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Medien
Wie Regierung, Medien und Verbraucherschutz Bürger schutzlos machen
Gesundheitsrisiko Mobilfunk
Von Professor Dr. Karl Richter
Wir veröffentlichen den Vortrag hier, weil in den üblichen Medien kaum kritisch darüber berichtet wird, sondern eher Werbung dafür gemacht wird. Im Kölner Stadt-Anzeiger zum Beispiel am 12. März gleich in drei Artikeln, obwohl dieser gerade vom Deutschen Presserat eine Rüge wegen Werbung im redaktionellen Teil erhalten hat.
Vom Umgang mit der Wahrheit und mit Bürgern
Eine von unserem Gesundheitsminister herausgegebene Broschüre „Mobilfunk und Funkwellen“ versichert mit ihrem letzten Satz: „Technische Geräte sind offenbar wesentlich störanfälliger für Mikrowellen als der menschliche Organismus“. In Wahrheit liegt aus sieben Jahrzehnten eine breite Forschung vor, die zeigt, wie störanfällig nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen gegenüber Hochfrequenzbelastungen sind.
Mich selbst hat zum Kritiker gemacht, daß ich die schädigende Wirkung an mir und zahlreichen Mitbürgern beobachten konnte. An mir selbst z. B. einen quälenden Brummton und eine Flut allergischer Erscheinungen nach Aufstellung neuer Antennen; ganz allgemein aber eine auffällige Häufung von gesundheitlichen Störungen und chronischen Erkrankungen der verschiedensten Art im Umfeld von Antennen. Gegen bloße Einbildung sprach die Betroffenheit auch von Kleinkindern, Tieren und Pflanzen. Ein naturgeschützter Buchenwald zwischen unserem Haus und einem ca. 120 Meter entfernten Sendemast mit zahlreichen Antennen ist binnen weniger Jahre bis auf kärgliche Reste eingegangen. Nur zweihundert Meter daneben zeigt er keinerlei Spuren von Verfall.
Lassen Sie mich an drei aktuellen Beispielen andeuten, wie weit die amtlichen Versicherungen der Unbedenklichkeit eingesetzter Techniken und uns vorliegende aktuelle Forschungsergebnisse auseinandergehen:
Professor Dr. Karl Richter
1)
Immer wieder wird versichert, daß die UMTS-Technik besonders gut verträglich sei und mit ihren zahlreichen Antennen deshalb bis auf 10-m-Abstände mitten in Wohngebiete gestellt werden könne. Authentische Schreiben führender Wissenschaftlicher informieren mich jedoch über publikationsreife neue Forschungen, denen zufolge gerade diese Strahlungsart um ein Vielfaches schädlicher ist als die der GSM-Netze.
2)
Ein Projekt der Universität Zürich hat im zurückliegenden Jahr die Erkenntnisse der Bayerischen Rinderstudie bestätigt: Häufung von Mißbildungen, Erkrankungen und Verhaltensstörungen der Tiere im Umfeld von Sendeantennen.
Die folgende Fotoserie dokumentiert, wie eine Linde nach dem Aufstellen eines Mobilfunkmastes stirbt
3)
Auch Zusammenhänge zwischen Baumsterben und elektromagnetischer Strahlung sind inzwischen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden vielfältig belegt. Ein in NRW sogar mit Landesmitteln gefördertes, dann totgeschwiegenes Forschungsprojekt hat die Schädigung von Fichtenschonungen durch Hochfrequenzstrahlung bereits 1999 eindeutig nachgewiesen. Und eine CD mit Zeitreihen von antennennahen Baumphotographien liefert inzwischen einen eindrucksvollen Befund. Die Indizien mehren sich, daß der UMTS-Staat das Waldsterben auch in die Städte geholt hat, was die CO2-Belastung indirekt auch auf diesem Wege fördert.
Mein Thema ist ansonsten nicht die Vergegenwärtigung des Forschungsstandes, sondern die Frage des Umgangs damit. Es ist sicher korrekt, die Zeitreihen von Baumaufnahmen zunächst noch im Sinne von Indizien einzustufen. Umgekehrt wäre es fahrlässig, solchen Indizien nicht weiter nachzugehen.
Die Schwester der sterbenden Linde steht von der Strahlung geschützt und kann deshalb überleben
Nichts anderes hatten sich fast 40 saarländische Bürger- und Bürgerinnen erwartet, als Gutachten der bekannten bayerischen Ärztin Dr. C. Waldmann-Selsam an drei Antennenstandorten in Völklingen, Homburg-Jägersburg und Homburg-Bruchhof eine auffällige Häufung von typischen Erkrankungen und Krankheitssyndromen dokumentierten.
Örtliche Gesundheitsbehörden und der Gesundheitsminister wurden von mehreren Seiten um Einschaltung und Prüfung gebeten. Die sahen dann allerdings so aus: Ein Meßtechniker kam und stellte fest, daß die Grenzwerte deutlich unterboten seien, es sich folglich nur um Einbildungen handeln könne. Vom Schreibtisch aus wurde den Betroffenen von höheren und höchsten Verbraucherschützern versichert, daß nicht sein könne, was sie an sich zu beobachten glauben.
Auf einer DVD ist dieses Baumsterben unter dem Einfluß der Strahlung dokumentiert
Einige der Betroffenen zeigten erst den Mobilfunkbetreiber Vodafone; dann die örtlichen Behörden, schließlich den Gesundheitsminister an. Aber auf allen Kanälen wurde ihnen gesagt, daß angesichts eingehaltener Grenzwerte niemand schuldfähig sei und auch kein Handlungsbedarf bestehe.
Unsere Landesregierung bekennt sich zu dem ehrgeizigen Ziel, ein ‚Musterland des Mobilfunks’, ja ein ‚Saarland unwired’ zu etablieren. Aber wir bezweifeln, daß der Verbraucherschutz mit den wirtschaftspolitischen Zielen und Denkweisen Schritt gehalten hat.
Verbraucherschutz oder industriegefällige Ideologie?
Angesichts unserer unbefriedigenden Erfahrungen habe ich mich im Auftrag von 33 betroffenen Bürgern 2006 mit einem Hilferuf an die Kommission SCENIHR der EU gewandt, die Schädigungsberichte sammelt und unseren Bericht angenommen hat.
Der Bericht beschreibt unter anderem das unzureichende Schutzsystem, dem sich betroffene Bürger ausgesetzt sehen. Während sie mit gesundheitlichen Beschwerden, mit Wertverlusten und unsicheren Schutzvorkehrungen allein gelassen werden, bekommen sie gebetsmühlenartig die folgenden Standards und Glaubensartikel deutscher Hochfrequenzpolitik zu hören.
‚Exakte’ Erkenntnisse über Gefahren und Schädigungen gibt es nicht -
mit diesem Argument weist die Landesregierung alle Hinweise auf Risiken stereotyp zurück. Ein Positionspapier des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. (VDE) von 2002 nimmt für sich in Anspruch, daß es auch exakte Nachweise der Unschädlichkeit nie geben könne und werde. Beides geht nicht nur auf jeweilige Forschungslücken, sondern auch darauf zurück, daß Bioorganismen toxische Belastungen von Fall zu Fall ganz unterschiedlich beantworten. Aber ist es nicht entlarvend, wenn sich die Verantwortlichen aus Industrie, Politik und Wissenschaft vom verläßlichen Nachweis der Unschädlichkeit entbinden, von Betroffenen aber den ‚exakten’ Nachweis der Schädlichkeit fordern?
Ihr seid durch Grenzwerte wunderbar geschützt -
wird mit einem weiteren Basistheorem der Mobilfunkpolitik stereotyp gesagt. Die deutschen Grenzwerte, die für ihre besondere Höhe bekannt sind, verdanken sich dem Wirken eines industrienahen Privatvereins (ICNIRP), der bereits mit seinen Empfehlungen für den Niederfrequenzbereich falsch lag. Sie wurden zum Schutz gegen eine Überhitzung des Körpers festgelegt und berücksichtigen die nicht-thermischen Wirkungen noch nicht, die seither im Zentrum der Diskussion stehen. Warum fragen sich die Verantwortlichen nicht, wie es kommt, daß in anderen europäischen Regionen wie der Toskana bereits zehntausendfach niedrigere Belastungen strafbar wären; daß eine Kommission der EU (STOA) hunderttausendfach niedrigere Grenzwerte empfohlen hat; daß immer mehr Ärzte und Wissenschaftler sogar millionenfach niedrigere Vorsorgewerte fordern? Mit Recht hat eine internationale Kommission von Wissenschaftlern in der Benevento-Resolution von 2006 das Instrument der Grenzwerte in seiner gegenwärtigen Nutzung als Programm politischer Selbsttäuschung, aber auch einer Täuschung der Bevölkerung qualifiziert.
Antennen auf Dächern sind nicht nur ein gutes, sondern auch ein gesundes Geschäft - wird den Dachvermietern mit einem der trübsten Glaubensartikel deutscher Mobilfunkpolitik gesagt. Doch das Geschäft ist gleich in doppelter Weise verlogen. Wie ein Bericht des Prüflabors IMST von 2005 gezeigt hat, bleiben die Vermieter keineswegs frei von Strahlenbelastungen, wie man ihnen versprochen hat. Immerhin machen sie ein lukratives Geschäft und können sich darauf verlassen, daß der größere Teil der Strahlung tatsächlich nach den Seiten geht – also zu den Nachbarn, denen statt lukrativer Beteiligungen gesundheitliche Belastungen sowie Wertminderungen ihrer Wohnungen und Häuser aufgezwungen werden. Jeder von uns, der solche Geschäfte zu Lasten Dritter machen würde, würde gerichtlich belangt. Die Mobilfunkpolitik hat sie zu einer gesetzlichen Norm gemacht.
Eine besondere Elektrosensibilität gibt es nicht -
wird auch von Verbraucherschützern behauptet, die unterschiedliche Grade der Sensibilität gegenüber anderweitigen Umweltbelastungen ansonsten nicht bestreiten. Die wachsende Zahl besonders elektrosensibler Menschen wird deshalb gnadenlos überfahren. Tierarten, denen man Schutzzonen einräumt, haben es besser. Eine Konferenz in Stockholm hat im Mai 2006 das Phänomen der Elektrosensibilität nicht nur bestätigt. Sie hat auch gefordert, Elektrosensiblen ein Leben in Gesundheit und Würde in unserer Gesellschaft zu ermöglichen“ – wie es das Gesetz verspricht.
Diese DVD können Interessenten im Internet finden
Fazit: Eine angebliche Kultur der Kommunikation ist für immer mehr Menschen zum Inbegriff eines kommunikations- und kulturlosen Konsumzwangs geworden; der Verbraucherschutz zum System einer industriegefälligen Ideologie, die die Betroffenen schutzlos macht.
Der Verstoß gegen demokratische Grund- und Schutzrechte
Der Sammelband Mobilfunk, Mensch und Recht (hg. von W. Karl und E. C. Schöpfer), eine Publikation des Österreichischen Instituts für Menschenrechte, hat vor wenigen Monaten gezeigt, in welchem Maße die betriebene Mobilfunkpolitik gegen Grund- und Menschenrechte verstößt. Um dies im Bezug auf das deutsche Grundgesetz wenigstens anzudeuten:
Artikel 2,2 des Grundgesetzes und Artikel 174 des EG-Vertrags machen den Regierenden die Risikovorsorge zur verbindlichen Auflage. Was wir dagegen erleben, ist ein landesweiter Freilandversuch an einer Million Menschen.
Der Schutz von Minderheiten, aber auch der Schwächeren und Sensibleren, ist ein Qualitätsmerkmal unserer Demokratie. Die Minderheit der Elektrosensiblen aber wird überfahren und diffamiert, wie man es eher aus der Tradition totalitärer Regime gewohnt ist.
Zu den Aufgaben der Demokratie gehört der Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG). Die Wertminderungen aber, die sich aus der Nähe zu Mobilfunkmasten ergeben, reichen bis zur Unverkäuflichkeit von Immobilien und damit zur faktischen Enteignung.
Körperverletzung, Vertreibung und Enteignung sind zu typischen Folgeschicksalen der Mobilfunkpolitik geworden – in Zeiten des Friedens und im Namen des demokratischen Rechtsstaats.
Bei Medien, die ihre Unabhängigkeit und den Auftrag zum Schutz der Demokratie ernst nehmen, finden betroffene Bürger zuweilen einen gewissen Rückhalt. Wo sich auch die Medien für die Bedürfnisse der Industrie instrumentalisieren lassen (wie das Uwe Krüger in seinem mutigen Beitrag Funkstille über Strahlungsschäden in Message 1/2007 kritisiert hat und wie es mehrere Beiträge aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. 3. 2007 soeben wieder eindrucksvoll belegen), ist die Perversion unserer Demokratie weit fortgeschritten: Der Bürger, das Subjekt der Demokratie, wurde zum Objekt kommerzieller Interessen und gezielter Volksverdummung gemacht; die ‚Herrschaft des Volks’ wurde von der Herrschaft der Industrie abgelöst.
Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie
Tausende von Bürgerinitiativen haben inzwischen den Eindruck gewonnen, daß ein in die Geschäfte der Industrie verstrickter Staat nicht in der Lage ist, für einen zeitgemäßen Umwelt- und Verbraucherschutz zu sorgen. Immer mehr Ärzte und Wissenschaftler teilen diese Überzeugung. Daraus ist in deutschlandweiter Vernetzung von Ärzten, Wissenschaftlern und Technikern soeben eine Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie hervorgegangen, die einen längst überfälligen Prozeß des Umdenkens fordert und mit gestalten will.
Siehe http://www.puls-schlag.org/05_baumschaeden.html
Fotos: www.puls-schlag.org
Lassen Sie mich abschließend einige Passagen aus dem Gründungstext der Initiative zitieren, der demnächst publik gemacht wird – mit Nennung der Gründungsmitglieder und der Ansprechpartner. Ich zitiere vorweg nur einige Passagen daraus, denen es allgemeiner um Bedingungen eines zeitgemäßen Umwelt- und Verbraucherschutzes zu tun ist:
Lehren aus Vergangenheit und Gegenwart - für eine Welt mit Zukunft
„Umweltkatastrophen werden gemacht. Der Einfluß der Industrie auf die Wege der Forschung, das Versagen unabhängiger staatlicher und wissenschaftlicher Kontrollfunktionen, Verwechslungen von Wertbewußtsein mit Machbarkeitswahn sind drei ihrer regelmäßigen Ursachen.
Während die Politik mit der Verspätung eines halben Jahrhunderts auf die bekannten Risiken des Rauchens reagiert und sich ihren Beitrag zur kaum mehr abwendbaren Klimakatastrophe gerade eingestehen muß, sorgt sie in der galoppierenden Ausbreitung elektromagnetischer Felder bereits für die nächste Form der Luftverschmutzung mit kaum minder fatalen Prognosen.
Die Unterzeichner/innen sehen sich in Übereinstimmung mit bekannten Vordenkern einer wert- und zukunftsbewußten Politik, wenn sie aus der Geschichte des Umweltversagens folgende Lehren ziehen:
1)
Umwelt- und Verbraucherschutz setzen eine intakte Demokratie voraus. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist nicht nur das Fundament jeder Demokratie, sondern auch der wichtigste Schutz vor kapitalistischer Ausbeutung (so Heiner Geißler: Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums, 2003 u. ö.). Der deutsche Föderalismus muß dahingehend reformiert werden, daß er – auch im Verbraucherschutz - nicht „Scheindemokratie“ und schwindende Verantwortung zur Folge hat (mit Hans Herbert von Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie. Politik ohne Verantwortung – am Volk vorbei, erw. Tb.-Ausgabe 2002).
2)
Der Verzicht auf Lenkungen der Wahrheit unterscheidet demokratische und totalitäre Regime (so auch Hannah Arendt).
3)
Umweltpolitik muß integraler Bestandteil einer umfassenden Friedenspolitik werden. Sie fordert die Bereitschaft zum Gewaltverzicht auch im Verhältnis zur Umwelt, macht die Natur zum Partner, nicht zum Objekt der Ausbeutung und Unterwerfung (mit Franz Alt: Der ökologische Jesus. Vertrauen in die Schöpfung, 2. Aufl. 2003). „Mitverantwortung für den Nächsten“ und „Ehrfurcht vor der Schöpfung“ sind darum ihre wichtigsten Voraussetzungen (so Klaus Töpfer im Vorwort zum Buch von Alt).
4)
Umweltpolitik muß Grundlage einer Wirtschaftspolitik werden, die künftigen Generationen kein unbezahlbares Gesundheitssystem und andere Folgekosten hinterläßt.
5)
Technik und Politik bedürfen dazu einer ethischen Fundierung. Kern jeder Ethik der Technik ist nach Carl Friedrich von Weizsäcker die Nächstenliebe. Nächstenliebe und Ehrfurcht vor der Schöpfung sind unverzichtbare Bedingungen auch jeder Ethik der Politik.
Wer die Aufgeschlossenheit für ‚technologische Innovationen’ fordert, sollte sich und der Nation auch die erforderliche geistige Erneuerung nicht ersparen. Mehr denn je trifft zu, was der Erste Bericht des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums bereits 1972 vorausgesagt hat: Der Mensch steht „nicht nur vor der Frage, ob er als biologische Spezies überleben wird, sondern ob er wird überleben können, ohne den Rückfall in eine Existenzform, die nicht lebenswert erscheint.“
Texte wie der erwähnte EU-Bericht, die medizinischen Gutachten, der Gründungstext der Kompetenzinitiative und weitere Texte im Umkreis des Themas werden u. a. auf der Homepage des Bündnisses saarländischer Bürgerinitiativen Mobilfunk www.buerger-machen-mobil.de zugänglich gemacht – z. T. schon jetzt, z. T. demnächst
Online-Flyer Nr. 87 vom 21.03.2007
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Medien
Wie Regierung, Medien und Verbraucherschutz Bürger schutzlos machen
Gesundheitsrisiko Mobilfunk
Von Professor Dr. Karl Richter
Wir veröffentlichen den Vortrag hier, weil in den üblichen Medien kaum kritisch darüber berichtet wird, sondern eher Werbung dafür gemacht wird. Im Kölner Stadt-Anzeiger zum Beispiel am 12. März gleich in drei Artikeln, obwohl dieser gerade vom Deutschen Presserat eine Rüge wegen Werbung im redaktionellen Teil erhalten hat.
Vom Umgang mit der Wahrheit und mit Bürgern
Eine von unserem Gesundheitsminister herausgegebene Broschüre „Mobilfunk und Funkwellen“ versichert mit ihrem letzten Satz: „Technische Geräte sind offenbar wesentlich störanfälliger für Mikrowellen als der menschliche Organismus“. In Wahrheit liegt aus sieben Jahrzehnten eine breite Forschung vor, die zeigt, wie störanfällig nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und Pflanzen gegenüber Hochfrequenzbelastungen sind.
Mich selbst hat zum Kritiker gemacht, daß ich die schädigende Wirkung an mir und zahlreichen Mitbürgern beobachten konnte. An mir selbst z. B. einen quälenden Brummton und eine Flut allergischer Erscheinungen nach Aufstellung neuer Antennen; ganz allgemein aber eine auffällige Häufung von gesundheitlichen Störungen und chronischen Erkrankungen der verschiedensten Art im Umfeld von Antennen. Gegen bloße Einbildung sprach die Betroffenheit auch von Kleinkindern, Tieren und Pflanzen. Ein naturgeschützter Buchenwald zwischen unserem Haus und einem ca. 120 Meter entfernten Sendemast mit zahlreichen Antennen ist binnen weniger Jahre bis auf kärgliche Reste eingegangen. Nur zweihundert Meter daneben zeigt er keinerlei Spuren von Verfall.
Lassen Sie mich an drei aktuellen Beispielen andeuten, wie weit die amtlichen Versicherungen der Unbedenklichkeit eingesetzter Techniken und uns vorliegende aktuelle Forschungsergebnisse auseinandergehen:
Professor Dr. Karl Richter
1)
Immer wieder wird versichert, daß die UMTS-Technik besonders gut verträglich sei und mit ihren zahlreichen Antennen deshalb bis auf 10-m-Abstände mitten in Wohngebiete gestellt werden könne. Authentische Schreiben führender Wissenschaftlicher informieren mich jedoch über publikationsreife neue Forschungen, denen zufolge gerade diese Strahlungsart um ein Vielfaches schädlicher ist als die der GSM-Netze.
2)
Ein Projekt der Universität Zürich hat im zurückliegenden Jahr die Erkenntnisse der Bayerischen Rinderstudie bestätigt: Häufung von Mißbildungen, Erkrankungen und Verhaltensstörungen der Tiere im Umfeld von Sendeantennen.
Die folgende Fotoserie dokumentiert, wie eine Linde nach dem Aufstellen eines Mobilfunkmastes stirbt
3)
Auch Zusammenhänge zwischen Baumsterben und elektromagnetischer Strahlung sind inzwischen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden vielfältig belegt. Ein in NRW sogar mit Landesmitteln gefördertes, dann totgeschwiegenes Forschungsprojekt hat die Schädigung von Fichtenschonungen durch Hochfrequenzstrahlung bereits 1999 eindeutig nachgewiesen. Und eine CD mit Zeitreihen von antennennahen Baumphotographien liefert inzwischen einen eindrucksvollen Befund. Die Indizien mehren sich, daß der UMTS-Staat das Waldsterben auch in die Städte geholt hat, was die CO2-Belastung indirekt auch auf diesem Wege fördert.
Mein Thema ist ansonsten nicht die Vergegenwärtigung des Forschungsstandes, sondern die Frage des Umgangs damit. Es ist sicher korrekt, die Zeitreihen von Baumaufnahmen zunächst noch im Sinne von Indizien einzustufen. Umgekehrt wäre es fahrlässig, solchen Indizien nicht weiter nachzugehen.
Die Schwester der sterbenden Linde steht von der Strahlung geschützt und kann deshalb überleben
Nichts anderes hatten sich fast 40 saarländische Bürger- und Bürgerinnen erwartet, als Gutachten der bekannten bayerischen Ärztin Dr. C. Waldmann-Selsam an drei Antennenstandorten in Völklingen, Homburg-Jägersburg und Homburg-Bruchhof eine auffällige Häufung von typischen Erkrankungen und Krankheitssyndromen dokumentierten.
Örtliche Gesundheitsbehörden und der Gesundheitsminister wurden von mehreren Seiten um Einschaltung und Prüfung gebeten. Die sahen dann allerdings so aus: Ein Meßtechniker kam und stellte fest, daß die Grenzwerte deutlich unterboten seien, es sich folglich nur um Einbildungen handeln könne. Vom Schreibtisch aus wurde den Betroffenen von höheren und höchsten Verbraucherschützern versichert, daß nicht sein könne, was sie an sich zu beobachten glauben.
Auf einer DVD ist dieses Baumsterben unter dem Einfluß der Strahlung dokumentiert
Einige der Betroffenen zeigten erst den Mobilfunkbetreiber Vodafone; dann die örtlichen Behörden, schließlich den Gesundheitsminister an. Aber auf allen Kanälen wurde ihnen gesagt, daß angesichts eingehaltener Grenzwerte niemand schuldfähig sei und auch kein Handlungsbedarf bestehe.
Unsere Landesregierung bekennt sich zu dem ehrgeizigen Ziel, ein ‚Musterland des Mobilfunks’, ja ein ‚Saarland unwired’ zu etablieren. Aber wir bezweifeln, daß der Verbraucherschutz mit den wirtschaftspolitischen Zielen und Denkweisen Schritt gehalten hat.
Verbraucherschutz oder industriegefällige Ideologie?
Angesichts unserer unbefriedigenden Erfahrungen habe ich mich im Auftrag von 33 betroffenen Bürgern 2006 mit einem Hilferuf an die Kommission SCENIHR der EU gewandt, die Schädigungsberichte sammelt und unseren Bericht angenommen hat.
Der Bericht beschreibt unter anderem das unzureichende Schutzsystem, dem sich betroffene Bürger ausgesetzt sehen. Während sie mit gesundheitlichen Beschwerden, mit Wertverlusten und unsicheren Schutzvorkehrungen allein gelassen werden, bekommen sie gebetsmühlenartig die folgenden Standards und Glaubensartikel deutscher Hochfrequenzpolitik zu hören.
‚Exakte’ Erkenntnisse über Gefahren und Schädigungen gibt es nicht -
mit diesem Argument weist die Landesregierung alle Hinweise auf Risiken stereotyp zurück. Ein Positionspapier des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. (VDE) von 2002 nimmt für sich in Anspruch, daß es auch exakte Nachweise der Unschädlichkeit nie geben könne und werde. Beides geht nicht nur auf jeweilige Forschungslücken, sondern auch darauf zurück, daß Bioorganismen toxische Belastungen von Fall zu Fall ganz unterschiedlich beantworten. Aber ist es nicht entlarvend, wenn sich die Verantwortlichen aus Industrie, Politik und Wissenschaft vom verläßlichen Nachweis der Unschädlichkeit entbinden, von Betroffenen aber den ‚exakten’ Nachweis der Schädlichkeit fordern?
Ihr seid durch Grenzwerte wunderbar geschützt -
wird mit einem weiteren Basistheorem der Mobilfunkpolitik stereotyp gesagt. Die deutschen Grenzwerte, die für ihre besondere Höhe bekannt sind, verdanken sich dem Wirken eines industrienahen Privatvereins (ICNIRP), der bereits mit seinen Empfehlungen für den Niederfrequenzbereich falsch lag. Sie wurden zum Schutz gegen eine Überhitzung des Körpers festgelegt und berücksichtigen die nicht-thermischen Wirkungen noch nicht, die seither im Zentrum der Diskussion stehen. Warum fragen sich die Verantwortlichen nicht, wie es kommt, daß in anderen europäischen Regionen wie der Toskana bereits zehntausendfach niedrigere Belastungen strafbar wären; daß eine Kommission der EU (STOA) hunderttausendfach niedrigere Grenzwerte empfohlen hat; daß immer mehr Ärzte und Wissenschaftler sogar millionenfach niedrigere Vorsorgewerte fordern? Mit Recht hat eine internationale Kommission von Wissenschaftlern in der Benevento-Resolution von 2006 das Instrument der Grenzwerte in seiner gegenwärtigen Nutzung als Programm politischer Selbsttäuschung, aber auch einer Täuschung der Bevölkerung qualifiziert.
Antennen auf Dächern sind nicht nur ein gutes, sondern auch ein gesundes Geschäft - wird den Dachvermietern mit einem der trübsten Glaubensartikel deutscher Mobilfunkpolitik gesagt. Doch das Geschäft ist gleich in doppelter Weise verlogen. Wie ein Bericht des Prüflabors IMST von 2005 gezeigt hat, bleiben die Vermieter keineswegs frei von Strahlenbelastungen, wie man ihnen versprochen hat. Immerhin machen sie ein lukratives Geschäft und können sich darauf verlassen, daß der größere Teil der Strahlung tatsächlich nach den Seiten geht – also zu den Nachbarn, denen statt lukrativer Beteiligungen gesundheitliche Belastungen sowie Wertminderungen ihrer Wohnungen und Häuser aufgezwungen werden. Jeder von uns, der solche Geschäfte zu Lasten Dritter machen würde, würde gerichtlich belangt. Die Mobilfunkpolitik hat sie zu einer gesetzlichen Norm gemacht.
Eine besondere Elektrosensibilität gibt es nicht -
wird auch von Verbraucherschützern behauptet, die unterschiedliche Grade der Sensibilität gegenüber anderweitigen Umweltbelastungen ansonsten nicht bestreiten. Die wachsende Zahl besonders elektrosensibler Menschen wird deshalb gnadenlos überfahren. Tierarten, denen man Schutzzonen einräumt, haben es besser. Eine Konferenz in Stockholm hat im Mai 2006 das Phänomen der Elektrosensibilität nicht nur bestätigt. Sie hat auch gefordert, Elektrosensiblen ein Leben in Gesundheit und Würde in unserer Gesellschaft zu ermöglichen“ – wie es das Gesetz verspricht.
Diese DVD können Interessenten im Internet finden
Fazit: Eine angebliche Kultur der Kommunikation ist für immer mehr Menschen zum Inbegriff eines kommunikations- und kulturlosen Konsumzwangs geworden; der Verbraucherschutz zum System einer industriegefälligen Ideologie, die die Betroffenen schutzlos macht.
Der Verstoß gegen demokratische Grund- und Schutzrechte
Der Sammelband Mobilfunk, Mensch und Recht (hg. von W. Karl und E. C. Schöpfer), eine Publikation des Österreichischen Instituts für Menschenrechte, hat vor wenigen Monaten gezeigt, in welchem Maße die betriebene Mobilfunkpolitik gegen Grund- und Menschenrechte verstößt. Um dies im Bezug auf das deutsche Grundgesetz wenigstens anzudeuten:
Artikel 2,2 des Grundgesetzes und Artikel 174 des EG-Vertrags machen den Regierenden die Risikovorsorge zur verbindlichen Auflage. Was wir dagegen erleben, ist ein landesweiter Freilandversuch an einer Million Menschen.
Der Schutz von Minderheiten, aber auch der Schwächeren und Sensibleren, ist ein Qualitätsmerkmal unserer Demokratie. Die Minderheit der Elektrosensiblen aber wird überfahren und diffamiert, wie man es eher aus der Tradition totalitärer Regime gewohnt ist.
Zu den Aufgaben der Demokratie gehört der Schutz des Eigentums (Artikel 14 GG). Die Wertminderungen aber, die sich aus der Nähe zu Mobilfunkmasten ergeben, reichen bis zur Unverkäuflichkeit von Immobilien und damit zur faktischen Enteignung.
Körperverletzung, Vertreibung und Enteignung sind zu typischen Folgeschicksalen der Mobilfunkpolitik geworden – in Zeiten des Friedens und im Namen des demokratischen Rechtsstaats.
Bei Medien, die ihre Unabhängigkeit und den Auftrag zum Schutz der Demokratie ernst nehmen, finden betroffene Bürger zuweilen einen gewissen Rückhalt. Wo sich auch die Medien für die Bedürfnisse der Industrie instrumentalisieren lassen (wie das Uwe Krüger in seinem mutigen Beitrag Funkstille über Strahlungsschäden in Message 1/2007 kritisiert hat und wie es mehrere Beiträge aus dem Kölner Stadt-Anzeiger vom 12. 3. 2007 soeben wieder eindrucksvoll belegen), ist die Perversion unserer Demokratie weit fortgeschritten: Der Bürger, das Subjekt der Demokratie, wurde zum Objekt kommerzieller Interessen und gezielter Volksverdummung gemacht; die ‚Herrschaft des Volks’ wurde von der Herrschaft der Industrie abgelöst.
Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie
Tausende von Bürgerinitiativen haben inzwischen den Eindruck gewonnen, daß ein in die Geschäfte der Industrie verstrickter Staat nicht in der Lage ist, für einen zeitgemäßen Umwelt- und Verbraucherschutz zu sorgen. Immer mehr Ärzte und Wissenschaftler teilen diese Überzeugung. Daraus ist in deutschlandweiter Vernetzung von Ärzten, Wissenschaftlern und Technikern soeben eine Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie hervorgegangen, die einen längst überfälligen Prozeß des Umdenkens fordert und mit gestalten will.
Siehe http://www.puls-schlag.org/05_baumschaeden.html
Fotos: www.puls-schlag.org
Lassen Sie mich abschließend einige Passagen aus dem Gründungstext der Initiative zitieren, der demnächst publik gemacht wird – mit Nennung der Gründungsmitglieder und der Ansprechpartner. Ich zitiere vorweg nur einige Passagen daraus, denen es allgemeiner um Bedingungen eines zeitgemäßen Umwelt- und Verbraucherschutzes zu tun ist:
Lehren aus Vergangenheit und Gegenwart - für eine Welt mit Zukunft
„Umweltkatastrophen werden gemacht. Der Einfluß der Industrie auf die Wege der Forschung, das Versagen unabhängiger staatlicher und wissenschaftlicher Kontrollfunktionen, Verwechslungen von Wertbewußtsein mit Machbarkeitswahn sind drei ihrer regelmäßigen Ursachen.
Während die Politik mit der Verspätung eines halben Jahrhunderts auf die bekannten Risiken des Rauchens reagiert und sich ihren Beitrag zur kaum mehr abwendbaren Klimakatastrophe gerade eingestehen muß, sorgt sie in der galoppierenden Ausbreitung elektromagnetischer Felder bereits für die nächste Form der Luftverschmutzung mit kaum minder fatalen Prognosen.
Die Unterzeichner/innen sehen sich in Übereinstimmung mit bekannten Vordenkern einer wert- und zukunftsbewußten Politik, wenn sie aus der Geschichte des Umweltversagens folgende Lehren ziehen:
1)
Umwelt- und Verbraucherschutz setzen eine intakte Demokratie voraus. Die Unantastbarkeit der Menschenwürde ist nicht nur das Fundament jeder Demokratie, sondern auch der wichtigste Schutz vor kapitalistischer Ausbeutung (so Heiner Geißler: Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums, 2003 u. ö.). Der deutsche Föderalismus muß dahingehend reformiert werden, daß er – auch im Verbraucherschutz - nicht „Scheindemokratie“ und schwindende Verantwortung zur Folge hat (mit Hans Herbert von Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie. Politik ohne Verantwortung – am Volk vorbei, erw. Tb.-Ausgabe 2002).
2)
Der Verzicht auf Lenkungen der Wahrheit unterscheidet demokratische und totalitäre Regime (so auch Hannah Arendt).
3)
Umweltpolitik muß integraler Bestandteil einer umfassenden Friedenspolitik werden. Sie fordert die Bereitschaft zum Gewaltverzicht auch im Verhältnis zur Umwelt, macht die Natur zum Partner, nicht zum Objekt der Ausbeutung und Unterwerfung (mit Franz Alt: Der ökologische Jesus. Vertrauen in die Schöpfung, 2. Aufl. 2003). „Mitverantwortung für den Nächsten“ und „Ehrfurcht vor der Schöpfung“ sind darum ihre wichtigsten Voraussetzungen (so Klaus Töpfer im Vorwort zum Buch von Alt).
4)
Umweltpolitik muß Grundlage einer Wirtschaftspolitik werden, die künftigen Generationen kein unbezahlbares Gesundheitssystem und andere Folgekosten hinterläßt.
5)
Technik und Politik bedürfen dazu einer ethischen Fundierung. Kern jeder Ethik der Technik ist nach Carl Friedrich von Weizsäcker die Nächstenliebe. Nächstenliebe und Ehrfurcht vor der Schöpfung sind unverzichtbare Bedingungen auch jeder Ethik der Politik.
Wer die Aufgeschlossenheit für ‚technologische Innovationen’ fordert, sollte sich und der Nation auch die erforderliche geistige Erneuerung nicht ersparen. Mehr denn je trifft zu, was der Erste Bericht des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums bereits 1972 vorausgesagt hat: Der Mensch steht „nicht nur vor der Frage, ob er als biologische Spezies überleben wird, sondern ob er wird überleben können, ohne den Rückfall in eine Existenzform, die nicht lebenswert erscheint.“
Texte wie der erwähnte EU-Bericht, die medizinischen Gutachten, der Gründungstext der Kompetenzinitiative und weitere Texte im Umkreis des Themas werden u. a. auf der Homepage des Bündnisses saarländischer Bürgerinitiativen Mobilfunk www.buerger-machen-mobil.de zugänglich gemacht – z. T. schon jetzt, z. T. demnächst
Online-Flyer Nr. 87 vom 21.03.2007
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