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Aktueller Online-Flyer vom 26. Dezember 2024  

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Glossen
Wenn wir Schramma nicht hätten, wäre das alte Jahr schrecklich gewesen
2006: Blick zurück...
Von Christian Heinrici

Es ist ja viel passiert in diesem Jahr... was?! Das kommt Ihnen nicht so vor? Wohl schon alles wieder vergessen, was?! Na, dann wollen wir mal sehen...:

Die Fußballweltmeisterschaft war in diesem Superrekord-Sommer bei uns zu Hause. Die werden sie doch nicht vergessen, haben, oder? Wer hat noch mal gewonnen? Egal, Hauptsache Deutschland wurde Fußballweltmeister der Herzen... und entdeckte seine Fahne ganz neu. Da hatten wir ja auch noch mal Glück, dass die Stadien nicht gerade in den vorher ausgewiesenen No-go-areas lagen. Denn um die Fremdenfreundlichkeit ist es ja bekanntlich nicht so gut bestellt bei uns. Drei Monate vor der Weltmeisterschaft wurde der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. am Potsdamer Bahnhof fast totgeschlagen, um nur einen Fall zu nennen. Mecklenburg-Vorpommern wählte im Herbst, wie ein Wähler in einer Umfrage des WDR sagte, die „NSDAP“.

Joo, die im Osten halt... ävver bei uns in Kölle jigget jo sujet nit... Weit gefehlt: Am 4. März wagten Rechtsradikale und Skinheads einen Aufmarsch in Ehrenfeld, es kam zu einem provozierenden Auftritt vor dem Mahnmal der hingerichteten Edelweißpiraten, und es gab Proteste gegen den geplanten Ausbau der Moschee an der Venloer Straße. Tatsächlich aber fanden sich auch eine Menge friedlicher und couragierter Gegendemonstranten ein.

Gut, es bleibt, dass Pro Köln, eine rechtsradikale Fraktion im Kölner Rat, die Stimmung weiter anheizt: so sammelten sie offen Unterschriften gegen den  geplanten Moschee-Ausbau in Ehrenfeld. Ein Grund mehr, wenn in besagte Moschee auch einer der mutmaßlichen Kofferbombenattentäter ging – wie die Bildzeitung uns... ääh... büldete.

So viel also, zu den Weltmeistern der Herzen. Ja, werden vielleicht jetzt einige sagen, auch die Toleranz hat ihre Grenzen... zum Beispiel dort, wo andere unsere Freiheit auch nicht mehr tolerieren... was ja dann klar wurde, im so genannten Karikaturenstreit:

Der Hintergrund des Streits war, dass der „Jyllands-Posten“, ein rechts-konservatives dänisches Provinzblatt, Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlichte, was offensichtlich als Provokation gemeint war. Und so kam es auch an: Daraufhin brannten dänische und westliche Einrichtungen im Nahen Osten, und im nahen Westen entbrannte eine Diskussion, wie weit Satire denn gehen dürfe.

Gar nicht, meinten die katholische Kirche und der polnische Staat. Aber Humor war ja immer schon ein Zeichen von Intelligenz. Die gleiche Kirche mischte sich dann noch mal im Herbst in den so oft – scheinheilig – beschworenen Dialog der Kulturen ein:

In seiner Rede in der Regensburger Kathedrale zitierte Papst Benedikt der soundsovielste einen byzantinischen Kaiser, der gesagt haben soll, der Prophet Mohammed habe "nur Inhumanes und Schlechtes" gebracht. Also, entweder hatte das geistige Oberhaupt aller Katholiken einen ebenso geistigen Aussetzer oder ein handfestes Interesse an der Eskalation.

Na, nur gut, dass wir so kompetent beschützt werden, wie durch den deutschen Geheimdienst: Der konnte nämlich nur wenigen Wochen nach besagter Fußballweltmeisterschaft der Herzen libanesische Kofferbombenattentäter dingfest machen – mutmaßliche! Also, es ist eigentlich gar nichts passiert, aber auf jeden Fall konnte es verhindert werden. Gerade noch rechtzeitig zwei Wochen, bevor ein Gesetz zur Rasterfandung, in der nun sämtliche Muslime erfasst werden können, vom Bundestag verabschiedet wurde.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



Apropos Libanon: Wieder ein Erfolg für die Bundeswehr! Endlich darf sie jetzt auch die deutschen Interessen nicht nur im Kosovo, in Afghanistan, patrouillierend  im Mittelmeer, in Dschibuti am Horn von Afrika und im Kongo, sondern auch im Libanon verteidigen. Hab ich einen Ort vergessen?! – Oh, Entschuldigung, da kann man aber auch leicht den Überblick verlieren!

Sicher sorgt die Bundeswehr da aber auch für demokratische Zustände, in diesen Ländern – also, ääh, ich meine, wenn sie nicht gerade mal mit Totenschädeln hantiert... Demokratische Zustände...?! Nicht, dass sie am Ende auch noch nach Polen – wieder einmal – einmarschieren muss, da Polen ja, seit diesem Jahr von einem Zwillings-Klon-Paar regiert wird. Oder nach Ungarn. Nachdem der ungarische Premier offen zugegeben hatte, seine Wähler von oben bis unten belogen zu haben, brach dort zum Jahrestag des ungarischen Volksaufstandes der ähh... Volksaufstand aus. Wieso denn eigentlich? Wo doch endlich mal einer dieser Politiker die Wahrheit sagte...

Ja, diese Demokratie, ein sehr sensibles Geflecht... womit wir auch wieder in Köln wären – also nicht so sehr beim Thema sensibel, sondern bei Geflecht: Köln und der Klüngel - die Skandale reißen ja gar nicht mehr ab. Kölns Ober... äh Schramma, der quasi als Dreigestirn in verantwortlichen Positionen bei der Kölner Stadtsparkasse, der Köln-Messe und natürlich bei der Stadtverwaltung die Oppenheim-Bank mit dem Neubau der Messe begünstigt haben soll, wird deswegen von der Staatsanwaltschaft untersucht - natürlich völlig zu Unrecht -, was die Stadt veranlasste, gegen erheblichen Widerstand der Bevölkerung ein ganzes Viertel in Deutz für einen neuen Messeparkplatz abzureißen. Nun, gut, sicher werden diverse Untersuchungsausschüsse, unabhängige Gutachter und die kritische Kölner Presse noch Licht ins Dunkel der Kölner Klüngelsümpfe bringen... Sicher! Allen voran die Blätter des reuigen Oppenheim-Esch-Fonds-Anteilseigners! 

Vor allen Dingen bei dieser Bildungsmisere..., die ging nämlich weiter dieses Jahr: Ein UN-Sonderberichterstatter untersuchte im Februar das deutsche Schulsystem und kam zu der Schlussfolgerung, dass Migrantenkinder und Schüler aus ärmeren Familien extrem benachteiligt werden. Wen wundert das, da sich doch Landes- und Bundesregierung ausdrücklich für Elitebildung einsetzen?

Im Juli beschloss man, den Hochschulen den Etat zu kürzen, sollten die Unis doch sehen, woher sie ihre Gelder bekamen: Von den Studierenden natürlich – und flugs beschloss man, endlich Studiengebühren für alle einzuführen... aber sie nehmen es nicht nur von den Armen, auch von der Wirtschaft, die durch das neue „Hochschulfreiheitsgesetz“ endlich richtig Einfluss auf die Lerninstitute nehmen darf: In Marburg eröffnete der erste Aldi-Süd-Hörsaal. Nein, das ist leider keine Satire!

Wenig lustig fanden das auch die Studenten an der Kölner Uni und besetzten über eine Woche das Büros ihres Hochschulrektors, dem zum Glück aber – Ende gut, alles gut – die Polizei zur Hilfe kam.

Es ist natürlich zu befürchten, dass man durch diese Politik gerade wieder die Gruppe des „abgehängten Prekariats“ vergrößert. Was das sein soll?! Mitte Oktober fand die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung durch eine Studie heraus, dass die neue Oberschicht – gemeint müssen wohl die Ackermänner dieser Republik sein – die neue Unterschicht längst abgehängt hat... Hätten die mal die Studie vor dem Erlass der Hartz-IV-Gesetze veröffentlicht! Gelesen hat die Studie aber offensichtlich unser OB. Der will sich jetzt, laut Kölner Stadt-Anzeiger echt bessern. Nachdem seine Stadtverwaltung die Obdachlosen erstmal von der Platte geputzt hatte, verputzte er nun - am ersten Feiertag - gemeinsam mit 120 von ihnen und seiner Frau Ulla die Platte. Pardon „ein Dreigängemenü der Gürzenich-Gastronomie“, wie sein Leib- und Magenblatt den Kölnern ankündigte. Warum? „Ein kleines Zeichen der Menschlichkeit“ wollte er damit für’s Publikum setzen.

Ansonsten alles schrecklich... Das war das Jahr 2006?! Und dabei haben wir ja noch gar nicht über die Vogelgrippe, die Skandale um gammliges Fleisch, den offensichtlichen Klimawandel, verstrahlte russische Geheimagenten, den Kölner U-Bahn-Bau, die Schließung der Allianz-Niederlassungen in Dortmund, Aachen und Köln bei wohl bemerkt gleichzeitigem Milliarden-Profit, die Entlassungen bei BenQ, oder war’s jetzt doch Siemens...? oder die schleichende Abschaffung des Bürgerfunks geredet. Nein, haben wir nicht, das machen wir das nächste Mal! Versprochen!

Bis dahin haben Sie die Gelegenheit, sich nicht alles gefallen zu lassen – in diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr!

Online-Flyer Nr. 76  vom 26.12.2006

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