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Medien
Wie die Landesregierung NRW den Bürgerfunk schrittweise abschaffen will.
CDU "schnallt" die Medienlandschaft enger
Von Carl H. Ewald
Blinde, die über die Kürzung des Blindengeldes berichten, Migranten, die mitteilen, wie sie in Deutschland zurecht kommen, Anonyme Alkoholiker, die kostenlose Beratung über das Radio anbieten. Der Bürgerfunk bietet Meinungsvielfalt, und das in einer Medienlandschaft, die sich immer weiter kommerzialisiert und monopolisiert.
Der Bürgerfunk soll weg!
Das zumindest nach den Plänen der CDU/FDP Landesregierung in NRW. In einem Gespräch mit dem Landesarbeitskreis Qualitätsoffensive Bürgerfunk (LAK) Mitte Oktober legte der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Brinkmeier die Pläne zur "Begrenzung" des Bürgerfunks in NRW offen. Nach dem Vorhaben der Landesregierung sollen Bürgerfunksendungen auf maximal eine Stunde täglich um 20, 21 oder 22 Uhr beschränkt werden. "Wir legen den Schwerpunkt auf den Privatfunk", sagte Brinkmeier und machte damit eindeutig klar, wessen Lobbys Kind er ist. Die privaten Rundfunkanstalten sind nämlich nach dem Landesmediengesetz dazu verpflichtet, zu Zeiten größerer Einschaltquoten die Beiträge der Bürger zu senden. Unter dieser Bedingung wurden die Privaten als Konkurrenz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überhaupt erst zugelassen.
In den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und FDP in NRW kann man die Richtung, in die es gehen soll, noch deutlicher ablesen: "Seit 1990 hat sich eine breite Lokalfunklandschaft mit zwischenzeitlich 46 Stationen in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Notwendig ist, eine zweite, landesweite Hörfunkkette einzurichten für die Weiterentwicklung von Radio NRW. Heutige Frequenzengpässe werden mit der Digitalisierung des Rundfunks überwunden werden(...) Der Bürgerfunk hat sich in seiner jetzigen Form überwiegend nicht bewährt. Wir werden zusammen mit den Beteiligten ein neues Konzept entwickeln."
So die im Juni 2005 angetretene Landesregierung - wider besseren Wissens, denn eine von der Landesanstalt für Medien in Auftrag gegebene Studie bescheinigte genau das Gegenteil: "Der Bürgerfunk ist besser als drittklassige Sendungen im privaten Rundfunk".
CDU-MdL und Unternehmensberater Michael Brinkmeier
Foto: Landtag NRW
Lobbyismus auf höchster Ebene
"Anders als die FDP wollen wir die Bürgerfunker auch künftig senden lassen", versuchte Brinkmeier im Gespräch mit dem LAK zu beschwichtigen, "aber es wird weniger Bürgerfunk sein: weniger Strecke und weniger Beiträge". Die Landesregierung habe sich entschieden, vor allem die Themen Lokalfunk, Bürgerfunk, Medienrat, Medienversammlung in einer vorgezogenen Novelle des Landesmediengesetzes zügig "abzuarbeiten", die große Reform des gesamten Landesmedienrechts werde erst danach angegangen.
Brinkmeier, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, arbeitet mit anderen an der Erstellung einer dementsprechenden Gesetzesvorlage. Ebenfalls in diesem Team vertreten ist der Landtagsabgeordnete der CDU, Thorsten Schick, der neben seiner Beteiligung an einer privaten Medienfirma in Köln als Reporter für den Privatfunk tätig ist und somit auch persönlich in direkter Konkurrenz zum Bürgerfunk steht. (Die NRhZ berichtete.)
"Bürger-Casting"
"Die veränderte Medienlandschaft ermöglicht heute, Gedankengänge auch über andere technische Wege zu verbreiten", betonte Brinkmeier, "Partizipation an Medienwelt und Öffentlichkeit ist jetzt auch anders möglich." Damit verwies er auf so genanntes Podcasting und Blogging im Internet als "Alternativen" zu Hintergrundberichten.
Diese "Strategie", den unliebsamen Bürgerfunk auf lange Sicht ins Internet zu verbannen, ist nicht neu. Schon im September letzten Jahres blies Hartmut Gläsmann, Geschäftsführer von Radio NRW, das oben genannte private Lokalradios unter einem Dach vereint, zum Angriff: "Bürgerfunk bietet sich als Podcast geradezu an." Und dass Podcasting langfristig den Bürgerfunk im Lokalradio überflüssig machen könnte, "auf den Gedanken sind wir auch schon gekommen".
Natürlich mutet es sonderbar an, dass die CDU-Politiker die Argumentation des kommerziellen Radio NRW fast wort-wörtlich übernehmen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis von MdL Brinkmeier, der sich auf seiner Webseite als "praktizierender Christ" und ehemaliger "Unternehmensberater" bei McKinsey outet, nur zynisch wirken: "Dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, um NRW nach 39-jähriger SPD-Regentschaft wieder nach vorne zu bringen, will ich Ihnen nicht verschweigen. Harte Arbeit und vor allem finanzielle Einbußen liegen vor uns, die jeder von uns spüren wird." Die Bürger natürlich als erste.
Im Studio: Bürgerfunk-Produktion 'Vox Populi - Stimme des Volkes'
Foto: Carl H. Ewald
LfM wie das Kaninchen vor der Schlange Radio NRW
In Heinsberg haben sie es übrigens schon gemerkt, was diese CDU-Politik für sie bedeutet: Dort strahlt Radio NRW, obwohl die von der CDU geplante Novelle des Landesmediengesetzes noch aussteht, den Bürgerfunk nicht mehr aus und hat somit, wie Christoph Schaefler, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gemeinnütziger Rundfunk in NRW uns mitteilt, "die Zukunft schon einmal vorweggenommen". Und die Landesanstalt für Medien (LfM), Hüter des privaten Rundfunks in NRW, sitze "gebannt wie das Kaninchen vor der Schlange und hat nicht den Schneid, Radio-NRW zur Raison zu rufen".
Weitere Hintergrundinformationen zu diesem Thema finden Sie, wenn Sie in der Suchleiste der NRhZ "Bürgerfunk" eingeben!
Informationen engagierter Bürgerfunker
Mehr zum Thema in NRhZ 50, 56, 63, 64 sowie in dieser Ausgabe in einem Beitrag des Vorsitzenden "Neue Probleme für den Bürgerfunk".
Online-Flyer Nr. 67 vom 24.10.2006
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Medien
Wie die Landesregierung NRW den Bürgerfunk schrittweise abschaffen will.
CDU "schnallt" die Medienlandschaft enger
Von Carl H. Ewald
Blinde, die über die Kürzung des Blindengeldes berichten, Migranten, die mitteilen, wie sie in Deutschland zurecht kommen, Anonyme Alkoholiker, die kostenlose Beratung über das Radio anbieten. Der Bürgerfunk bietet Meinungsvielfalt, und das in einer Medienlandschaft, die sich immer weiter kommerzialisiert und monopolisiert.
Der Bürgerfunk soll weg!
Das zumindest nach den Plänen der CDU/FDP Landesregierung in NRW. In einem Gespräch mit dem Landesarbeitskreis Qualitätsoffensive Bürgerfunk (LAK) Mitte Oktober legte der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Brinkmeier die Pläne zur "Begrenzung" des Bürgerfunks in NRW offen. Nach dem Vorhaben der Landesregierung sollen Bürgerfunksendungen auf maximal eine Stunde täglich um 20, 21 oder 22 Uhr beschränkt werden. "Wir legen den Schwerpunkt auf den Privatfunk", sagte Brinkmeier und machte damit eindeutig klar, wessen Lobbys Kind er ist. Die privaten Rundfunkanstalten sind nämlich nach dem Landesmediengesetz dazu verpflichtet, zu Zeiten größerer Einschaltquoten die Beiträge der Bürger zu senden. Unter dieser Bedingung wurden die Privaten als Konkurrenz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überhaupt erst zugelassen.
In den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und FDP in NRW kann man die Richtung, in die es gehen soll, noch deutlicher ablesen: "Seit 1990 hat sich eine breite Lokalfunklandschaft mit zwischenzeitlich 46 Stationen in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Notwendig ist, eine zweite, landesweite Hörfunkkette einzurichten für die Weiterentwicklung von Radio NRW. Heutige Frequenzengpässe werden mit der Digitalisierung des Rundfunks überwunden werden(...) Der Bürgerfunk hat sich in seiner jetzigen Form überwiegend nicht bewährt. Wir werden zusammen mit den Beteiligten ein neues Konzept entwickeln."
So die im Juni 2005 angetretene Landesregierung - wider besseren Wissens, denn eine von der Landesanstalt für Medien in Auftrag gegebene Studie bescheinigte genau das Gegenteil: "Der Bürgerfunk ist besser als drittklassige Sendungen im privaten Rundfunk".
CDU-MdL und Unternehmensberater Michael Brinkmeier
Foto: Landtag NRW
Lobbyismus auf höchster Ebene
"Anders als die FDP wollen wir die Bürgerfunker auch künftig senden lassen", versuchte Brinkmeier im Gespräch mit dem LAK zu beschwichtigen, "aber es wird weniger Bürgerfunk sein: weniger Strecke und weniger Beiträge". Die Landesregierung habe sich entschieden, vor allem die Themen Lokalfunk, Bürgerfunk, Medienrat, Medienversammlung in einer vorgezogenen Novelle des Landesmediengesetzes zügig "abzuarbeiten", die große Reform des gesamten Landesmedienrechts werde erst danach angegangen.
Brinkmeier, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, arbeitet mit anderen an der Erstellung einer dementsprechenden Gesetzesvorlage. Ebenfalls in diesem Team vertreten ist der Landtagsabgeordnete der CDU, Thorsten Schick, der neben seiner Beteiligung an einer privaten Medienfirma in Köln als Reporter für den Privatfunk tätig ist und somit auch persönlich in direkter Konkurrenz zum Bürgerfunk steht. (Die NRhZ berichtete.)
"Bürger-Casting"
"Die veränderte Medienlandschaft ermöglicht heute, Gedankengänge auch über andere technische Wege zu verbreiten", betonte Brinkmeier, "Partizipation an Medienwelt und Öffentlichkeit ist jetzt auch anders möglich." Damit verwies er auf so genanntes Podcasting und Blogging im Internet als "Alternativen" zu Hintergrundberichten.
Diese "Strategie", den unliebsamen Bürgerfunk auf lange Sicht ins Internet zu verbannen, ist nicht neu. Schon im September letzten Jahres blies Hartmut Gläsmann, Geschäftsführer von Radio NRW, das oben genannte private Lokalradios unter einem Dach vereint, zum Angriff: "Bürgerfunk bietet sich als Podcast geradezu an." Und dass Podcasting langfristig den Bürgerfunk im Lokalradio überflüssig machen könnte, "auf den Gedanken sind wir auch schon gekommen".
Natürlich mutet es sonderbar an, dass die CDU-Politiker die Argumentation des kommerziellen Radio NRW fast wort-wörtlich übernehmen. In diesem Zusammenhang kann das Bekenntnis von MdL Brinkmeier, der sich auf seiner Webseite als "praktizierender Christ" und ehemaliger "Unternehmensberater" bei McKinsey outet, nur zynisch wirken: "Dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen, um NRW nach 39-jähriger SPD-Regentschaft wieder nach vorne zu bringen, will ich Ihnen nicht verschweigen. Harte Arbeit und vor allem finanzielle Einbußen liegen vor uns, die jeder von uns spüren wird." Die Bürger natürlich als erste.
Im Studio: Bürgerfunk-Produktion 'Vox Populi - Stimme des Volkes'
Foto: Carl H. Ewald
LfM wie das Kaninchen vor der Schlange Radio NRW
In Heinsberg haben sie es übrigens schon gemerkt, was diese CDU-Politik für sie bedeutet: Dort strahlt Radio NRW, obwohl die von der CDU geplante Novelle des Landesmediengesetzes noch aussteht, den Bürgerfunk nicht mehr aus und hat somit, wie Christoph Schaefler, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gemeinnütziger Rundfunk in NRW uns mitteilt, "die Zukunft schon einmal vorweggenommen". Und die Landesanstalt für Medien (LfM), Hüter des privaten Rundfunks in NRW, sitze "gebannt wie das Kaninchen vor der Schlange und hat nicht den Schneid, Radio-NRW zur Raison zu rufen".
Weitere Hintergrundinformationen zu diesem Thema finden Sie, wenn Sie in der Suchleiste der NRhZ "Bürgerfunk" eingeben!
Informationen engagierter Bürgerfunker
Mehr zum Thema in NRhZ 50, 56, 63, 64 sowie in dieser Ausgabe in einem Beitrag des Vorsitzenden "Neue Probleme für den Bürgerfunk".
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