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Aktueller Online-Flyer vom 17. Dezember 2025  

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Schulstreik gegen die Wehrpflicht
„Wir wurden nicht gefragt.“
Von Arbeiterfotografie

In über 80 Städten wurden am 5. Dezember 2025 die Schulen wegen des „Wehrdienstmodernisierungsgesetzes“ bestreikt. Das Gesetz wurde am selben Tag im Bundestag mit 323 Ja-, 272 Neinstimmen und einer Enthaltung verabschiedet. "Mit dem Gesetz, das ab Januar 2026 greifen soll, hat der Bundestag den Weg für eine enorme Vergrößerung der Bundeswehr freigemacht. Es sieht einen 'Dienst auf freiwilliger Basis' vor. Alle 18jährigen Männer sollen ab Anfang 2026 einen Fragebogen erhalten, über den 'Motivation und Eignung' ermittelt werden. Für Männer soll die Beantwortung des Fragenkatalogs verpflichtend sein, für Frauen freiwillig. Ziel des Gesetzes sei, dass die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 von 183.000 auf 255.000 bis 270.000 zu steigern. Darüber hinaus sollen 200.000 Reservisten kommen. Die Parteien AfD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke lehnten das Gesetz aus unterschiedlichen Gründen ab." (1) Arbeiterfotografen - darunter Elke Zwinge, Georg Maria Vormschlag und Peter Betscher - haben den Schülerprotest gegen die schleichende Einführung der Wehrpflicht mit ihren Fotografien dokumentiert - an den Beispielen Berlin, Bremen und Darmstadt.


1 Berlin


2 Bremen


3 Darmstadt


4 Berlin


5 Bremen


6 Darmstadt


7 Berlin


8 Bremen


9 Darmstadt


10 Berlin


11 Bremen


12 Darmstadt


13 Berlin


14 Bremen


15 Darmstadt


16 Berlin


17 Bremen


18 Darmstadt


19 Berlin


20 Bremen


21 Darmstadt


22 Berlin


23 Bremen


24 Berlin


25 Bremen


26 Berlin


27 Darmstadt


28 Bremen


29 Darmstadt


30 Bremen


31 Berlin


32 Bremen


33 Bremen


34 Bremen


35 Bremen


36 Bremen


37 Bremen


38 Bremen


39 Darmstadt


40 Darmstadt - Bundeswehr-Werbung


41 Darmstadt - Bundeswehr-Werbung


„Ein wesentlicher Baustein dafür ist der neue Wehrdienst. Der soll – zunächst – „freiwillig“ sein. „Freiwilligkeit kombiniert mit Attraktivität funktioniert!“, hoffte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) auf der Pressekonferenz am 13. November nach der Einigung von Union und SPD auf das „Wehrdienstmodernisierungsgesetz“. „Attraktiv“ soll der Wehrdienst werden durch einen Einstiegssold von 2.600 Euro, einen Führerscheinzuschuss nach einem Jahr, angeblich flexible Arbeitszeiten, „gute Karrierechancen“ und die „Sicherheit“ des Arbeitsplatzes. (…) Die Unwahrheit fängt hier schon an. Tatsächlich zwingt der neue Wehrdienst Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden, eine Bereitschaftserklärung zum Dienst in der Bundeswehr auszufüllen. Er zwingt diese jungen Männer dazu, eine Musterung über sich ergehen lassen zu müssen. Er zwingt alle Wehrpflichtigen dazu, sich abmelden zu müssen, wenn sie Deutschland für drei oder mehr Monate verlassen wollen – sie unterliegen der Wehrüberwachung. Das Recht auf Widerspruch gegen die Übermittlung von Daten des Einwohnermeldeamts an die Bundeswehr erlischt, sobald das „Wehrdienstmodernisierungsgesetz“ in Kraft tritt. Das Gesetz zwingt alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren mit deutscher Staatsbürgerschaft, einer Einberufung Folge zu leisten, wenn die „verteidigungspolitische“ Lage das erfordert – etwa, wenn die attraktivitätssteigernden Maßnahmen nicht ziehen und der Bundestag zustimmt. Klar ist ohnehin: Melden sich nicht genug Freiwillige, dürfte eine Bedarfswehrpflicht beschlossen werden. Dann könnte etwa per Losverfahren entschieden werden, ob der Militärapparat sie einzieht.“

„Nicht neu, dennoch ein Zwang: Wer nicht dabei helfen möchte, Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen, kann den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern. Wer das will, ist gezwungen, einen Antrag zu stellen. Der muss ausführlich begründet werden, auf mindestens zwei Seiten. Die Gewissensentscheidung muss nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt werden. Wehrpflichtfähigkeit muss gegeben sein. Man muss sich also einer Musterung unterziehen, um den Antrag überhaupt stellen zu können. Viel Aufwand, um ein Grundrecht in Anspruch zu nehmen. „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“, heißt es in Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes.“ (2) Der Artikel von Susanne Bödecker enthält einige Tipps wie man sich verhalten kann, rät aber dennoch sich beraten zu lassen.

Orchestriert wird das Ganze seit einiger Zeit mit eine gigantischen Plakatkampagne auf Kosten unserer Steuergelder. Überall auf Bahnhöfen und im Stadtbild sieht man Werbeplakate mit den Aufschriften „Werde Teil der Truppe. Für Dich. Für alle.“, „Wie Du stärker wirst? Seite an Seite.“, „Entschlossen. Weil du es kannst.“ Und jetzt zum 70. Jubiläum der Bundeswehr 70 Gründe für die Bundeswehr. Ob die Bundeswehr auch für die Schüler kämpft, die gegen die Bundeswehr sind, wie es eines der Plakate verspricht? (3) Man hat eher den Eindruck, dass der Lehrermangel durch einen Einsatz im Inneren mit Bundeswehroffizieren auf Werbetour in Klassenzimmern bekämpft werden soll.

Am Freitag, dem 5. Dezember, versammelten sich 250 bis 300 Schüler auf dem Luisenplatz in Darmstadt, unterstützt von einigen Älteren aus dem Darmstädter Friedensbündnis, der DKP und dem NachDenkSeiten-Gesprächskreis Darmstadt u.a.. Die Reden wurden größtenteils von der Schülervertretung der jeweiligen Schulen gehalten. Es wurde bemängelt, dass man die Jugendlichen nicht in die Entscheidung einbezieht. Man wolle nicht Menschen aus anderen Ländern töten. Das Darmstädter Echo bemängelt, dass man sich zwar für die Palästinenser einsetzt, aber „die kriegerischen Handlungen Russlands und die Besetzung in der Ukraine in keiner Rede vorkamen“ (4). Die Propaganda gegen Russland scheint bei dem Schulstreik nicht die gewünschte Wirkung zu haben. Es sei daran erinnern, dass es in der Ukraine nie zu einem Krieg gekommen wäre, wenn das Minsker Abkommen umgesetzt worden wäre. Und wir wissen es von Merkel und Hollande, dass man nie die Absicht hatte das Minsker Abkommen umzusetzen, sondern Zeit gewinnen wollte, um die Ukraine zu bewaffnen.

Eine Sprecherin sagte, „Was bedeutet es, dass wir uns verteidigen sollen. Was bedeutet das im Ernstfall. Es bedeutet: Das wir zu Waffe greifen sollen, das wir sterben und töten sollen. Aber die Frage ist, für was und für wen. Keiner derjenigen reichen Kapitalisten, die diese Entscheidung über Krieg und Frieden treffen werden, werden selbst an der Front stehen. Auch nicht ihre Kinder, auch nicht ihre Freunde, denn dafür sind wir da. Unsere Generation musste schon viele Krisen durchstehen, aber wir haben auch gezeigt, dass wir nicht leise sein werden. Wir werden vereint für unsere Zukunft kämpfen. Kriege und Krisen sind nur für eine Gruppe Mensch gut und das sind reiche Kapitalisten, die damit Profit machen, während Menschen in Gaza und im Sudan mit ihren Waffen ermordet werden, werden die Besitzer der Fabriken zu Milliardären. Und heute stand für jeden von Euch eine Entscheidung im Raum. Sitzen wir im Klassenraum und akzeptieren wir oder gehen wir auf die Straße und widersetzen uns. Ein paar eventuell unentschuldigte Fehlstunden oder ein halbes Jahr Wehrdienst bzw. Sterben im Krieg. Ich bin froh, dass sich so viele Darmstädter SchülerInnen für das Erste entschieden haben. Seid laut und kämpft für den Frieden!“

Umso erfreulicher ist es, dass Teile der jungen Generation erfassen, warum es geht, und sich nicht auf den zukünftigen Schlachtfeldern verheizen lassen wollen. Es ist offensichtlich, dass eine schwächelnde Wirtschaft in eine Kriegswirtschaft transformiert werden soll und dass man bei zukünftigen Kriegen um Rohstoffe mitmischen will. Letzteres ist nicht neu, denn schon in den Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 26.11.1992 stand „die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu den Märkten und Rohstoffen“ und „zukünftig muss militärisches Krisen- und Konfliktmanagement im erweiterten geografischen Umfeld erfolgen“. Nur hatte es einige Zeit erfordert bis die Lehre aus dem Faschismus, nämlich dass von deutschem Boden nur noch Frieden ausgehen soll, propagandistisch getilgt und durch die Lüge von der russischen Bedrohung durch Putin ersetzt werden konnte. Letzteres ist der Treibstoff für die Hochrüstung und für die Ausrichtung aller gesellschaftlichen Bereiche auf Kriegsfähigkeit. (5)

Vom Luisenplatz zog der Demonstrationszug über die Rheinstraße zur CDU-Geschäftsstelle am Steubenplatz. Hier fand die Abschlusskundgebung statt. Ein vielversprechender Anfang. Der Friedensvirus wird hoffentlich noch breitere Schülerkreise und darüber hinaus auch die Restbevölkerung befallen. Der Schriftsteller Wolfgang Borchert zog die immer noch aktuelle Schlussfolgerung aus seinen Kriegserfahrungen:

Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der
Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den
Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN! (6)

(Text: Peter Betscher)


Fußnoten:

(1) https://www.jungewelt.de/artikel/513517.militarisierung-jugend-wehrt-sich.html
(2) https://www.unsere-zeit.de/streut-sand-ins-getriebe-der-bundeswehr-4809638/
(3) https://www.nachdenkseiten.de/?p=143175
(4) Darmstädter Echo, "Schüler demonstrieren", 06.12.2025
(5) https://seniora.org/politik-wirtschaft/deutschland/wird-die-friedensbewegung-endlich-die-konsequenzen-ziehen
(6) https://www.nonviolent-resistance.info/files/Borchert....pdf

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