich habe weder Obdachlose noch Bettler gesehen, was in Deutschland inzwischen zum alltäglichen Stadtbild gehört und auch weniger Polizei als bei uns. In den besuchten Einrichtungen und bei den Gesprächen wurde mit uns sehr offen umgegangen und keiner Frage ausgewichen. Der Präsident steht seit seiner ersten Wahl unter dem Beschuss der westlichen Politiker und Medien. Keine einzige Wahl wurde von der USA und der EU anerkannt und gleichzeitig werden immer mehr Gelder in die Opposition investiert. Das im Westen beklagte „Demokratiedefizit“ hat man mit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Belarus selbst erzeugt. Was allerdings dabei verschwiegen wird, ist, dass in Belarus weniger die Parteien als vielmehr die gesellschaftlichen Interessengruppen im Parlament vertreten sind. Man hat nicht zugelassen, dass sich Oligarchen an der Konkursmasse der Sowjetunion bedient haben und hat darüber hinaus noch die öffentliche Daseinsfürsorge und die Ressourcen des Landes in staatlicher Hand behalten. Also genügend Gründe um sich die Feindschaft der Eurokraten zu sichern.
Besuch des Museums der Geschichte des Grossen Vaterländischen Krieges

Museum der Geschichte des Grossen vaterländischen Krieges

Kinder und Frauen werden in der Waffenproduktion angeleitet

Bild des Minsker Malers Michail A. Sawizki, der die KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora überlebte
Zum Anschluss besuchten wir gemeinsam das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges. «Das Museum wurde am 22.10.1944 im Haus der Gewerkschaften am Freiheitsplatz in Minsk - einem im Weltkrieg unversehrten Gebäude – eröffnet.» Noch während des Krieges wurden Partisaneneinheiten aufgefordert Materialien zu sammeln und zu verwahren. 2010 entschloss sich der Staat für die inzwischen umfangreiche Sammlung ein neues Museumsgebäude zu errichten. Auf 4200 qm Ausstellungsfläche wird über alle Aspekte des Großen Vaterländischen Krieges informiert. Die Ausstellung mit 10 thematischen Räumen schließt in einer Kuppel – dem Saal des Sieges – ab. Hier wird den Soldaten, Partisanen und Widerstandskämpfern gedacht, die das Land vom Faschismus befreit haben. „Unter den nationalsozialistischen Hakenkreuz verwandelt sich das vorhin blühende Belarus in ein geplagtes, verwundetes, mit dem Staub zahlreicher Zerstörungen und mit Brandstätten bedecktes Land.“ (11) In Belarus wird der Widerstand gegen den Faschismus in würdiger Erinnerung behalten, davon zeugen nicht zuletzt die vielen Schüler, die durch das Museum geführt werden. Während man bei uns inzwischen versucht den Verdienst der Sowjetunion bei der Befreiung vom Faschismus aus der Geschichte zu tilgen oder gar in sein Gegenteil zu kehren. Durch den faschistischen Angriffskrieg kamen 27 Millionen Bürger der Sowjetunion und rund ein Viertel der Einwohner der belarussischen Sowjetrepublik zu Tode. Bei den Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes wurde in Deutschland angeordnet, dass es „keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen“ (12) geben dürfe.

Werbung in Minsk
Quellennachweis:
(1) Bruno Mahlow „Der falsche Weg“ jW, Ausgabedatum nicht mehr erruierbar.
(2) Werner Pirker „Die administrativen Ressourcen“ jW 8./9.April 2006
(3) Wolfgang Richter „Schächer aus dem Tempel gejagt“ jW 21.10. 2000
(4) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2021/nr-23-19-oktober-2021/belarus-zur-aktuellen-situation-und-politik-eines-landes-das-zielscheibe-einer-offen-feindseligen-haltung-geworden-ist.html
(5) Der Gini-Koeffizient (oder Gini-Index) gibt den Grad der Ungleichheit der Einkommens-verteilung, z.B. in einem Land oder einer Region, nach dem häuslichen Pro-Kopf-Einkommen an.
(6) https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-weissrussland.pdf
(7) https://rtnewsde.com/opinion/anton-latzo/105945-belarus-hintergrunde-und-tatsachen/
(8) siehe Interview Steve Rosenberg mit Aleksandar Lukatschenko 23.10.2024 https://deu.belta.by/video/getRecord/1290/
(9) https://deu.belta.by/president/view/lukaschenko-ausert-sich-zur-migrationskrise-an-der-grenze-zur-eu-68790-2024/
(10) https://www.dekoder.org/de/article/identitaetskrise-belarussische-opposition-exilregierung
(11) Belarussisches staatliches Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges (Museumsführer)
(12) Nicolas Butylin: Geheime Handreichung: Baerbock will keine Russen bei Kriegs-Gedenken. berliner-zeitung.de 04.04.2025. zitiert nach https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9964
Andere Berichte:
Von zwei Mitgliedern der Irisch Revolutionären Republikanisch-Sozialistische Partei Saoradh:
https://anti-imperialistfront.org/saoradh-attends-anti-imperialist-front-caravan-to-belarus/
Der Belarussische Journalist Yuriy über die Karawane:
https://mlyn.by/17052025/zdes-net-nishhih-a-mediczina-besplatnaya-evropejskie-aktivisty-o-kontraste-s-zapadom/
Bericht auf der Seite der antiimperialistischen Front:
https://anti-imperialistfront.org/report-of-anti-imperialist-caravan-in-belarus/
Stellungnahme der irischen Organisation Saoradh zu dem Vorfall an der Grenze in Litauen, wo zwei Teilnehmern auf der Rückreise ein zukünftiges Einreiseverbot für Litauen ausgesprochen wurde:
https://anti-imperialistfront.org/lithuanian-and-irish-police-harassment-of-saoradh-activists-participants-of-the-anti-imperialist-caravan-in-belarus/
Online-Flyer Nr. 847 vom 12.06.2025
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Unterwegs mit der fact finding commission der antiimperialistischen Karawane in Minsk, 12.-16. Mai 2025
Gegenbild zur Schwarzmalerei
Von Peter Betscher


Fact finding commisson (Quelle: mlyn.by)
Jüngere Geschichte von Belarus
Als Teil der Sowjetunion erlebte Belarus eine ähnliche Umbruchsituation wie Russland in den Jahren 1991 bis 1994. Die Produktion des Landes war gelähmt und es herrschte Kriminalität und Demoralisierung. 1996 war der Höhepunkt der Krise. Das Land stand kurz vor einem Bürgerkrieg (1). Der jetzige Präsident Alexander Lukaschenko war zu Sowjetzeiten Leiter eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebes (Sowchos) und „startete seine Karriere als Vorsitzender zur Bekämpfung der Korruption“ (2). Im Juli 1994 wurde er zum ersten Präsidenten des unabhängigen Belarus gewählt. 1996 wurde ein Referendum über die neue Verfassung und die Wahl des Präsidenten abgehalten. 85 % der Wähler stimmten für die Verfassung und den Präsidenten, was aber von den USA und der EU nicht anerkannt wurde (1). Im Gegensatz zu Russland wurde die Übernahme des Volkseigentum durch Oligarchen unterbunden. Die Belorussische SSR war die Werkbank der Sowjetunion gewesen und ein beträchtlicher Teil der Industrieprodukte wurde dort hergestellt und Teile davon konnten im neuen Staatswesen weiter geführt werden.
Besuch im nationalen Kindertechnopark
Kindertechnopark
Bildung in Weissrussland ist kostenlos. Unser erster Besuch galt dem Kindertechnopark am Stadtrand von Minsk. Diese Einrichtung dient der Rekrutierung von Fachkräften. Die besten Schüler werden ausgewählt bzw. können sich selbst für dieser Einrichtung bewerben. Im Technopark gibt es die unterschiedlichsten Labore, die sich u.a. mit Raumfahrt, Energieproduktion, Umweltschutz, Robotik und virtueller Realität beschäftigen. Der Unterricht ist praxisnah gestaltet. Der Professor für Energiewirtschaft erzählte uns, dass man der Bevölkerung keinerlei Energieeinschänkungen auferlegen wollte, deshalb gäbe es keine Tabus in der Forschung an Energieträgern. Man versuche aus den vorhandenen Energieträgern einen möglichst kostengünstigen und umweltschonenden Mix zur Verfügung zu stellen. Im Bildungssystem gibt es keine Trennung in unterschiedliche Niveaus der Schüler, so dass man sich während der ganzen Schulzeit für eine Berufsausbildung oder für ein Studium entscheiden kann.
Besuch der Zentrale der Kommunistischen Partei Belarus
Zentrale der Kommunistischen Partei
Vorausgeschickt sei, dass die Kommunistische Partei Belarus die factfindung commission u.a. mit Tagungsräumen und Gesprächspartner unterstützte. Die KP Weißrussland hat ca. 6000 Mitglieder und erreichte 3,21 % bei den letzten Wahlen. Hier ist eine kurze Erläuterung des Wahlsystems von Belarus notwendig. Man kann zwar als Vertreter einer Partei antreten, aber man muss kein Parteimitglied sein, um bei den Wahlen antreten zu können. „Nachdem in den letzten 10 Jahren Wirtschaftskrise und sinkender Lebensstandard das Vertrauen in Parteien stark erschüttert hatten, konnten im Oktober 2000 auch nichtparteigebundene gesellschaftliche Vereinigungen, von denen es inzwischen viele gibt, zu den Parlamentswahlen antreten. (...) Nach dem neuen Wahlgesetz kann sich jeder bewerben, wenn er 1000 Unterschriften zur Unterstützung vorweisen kann. (...) Einerseits ist die Zivilgesellschaft jetzt direkter im Parlament vertreten, anderseits mischen sich Produktions-vereinigungen sowie Finanz- und Industriegruppen aktiv in die Politik ein. Die Regierung wiederum ist gezwungen, mit den 100 Organisationen in einen Dialog zu treten. Es entwickelt sich eine Schule der Demokratie (3). Darüber hinaus gibt es noch die Allbelarussische Volks-versammlung, wo periodisch strategische Fragen der künftigen Entwicklung von Belarus diskutiert werden. An diesem Forum nehmen Parlamentarier, Arbeitnehmer, Vertreter religiöser Organisationen, NGOs, Repräsentanten der Privatwirtschaft, Rentner und Studenten teil. 2021 war die Volksversammlung mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt, die zur öffentlichen Diskussion gestellt wird. (4)
Beim ersten Gespräch wies eine Teilnehmerin der Kommission darauf hin, dass in Europa Belarus als Diktatur bezeichnet würde. Worauf der Generalsekretär antwortete: „Ich muss sie leider enttäuschen. Wir sind eine Diktatur, eine Diktatur der Gerechtigkeit und für die Bevölkerung.“ Damit meinte er, dass die öffentliche Grundversorgung und sämtliche Ressourcen komplett in staatlicher Hand sind und nur alles darüber hinaus der Privatwirtschaft überlassen bleibt. Die kommunistische Partei unterstützt voll den Kurs von Lukatschenko. Was die Frage aufwarf, wozu überhaupt eine KP benötigt wird. Er antwortete, dass Belarus ein kleines Land ist und man bei der jetzigen Weltlage momentan keine Möglichkeit sähe sich weiter in Richtung einer gerechteren Gesellschaft zu entwickeln. Vielmehr gälte es in dem schwierigen Umfeld die übernommenen Strukturen der Sowjetunion zu verteidigen. Die Mietkosten mit Nebenkosten für Wohnungen betragen bei uns 50 € , während es in Polen 500 € sind. Die Lebensmittelpreise sind um 20 bis 50 % billiger als in der EU. Die Preise für den öffentlichen Nahverkehr sind sehr günstig. Das sollte man berücksichtigen, wenn man unser durchschnittliches Gehalt von 613 € bewertet. Beim Gini-Index ist Belarus unter den führenden Ländern. (5) Durch den verstärkten Außenhandel mit Russland wächst das belarussische BIP 2023 um 4,1 % und 2024 liegt es bei 4,0. Die Arbeitslosenquote ist von 2010 mit 6,0 % auf 3,4 % im Jahr 2024 zurückgegangen.(6)
„Wir sind keine Oppositionspartei, sondern unterstützen den Kurs von Präsident Lukaschenko voll. Wir hatten in Weissrussland schon 7 oder 8 Versuche von sogenannten Farbrevolutionen. In 2020 standen unsere gesellschaftlichen Errungenschaften auf der Kippe.“ „Hunderte Millionen Dollar und Euro wurden auch für die langjährige, systematische Tätigkeit zahlreicher NGOs in Belarus von den USA, der EU sowie ihrer Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt. Dazu gehören die rechtsliberale Stiftung "Liberale Moderne" der Grünen, andere amerikanische, deutsche und weitere ausländische Stiftungen (7) „Es gab terroristische Akte und Zerstörung von Infrastruktur und nicht nur Mitglieder der KP erhielten Morddrohungen. Vor der neuen Wahl erließ Lukatschenko eine Amnesie für die Verhafteten und richtete ein nationales Versöhnungskomitee ein, da damals auch viele Bürger Weißrussland verließen.
Gespräch mit dem Journalisten Grigori vom Nationalen Versöhnungskomittee
Gespräch mit Grigori, Nationales Versöhnungskomitee
„In 2020 hatten wir eine sehr gewalttätige Farbrevolution. Es gab Pläne aus den USA Lukatschenko zu töten, die vom russischen Geheimdienst abgehört wurden. Die potenziellen Attentäter wurden von der Polizei verhaftet. Ein weiterer prominenter Gefangener war der Chef der größten Bank von Belarus, der Geld unterschlagen hatte, um damit die Opposition zu sponsern. Das sind keine Fälle mit denen sich die Kommission befasst. Wir hatten Leute, die sich an Straßenblockaden und an Angriffen auf Polizisten beteiligten und wir haben viele Bürger in 2020 durch Ausreise verloren. Die Kommission setzt sich aus Vertretern unterschiedlicher Berufsgruppen zusammen. Ziel der Kommission ist es, Menschen wieder in die Gesellschaft einzugliedern, wenn sie sich von ihrem staatsschädigendem Verhalten distanzieren und Ausgewanderten die Rückkehr zu ermöglichen. Im letzteren Fall muss ein Antrag auf Wiedereinbürgerung bei der Kommission gestellt werden. Die Klassenstruktur der Proteste setze sich aus der Mittelklasse, vornehmlich aus den Städten, Unternehmern, Kleingewerbetreibende und viele Jugendliche, die durch soziale Medien von westlicher Propaganda beeinflusst sind, zusammen. Es sei nicht so schwer Mitläufer von bezahlten Agenten und Überzeugungstätern zu unterscheiden.“ Zu Beginn der Amtszeit von Lukatschenko hatten wir ca. 14.000 Gefangene, aktuell sind es 20.000 (8). „Wir haben immer noch eine visumsfreie Einreise, während Polen und die Balten Repressionen von ihrer Regierung bekommen, wenn sie nach Belarus reisen.“
Gespräch über die militärische Situation in Belarus
Präsentation militärische Bedrohung
Über die militärische Bedrohung von Belarus berichtete ein Litauer, der politisches Asyl in Belarus bekam. Er war Oberst, von Beruf Lehrer und Mitglied der Kommunistischen Partei. Der Akademielehrer bereitete eine Präsentation vor, in der er betonte, dass die NATO die belarussischen Grenzen vollständig eingekreist hat und dass die Nachbarländer mit Ausnahme von Russland zu NATO-Stützpunkten geworden sind. Belarus bietet allen Staaten Zusammenarbeit an, die allerdings von der EU und der USA nicht angenommen wurde, vielmehr streben sie einen Regime-Change an und finanzieren diesen und schrecken selbst vor Attentaten nicht zurück. Er zählte 9 Sicherheitsgefahren für die Souveränität Belarus an (9):
- NATO-Osterweiterung
- Destabilisierung von außen (Regime-Change)
- Manöver rund um Belarus. Letztes Jahr fanden 100 Manöver statt.
- Die russische Spezialoperation könnte in einen 3. Weltkrieg münden.
- Die dauerhafte Truppenpräsenz der NATO in Polen und den baltischen Staaten.
- Polen und die baltischen Staaten haben an ihren Grenzen Antipersonenminen verlegt.
- Geheimdienste arbeiten in Polen und den baltischen Staaten
- Biologische Sicherheit (damit sind die zahlreichen Biowaffenlabore in der Ukraine gemeint)
- Migrationskrise: Mit dem Krieg in der Ukraine ist eine neue Migrationsroute über Belarus entstanden. Belarus hat zuerst ein Rücknahmeabkommen mit der EU abgeschlossen und begonnen Unterkünfte für Migranten zu bauen. Aber mit dem Beginn der Sanktionen gegen Belarus wurde es aufgekündigt und die Migranten wurden nicht an der Weiterreise in die EU gehindert
Runder Tisch mit Vertretern der Belarussischen Frauenunion und der Union der Journalisten
Runder Tisch mit der Belarussischen Frauenunion und der Union der Journalisten
Die Opposition hat 2020 einen sogenannten Koordinationsrat mit dem „Ziel der Machtübergabe nach Ende der Ära Lukatschenko“ gegründet. Im Mai 2024 haben Wahlen mit einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung zum Koordinationsrat stattgefunden. „Auch in anderen Fragen können die demokratischen Kräfte im Exil nicht behaupten, die Mehrheit der Belarussen zu repräsentieren, sondern eher nur die aktive prowestliche Minderheit. Hierzu gehören die europäische Integration, der Ausstieg aus allen Bündnissen mit Russland, der Status des Belarussischen als einziger Amtssprache und schließlich die Ausweitung der Sanktionen gegen Belarus bis hin zu einem Handelsembargo – wohl die unbeliebteste aller hier aufgezählten Ideen. (10) Die Opposition hat eine Exilregierung, das United Transitional Cabinet of Belarus (UTC), gebildet, welche inzwischen sogar eigene Pässe heraus gibt. Im Gegenzug dazu wird seit dem gescheiterten Regime-Change 2020 ein vertiefter Bürgerdialog in Belarus gepflegt. Es hat sich eine zivile Bewegung auf Anregung der Frauen-Union gebildet – die Public Association Belarus. Man versucht den Anschuldigungen der Exilopposition die Errungenschaften des Staates vor allem auf sozialen Gebiet entgegen zu stellen.
Über die Medienlandschaft informierte der Vorsitzende der Journalisten-Union. Gegen Belarus wird ein hybrider Informationskrieg geführt. Belarussische Medien sind in Europa und den USA sanktioniert. Es gibt keine EU- bzw. US-Medien in Belarus und es werden auch keine belarussischen Medien aus dem Westen finanziert. Es gibt Regierungs- und Nichtregierungsmedien. Die privaten Medien gehören grösstenteils russischen Medienkonzernen. Ein Mediengesetz legt fest, was gesagt werden darf und was nicht. Bei einem Verstoss wird zuerst eine Warnung an den Journalisten ausgesprochen. Bei weiteren Verstössen kann der Journalist sanktioniert werden.
Ein Gespräch mit Gewerkschaftsvertretern fand nicht statt. Es wurde entschuldigt wegen der Vorbereitung eines Kongresses. Die Organisation der Gewerkschaften ist vergleichbar mit unserer in der BRD. 15 Spartengewerkschaften sind in einem Dachverband zusammengeschlossen und wie bei uns kann es in den Sparten mehrere Gewerkschaften geben. Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei ca. 200 €, während der Durchschnittslohn bei 613 € liegt. Die besten Löhne werden in staatlichen Betrieben bezahlt und darüber gibt es noch Extraleistungen.
Besuch der Minsker Traktorenwerke
Minsker Traktorenwerke
Auf dem Gelände der Traktorenfabrik wurden zu Sowjetzeiten Kampfflugzeuge hergestellt. Bei der Eroberung von Minsk fiel die Fabrik in die Hände der deutschen Wehrmacht. Nach der Befreiung von Minsk wurden zuerst Kampfflugzeuge gebaut, aber durch einen Beschluss von Stalin wurde die Waffenschmiede auf zivile Produktion umgestellt. Das Werk wurde 1946 mit der Beteiligung deutscher Kriegsgefangenen gebaut. Das Werk hat 15.000 Mitarbeiter und stellt den Angestellten eigene Wohnungen zur Verfügung. Es besitzt eigene Kantinen und Lebensmittelläden, betreibt ein Krankenhaus und ein Gesundheitszentrum und besitzt eigene Sportanlagen und Kultur-einrichtungen. Der einzige Unterschied zu Sowjetzeiten sei, sagte der Geschäftsführer, dass sie keine Kindergärten mehr hätten. Der Durchschnittslohn im Traktorenwerk beträgt 800 € im Monat und die Firma gibt ca. 25 Mio. Euro für Sozialleistungen im Jahr aus. Die Firma ist als offene Aktiengesellschaft organisiert, wobei der Staat Belarus die Mehrheitsbeteiligung hält. Das Traktorenwerk exportiert in 100 Länder der Welt und ist ebenfalls von Sanktionen betroffen. Es gab Kooperationen in der Vergangenheit mit deutschen Unternehmen. Im Moment würde man noch drei Handelshäuser in Europa betreiben und die Exporte gehen derzeit hauptsächlich nach Russland, Afrika und in den Mittleren Osten. Anschließend folgte eine Fabrikbesichtigung, wo man die Produktion der Traktoren von den Rohprodukten bis zum fertigen Traktor verfolgen konnte. Unter den Arbeitern waren auch etliche Schwarzafrikaner. Auf die Frage, ob sie Migranten seien, antwortete die Übersetzerin mit nein. In Ländern, wo man keine Wartungsmöglichkeiten anbietet, gibt man den Käufern die Möglichkeit hier in Minsk eigenes Personal in der Wartung zu schulen, damit sie ggfs. den Traktor selbst reparieren können.
Besuch im Kulmov-Klinikum
Kulmov-Klinikum
Wir besuchten das vermutlich älteste Krankenhaus von Minsk, das zu Ehren von Klumov, einem sowjetischen antifaschistischen Arzt, der von den Nazis getötet wurde, benannt ist. Ursprünglich war es ein jüdisches Krankenhaus, das nach der Oktoberrevolution weiter ausgebaut wurde. Nach der Besetzung durch die Faschisten betreute Klumov zwei Partisanenkrankenhäuser während des Großen Vaterländischen Krieg. Im ältesten Gebäude des Krankenhauses informiert ein Museum über die Geschichte des Krankenhauses. Im Hof des Krankenhauses steht eine Lenin-Statue. Es war ursprünglich nur eine Büste, die von Ärzten des Krankenhauses vor der Besetzung der Faschisten vergraben wurde. Nach der Befreiung wurde aus der Büste ein Standbild erstellt. Nach der Besichtigung des Museums informierten uns zwei Ärzte über das Gesundheitssystem in Belarus. Die medizinische Grundversorgung ist kostenlos. Es gibt Krankenhäuser, die staatlich und Kliniken, die privat organisiert sind und letztere bieten Leistungen über die Grundversorgung hinaus an, die bezahlt werden müssen. Es gibt in Belarus keine Krankenversicherung, d.h. die medizinische Grundversorgung wird aus Steuergeldern finanziert. Inzwischen gäbe es auch einen medizinischen Tourismus nicht nur aus Europa, da medizinische Dienstleistungen in Belarus günstig und qualitativ hochwertig wären. Belarus ging einen eigenen Weg während der Corona-Krise, indem es sich weigerte, eine Quarantäne über das ganze Land zu verhängen. Die Betriebe und Geschäfte, die Gastwirtschaften, Schulen, Universitäten und Kirchen wurden nicht geschlossen, sondern blieben geöffnet und arbeiteten weiter.
Pressekonferenz
Auf der abschießenden Pressekonferenz war der lettische Blogger Ramon zu Gast, der in Belarus politisches Asyl bekommen hat, weil er als Mitglied einer antifaschistischen Organisation in Lettland von Gefängnis bedroht war. Er führte aus, dass in Belarus die Mehrheit der Bevölkerung im Parlament vertreten ist. Als wichtigstes Ziel seiner Arbeit sähe er, dass wir nicht noch einmal einen Krieg hier sehen wollen. Als Problemfeld sah er die Beeinflussung von Jugendlichen durch die sozialen Medien. Dem müsse Bildung, Pressearbeit auch in den sozialen Medien entgegen gesetzt werden. Es selbst produziere Filme, richte Sommercamps aus, wo Kollektivität gelebt würde. Anschliessend wurden alle Mitglieder der Kommission nach ihrem Fazit befragt, was durchweg positiv ausfiel. Der einzige Kritikpunkt war, dass man zukünftig auch ländliche Gegenden besuchen solle, damit man ein komplettes Bild bekäme.
Mein persönliches Fazit
Minsk mit Träneninsel
Unterirdisches Einkaufzentrum
Das erste was einem auffällt, ist, dass in Minsk die Erinnerung an den Sieg über den Faschismus in der gesamten Stadt präsent ist. Minsk wurde im 2. Weltkrieg von den Faschisten nahezu komplett zerstört. Deshalb findet man so gut wie keine älteren Gebäude in der Stadt. Der Wiederaufbau der Stadt wurde sehr weitläufig gestaltet, deshalb führen durch Minsk breite Straßen gesäumt von großzügigen Grünanlagen. Die Stadt ist sehr sauber und die Grünanlagen sind gepflegt. Ich habe weder Obdachlose noch Bettler gesehen, was in Deutschland inzwischen zum alltäglichen Stadtbild gehört und auch weniger Polizei als bei uns. In den besuchten Einrichtungen und bei den Gesprächen wurde mit uns sehr offen umgegangen und keiner Frage ausgewichen. Der Präsident steht seit seiner ersten Wahl unter dem Beschuss der westlichen Politiker und Medien. Keine einzige Wahl wurde von der USA und der EU anerkannt und gleichzeitig werden immer mehr Gelder in die Opposition investiert. Das im Westen beklagte „Demokratiedefizit“ hat man mit der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Belarus selbst erzeugt. Was allerdings dabei verschwiegen wird, ist, dass in Belarus weniger die Parteien als vielmehr die gesellschaftlichen Interessengruppen im Parlament vertreten sind. Man hat nicht zugelassen, dass sich Oligarchen an der Konkursmasse der Sowjetunion bedient haben und hat darüber hinaus noch die öffentliche Daseinsfürsorge und die Ressourcen des Landes in staatlicher Hand behalten. Also genügend Gründe um sich die Feindschaft der Eurokraten zu sichern.
Besuch des Museums der Geschichte des Grossen Vaterländischen Krieges
Museum der Geschichte des Grossen vaterländischen Krieges
Kinder und Frauen werden in der Waffenproduktion angeleitet
Bild des Minsker Malers Michail A. Sawizki, der die KZs Buchenwald und Mittelbau-Dora überlebte
Zum Anschluss besuchten wir gemeinsam das Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges. «Das Museum wurde am 22.10.1944 im Haus der Gewerkschaften am Freiheitsplatz in Minsk - einem im Weltkrieg unversehrten Gebäude – eröffnet.» Noch während des Krieges wurden Partisaneneinheiten aufgefordert Materialien zu sammeln und zu verwahren. 2010 entschloss sich der Staat für die inzwischen umfangreiche Sammlung ein neues Museumsgebäude zu errichten. Auf 4200 qm Ausstellungsfläche wird über alle Aspekte des Großen Vaterländischen Krieges informiert. Die Ausstellung mit 10 thematischen Räumen schließt in einer Kuppel – dem Saal des Sieges – ab. Hier wird den Soldaten, Partisanen und Widerstandskämpfern gedacht, die das Land vom Faschismus befreit haben. „Unter den nationalsozialistischen Hakenkreuz verwandelt sich das vorhin blühende Belarus in ein geplagtes, verwundetes, mit dem Staub zahlreicher Zerstörungen und mit Brandstätten bedecktes Land.“ (11) In Belarus wird der Widerstand gegen den Faschismus in würdiger Erinnerung behalten, davon zeugen nicht zuletzt die vielen Schüler, die durch das Museum geführt werden. Während man bei uns inzwischen versucht den Verdienst der Sowjetunion bei der Befreiung vom Faschismus aus der Geschichte zu tilgen oder gar in sein Gegenteil zu kehren. Durch den faschistischen Angriffskrieg kamen 27 Millionen Bürger der Sowjetunion und rund ein Viertel der Einwohner der belarussischen Sowjetrepublik zu Tode. Bei den Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag des Kriegsendes wurde in Deutschland angeordnet, dass es „keine Einladung an russische und belarussische Vertreter zu Gedenken von Bund, Ländern und Kommunen“ (12) geben dürfe.
Werbung in Minsk
Quellennachweis:
(1) Bruno Mahlow „Der falsche Weg“ jW, Ausgabedatum nicht mehr erruierbar.
(2) Werner Pirker „Die administrativen Ressourcen“ jW 8./9.April 2006
(3) Wolfgang Richter „Schächer aus dem Tempel gejagt“ jW 21.10. 2000
(4) https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2021/nr-23-19-oktober-2021/belarus-zur-aktuellen-situation-und-politik-eines-landes-das-zielscheibe-einer-offen-feindseligen-haltung-geworden-ist.html
(5) Der Gini-Koeffizient (oder Gini-Index) gibt den Grad der Ungleichheit der Einkommens-verteilung, z.B. in einem Land oder einer Region, nach dem häuslichen Pro-Kopf-Einkommen an.
(6) https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-weissrussland.pdf
(7) https://rtnewsde.com/opinion/anton-latzo/105945-belarus-hintergrunde-und-tatsachen/
(8) siehe Interview Steve Rosenberg mit Aleksandar Lukatschenko 23.10.2024 https://deu.belta.by/video/getRecord/1290/
(9) https://deu.belta.by/president/view/lukaschenko-ausert-sich-zur-migrationskrise-an-der-grenze-zur-eu-68790-2024/
(10) https://www.dekoder.org/de/article/identitaetskrise-belarussische-opposition-exilregierung
(11) Belarussisches staatliches Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges (Museumsführer)
(12) Nicolas Butylin: Geheime Handreichung: Baerbock will keine Russen bei Kriegs-Gedenken. berliner-zeitung.de 04.04.2025. zitiert nach https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9964
Andere Berichte:
Von zwei Mitgliedern der Irisch Revolutionären Republikanisch-Sozialistische Partei Saoradh:
https://anti-imperialistfront.org/saoradh-attends-anti-imperialist-front-caravan-to-belarus/
Der Belarussische Journalist Yuriy über die Karawane:
https://mlyn.by/17052025/zdes-net-nishhih-a-mediczina-besplatnaya-evropejskie-aktivisty-o-kontraste-s-zapadom/
Bericht auf der Seite der antiimperialistischen Front:
https://anti-imperialistfront.org/report-of-anti-imperialist-caravan-in-belarus/
Stellungnahme der irischen Organisation Saoradh zu dem Vorfall an der Grenze in Litauen, wo zwei Teilnehmern auf der Rückreise ein zukünftiges Einreiseverbot für Litauen ausgesprochen wurde:
https://anti-imperialistfront.org/lithuanian-and-irish-police-harassment-of-saoradh-activists-participants-of-the-anti-imperialist-caravan-in-belarus/
Online-Flyer Nr. 847 vom 12.06.2025
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