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Arbeit und Soziales
Überraschender Besuch bei der Kölner Arbeitsagentur:
"Roland Berger soll ausziehen!"
Von Hans-Dieter Hey
Eigentlich wird immer wieder behauptet, dass es in unserer Gesellschaft keine Klassen mehr gebe. Andererseits wird in Deutschland längst öffentlich über ein Unterschichtenproblem diskutiert. Das dürfte "Roland Berger" nicht interessieren. Der Name wird als Synonym für die Firma Roland Berger Strategy Consultants in München gebraucht. Das Unternehmen erzielte 2005 einen Umsatz von rund 550 Millionen Euro und beschäftigt weltweit 1.700 Mitarbeiter in 32 Büros. Damit ist "Roland Berger" die größte weltweit tätige Strategieberatung europäischen Ursprungs.
Umzugskartons - "Roland Berger" soll ausziehen
Foto: Hans-Dieter Hey
Durch Mitarbeiter dieser Firma soll nun in Köln eine Klassengesellschaft speziell für Erwerbslose eingeführt werden. Im Rahmen einer so genannten Geschäftsoptimierung sollen sich Arbeitsagenturen künftig besonders - so ein internes Papier - um Erwerbslose zwischen 24 und 40 Jahren kümmern. Der Rest fällt durch den Rost oder wird künftig, so muss vermutet werden, durch die Agenturen zwangsweise aus Leistungsbezug und Statistik rausgetrieben. Einen Großteil von ihnen will man nicht mehr bis zu ihrem persönlichen Ansprechpartner "PaP" durchlassen. Sie sollen vorher im Flur abgefangen werden. Darüber hinaus sollen die Ansprechzeiten für Rückfragen wegen Unterhaltsleistungen erheblich gekürzt werden. Langzeiterwerbslose, Menschen mit erhöhtem Beratungsbedarf oder Behinderte erhielten so noch weniger Chancen, persönliche Unterstützung zu bekommen - nämlich höchstens ganze zwei Mal im Jahr. Ursprünglich hatte das Sozialstaatsgebot im Grundgesetz zum Ziel, allen Menschen gleiche Chancen zu bieten. Doch dieses Gebot wird längst durch die Politik ignoriert, und was vom Sozialstaat noch übrig ist, wird mit Hilfe von Beratern wie "Roland Berger" zerschlagen.
Kölner Bürgerinnen und Bürger als Versuchskaninchen
In der Sache selbst schmückt sich "Roland Berger" mit sehr zweifelhaften Lorbeeren: In Gelsenkirchen will die Firma mit ihren Methoden in nur vier Monaten die Zahl der Erwerbslosen unter 25 Jahren um 36 Prozent gesenkt haben. Davon verlor allerdings der größte Teil seine soziale Absicherung; ungefähr ein Drittel der jungen Erwachsenen landeten in Ein-Euro-Jobs, ohne irgendeine berufliche Perspektive zu bekommen.
Dass die Kölner nun schon ein zweites Mal Opfer solcher Maßnahmen werden könnten, zeigt die Vergangenheit. Unter dem Begriff "Mozart" waren Kölner Bürgerinnen und Bürger vor einigen Jahren schon einmal Versuchskaninchen, als "Hartz-IV" testweise eingeführt wurde. Erwerbslose wurden zu Tausenden durch das Sozialamt unauffindbar ins statistische Nirwana verbannt. Niemand wusste, was mit ihnen war oder wovon die Betroffenen lebten. Verantwortlich für diese "Menschenversuche", wie Dr. Thomas Münch, ehemals Chef des KALZ, diese Praxis in einer Diskussion im ZDF nannte, war damals der Kölner Sozialamtsdezernent Arnd Schwendy, der noch am 26.August 2004 in einem Vortrag posaunte: "Wir Sozialdemokraten in Köln brauchen wegen Hartz IV nicht in Sack und Asche zu gehen, denn wir haben gezeigt, wie das positiv umzusetzen ist."
Kölner Job-Center - Erwerbslose sollen sich wehren
Foto: Hans-Dieter Hey
Wie damals mit Arnd Schwendy bedeutet die neue "Optimierung" heute mit "Roland Berger" für viele Erwerbslose auf Dauer gesellschaftliche Ausgrenzung, Verarmung und statistische Verbannung. Statt des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf staatliche Fürsorge wird nun das, was durch Rot-Grün begonnen wurde, nun durch Schwarz-Rot fortgesetzt: eine "Stiefeltreter-Politik", so Professor Peter Grottian, die sozialpolitisch nur noch nach unten tritt. Bei einer solchen Politik ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass in die Arbeitsämter wie in den 1920er Jahren Polizeiwachen integriert oder Wohngebiete mit Unterschichten - wie demnächst in Großbritannien - durch Flugzeuge überwacht werden, weil sich die Menschen gegen diese Ausgrenzung zu wehren beginnen.
Verschwendung von Steuergeldern?
"Roland Berger" und seine Auftraggeber interessiert das alles wohl nicht. Der Vertrag der Consulting-Firma mit den ARGEs - zu dem man sich in Köln sich nicht äußern wollte - bringt ihr garantiert Millionen ein. ARGE-MitarbeiterInnen beschweren sich allerdings, dass die Berger-Leute sie aufforderten: "Seien sie Treiber statt Getriebene". Und das wollen die meisten auf keinen Fall. Sie sind sauer - so ihr Kölner Personalrat - weil sich die Berater von Berger wie Weisungsbefugte aufführten, womit sie zweifellos ihren Status als Berater falsch verstanden haben dürften. Aus dem Personalrat hörten wir außerdem, dass man in den Kölner ARGEs die Berger-Konzepte als realitätsfremd einschätzt und den geplanten Veränderungen auf keinen Fall zustimmen werde. Eine solche Ablehnung träfe "Roland Berger" dann nicht zum ersten Mal. Auch in einer anderen Großorganisation konnte man sich mit den Berger-Konzepten nicht anfreunden, weil sie realitätsfremd waren, musste aber für die "Hilfe" 2,5 Millionen DM zahlen.
Sollte sich herausstellen, dass im Fall der Kölner ARGE wieder einmal Steuergelder in Mengen für ein Konzept verschwendet worden sind, das am Ende keiner will, müsste der sozialdemokratische Arbeitsminister Franz Müntefering dafür gerade stehen. Denn der, und nicht etwa Stoiber, hat die Münchner "Roland Bergers" den Kölnern empfohlen. Es sieht so aus, als ob die NRhZ an dieser "Optimierungsmaßnahme" und deren Folgen für die Klienten der ARGE "dran bleiben" muss.
Online-Flyer Nr. 66 vom 17.10.2006
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Arbeit und Soziales
Überraschender Besuch bei der Kölner Arbeitsagentur:
"Roland Berger soll ausziehen!"
Von Hans-Dieter Hey
Eigentlich wird immer wieder behauptet, dass es in unserer Gesellschaft keine Klassen mehr gebe. Andererseits wird in Deutschland längst öffentlich über ein Unterschichtenproblem diskutiert. Das dürfte "Roland Berger" nicht interessieren. Der Name wird als Synonym für die Firma Roland Berger Strategy Consultants in München gebraucht. Das Unternehmen erzielte 2005 einen Umsatz von rund 550 Millionen Euro und beschäftigt weltweit 1.700 Mitarbeiter in 32 Büros. Damit ist "Roland Berger" die größte weltweit tätige Strategieberatung europäischen Ursprungs.
Umzugskartons - "Roland Berger" soll ausziehen
Foto: Hans-Dieter Hey
Durch Mitarbeiter dieser Firma soll nun in Köln eine Klassengesellschaft speziell für Erwerbslose eingeführt werden. Im Rahmen einer so genannten Geschäftsoptimierung sollen sich Arbeitsagenturen künftig besonders - so ein internes Papier - um Erwerbslose zwischen 24 und 40 Jahren kümmern. Der Rest fällt durch den Rost oder wird künftig, so muss vermutet werden, durch die Agenturen zwangsweise aus Leistungsbezug und Statistik rausgetrieben. Einen Großteil von ihnen will man nicht mehr bis zu ihrem persönlichen Ansprechpartner "PaP" durchlassen. Sie sollen vorher im Flur abgefangen werden. Darüber hinaus sollen die Ansprechzeiten für Rückfragen wegen Unterhaltsleistungen erheblich gekürzt werden. Langzeiterwerbslose, Menschen mit erhöhtem Beratungsbedarf oder Behinderte erhielten so noch weniger Chancen, persönliche Unterstützung zu bekommen - nämlich höchstens ganze zwei Mal im Jahr. Ursprünglich hatte das Sozialstaatsgebot im Grundgesetz zum Ziel, allen Menschen gleiche Chancen zu bieten. Doch dieses Gebot wird längst durch die Politik ignoriert, und was vom Sozialstaat noch übrig ist, wird mit Hilfe von Beratern wie "Roland Berger" zerschlagen.
Kölner Bürgerinnen und Bürger als Versuchskaninchen
In der Sache selbst schmückt sich "Roland Berger" mit sehr zweifelhaften Lorbeeren: In Gelsenkirchen will die Firma mit ihren Methoden in nur vier Monaten die Zahl der Erwerbslosen unter 25 Jahren um 36 Prozent gesenkt haben. Davon verlor allerdings der größte Teil seine soziale Absicherung; ungefähr ein Drittel der jungen Erwachsenen landeten in Ein-Euro-Jobs, ohne irgendeine berufliche Perspektive zu bekommen.
Dass die Kölner nun schon ein zweites Mal Opfer solcher Maßnahmen werden könnten, zeigt die Vergangenheit. Unter dem Begriff "Mozart" waren Kölner Bürgerinnen und Bürger vor einigen Jahren schon einmal Versuchskaninchen, als "Hartz-IV" testweise eingeführt wurde. Erwerbslose wurden zu Tausenden durch das Sozialamt unauffindbar ins statistische Nirwana verbannt. Niemand wusste, was mit ihnen war oder wovon die Betroffenen lebten. Verantwortlich für diese "Menschenversuche", wie Dr. Thomas Münch, ehemals Chef des KALZ, diese Praxis in einer Diskussion im ZDF nannte, war damals der Kölner Sozialamtsdezernent Arnd Schwendy, der noch am 26.August 2004 in einem Vortrag posaunte: "Wir Sozialdemokraten in Köln brauchen wegen Hartz IV nicht in Sack und Asche zu gehen, denn wir haben gezeigt, wie das positiv umzusetzen ist."
Kölner Job-Center - Erwerbslose sollen sich wehren
Foto: Hans-Dieter Hey
Wie damals mit Arnd Schwendy bedeutet die neue "Optimierung" heute mit "Roland Berger" für viele Erwerbslose auf Dauer gesellschaftliche Ausgrenzung, Verarmung und statistische Verbannung. Statt des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf staatliche Fürsorge wird nun das, was durch Rot-Grün begonnen wurde, nun durch Schwarz-Rot fortgesetzt: eine "Stiefeltreter-Politik", so Professor Peter Grottian, die sozialpolitisch nur noch nach unten tritt. Bei einer solchen Politik ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass in die Arbeitsämter wie in den 1920er Jahren Polizeiwachen integriert oder Wohngebiete mit Unterschichten - wie demnächst in Großbritannien - durch Flugzeuge überwacht werden, weil sich die Menschen gegen diese Ausgrenzung zu wehren beginnen.
Verschwendung von Steuergeldern?
"Roland Berger" und seine Auftraggeber interessiert das alles wohl nicht. Der Vertrag der Consulting-Firma mit den ARGEs - zu dem man sich in Köln sich nicht äußern wollte - bringt ihr garantiert Millionen ein. ARGE-MitarbeiterInnen beschweren sich allerdings, dass die Berger-Leute sie aufforderten: "Seien sie Treiber statt Getriebene". Und das wollen die meisten auf keinen Fall. Sie sind sauer - so ihr Kölner Personalrat - weil sich die Berater von Berger wie Weisungsbefugte aufführten, womit sie zweifellos ihren Status als Berater falsch verstanden haben dürften. Aus dem Personalrat hörten wir außerdem, dass man in den Kölner ARGEs die Berger-Konzepte als realitätsfremd einschätzt und den geplanten Veränderungen auf keinen Fall zustimmen werde. Eine solche Ablehnung träfe "Roland Berger" dann nicht zum ersten Mal. Auch in einer anderen Großorganisation konnte man sich mit den Berger-Konzepten nicht anfreunden, weil sie realitätsfremd waren, musste aber für die "Hilfe" 2,5 Millionen DM zahlen.
Sollte sich herausstellen, dass im Fall der Kölner ARGE wieder einmal Steuergelder in Mengen für ein Konzept verschwendet worden sind, das am Ende keiner will, müsste der sozialdemokratische Arbeitsminister Franz Müntefering dafür gerade stehen. Denn der, und nicht etwa Stoiber, hat die Münchner "Roland Bergers" den Kölnern empfohlen. Es sieht so aus, als ob die NRhZ an dieser "Optimierungsmaßnahme" und deren Folgen für die Klienten der ARGE "dran bleiben" muss.
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